Alles Meinungsmache? Die Haltung der Medien zur schulischen Inklusion von Kindern und Jugendlichen mit schwermehrfachen Beeinträchtigungen


Bachelorarbeit, 2014

37 Seiten, Note: 1,4


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Definition von Inklusion in Bezug auf Schule

3. Das Recht aller auf inklusive Bildung - Der Artikel

4. Rolle und Bedeutung der Medien für die Gesellschaft

5. Begriffsbestimmung

6. Darstellung der Inklusion von Menschen mit Komplexen Behinderungen in ausgewählten Medien
6.1. Darstellung in der Fachliteratur
6.1.1 Artikel von Barbara Fornefeld: Alle reden von Bildung für alle - sind alle noch gemeint? Bildungsanspruch für Menschen mit Komplexer Behinderung.
6.1.2 Artikel von Theo Klauß: Vom Recht aller, alles Wichtigeüber die Welt zu erfahren.
6.1.3 Artikel von Hans Weiß: Bildungsrecht und Bildungsrealität von Kindern und Jugendlichen mit schwerer Behinderung - eine Problemskizze.
6.2 Darstellung im Medium Fernsehen
6.2.1 Beitrag im ZDF: Gemeinsam lernen
6.3 Darstellung im Medium Zeitung
6.3.1 Spiegel- Artikel von Susanne Kailitz: Behinderte Schüler: Na bitte, es geht doch.
6.3.2 FAZ- Artikel von Julia Schaaf: Woanders sein oder mittendrin?
6.3.3 ZEIT- Artikel von Sandra Roth: Sie kann lächeln.

7. Fazit

8. Anhang
8.1 Quellenverzeichnis

1. Einleitung

Inklusion ist zurzeit ein großes Thema an Deutschlands Schulen. Wurden bisher Schülerinnen und Schüler1 mit sogenannten Behinderungen in Sondereinrichtungen beschult, soll nun ein Schulsystem geschaffen werden, in dem alle Kinder und Jugendlichen gemeinsam lernen. Vorerst werden vor allem SuS mit den Förderschwerpunkten Lernen, Sprache und Verhalten an Regelschulen unterrichtet. Von SuS mit den Förderschwerpunkten Sehen und Hören sowie körperlichen Beeinträchtigungen kann man ermutigende Einzelberichte über deren Teilnahme am regulären Unterricht lesen.

Was aber ist mit Kindern und Jugendlichen, die mit mehreren komplexen Beeinträchtigungen leben und deshalb gemeinhin als „schwerstmehrfachbehindert“ bezeichnet werden? Wird die Inklusion so umgesetzt, wie sie in der UN-Konvention festgelegt ist, kann ein Sondersystem für diese SuS nicht länger gerechtfertigt werden.

In Deutschland gibt es ein Heer an Fachleuten, das sich teilweise vehement über das Für und Wider der Inklusion streitet. Da Inklusion in Deutschland vor allem als Aufgabe der Schule verstanden wird, geht es immer wieder um die, die inkludiert werden müssen. Aber wer sind denn „die“? Darüber geben nur wenige genauer Auskunft. Zwar wird viel gesprochen von nötigen Umbaumaßnahmen, woraus man schließen könnte, dass besonders Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen gemeint sind. Die bisherige Umsetzung von Inklusion, wie sie vom deutschen Schulsystem verstanden wird, zeigt aber auf, dass besonders SuS mit auf den ersten Blick unauffällig wirkenden Beeinträchtigungen im Blickfeld der Reformer stehen. Menschen, deren Betreuung aufgrund ihrer Beeinträchtigung(en) ein besonderes Maß an Zeit, Geduld und Fachkenntnis erfordert, scheinen sich nicht darin zu befinden. Es drängt sich die Frage auf, ob eine Teilnahme dieser Menschen am reformierten Schulsystem wirklich gewünscht wird.

Inklusion ist neu für unsere Gesellschaft. Die Menschen sind unsicher und suchen nach Informationen, um eine Haltung zu Inklusion zu entwickeln. Dabei stehen ihnen Medien wie Bücher, Zeitschriften und das Fernsehen zur Verfügung. Diese prägen und lenken die Meinungen der Gesellschaft, in diesem Fall zu Inklusion, und werden das Gelingen oder Scheitern der Schulreform mitbestimmen.

In dieser Bachelorarbeit soll deshalb ermittelt werden, wie Literatur und Medien die Gruppe der SuS mit komplexen Beeinträchtigungen in Bezug auf ein inklusives Schulsystem darstellen und ob deren Teilnahme am inklusiven Unterricht als sinnvoll angesehen wird oder nicht.

Aufbau der Arbeit:

Aus Integration wurde Inklusion. Welche Bedeutung dieser Systemwechsel für die Schule hat, wird zu Beginn der Arbeit geklärt. Es folgt eine Erläuterung von Artikel 24 der UN- Behindertenrechtskonvention, welcher die schulische Inklusion in Deutschland unumkehrbar macht. Die Rolle der Medien für die Entscheidungsfindungen der Gesellschaft wird in Punkt 4 kurz umrissen. Um Missverständnissen vorzubeugen, ist in Punkt 5 eine Beschreibung der Personengruppe, um welche es in der Arbeit gehen soll, zu finden. Nach dieser Einführung beginnt der Hauptteil. In diesem werden mediale Beiträge zum Thema schulische Inklusion von mehrfach beeinträchtigten Kindern und Jugendlichen analysiert. Es finden sich dazu Analysen von drei Artikeln aus der Fachliteratur, von einem Fernsehbeitrag eines öffentlich- rechtlichen Senders und drei Artikeln aus unterschiedlichen überregionalen Zeitungen. Die Ergebnisse aus den Analysen werden in einem anschließenden Fazit dargelegt.

2. Definition von Inklusion in Bezug auf Schule

Artikel 26 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte:

„(1) Jeder Mensch hat das Recht auf Bildung. Der Unterricht muss wenigstens in der Elementar- und Grundschule unentgeltlich sein. Der Elementarunterricht ist obligatorisch. Fachlicher und beruflicher Unterricht soll allgemein zugänglich sein; die höheren Studien sollen allen nach Maßgaben ihrer Fähigkeiten und Leistung in gleicher Weise offen stehen.

(2) Die Ausbildung soll die volle Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit und die Stärkung der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten zum Ziel haben. Sie soll Verständnis, Toleranz und Freundschaft zwischen allen Völkern und allen ethnischen oder religiösen Gruppen fördern und die Tätigkeit der Vereinten Nationen zur Aufrechterhaltung des Friedens begünstigen.

(3) In erster Linie haben die Eltern das Recht, die Art der ihren Kindern zuteil werdenden Bildung zu bestimmen.“2

Dies bedeutet, dass alle schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen einer Gesellschaft unabhängig von Geschlecht, Aussehen, religiöser und weltanschaulicher Ausrichtung, Herkunft, Vermögen und körperlicher sowie geistiger Leistungsfähigkeit die Möglichkeit haben sollten, am allgemeinbildenden Schulsystem teilzunehmen.

Bisher wurde für diesen Zustand der Begriff der Integration verwendet. Dieser ist aus der Sicht des Soziologen Niklas Luhmann aber nicht geeignet, da er in seiner Bedeutung dem Phänomen der gleichberechtigten Teilhabe aller am Schulsystem nicht gerecht wird.3

Die Integration wird von außen verordnet. So besagt in diesem Fall die UN-Behindertenrechtskonvention, dass alle SuS ein Recht darauf haben, eine allgemeinbildende Schule zu besuchen. Die Umsetzung dieser Forderung gestaltet sich allerdings als schwierig, da die einzelnen Schulen nun protestieren. Sie hätten zu wenig Personal, die Ausbildung des Personals ist nicht entsprechend, die räumliche Ausstattung ist ungenügend, etc. Ob die SuS zu ihrem Recht kommen, hängt davon ab, inwieweit sich die einzelne Schule der Un- Behindertenrechtskonvention beugt bzw., inwieweit es den SuS gelingt, sich den Anforderungen der angestrebten Schule anzupassen. Der Begriff der Integration ist deshalb nicht angemessen für die Reform, welche Schulsysteme weltweit zu Schulen für alle machen soll.

Niklas Luhmann wählt für die Reform deshalb den Begriff der Inklusion. Inklusion ist aus seiner Sicht etwas, das ein Gesamtsystem anstrebt. Dieses Gesamtsystem kann eine Gesellschaft sein. Ihre Pro-Haltung zur Inklusion macht es ihr möglich, ihre Teilsysteme (z.B. das Schulsystem) dazu zu bewegen, auf diejenigen zuzugehen, die es nutzen wollen. Sein Kollege Rudolf Stichweh führt den Gedanken fort, indem er von den Teilsystemen fordert, sie sollten Erwartungen an ihre Nutzer stellen und ihre Arbeit danach ausrichten.4

Die Schule fragt sich somit, was sie von ihren SuS erwartet und wie sie sie dabei unterstützen kann, dieses Ziel zu erreichen. Im Gegensatz zur Integration, bei der sich die Kinder dem System anpassen sollen und dafür nach Bedarf Unterstützung erhalten, fordert Inklusion von der Institution Schule, sich ihren SuS anzupassen. Anders gesagt: Die Schule muss sich verändern, nicht die SuS.5

3. Das Recht aller auf inklusive Bildung - Der Artikel 24

Mit dem Artikel 24 der UN- Behindertenrechtskonvention erhält prinzipiell jeder Mensch im schulfähigen Alter unabhängig von physischen und/oder psychischen Beeinträchtigungen das Recht, eine allgemeinbildende Schule zu besuchen. Damit das Bildungssystem allen SuS gerecht werden kann, muss es inklusiv arbeiten. In der Umsetzung bedeutet dies, dass alle Kinder und Jugendlichen vielfältige Möglichkeiten für die Entfaltung ihrer individuellen Talente und ihrer Persönlichkeit erhalten und eine Stärkung ihres Selbstbewusstseins erfahren, sodass ihnen eine wirkliche Teilhabe an der Gesellschaft möglich erscheint. Zur Stärkung des Rechts auf Bildung ist laut Artikel 24 darauf zu achten, dass alle SuS die gleichen Zugangsmöglichkeiten zu allgemeinen Bildungseinrichtungen erhalten und bei Bedarf Vorkehrungen getroffen werden, die ihnen den Besuch einer Schule möglich machen und/oder erleichtern. Zwecks Erreichung des Ziels der wirklichen Teilhabe an der Gesellschaft sollten die Bildungseinrichtungen bei Bedarf das Erlernen alternativer Kommunikationsformen wie Gebärdensprache, Brailleschrift oder unterstütze Kommunikation anbieten. Die für eine solche Beschulung benötigten Lehrkräfte müssten von den Vertragsstaaten ausgebildet und die bereits Vorhandenen für das neue Bildungssystem fortgebildet werden. Auch die Bildung an Hochschulen soll in Zukunft allen Menschen offen stehen, weshalb auch hier Vorkehrungen bezüglich materieller Ausstattung, Lehrformen etc. getroffen werden müssen.6

4. Rolle und Bedeutung der Medien für die Gesellschaft

Mithilfe der Medien soll sich jede/r BürgerIn eines demokratischen Systems ein Bild von Themen machen können, die die Gesellschaft aktuell bewegen. In Deutschland bewahrt der Artikel 5 des Grundgesetzes jedwede Medien vor staatlichem Einfluss. So soll gesichert werden, dass die BürgerInnen sich ihre Meinung zu politischen und gesellschaftlichen Themen möglichst objektiv bilden können. Nur wenn die BürgerInnen wissen, was in der Politik wirklich vor sich geht, werden sie Entscheidungen und Programme von Parteien durch die Abgabe ihrer Wählerstimme an die entsprechende Partei mittragen und somit überhaupt möglich machen. Umgekehrt erfahren die Vertreter des Volkes aus den Medien, was das Volk bewegt und entwerfen daraufhin möglichst attraktive Programme und Reformen für ihre Wählerklientel.7

5. Begriffsbestimmung

Auf die Frage, wie sich eine sogenannte „schwere mehrfache Behinderung“ genau äußert, gibt es bisher noch keinen Konsens. Einig sind sich MedizinerInnen und PädagogInnen dahingehend, dass Menschen, die als „schwer mehrfach behindert“ bezeichnet werden, unter den Bedingungen einer starken Intelligenzminderung leben. Desweiteren erscheint es ihnen oft nur schwer möglich, mit ihrer Umwelt auf verbale Art zu kommunizieren. Sie weisen außerdem oft schwere körperliche Beeinträchtigungen auf und benötigen vielfach eine konstante medizinische Versorgung. Mit dieser Beschreibung kann sich zwar jede/r eine Vorstellung von einem als „schwer mehrfach behindert“ bezeichneten Menschen machen, es ist allerdings noch überhaupt nicht klar, in welcher Weise der Mensch behindert ist.8

Die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit von 2005, kurz ICF, hat ein Modell entwickelt, dass neben den körperlichen Unterschiede gegenüber „normalen“ Menschen auch Umweltbedingungen aufzeigt, die dazu führen, dass ein Mensch als „schwer mehrfach behindert“ wahrgenommen wird.9

Der ICF zufolge ist dementsprechend für die Entwicklung eines Menschen mit den genannten körperlichen Beeinträchtigungen entscheidend, wie, wo und von wem er betreut wird. Ein Jugendlicher, der mit entsprechender Unterstützung eine allgemeinbildende Schule besucht, wird anders wahrgenommen als einer, der aufgrund einer diagnostizierten Bildungsunfähigkeit seine Tage in einer Pflegeeinrichtung verbringt.10

Während die bisher vorgestellten Deutungsweisen darauf eingehen, was der Mensch nicht kann, hat Andreas Fröhlich versucht, ein konstruktives Bild der „schwersten Behinderung“11 zu entwerfen. Dafür zählt er das besondere Potential der Menschen auf, die von BeobachterInnen als „schwer und schwerstbehindert“ bezeichnet werden:

- „Sie nehmen andere Menschen durch Haut- und Körperkontakt wahr.
- Sie können mit ihrem Körper unmittelbar Erfahrungen sammeln und bewerten.
- Sie erleben sich selbst, Menschen und Dinge in unmittelbarer emotionaler Betroffenheit.
- Sie benutzen ihre gesamte Körperlichkeit, um sich auszudrücken und mitzuteilen.“12

Aus diesen Potentialen ergeben sich laut Fröhlich besondere Bedürfnisse:

„Sie brauchen:

- Viel körperliche Nähe, um direkte Erfahrungen machen zu können
- Körperliche Nähe, um andere Menschen wahrnehmen zu können.
- Menschen, die ihnen die Umwelt auf einfachste Weise nahe bringen.
- Menschen, die ihnen Fortbewegung und Lageveränderung ermöglichen.
- Menschen, die sie auch ohne Sprache verstehen, sie zuverlässig versorgen und pflegen.“13

Mithilfe dieser Beschreibung erscheint das Bild eines Menschen, dem geholfen werden kann, der lernen und lebenswert leben kann, wenn er die richtige Unterstützung erfährt. Für ein solches Menschenbild erscheint der Begriff „Mensch mit schwerer/schwerster mehrfacher Behinderung“ nicht angemessen, da er den Menschen auf seine Behinderung reduziert.14

Barbara Fornefeld macht auf die Gefahr aufmerksam, die allerdings aufkäme, hätten wir für diese Personengruppe keine Bezeichnung. Sie, die in gesellschaftlichen und politischen Diskussionen wie der aktuellen Debatte um Inklusion häufig nicht oder nur unzureichend beachtet werden, sind von einer noch stärkeren Nichtbeachtung bedroht: „Denn was nicht zu benennen ist, das existiert nicht, mit dem kann man nicht umgehen.“15

Es braucht somit eine Bezeichnung, die zwar diese Menschen beschreibt, aber nicht diskriminiert. Barbara Fornefeld hat dafür den Begriff „Mensch mit Komplexer Behinderung“ gewählt. Komplex ist dabei nicht die Behinderung, sondern es sind die Lebensbedingungen dieser Menschen, die geachtet werden müssen, statt sie dem Zwang nach Rationalisierung und Einsparungen zu opfern. Der Begriff Behinderung muss laut Fornefeld weiterhin vorkommen, um gewisse Rechtsansprüche erwirken zu können.16

Mit der von ihr genannten Komplexität der Lebensbedingungen wird Fornefeld wiederum dem gerecht, was Andreas Fröhlich an Bedürfnissen für diese besondere Personengruppe herausgearbeitet hat. Besonders Lehrkräfte und BetreuerInnen von Menschen mit Komplexer Behinderung sowie LeiterInnen in Einrichtungen für diese Personengruppe und nicht zuletzt die EntscheidungsträgerInnen in der Politik sollten diese Bedürfnisse in ihrer Arbeit beachten, um das Leben der Menschen mit Komplexer Behinderung lebenswert gestalten zu können.17

Erst wenn die Beeinträchtigungen, mit denen diese Menschen leben, nicht gemildert oder ausgeglichen werden durch entsprechende Pflege und/oder Hilfsmittel, werden daraus Behinderungen, die den Menschen daran hindern, so zu leben, wie er es möchte. Mit der Bezeichnung Mensch mit Komplexer Behinderung könnte ein erster Schritt getan sein, um die Optimierung der Lebensbedingungen dieser Menschen voran zu treiben.18

6. Darstellung der Inklusion von Menschen mit Komplexen Behinderungen in ausgewählten Medien

Die Suche nach Beiträgen über die schulische Inklusion von SuS mit Komplexer Behinderung gestaltet sich schwer, da dieses Thema nur von wenigen VertreterInnen der Medienbranche behandelt wird. Auffallend ist vor allem dessen Nichtpräsenz in Fachzeitschriften für Regelschullehrkräfte. Letztendlich fanden sich drei Texte aus der Fachliteratur, ein Fernsehbeitrag und drei Artikel aus renommierten Tages- bzw. Wochenzeitungen, die die schulische Inklusion von Menschen mit Komplexen Behinderungen zumindest als Unterthema behandeln. Der letzte Artikel handelt zwar von der Suche nach einem geeigneten Kindergartenplatz für ein physisch und kognitiv stark beeinträchtigtes Kind, enthält aber viele Aspekte, die auch für die Institution Schule gelten.

6.1. Darstellung in der Fachliteratur

6.1.1 Artikel von Barbara Fornefeld: Alle reden von Bildung für alle - sind alle noch gemeint? Bildungsanspruch für Menschen mit Komplexer Behinderung.

Barbara Fornefeld weist zu Beginn ihres Artikels darauf hin, dass die allgemeinen Verbesserungen im Leben von Menschen mit physischen und/oder kognitiven Beeinträchtigungen hinsichtlich mehr Teilhabe am gesellschaftlichen Leben nicht für die Menschen gelten, für die sie den Begriff Menschen mit Komplexer Behinderung entwickelt hat. Schlimmer noch, diese Menschen erleben aus ihrer Sicht regelmäßig Diskriminierungen in Form von Nicht- Gewährleistung von Hilfsmitteln, stadtnahen Wohnungen und Ähnlichem. Die UN- Behindertenrechtskonvention enthält den etwas schwammigen Aufruf nach einer „`Bildung für alle´“19. Fornefeld will untersuchen, ob Menschen mit Komplexer Behinderung durch diese Forderung in ihrem Menschrecht auf Bildungserhalt Unterstützung finden könnten, oder gar nicht gemeint sind.20

Die von ihr untersuchte Personengruppe beschreibt Fornefeld unter anderem mit den Worten:

„Menschen mit Komplexer Behinderung entsprechen aufgrund ihrer physischen, psychischen und/oder kognitiven Beeinträchtigungen oder ihrer spezifischen Lebensumstände nicht den gängigen Selbstbestimmungs- und Integrationserwartungen. Sie gelten als kostenintensiv und sind zur ´Restgruppe´ im Hilfesystem geworden.“21

Ihre Bezeichnung war lange „Schwer- oder Schwerstmehrfachbehinderte“, heute spricht man meist vom „Menschen mit hohem/sehr hohem/besonderem/komplexem (Hilfe-)Bedarf“. Auch diese Formulierungen findet Fornefeld unpassend, da jeder Mensch Bedürfnisse hat und nicht klar ist, wie sich diese von „besonderen Bedürfnissen“ unterscheiden.22 Mithilfe eines Beispiels begründet Fornefeld die Verwendung des Begriffes der „Komplexen Behinderung“, der als: „[ ] Attribut der Lebensbedingungen von Menschen mit Behinderung [zu verstehen ist], was durch die Großschreibung des Wortes ` Komplex ´ symbolisiert wird.“23 (Siehe dazu auch Punkt 5).

Das Leben der Menschen, die mit Fornefelds Begriff beschrieben werde sollen, hat sich seit Umsetzung der unter Kanzler Gerhard Schröder entwickelten Agenda 2010 massiv geändert.

[...]


1 Ich verwende im Folgenden zwecks besserer Lesbarkeit das Kiirzel SuS und meine damit Schulerinnen und Schuler.

2 http://www.unesco.de/recht_auf_bildung.html Gesehen am 03.07.2013.

3 Siehe: Beck, Iris; Degenhardt, Sven (2010) Inklusion - Hinweise zur Verortung des Begriffs im Rahmen der internationalen politischen und sozialwissenschaftlichen Debatte um Menschenrechte, Bildungschancen und soziale Ungleichheit. In: Sturm, Tanja; Schwohl, Joachim (Hg): Inklusion als Herausforderung schulischer Entwicklung. Transcript Verlag, Hamburg. Seite 71.

4 Siehe: Beck, Iris; Degenhardt, Sven (2010). Seite 72.

5 Siehe: Beck, Iris; Degenhardt, Sven (2010). Seite 72- 73.

6 http://www.un.org/Depts/german/uebereinkommen/ar61106-dbgbl.pdf Gesehen am 01.07.2013.

7 Branahl, Udo; Donges, Patrick (2011) Warum Medien wichtig sind. In: Faulenbach, Jürgen; Hesse Christine: Informationen zur politischen Bildung. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn. Seite 1.

8 Siehe: Klauß, Theo (2011) Schwere und mehrfache Behinderung - interdisziplinär. In: Hansen, Gerd; Stein, Roland (Hg): Sonderpädagogik konkret. Julius Klinkhardt, Bad Heilbrunn. Seite 12- 13.

9 Siehe: Nicklas- Faust, Jeanne (2011) Schwere und mehrfache Behinderung - medizinische Aspekte. In: Hansen, Gerd; Stein, Roland (Hg): Sonderpädagogik konkret. Julius Klinkhardt, Bad Heilbrunn. Seite 61- 62.

10 Siehe: Klauß, Theo (2011). Seite 13- 14.

11 Zitat: Fröhlich, Andreas (1994) Schwerste Behinderung. In: Hansen, Gerd; Stein, Roland (Hg): Sonderpädagogik konkret. Julius Klinkhardt, Bad Heilbrunn. Seite 157.

12 Zitat: Fröhlich, Andreas (1994) Schwerste Behinderung. In: Hansen, Gerd; Stein, Roland (Hg): Sonderpädagogik konkret. Julius Klinkhardt, Bad Heilbrunn. Seite 157- 158.

13 Zitat: Fröhlich, Andreas (1994). Seite 158.

14 Siehe: Klauß, Theo (2011). Seite 14- 15.

15 Zitat: Fornefeld, Barbara (2010) Alle reden von Bildung für alle - Sind alle noch gemeint? Bildungsanspruch für Menschen mit Komplexer Behinderung. In Musenberg, Oliver; Riegert, Judith (Hg.) Bildung und geistige Behinderung. Athena Verlag, Oberhausen. Seite 168.

16 Siehe: Fornefeld, Barbara (2010) Seite 168.

17 Siehe: Fornefeld, Barbara (2010). Seite 169- 274.

18 Siehe: Klauß, Theo (2011). Seite 14.

19 Zitat: Fornefeld, Barbara (2010). Seite 261.

20 Siehe: Fornefeld, Barbara (2010). Seite 260- 261.

21 Zitat: Fornefeld, Barbara (2010). Seite 262.

22 Siehe: Fornefeld, Barbara (2010). Seite 262- 265.

23 Zitat: Fornefeld, Barbara (2010). Seite 268.

Ende der Leseprobe aus 37 Seiten

Details

Titel
Alles Meinungsmache? Die Haltung der Medien zur schulischen Inklusion von Kindern und Jugendlichen mit schwermehrfachen Beeinträchtigungen
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Erziehungswissenschaften)
Veranstaltung
Inklusion
Note
1,4
Autor
Jahr
2014
Seiten
37
Katalognummer
V271869
ISBN (eBook)
9783656728245
ISBN (Buch)
9783656728184
Dateigröße
495 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
alles, meinungsmache, haltung, medien, inklusion, kindern, jugendlichen, beeinträchtigungen
Arbeit zitieren
Gökcen Medik (Autor:in), 2014, Alles Meinungsmache? Die Haltung der Medien zur schulischen Inklusion von Kindern und Jugendlichen mit schwermehrfachen Beeinträchtigungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/271869

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