Die Maßstäbe der Pflichtverletzung bei Vorstandsvergütungen bei Aktiengesellschaften (Mannesmann)


Seminararbeit, 2012

18 Seiten, Note: 16


Leseprobe


Gliederung

A. Einführung

B. Gesellschaftsrechtliche Pflichtverletzungen des Aufsichtsrats

I. Allgemein

II. Vorstandsvergütungen
1. Feste Vergütungsbestandteile
2. Variable Vergütungsbestandteil
3. Angemessenheit i.S.v. § 87 AktG

C. Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht durch aktienrechtliche Pflichtverletzung.

D. Der Fall Mannesmann

Literaturverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

A. Einführung

Vorstandsvergütungen stellen, in einer von Wirtschafts- und Bankenkrise gezeichneten Zeit, ein kontrovers und überwiegend polemisch diskutiertes Thema dar.[1] In einer Zeit, in der sich der gemeine Bürger durch die Oberschicht beraubt fühlt, vom Staat alleine gelassen sieht und einer vermeintlich hilflosen Justiz ins Auge blickt, sorgt der Tatbestand der Untreue mit seinen Fällen für sehr viel pathetischen Zündstoff.[2] Doch ein genauerer Blick, auf diesen seitjeher umstrittenen Tatbestand, lohnt sich.

Die Untreue unterscheidet zwei Varianten, deren Verhältnis zueinander von Rechtsprechung und Lehre heftig diskutiert werden[3] ; den Missbrauchs- und den Treubruchtatbestand. Nach h.M. bildet Ersterer nur einen Spezialfall der zweiten Variante und ist insofern lex specialis.[4] Beiden Varianten ist, dieser Ansicht nach, die Anforderung an die Vermögensbetreuungspflicht und den Vermögensschaden identisch zu eigen.[5] Der Unterschied liegt also in der Tathandlung selbst und kann für die hier behandelte Thematik i.E. offen bleiben, da der entscheidende Unterschied letztendlich darin liegt, ob die Zuwendung zivilrechtlich wirksam ist.[6] Ist dies der Fall, so handelt es sich um den Missbrauchstatbestand. Bei fehlender Wirksamkeit und Nichtigkeit greift der umfassendere Treubruchstatbestand. Dreh- und Angelpunkt ist hier also die Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht selbst und deren Verhältnis hin zur gesellschaftsrechtlichen Pflichtverletzung. Aus diesem Grund beginnt die Prüfung immer bei einem Verstoß gegen privat- oder öffentlich-rechtliche Pflichten.[7] Durch die Einheit der Rechtsordnung ergibt sich daraus eine akzessorische Primärrechtsbindung[8], die sich auch umgekehrt aus der ultima ratio-Funktion des Strafrechts ergibt.[9] Somit ist ein Verhalten, das in zivil­und öffentlich-rechtlicher Hinsicht erlaubt ist, niemals als pflichtwidrig i.S.d. § 226 StGB zu bewerten.[10] Auch ist der Strafrechtler selbst bei der Frage, ob ein Primärrechtsverstoß vorliegt, nicht an die herrschende bzw. einhellige Auslegung des Primärrechts gebunden[11], so dass zwar eine Primärrechts-, aber keine Primärrechtlerakzessorietät des Strafrechts[12] die Folge ist. Hierfür spricht, in besonderem Maße, die erhöhte Anforderung an das Strafrecht, durch die Beachtung des Bestimmtheitsgebots Art. 103 II GG, selbst.[13]

B. Gesellschaftsrechtliche Pflichtverletzungen des Aufsichtsrats

I. Allgemein

Der Aufsichtsrat (AR) einer AG zählt, neben dem Vorstand und der Hauptversammlung, zu den elementaren und zwingend vorgeschriebenen Organen, die eine AG alsjuristische Person[14] zum Handeln benötigt.[15] Die Hauptaufgaben des ARs sind die Bestellung und Abberufung des Vorstands[16] und die Überwachung der Geschäftsführung.[17] Die Zusammensetzung selbst erfolgt dabei nach § 96 AktG i.V. mit dem MitbestG. Bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben ist der AR, ähnlich dem Vorstand, an Sorgfaltspflichten gem. §116 i.V.m. 93 AktG gebunden und haftet gem. §117 AktG bei Pflichtverletzung. Weitere Straf- und Bußgeldvorschriften regeln seit September 2009 die §§ 339 - 410 AktG.

II. Vorstandsvergütungen

Die Vorstandsmitglieder werden vom AR gern. § 84 AktG auf höchstens fünf Jahre bestellt. Sie haben als Vorstand die Leitung gem. § 76 AktG und die gerichtliche, sowie die außergerichtliche Vertretung gem. §78 AktG für die AG inne. Der AR hat gem. § 87 AktG auch über die Gesamtbezüge der Vorstandsmitglieder zu entscheiden. Die Gesamtbezüge setzten sich dabei aus festen und variablen Vergütungsbestandteilen zusammen.

1. Feste Vergütungsbestandteile

Wie Rönnau/Hohn treffend erkennen, liegt bei dem Festgehalt erst dann eine Pflichtverletzung des ARs vor, wenn die Vergütungszusage, bei Vertragsschluss bzw. Abänderung dessen, weit außerhalb des Unternehmensinteresses liegt und damit nicht dem Angemessenheitsgebot des §8711 AktG genügt. Maßgebliche Kriterien hierbei sind, dass durch den Vertrag eine erdrosselnde Wirkung für die Gesellschaft entsteht, die eine dauerhafte Rentabilität ernsthaft in Frage stellt, oder die Vergütung selbst derart stark aus dem Marktumfeld heraussticht, dass das Äquivalenzinteresse, mit Blick auf einzigartige Leistungen oder besondere Anreizwirkungen für Dritte, grob missachtet wurde und eine Bezugsfindung zu den in § 87 I 1 AktG genannten Kriterien, die noch näher beleuchtet werden, leerläuft.[18]

2. Variable Vergütungsbestandteile

Ein wesentlich größeres Problem bei der Anwendung von § 87 AktG und der darin postulierten Angemessenheit im Bezug auf das Unternehmensinteresse stellen die variablen Vergütungsbestandteile dar. Die Angemessenheit muss dabei nicht positiv bestimmt werden, es reicht vielmehr aus, eine eindeutig unangemessene Vergütung identifizieren zu können.[19]

Die Struktur variable Vergütungsbestandteile einzusetzen entspricht neben der gängigen Praxis auch der Wertung des Deutschen Coporate Goverment Kodex.

Nach Ziff. 4.2.3. II 1 DCGK sollen sich Vorstandsvergütungen aus fixen und variablen Bestandteilen zusammensetzen. Insgesamt ist überbegrifflich zwischen Auszahlungsmodellen, wie Gewinn-Tantiemen und Prämien, und Beteiligungsmodellen, wie Aktienoptionen, zu unterscheiden. Beiden Modellen sind identische Anforderungssysteme zu eigen. Man kann die Vergütung von Leistungen und Zielerreichungen abhängig machen, von Erfolgen sowie Ergebnissen, aber auch vom Einhalten und Vorleben von Werten. Geprägt von der wirtschaftlichen Entwicklung der letzten Jahre hat der Gesetzgeber 2009 reagiert und den Begriff der Nachhaltigkeit in§87I2 AktG eingeführt und normiert. Damit hat die Legislative endlich auf Phänomene wie -windfall profits und bewussten Manipulationen, legaler und illegaler Art, des Börsenkurses geantwortet und in Satz 3 eine mehrjährige Bemessungsgrundlage für variable Vergütungen eingeführt. Diese Einführung entspringt einer wesentlichen Erfordernis und ist Spiegelbild eines ineffizienten Kapitalmarkts, der es nicht schafft, sich selbst nachhaltig zu stabilisieren. Ein Spezialfall, der hier nähere Betrachtung verdient, bildet die Gruppe der sog. appreciation awards. Appreciation awards sind Vergütungen, die dem Vorstandsmitglied wegen besonders guter Leistungen zu einem Zeitpunkt gewährt werden, in dem es die relevante Leistung bereits erbracht hat. Scharf zu trennen sind diesejedoch von Abfindungsvereinbarungen, da diese dem Grundsatz nach vereinbart werden.[20] Zu fragen ist bei solchen Zahlungen daher immer nach dem Unternehmensinteresse und damit nach dem Äquivalenzinteresse selbst, in Form von Anreizwirkungen und anderen Kompensationen. Bevor man damit überhaupt zum gestalterischen „Wie“ durchdringt, muss man sich vordringlich die Frage nach dem fundamentalen „Ob“ stellen. Da alles wirtschaftliche Bestreben immer vom Grundsatz der Leistung und Gegenleistung geprägt ist und ein Abweichen von diesem einer Schenkung gleichkommt, kann sich im Falle einer kompensationslosen Anerkennung gar nicht erst die Frage nach Angemessenheit stellen. Solche Anerkennungen sind eine Verschwendung von Gesellschaftsvermögen und deshalb niemals im Unternehmensinteresse.[21] Damit widersprechen sie auch evident der Sorgfaltspflicht des ARs und dürfen von ihm nicht gestattet werden. Bei einer Missachtung würde sich sonst der AR wie ein „Gutsherr und nicht wie ein Gutsverwalter“[22] verhalten. Eigentümer des Gesellschaftsvermögens ist allerdings die Gesellschaft selbst und Anteilseigentümer deren Aktionäre.

Damit kann auch der Ansicht von Ransiek nicht gefolgt werden, der eine solche Zahlung, geschlossen aus dem Verhältnis von Einkommenssteuer und Schenkungssteuer, immer als Teil der Dienstvergütung sieht.[23] Er verkennt damit frappant das Erfordernis des Äquivalenzinteresses und die Unmöglichkeit kompensationsloser Anerkennungen schon im Ursprung. Denn wenn er schreibt, dass zu den Einkünften i.S.d. §191 EStG „jeder Vorteil [zählt], der durch das Dienstverhältnis veranlasst ist“[24], übersieht er hierbei die Kausalitätskomponente „durch“, die bei einer Kompensationslosigkeitja gerade nicht gegeben ist, da alle Leistungen durch das Dienstverhältnis bereits abgegolten wurden.

Auch die von Wiesner vertretene Auffassung, dass die Rechtsgrundlage für einen Anspruch des Vorstandsmitglieds auf die Zahlung gelegentlich in einem besonderen Beschluss des ARs gefunden werden kann, widerspricht dem Gedanken vom „Gutsverwalter“[25], da somit dieses Organ selbst die Kompetenz hätte, sein Verhalten zu legitimieren und sich eo ipso von einer Schadensersatzpflicht bzgl. des „Ob“ zu befreien.

Ob man es sich so einfach machen kann wie Wollenberg[26], der eine leistungsbelohnende Vergütung i.E. mit einer kompensationslosen Anerkennung vergleicht, ist auch stark zu bezweifeln.

Somit ist eine Zahlung ohne Rechtsgrundlage einzig und allein dann zulässig, wenn dem Unternehmen durch die Zusatzzahlung Vorteile zufließen, und die Zahlung in einem angemessenen Verhältnis zu der damit verbundenen Minderung des Gesellschaftsvermögens steht.[27] Besteht dagegen einen Rechtsgrundlage, hat der Aufsichtsrat einen Ermessensspielraum und das Angemessenheitskriterium des § 87 AktG kommt zum Tragen und begrenzt das Ermessen nach oben hin.[28]

[...]


[1] Vgl. Rang, Vorstandsvergütung 2006, S. 7

[2] Vgl.SZv. 23.12.2005;

[3] Vgl. BGH NJW 54, 1616; LK-Schünemann, § 266 Rn11 ff; Schönke/Schröder- Lenckner/Perron, § 266 Rn 2, Wessels/Hillenkamp BT II Rn 749

[4] Vgl. BGHSt 24, 386, 387f.; BGHSt 47, 187, 192; BGH NJW 1984, 2539, 2540; BGH JR 83, 515; OLG Hamm NJW 68, 1940; A/W-Weber, §22Rn 79; Eisele, BT II Rn812; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT I §45 Rn 11; MK-Dierlamm, § 266 Rn 21; SK- Samson/Günther, § 266 Rn 5; Kohlmann, JA 80, 228; Mitsch, JuS 11, 89; Wittig, §20Rn11

[5] A/W-Weber, §22Rn 68; BK-Wittig, § 266 Rn 5; Eisele, BT II Rn 832 f; Fischer, § 266 Rn 6, 21; Joecks, § 266 Rn 23; Key/Hellmann, BT II Rn 542; Lackner/Kühl, § 266 Rn 4; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT I §45 Rn 18; Rengier, BT I §18 Rn 3,14; BGHSt 50, 331, 341 f; MK-Dierlamm, § 266 Rn 30; Fischer § 266 Rn 109; Schönke/Schröder- Lenckner/Perron, § 266 Rn 39

[6] BGHNJW 2006, 522, 525; Schönke/Schröder-Lenckner/Perron, § 266 Rn 17 m.w.N.

[7] Vgl. SK-Hoyer, § 266 Rn 47

[8] Vgl. BverfG 23.06.2010 - 2 BvR 2559/08, Rn 95; Kubiciel NstZ 2005, 353, 354; Lüderssen FS Lampe, S. 727, 729; ders. FS Eser, S. 163 ff.: Tiedemann FS Dünnebier, S. 519, 530

[9] Vgl. SK-Hoyer, § 266 Rn 47

[10] MK-Dierlamm, § 266 Rn 152; Beulke FS Eisenberg, S. 245, 251; vlg. Dierlamm StrafFo 2005, 397, 398 ff.; Dittrich, S. 33 ff.; Günther FS Weber, S. 311, 314; Lüderssen FS Lampe, S. 727, 729; ders. FS Eser, S. 163, 170; Murmann Jura 2010, 561; Rönnau ZstW 119 (2007), 889, 907

[11] Vgl. SK-Hoyer, § 266 Rn 48

[12] Rönnau NstZ 2006, 218, 229; ders. ZstW 119 (2007), 887, 913; Weber, S.591, 592

[13] Vgl. SK-Hoyer, § 266 Rn 49

[14] Vgl. §1I 1 AktG

[15] Vgl. AktG, Erstes Buch, Vierter Teil

[16] § 84 AktG

[17] §111 AktG; Eisenhardt, Gesellschaftsrecht Rn 554

[18] Rönnau/Hohn, NstZ 2004, 113, 119

[19] Lutter, ZIP 2006, 733, 734; Lücke, NZG 2005, 692, 694

[20] Rönnau/Hohn, NStZ 2004, 113,119 f.

[21] NJW 2006, 522, 524 Rn 19

[22] BB 2006, 897

[23] RansiekNJW 2006,814,815

[24] RansiekNJW 2006, 814, 815; FGNiedersachsen, DStRE 2005, 621 m.w.N.

[25] BGH NJW 2005, 522, 523 Rn 13a

[26] Wollenberg, ZIP 2004,646 ,653

[27] Säcker/Boesche, BB 2006, 897, 900; BGH, ZIP 2006, 73, 74

[28] Säcker/Boesche, BB 2006, 897, 900

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die Maßstäbe der Pflichtverletzung bei Vorstandsvergütungen bei Aktiengesellschaften (Mannesmann)
Hochschule
Universität Augsburg
Note
16
Autor
Jahr
2012
Seiten
18
Katalognummer
V271365
ISBN (eBook)
9783656636335
ISBN (Buch)
9783656636359
Dateigröße
430 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
maßstäbe, pflichtverletzung, vorstandsvergütungen, aktiengesellschaften, mannesmann
Arbeit zitieren
Johannes Stelzer (Autor:in), 2012, Die Maßstäbe der Pflichtverletzung bei Vorstandsvergütungen bei Aktiengesellschaften (Mannesmann), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/271365

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Die Maßstäbe der Pflichtverletzung bei Vorstandsvergütungen bei Aktiengesellschaften (Mannesmann)



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden