Der modernistische Schwan in den Werken von Rubén Darío und Delmira Agustini


Trabajo Escrito, 2011

16 Páginas, Calificación: 1,7


Extracto


Gliederung

1. Einleitung

2. Einführung zu den Gender Studies

3. Interpretationen des modernistischen Schwans
3.1 Einführung zum Leda-Mythos
3.2 Rubén Darío - “Leda”
3.3 Delmira Agustini - “El cisne”

4. Vergleich der Gedichte

5. Schluss

6. Anhang: Carmen Jodra Davó - „Divertimento erótico“

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Der Schwan ist ein faszinierendes Geschöpf. Der große Vogel mit seinen weiten Flügeln und dem langen, anmutigen Hals besticht vor allem durch seine weiße Farbe, die Reinheit und Tugendhaftigkeit vermittelt, und durch seine treuen, schwarzen Knopfaugen. Sein Gefieder erscheint weich und elegant.

Birgit Seibert, die sich unter anderem auch mit dem modernistischen Schwan auseinandersetzte, beschreibt den Schwan „als Inbegriff perfekter, göttlicher Schönheit, Aristokratie und Eleganz, als Symbol von Idealismus, von Reinheit [und erkennt] die Faszination, die sein Hals in der Form als ewiges Fragezeichen auf den Betrachter ausübt, [an]“ ((2003), S. 24).

Dies zeugt vom Facettenreichtum des Schwans und erklärt dadurch die lange Tradition des Schwanenmotivs in der Literatur. Auch im modernismo, einer panhispanischen literarischen Bewegung gegen Ende des 19. Jahrhunderts, war der Schwan ein weit verbreitetes Symbol, wessen sich auch die lateinamerikanischen Dichter Rubén Darío, der zudem als Begründer und Leitfigur des modernismo gilt, und Delmira Agustini annahmen. Ihre Gedichte „Leda“ und „El cisne“ erzählen von einem erotischen Treffen zwischen einer Frau und einem Schwan.

Für ihre höchst erotischen Gedichte wurde Delmira Agustini bewundert. Aber die Menschen kritisierten sie auch hinsichtlich der bisher nie da gewesenen Offenheit, denn „[f]or the first time, a woman wrote about her yearnings for complete union with a man, using sexual imagery to express her most intimate desires“ (Díaz (2005), S. 5).

Vor der Besprechung und dem Vergleich der Gedichte werden jedoch je eine kurze Einführung zur Thematik der Gender Studies und zum Mythos von Leda und dem Schwan notwendig sein, von welchem sowohl Darío als auch Agustini inspiriert wurden.

2. Einführung zu den Gender Studies

Für das Thema dieser Hausarbeit und für die spätere Analyse der Gedichte ist eine nähere Einführung zum Thema der Gender Studies notwendig und hilfreich[1].

Die Gender Studies sind seit den 1990ern von großem Interesse innerhalb der Forschung. Der Ausdruck Gender Studies bezeichnet die Geschlechterforschung. Das Ziel der Forscher ist Geschlechterdifferenzen zu analysieren, was vor allem im Zusammenhang mit der Rolle und der Wahrnehmung der Frau von Bedeutung ist.

Die Gender Studies fokussieren sich auf „die kulturell vorgegebenen Geschlechterrollen, die eine Gesellschaft bereitstellt“ (Schößler (2008), S. 10). ‚Gender’ bedeutet in diesem Zusammenhang also nicht das anatomische Geschlecht (‚Sex’), dass nur über die Anatomie des Mannes oder der Frau etwas aussagt, sondern beschreibt die Geschlechterrollen, die die Gesellschaft zur verbindlichen und sozial anerkannten Norm erklärt. Als Forschungsobjekt dient hierfür die Literatur, der Film, das Theater – „alle Kunstformen […] können aus der Geschlechter-Perspektive betrachtet werden“ (Schößler (2008), S. 14).

Von besonderer Bedeutung, mit Bezug auf die folgenden Gedichte und deren Analyse, ist die Stellung der Frau innerhalb der Gesellschaft.

Vor 1800 galt über Jahrtausende hinweg das Ein-Geschlecht-Modell. Dieses ging davon aus, dass das weibliche Geschlechtsteil genau so aussehe wie das männliche, aber im Gegensatz dazu nach innen gestülpt sei. Es wurde also von nur einem, aber dafür veränderbarem, Geschlecht ausgegangen. Die Frau wurde somit nur als Abwandlung des Mannes und als nicht eigenständig angesehen.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts verbreitete sich schließlich ein anderes Modell, das der zwei Geschlechter. In diesem werden Männer und Frauen unterschieden; die Frau war nicht mehr nur eine Abänderung des Mannes. Trotzdem wurden Frauen nicht als gleichberechtigt verstanden; sie waren ‚anders’ sowohl auf psychologischer als auch auf anatomischer Ebene. Mit diesem Modell wurde dem Mann die aktive Rolle in der Gesellschaft zugeschrieben, während die Frau vor allem die Charaktereigenschaft der Passivität innehatte. Ihre Arbeiten im Haushalt oder mit den Kindern wurden nicht als Leistung anerkannt; die Frau hatte sich somit unterzuordnen. Diese Punkte sind für die Besprechung des Gedichts „Leda“ von Bedeutung und werden zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgenommen.

3. Interpretationen des modernistischen Schwans

3.1 Einführung zum Leda-Mythos

Der Mythos von Leda und dem Schwan geht auf die griechische Mythologie zurück. Es gibt mehrere verschiedene Fassungen der Geschichte. Eine besagt, dass Zeus, der Göttervater, der schönen Leda verfallen war. Als sie im Fluss Eurotas badete, verwandelte Zeus sich in einen Schwan. Dort überwältigte und vergewaltigte er Leda. In derselben Nacht schlief Leda auch mit ihrem Mann, König Tyndareos. Leda legte daraufhin zwei Eier, aus welchen vier Kinder ‚schlüpften’: Helena und Pollux (Kinder des Zeus) waren unsterblich, und Klytaimnestra und Kastor (Kinder des Tyndareos) waren sterblich. Die schöne Helena sollte später der Auslöser des Trojanischen Krieges werden (vgl. Powell (2009), S. 167).

Seit Beginn der Neuzeit taucht dieser Mythos immer wieder in den Künsten auf. So gibt es viele Statuen, die Leda und den Schwan zeigen. Auch viele Maler nahmen sich der berühmten Szene an. Die bekanntesten Werke sind sicherlich Leda mit dem Schwan von Leonardo da Vinci, entstanden um 1505, Leda von Michelangelo (um 1530) und Leda mit dem Schwan von Peter Paul Rubens (um 1600, Kopie des Motivs von Michelangelo). Zu den Werken der Moderne zählen die Gemälde von Gustav Klimt (1917) und Salvador Dalí (1949).

Auch zahlreiche Gedichte behandeln den Mythos von Leda und dem Schwan. Unter ihnen ist „Leda and the Swan“ (1923) von dem Iren William Butler Yeats und „Leda“ (ca. 1908) von dem deutschen Dichter Rainer Maria Rilke. In den folgenden Abschnitten wird die Verarbeitung des Leda-Mythos durch den nicaraguanischen Schriftsteller Rubén Darío (1867-1916) und die uruguayische Dichterin Delmira Agustini (1886-1914) genauer betrachtet.

3.2 Rubén Darío – „Leda“

Rubén Darío gilt, wie bereits erwähnt, als Begründer des lateinamerikanischen modernismo. Auch er verarbeitete den Leda-Mythos in zahlreichen Gedichten. Besonders hervorzuheben ist hierbei das Gedicht „Leda“[2], auf das im Folgenden näher eingegangen wird.

Der Schwan ist für Rubén Darío „inseparable del mito de Leda“ (Binns (1995), S. 160). Weitere Charakteristika des ‚cisne rubendariano’ sind seine Reinheit, geprägt durch sein sauberes, weißes Gefieder, seine geistige Aristokratie und Anmut und der Fakt, dass er eine ewige Quelle der Inspiration ist (vgl. Binns (1995), S. 160-161).

In „Leda“ greift Darío, wie der Name schon sagt, auf den Leda-Mythos zurück. Auffällig ist jedoch, dass er zwar von der Vergewaltigung Ledas durch den Schwan berichtet, aber nicht explizit erwähnt, dass der Schwan Zeus ist. Es gibt nur eine Andeutung, nämlich: „olímpico pájaro“ (V. 10). Ansonsten setzt Darío voraus, dass die Leser mit der Geschichte Ledas vertraut sind (vgl. Wentzlaff-Eggebert (1990), S. 81).

Die ersten beiden Strophen des Gedichts beziehen sich ausschließlich auf den Schwan. Seine göttliche Schönheit wird besonders durch Vergleiche unterstrichen: „Su pico es de ámbar“ (V. 2); „El cisne es de plata“ (V. 8); „las plumas de seda“ (V. 9). Hier kommt der Einfluss der parnassischen Dichtergruppe zum Vorschein: Der Schwan wird durch edle Stoffe, wie Seide oder Elfenbein, rarefiziert. Des Weiteren wird der Schwan durch den Sonnenaufgang, und dem damit verbundenen Licht- und Schattenspiel, in ein rötliches Licht getaucht (V. 4). Es geht hierbei um „die formale Perfektion, detailliertes Beschreiben und die Beherrschung der dichterischen Ausdrucksmittel“ (Wentzlaff-Eggebert (1990), S. 88). Damit wird ein harmonischer Stimmungsraum erschaffen.

Im Gegensatz zu der recht langen Beschreibung des Schwans, befassen sich nur vier Verse mit der Titelfigur Leda und ihrer Vergewaltigung:

Y viola en las linfas sonoras a Leda,

Buscando su pico los labios en flor.

Suspira la bella desnuda y vencida,

Y en tanto que al aire sus quejas se van (V. 11-14)

In diesem Abschnitt des Gedichtes sind einige Besonderheiten zu erkennen. Zum einen benutzt Rubén Darío mehrere zweideutige Begriffe. „[S]u pico“ und „los labios“ (beide V. 12), können neben der normalen Bedeutung – Schnabel und Lippen – auch auf sexuelle Weise begriffen werden: Penis und Schamlippen.

Zum anderen verwendet Darío mit „las linfas sonoras“ und den „labios en flor“ sehr poetische Ausdrücke. Durch diese wohlwollend beschriebene Natur könnte für den Leser der Eindruck entstehen, dass die Vergewaltigung „von der Natur nicht nur geduldet [wird], sondern […] sogar in Einklang mit ihr [steht]“ (Wentzlaff-Eggebert (1990), S. 85). Leda selbst scheint sich nicht zu wehren, sondern die Gegebenheit einfach hinzunehmen (vgl. Wentzlaff-Eggebert (1990), S. 86). Sie scheint die Vergewaltigung nicht zu verurteilen.

[...]


[1] Der nachfolgende Abschnitt besteht aus Zusammenfassungen und Paraphrasen von:

Schößler, Franziska (2008), Einführung in die Gender Studies, Berlin, S. 7-48. Wörtlich übernommene Textstellen wurden als solche gekennzeichnet.

[2] Zitierte Teile des Gedichts aus: Darío, Rubén (1987), Prosas profanas y otros poemas, hg. v. Ignacio Zuleta, Madrid: Castalia, S. 134.

Final del extracto de 16 páginas

Detalles

Título
Der modernistische Schwan in den Werken von Rubén Darío und Delmira Agustini
Universidad
University of Tubingen
Calificación
1,7
Autor
Año
2011
Páginas
16
No. de catálogo
V270509
ISBN (Ebook)
9783656617495
ISBN (Libro)
9783656617488
Tamaño de fichero
398 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
agustini, delmira, darío, modernismo, schwan, modernismus, spanisch, leda, cisne, erotik, gender, studies, literatur
Citar trabajo
Kathrin Hoffmann (Autor), 2011, Der modernistische Schwan in den Werken von Rubén Darío und Delmira Agustini, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/270509

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