Die Bartholomäusnacht aus staatstheoretischer Sicht

Gegenüberstellung der Theorien von Theodor von Beza und Jean Bodin


Hausarbeit (Hauptseminar), 2011

12 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

Einleitung

1. Die Autoren und ihr Umfeld
1.1. Lebensweg und Persönlichkeit
1.2. Verbindung zu den Hugenottenkriegen

2. Die Werke
2.1. Entstehungsgeschichte
2.2. Inhalt

Schlusswort

Quellen- und Literaturverzeichnis

Einleitung

Am 24. August 1572 ereignete sich in Paris ein Massaker, dem schätzungsweise 3000 Menschen, vorwiegend Hugenotten (französische Calvinisten) zum Opfer fielen. Angesicht der konfessionellen Unterschiede zwischen Täter und Opfer und des immensen menschlichen Leides der mit diesem Ereignis einherging, hatte die Bartholomäusnacht (B.) eine eminente Bedeutung nicht nur für die französische, sondern auch für die europäische Geschichte. Während Freuderufe im katholischen Lager laut wurden, ant- worteten die Calvinisten auf den Massaker mit einer Flut von politischen Schriften1. Einige prominente Beispiele wären Hotmans Franco-Gallia (1573) und Le reveille-matin (1574) sowie Bezas Du droit des magistrats sur leur sujets (1574). Jean Bodin, einer der ersten bedeutenden französi- schen Staatstheoretiker, erwiderte deren Angriffe mit seinem Les six livres de la République2 zwei Jahre später.

Im 16. Jh. gab es noch keine Trennung von Politik und Religion; die offizielle Religion des Landes war gleichzeitig Staatsreligion3. Häresie wur- de rasch mit Rebellion gleichgesetzt. Und weil die Hugenotten trotz allem Untertanen des französischen Königs waren, bewegten sie sich stets in ei- nem gewissen Spannungsverhältnis zwischen Gewissensfreiheit und Staats- souveränität. Diese Arbeit ist also ein Beitrag zur Herrschaftsgeschichte des 16. Jh. am Beispiel von König Karls IX. Umgang mit seinen Hugenotten. Es geht um das Verhältnis zwischen den Herrschern und Beherrschten und ins- besondere um das Widerstandsrecht der Letzteren. Kurzum um die politi- schen Lehren, die aus der Pariser Bluthochzeit gezogen worden sind. Ich habe dafür exemplarisch zwei Autoren gewählt, die Stellvertreter für die hugenottische Partei (Beza) und die Partei der „Politiques“ (Jean Bodin) stehen4. Zeitliche Grenzen werden 4 Jahre nach der B. gesetzt. Die Gedanken und Ereignisse, die ich im Laufe meine Untersuchung analysieren werde, spielen sich vorwiegend in Frankreich und Genf ab.

Gibt es trotz der unterschiedlichen Schlussfolgerungen Ähnlichkei- ten in der Argumentation unserer Staatstheoretikern? Widerspiegelt sich ihre eigene religiöse Vorstellungen in ihrem politischen Schriften? Auf die- sen und weiteren Fragen werde ich in zwei Kapitel eingehen, wobei die Au- toren und dann deren Werke in Mittelpunkt der Betrachtung stehen und ver- gleichend analysiert werden. Über Jean Bodins Les six livres de la Rèpubli- que (Sechs Bücher über den Staat, ab jetzt SBS gekürzt) wurde schon sehr viel geschrieben5, da er als einer der Begründer des modernen Staatssouve- ränitätsbegriffs gilt. Bezas Werk, Du droit des Magistrats (Über das Recht der Obrigkeiten, ab jetzt URO gekürzt) ließ zwar weniger Tinte fließen, ist aber auch bedeutend für die Forschung über den sog. „Monarchomachen“ und das Widerstandsrecht6. Ich habe mich schließlich neben den zwei oben genannten Schriften auf eine breite Palette von Monografien und Sammel- werken gestützt, die vornehmlich auf Französisch erschienen sind und ver- schiedene Aspekte der Religionskriege reflektieren.

1. Die Autoren und ihr Umfeld

1.1. Lebensweg und Persönlichkeit

Beza wurde am 24. Juni 1519 als Sohn eines katholischen Landvogt in Vézelay (Burgund) geboren. Als 9-Jähriger wurde er dem deutschen Phi- lologen Melchior Volmars anvertraut, der ihn dem Protestantismus näher brachte. Beza schloss 1539 in Orlèans sein Rechtsstudium ab. Neun Jahre später kam die entscheidende Zäsur im Leben des damals 29-Jährigen, als er zum Calvinismus übertrat und sich in Genf niederließ, wo er einer der wichtigsten Reformatoren wurde7.

Der katholische Franzose Jean Bodin wurde im Jahr 1529 geboren. Er stammte aus bescheidenen bürgerlichen Verhältnissen und wurde Novize im Karmeliterkloster von Angers. Als 20-jähriger brach er seine klerikale Ausbildung ab und entschied sich nach Paris zu ziehen, um in der Universi- tät und dem berühmten humanistischen „Collqge des trois langues“ zu stu- dieren. Einige Jahre später studierte er römisches Recht in Toulouse. Bodin ließ sich schließlich 1561 als Anwalt im Pariser Parlament nieder. Trotz seiner Konfession zeigte er Sympathie für die Hugenotten. Er war ein An- hänger des konfessionellen Ausgleichs zwischen Katholiken und Protestan- ten8.

Eine vergleichende Analyse unserer Autoren lässt Überraschendes zutage kommen. Wir haben zwei Franzosen, wobei einer, Beza, sich 1559 in Genf einbürgern lässt9. Bodin, der überkonfessionell denkt10, steht auf der Waagschale mit Beza, dem Reformierten hohen Ranges. Beide haben das Recht studiert und als ein Jurist bzw. Anwalt gedient. Gemeinsam haben sie auch eine humanistische Bildung, wobei der humanistische Anteil in Bezas Lehren mit der Zeit abnahm11. Trotz einiger Parallelen, wurden Beza und Bodin im unterschiedlichen Milieu sozialisiert und haben dementsprechend sehr unterschiedliche Erfahrungen machen müssen. Um ihre Wahrnehmung des Massakers verstehen zu können, ist es notwendig nach ihren jeweiligen Beziehungen zu dem Ereignis bzw. zu den Hugenottenkriegen zu suchen.

1.2. Verbindung zu den Hugenottenkriegen

In den Jahren 1557 und 1558 reiste Beza mehrmals zu den deutschen protestantischen Fürsten um sie zu überzeugen, im Sinne der bedrohten Hu- genotten und Waldenser, Druck auf den französischen König auszuüben12. Im Jahr 1559 war er wesentlich am Übertritt Antons von Navarra zur refor- mierten Kirche beteiligt13. Zwei Jahre später verteidigte er leidenschaftlich die Sache der Reformation bei dem Religionsgespräch zu Poissy14. Zu die- ser Zeit übernahm er die Führung der reformierten Kirche in Frankreich und richtete sie immer stärker nach dem Genfer Modell aus15. Im Jahre 1562 tritt Beza nach dem Ausbruch des ersten Hugenottenkrieges als Feldprediger, Berater und Publizist des Prinzen Condé an16. Die Nachricht der B. traf für den völlig unvorbereitete Beza wie ein Schock aus heiterem Himmel: er soll um sein eigenes Leben gefürchtet haben. Er bezifferte die Zahl der Toten auf 300.000 beziffert haben17. In seinem Histoire ecclesiastique des Eglises reformees (1580) floss er seinen Glaubensbrüder durch Erwähnung ihrer glorreichen Vergangenheit Mut ein18. Er schien schließlich mit vielen exi- lierten hugenottischen Adligen den Wunsch zu teilen, so viel von ihren französischen Besitztümern zu erhalten wie möglich19. Aus alledem folgt, dass Beza ein unermüdlicher Verfechter der Reformation in Frankreich war20.

Jean Bodin wurde genau wie Beza direkt in die Hugenottenkriege hineingezogen. In den Jahren 1569 und 1570 wurde er während des dritten Hugenottenkrieges in Paris inhaftiert, wobei es sich nach Ansicht einiger Historiker um eine Schutzhaft gehandelt habe21. Viele Ultrakatholiken verü- belten ihm seine Sympathie für die Hugenotten, wodurch er während der B. in Lebensgefahr geriet22. Bodin wurde im Laufe der Jahre immer mehr un- zufrieden mit der Politik des Königs, der für ihn wegen seiner zu engen Verbindung zu den Katholiken zu parteiisch war. Er schließ sich schließlich der Partei der „Malcontents“ (auch der Politiques genannt) an, die den jüngsten Bruder des Königs als Anführer hatte und sich zwischen den Ultrakatholiken und den Hugenotten positionierte23. Unter den Königen Karl IX. und Heinrich III. übernahm er mehrere offizielle Aufgaben im In- und Ausland24. Jean Bodin kann also als ein pflichtbewusster französischer Untertan bezeichnet werden, der sich Gedanken über die Hugenottenkriege machte und nach einer Lösung suchte.

2. Die Werke

2.1. Entstehungsgeschichte

Beza schrieb den größten Teil von URO zwischen Juni und Juli 1573. Zu dieser Zeit organisierte er mehrere Treffen mit prominenten huge- nottischen Adligen, die Zuflucht in Genf gesucht haben. Mit hoher Wahr- scheinlichkeit bildeten diese Gespräche einen wichtigen Impuls für sein Werk. Nachdem die Genfer Autoritäten ihm das Publizieren aus politischen Gründen untersagten (sie befürchteten eine Provokation Frankreichs), reiste er nach Heidelberg, wo er einen willigen Drücker fand. So wurde sein Werk erst 1574 gedruckt. Die Zeit schien ihm endlich reif für einen Widerstand: der junge Prinz Condé suchte unter den deutschen Protestanten gerade Un- terstützung für einen neuen hugenottischen Feldzug in Frankreich, die Wir- kung der B. verblasste allmählich und Heinrich von Anjou war gerade aus Polen unterwegs, um die Krone seines verstorbenen Bruder anzunehmen.

[...]


1 Manche sahen den Beginn der Lehre der Monarchomachen mit dem publizistischen Streit um die B. Vgl. Honecker, Martin: Grundriss der Sozialethik. Berlin 1995, S. 363.

2 Vgl. Llanque, Marcus: Politische Ideengeschichte - ein Gewebe politischer Diskurse. München 2008, S. 173.

3 Dieser Vorgang wird in Frankreich mit dem Konkordat von Bologna im Jahre 1516 erreicht. Vgl. Knecht, R.J. Renaissance Warrior and Patron. The Reign of Francis I. Cambridge 1994, S. 90-104.

4 Ich habe unter vielen Monarchomachen Beza vorgezogen, da sich die Kritik von Bodin vor allem auf ihn richtet.

5 Eine kleine Bibliographische Stichprobe liefert: Couzinet, Marie-Dominique: Bibliographie des écrivains francais. Jean Bodin. BEP 23. Paris 2001, S. 181-248.

6 Um nur einige zu nennen: Dennert, Jürgen (Hrsg.): Beza, Brutus, Hotman. Calvinistische Monarchomachen. Köln 1968, Mellet, Paul-Aexis: Les Traités Monarchomaques. Confusion des temps, résistance armée et monarchie parfait (1560-1600). Genf 2007 oder Stricker, Gün- ther: Das politische Denken der Monarchomachen. Ein Beitrag zur Geschichte der politischen Ideen im 16. Jahrhundert. Inaug.-Diss., Heidelberg 1967. Speziell zu seiner politischen Ein- stellung zum Widerstand erschien die Doktorarbeit von Southworth Jr., John F. Theodore Beza, Covenantalism and Resistance to Political Authority in the 16th Century. Ann Arbor, UMI 2004.

7 Vgl. Dufour, Alain: Théodore de Bèze. Poète et théologien. Genève 2006, S. 11-22.

8 Vgl. Goyard-Fabre, Simone: Jean Bodin et le droit de la République. Paris 1989, S. 17-26 und Zarka, Yves Charles (Hg.): Jean Bodin. Nature, histoire, droit et politique. Paris 1996, S. 233-238.

9 Vgl. Dufour: Théodore de Bèze, S. 63.

10 Das 1593 von ihm abgeschlossene Colloquium Heptaplomeres gibt uns einen guten Überblick über sein religiöses Denken. Siehe Zarka: Jean Bodin, S. 71-91.

11 Vgl. Mallinson, Jeffrey: Faith, Reason, and Revelation in Theodore Beza 1519-1605. Oxford 2003, S. 48-63.

12 Ebd. S. 41.

13 Ebd. S. 73.

14 Vgl. Hamon, Léo: Un siqcle et demi d’histoire protestante. Théodore de Bèze et les protestants sujets du roi. Paris 1989, S. 63-75.

15 Ebd. S.70.

16 Vgl. Kingdon, Robert M. Myths about the St. Bartholomew’s Day Massacres 1572-1576. Cambridge 1988, S. 153.

17 Vgl. Dufour, Alain: Correspondance de Théodore de Bèze. Tome XIII. (1572). Genève 1988, S. 179.

18 Vgl. Carbonnier-Burkard, Marianne: L’histoire ecclésiastique des églises réformées…: la construction bézienne d’un “corps d’histoire“. In: Backus, Irena (Hg.): Théodore de Bqze (1519-1605). Actes du colloque de Genève (septembre 2005). Genève 2007, S. 145-161.

19 Vgl. Kingdon: Myths, S. 152.

20 Er behielt außerdem ein stets freundlichen und vertrauenswürdigen Kontakt zu Coligny, dem Anführer der Hugenotten, siehe Ebd. S. 153 und Dufour, Alain: Correspondance de Théodore de Bèze. Tome VIII (1567). Genève 1976, S. 270-278.

21 Vgl. Zarka: Jean Bodin, S. 239.

22 Ebd. und Goyard-Fabre: Jean Bodin, S. 31.

23 Goyard-Fabre: Jean Bodin, S. 32.

24 Ebd. S. 33-34.

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Die Bartholomäusnacht aus staatstheoretischer Sicht
Untertitel
Gegenüberstellung der Theorien von Theodor von Beza und Jean Bodin
Hochschule
Universität Stuttgart
Note
1,0
Autor
Jahr
2011
Seiten
12
Katalognummer
V271139
ISBN (eBook)
9783656629733
ISBN (Buch)
9783656629726
Dateigröße
533 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
bartholomäusnacht, sicht, gegenüberstellung, theorien, theodor, beza, jean, bodin
Arbeit zitieren
B.A. Mohamet Traore (Autor:in), 2011, Die Bartholomäusnacht aus staatstheoretischer Sicht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/271139

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