Literaturwissenschaftliche Textanalyse. Fontane, Schwab, Rilke


Seminararbeit, 2011

14 Seiten, Note: 2


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1 ERZÄHLTEXTANALYSE: EFFI BRIEST
1.1 ZEIT
1.2 MODUS
1.3 STIMME

2 DRAMENANALYSE: DER REIZENDE REIGEN NACH DEM REIGEN DES REIZENDEN HERRN ARTHUR SCHNITZLER
2.1 HANDLUNGSSTRUKTUREN
2.2 KOMPOSITION
2.3 ZEITSTRUKTUREN
2.4 RAUMSTRUKTUREN
2.5 FIGURENKONZEPTION
2.6 SPRACHE

3 GEDICHTANALYSE: DER SCHWAN
3.1 FORMALE ASPEKTE
3.2 RHETORISCHE FIGUREN
3.3 BILDER

4 LITERATURVERZEICHNIS

1 ERZÄHLTEXTANALYSE: EFFI BRIEST

Im Rahmen der Erzähltextanalyse soll der Roman Effi Briest1 von Theodor Fontane analysiert und untersucht werden. Unumstritten hat der Roman als eines der wichtigsten Werke des poetischen Realismus zu gelten, was nicht zuletzt aus der nahezu endlosen Rezeption erschlossen werden kann. Um den Rahmen der Arbeit nicht zu sprengen, beschränkt sich diese Analyse auf die ersten drei Kapitel des Romans.

1.1 Zeit

Bei der Analyse von Erzähltexten ist immer das Verhältnis von erzählter Zeit und Er- zählzeit zu beschreiben, was durch die chronologische Ordnung in diesem Beispiel sehr viel einfacher erscheint als bei - in zeitlicher Hinsicht - komplexeren Romanen. Da es sich um einen Gesprächsroman handelt, kommen viele Situationen vor, in denen sich erzählte Zeit und Erzählzeit decken, was vor allem für die Dialoge der Figuren zutrifft. Allerdings darf dies keinesfalls als absolut angesehen werden, da auch Zeitsprünge und raffendes Er- zählen nachweisbar sind. In diesem Zusammenhang ist schließlich der Beginn des Ro- mans2 als zeitdehnend zu beschreiben, da relativ ausführlich der Ort des Geschehens und dessen Umgebung beschrieben werden, ohne dass schon wirklich eine Handlung begonnen hätte. Raffende Erzähltechnik kann vor allem nach der Verlobung, nach der Abreise von Innstetten, festgestellt werden, wo viele Tage des Briefeschreibens in nur wenigen Sätzen abgehandelt werden3.

Die streng chronologische Ordnung ist in weiterer Hinsicht auch ein wichtiges Indiz für das Vorliegen einer synthetischen Erzählung, was unter anderem auch Martinez / Scheffel betonen4. Allerdings erfährt man beispielsweise aus der Figurenrede Effis über die vergangene Liebschaft zwischen Baron von Innstetten und ihrer Mutter5, was die An- nahme des Vorliegens einer streng befolgten Chronologie relativiert. Es handelt sich hier- bei also um eine Analepse aus der Sicht von Effi, die in ihrer Reichweite viele Jahre bis vor Effis Geburt zurückgeht und einen mittelmäßigen Umfang hat. Auch Prolepsen können im Text gefunden werden, welche allerdings nur als Anspielungen für das weitere Gesche- hen gesehen werden dürfen. Ein Beispiel für eine Prolepse im Text findet sich am Ende des ersten Kapitels6, wo über die Untreue von Frauen aus Konstantinopel gesprochen wird, die durch Ertränken geahndet wurde. Allerdings handelt es sich hierbei nur um einen ein- zelnen Einschub, welcher für den Verlauf der Geschichte nicht maßgeblich zu sein scheint und im Falle der eben genannten Prolepse sei auch angemerkt, dass sie nur eine ungewisse Vorausdeutungen sein kann.

Ein weiterer wichtiger Punkt bei der Betrachtung der Zeit in einem Roman ist die Frequenz, wie oft ein bestimmtes Ereignis geschildert wird. Martinez / Scheffel7 unterscheiden in diesem Zusammenhang singulatives, repetitives und iteratives Erzählen. Bei der Untersuchung der ersten drei Kapitel von Effi Briest ist schnell klar, dass das singulative Erzählen relativ ausnahmslos den Regelfall darstellt.

1.2 Modus

Laut Martinez / Scheffel8 könne man zwischen narrativem und dramatischem Modus differenzieren, wobei vor allem die Mittelbarkeit bzw. umgekehrt die Unmittelbarkeit einer Erzählung auschlaggebend für die Unterscheidung seien. Unmittelbarkeit liegt dabei vor allem bei direkter Figurenrede vor, welche allerdings oft durch narrative Einschübe unter- brochen sein kann. Fontane lässt beispielsweise einen Großteil von der Handlung durch die Rede der Figuren vermitteln, allerdings tritt der Erzähler dennoch nicht gänzlich in den Hintergrund, was vor allem am Beginn des Romans, wo über viele Seiten hinweg der Schauplatz, das Anwesen der Familie von Briest in Hohen-Cremmen, beschrieben wird, sehr exemlarisch nachzuweisen ist.

Weitere Anzeichen für einen Erzähler sind sogenannte verba dicendi9, welche primär die Funktion haben, Aussagen von Figuren einzuleiten. Dennoch scheinen diese Aussagen der Figuren ungefiltert zu sein, was eine Klassifizierung dieser Aussagen als zitierte Figu- renrede10 nahelegt. Es handelt sich also keineswegs um einen rein dialogisch aufgebauten Roman, sondern vielmehr bedient sich Fontane sowohl des dramatischen Modus’ als auch des narrativen Modus’.

Als Mittelding zwischen dramatischem und narrativem Modus hat schließlich die transponierte Figurenrede11 zu gelten, was vor allem am Beginn des dritten Kapitels nachvollziehbar ist, wo in indirekter Rede geschildert wird, was der Brautvater in seiner Ansprache gesprochen hat:

Gegen Ende der Tafel, das Eis wurde schon herumgereicht, nahm der alte Ritter- schaftsrat noch einmal das Wort, um in einer zweiten Ansprache das allgemeine Familien-Du zu proponieren. [...] vielmehr fuhr er fort, außer dem »Du« zugleich intimere Namen und Titel für den Hausverkehr zu empfehlen, eine Art Gemütlich- keitsrangliste aufzustellen, natürlich unter Wahrung berechtigter, weil wohlerwor- bener Eigentümlichkeiten.12

Als weiteren wichtigen Punkt im Zusammenhang mit dem Modus führen Martinez / Scheffel13 den Begriff der Fokalisierung an, welcher vor allem die verschiedenen Blickwinkeln einer Erzählung zusammenfasst. Im zu untersuchenden Werk von Fontane fällt schnell auf, dass eine Nullfokalisierung14 vorliegen muss, was bereits in der Einleitung des Romans relativ klar erkennbar ist. Der Erzähler findet sich gut am Ort des Geschehens zurecht und weiß mehr als die Figuren im Moment ihres Sprechens. Ein Paradebeispiel für diese Erkenntnis scheint daher folgende Passage zu sein:

»Alle diese Dinge«, so sagte sie sich, »bedeuten Effi nicht viel. Effi ist anspruchslos; sie lebt in ihren Vorstellungen und Träumen[...].« Das alles war auch richtig, aber doch nur halb.15

Es sei jedoch sehr wohl auch klar angemerkt, dass in diesem Beispiel eine abgeschwächte auktoriale Erzählerperspektive vorliegt, was vor allem dadurch unterstrichen wird, dass der Erzähler weitgehend auf wertende Kommentare verzichtet und sein Wissen lediglich zur Erläuterung der Figurenrede heranzieht.

1.3 Stimme

Ein wichtiger zu untersuchender Punkt in diesem Zusammenhang stellt laut Martinez / Scheffel16 der Zeitpunkt des Erzählens dar, welcher sich durch das Verhältnis der Zeit- punkte des Erzählens und des Erzähltem ergibt. Daher unterscheiden also Martinez / Scheffel17 zwischen späterem, gleichzeitigem und früherem Zeitpunkt des Erzählens, was vor allem durch die Verwendung des Tempus im Roman erschließbar wird. Am konkreten Beispiel Effi Briests fällt sofort beim Beginn der Lektüre die Verwendung des Präteritums auf, was darauf schließen lässt, dass es sich um späteres Erzählen handelt. Da allerdings genaue Datierungen oft nicht möglich sind, bleibt das konkrete Verhältnis von den Zeitpunkten des Erzählens und des Erzähltem unscharf.

Eine weitere wichtige Rolle sprechen Martinez / Scheffel18 dem Ort des Erzählens zu, wobei sie drei verschiedene Ebenen unterscheiden, auf denen eine Erzählung stattfinden kann: die extradiegetische, die intradiegetische und die metadiegetische Ebene. Im Roman kann innerhalb der ersten drei Kapitel bereits eine Erzählung auf der intradiegetischen Ebene nachgewiesen werden. So fordert also Hulda Effi auf, die Liebesgeschichte von Inn- stetten und ihrer Mutter zu erzählen19. Es handelt sich also um eine Erzählung innerhalb der Erzählung bzw. um eine Erzählung auf einer zweiten, intradiegetischen Ebene.

Schließlich muss auch die Erzählerposition noch näher erläutert werden, wobei die Frage im Mittelpunkt steht, ob bzw. inwiefern der Erzähler eine Rolle im Roman ein- nimmt. In Effi Briest liegt ein heterodiegetischer Erzähler vor, ein Erzähler, der selbst kei- ne Rolle innerhalb seiner Geschichte einnimmt und dementsprechend vom Geschehen aus- geschlossen ist. Martinez / Scheffel20 verweisen auch auf die Möglichkeit, diese Bestim- mung mit der jeweiligen Erzählebene zu verbinden, was in Fall von Effi Briest zu der Er- kenntnis führt, dass ein extradiegetisch-heterodiegetischer Erzähler vorhanden ist, ein Er- zähler also, der auf erster Ebene erzählt, ohne selbst am Geschehen teilzunehmen.

Abschließend soll nun noch die Frage nach Subjekt und Adressat des Erzählers geklärt werden. Auch zur Beantwortung dieser Frage muss laut Martinez / Scheffel21 zwischen extra- und intradiegetisch differenziert werden. Für die Erklärung dieser Differenzierung sei noch einmal auf die bereits angeführte Erzählung innerhalb der Erzählung22 verwiesen, welche bereits für die Erläuterung des Ortes der Erzählung herangezogen wurde. Innerhalb dieser intradiegetischen Erzählsituation nimmt Effi die Position des Erzählers ein und auch die Adressaten sind erst in zweiter Instanz die Leser- und Leserinnen, für die diese Erzäh- lung natürlich auch nicht unwesentlich ist. Allerdings nehmen in dieser konkreten Erzähl- situation Effis Freundinnen die Rollen der Adressaten ein. In der übergeordneten Ge- schichte, also auf der extradiegetischen Ebene, nimmt daher logischerweise der eigentliche Erzähler die Erzählfunktion ein und in weiterer Folge die Leser- und Leserinnen die Funktion der Adressaten.

2 DRAMENANALYSE: DER REIZENDE REIGEN NACH DEM REI- GEN DES REIZENDEN HERRN ARTHUR SCHNITZLER

Im Rahmen der Dramenanalyse soll nun im Folgenden am Beispiel von Werner Schwabs DER REIZENDE REIGEN nach dem Reigen des REIZENDEN HERRN ARTHUR SCHNITZLER23 aufgezeigt werden, wie ein Drama aufgebaut sein kann und was bei einer Dramenanalyse konkret beachtet werden muss.

2.1 Handlungsstrukturen

Das zu untersuchende Drama besteht aus zehn Auftritten, die wir als chronologisch angeordnet betrachten dürfen. Als Grund für diese Annahme sei auf das sogenannte Prin- zip der Sukzession24 verwiesen, das gewissermaßen als Voraussetzung zu gelten hat, damit die nacheinander präsentierten Szenen bzw. in weiterer Folge das Drama als Ganzes lo- gisch nachvollzogen werden können, da normalerweise (außer im epischen Theater) keine erzählende Instanz vorhanden ist. So ist das Drama also auf die unmittelbare, szenische Darstellung angewiesen, was den Fokus gezwungenermaßen auf das unmittelbare Bühnen- geschehen legt und damit auch größere Rückblenden verbietet, da diese szenisch nur schwer realisiert werden können25. In Schwabs Drama können dennoch vereinzelte Rück- blenden nachgewiesen werden, wobei allerdings auch ganz klar auf deren narrative Ver- mittlung durch eine Figur verwiesen werden muss. Dies scheint auch die einfachste Vari- ante zu sein, eine Rückblende in einem Drama einzubauen, ohne die Nachvollziehbarkeit des Geschehens zu gefährden. Außerdem bezieht sich die Figur in dieser Rückblende nur auf den vorhergehenden Auftritt, nicht auf ein Geschehen außerhalb der Auftritte:

[...]


1 Vgl. Fontane, Theodor: Effi Briest. Roman. durchges. Aufl. Stuttgart: Reclam 2002.

2 Vgl. Fontane. S. 5.

3 Vgl. Fontane. S. 22.

4 Vgl. Martinez / Scheffel: Einführung in die Erzähltextanalyse. 8. Aufl. München: Beck 2009. S. 39.

5 Vgl. Fontane. S. 11.

6 Vgl. Fontane. S. 14.

7 Vgl. Martinez / Scheffel. S. 45f.

8 Vgl. Martinez / Scheffel. S. 49.

9 Vgl. Martinez / Scheffel. S. 51.

10 Vgl. ebda.

11 Vgl. Martinez / Scheffel. S. 52

12 Fontane. S.18.

13 Vgl. Martinez / Scheffel. S. 63f.

14 Vgl. ebda.

15 Fontane. S. 23f.

16 Vgl. Martinez / Scheffel. S. 69

17 Vgl. Martinez / Scheffel. S. 69.

18 Vgl. Martinez / Scheffel. S. 75f.

19 Vgl. Fontane. S. 9.

20 Vgl. Martinez / Scheffel. S. 81.

21 Vgl. Martinez / Scheffel. S. 84.

22 Vgl. Fontane. S. 9.

23 Schwab, Werner: DER REIZENDE REIGEN nach dem Reigen des REIZENDEN HERN ARTHUR SCHNITZLER. Wien, Graz: Droschl 2009.

24 Vgl. Pfister, Manfred: Das Drama. Theorie und Analyse. 11. Aufl. München: Fink 2001. S. 273.

25 Vgl. ebda.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Literaturwissenschaftliche Textanalyse. Fontane, Schwab, Rilke
Hochschule
Karl-Franzens-Universität Graz  (Germanistik)
Note
2
Autor
Jahr
2011
Seiten
14
Katalognummer
V271263
ISBN (eBook)
9783656631248
ISBN (Buch)
9783656631217
Dateigröße
532 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Textanalyse Text reizende Reigen Werner Schwab Theodor Fontane Rainer Maria Rilke Literaturwissenschaft Interpretieren Interpretation
Arbeit zitieren
BA Christoph Lederhilger (Autor:in), 2011, Literaturwissenschaftliche Textanalyse. Fontane, Schwab, Rilke, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/271263

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