Innovationscontrolling. Eignung qualitativer und semi-quantitativer Controllinginstrumente zur Bewertung von Innovationsprojekten


Mémoire (de fin d'études), 2013

95 Pages, Note: 2.0


Extrait


I. Inhaltsverzeichnis

II. Abkürzungsverzeichnis

III. Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

1. Einleitung

2. Grundlagen der Bewertung von Innovationsprojekten
2.1 Begriffliche Eingrenzung der Innovation
2.2 Merkmale von Innovationsprojekten
2.3 Phasen des Innovationsprozesses
2.4 Bedeutung des Innovationscontrolling
2.5 Anforderungen an Controllinginstrumente

3. Beurteilung ausgewählter Instrumente zur Bewertung von Innovationsprojekten
3.1 Methoden der dialektischen Bewertung
3.1.1 Bewertungsdiskussion
3.1.2 Projektanwaltsverfahren
3.2 Methoden der intuitiven Komplexbewertung
3.2.1 Punkt- und Rangplatzvergabe
3.2.2 Paarvergleich
3.3 Methoden der offenen-analytischen Bewertung
3.3.1 Checklisten und Wertprofile
3.3.2 Portfolioanalyse
3.4 Methoden der geschlossenen-analytischen Bewertung
3.4.1 Nutzwertanalyse
3.4.2 Kosten-Nutzen-Analyse
3.4.3 Analytisch-hierarchischer Prozess
3.4.4 Prävalenzverfahren

4. Vergleichende Beurteilung der Controllinginstrumente

5. Theoretische und praktische Implikationen

IV. Anhang

V. Literaturverzeichnis

II. Abkürzungsverzeichnis

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III. Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abbildung 1: Stage-Gate-Full Modell

Abbildung 2: Allgemeine Empfehlung zur Einsetzbarkeit von qualitativen und quantitativen Controllinginstrumenten während des Innovationsprozesses

Abbildung 3: Beziehung zwischen abnehmendem Risiko und zunehmenden Kapitaleinsatz in Abhängigkeit des Innovationsprozesses

Abbildung 4: Aufbau einer Stage mit darauf folgendem Gate

Abbildung 5: Das Stage-Gate- Modell der nächsten Generation

Abbildung 6: Einsatz finanzieller Mittel in der Entwicklungsphase im Vergleich zu anderen Phasen

Abbildung 7: Wertprofil in Tabellenform mit einem Polygonzug

Abbildung 8: Wertprofil in Koordinatenform mit zwei Polygonzügen und acht Kriterien

Abbildung 9: Checkliste zur Feststellung ob eine Idee als Innovation einzustufen ist

Abbildung 10: Zusammenfassende Darstellung unterschiedlicher Portfoliomodelle

Abbildung 11: Statisches F&E-Programm-Portfolio

Abbildung 12: Dynamisches, zweiperiodiges F&E-Programm-Portfolio

Abbildung 13: Dynamisches, mehrperiodiges F&E-Programm-Portfolio

Abbildung 14: Mathematische Darstellung der Wertsynthese durch die Nutzwertanalyse

Abbildung 15: Neun-Punkte-Skala für Paarvergleiche

Abbildung 16: Typische Verläufe von Präferenzfunktionen

Abbildung 17: Graphische Darstellung einer partiellen Präordnung durch PROMETHEE I

Tabelle 1: Überblick über die zu beurteilenden Controllinginstrumente

Tabelle 2: Zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse

1. Einleitung

„Innovative or die!“ (Cooper/Edgett 2005, S. 14) Mit diesem reißerischen Spruch bringen die Wirtschaftswissenschaftler Cooper und Edgett die Bedeutung von Innovationen für Unternehmen auf den Punkt. Nur innovative Unternehmen sind langfristig am Markt überlebensfähig. Durch neuartige Produkte und Produktionsverfahren lassen sich Qualitätsverbesserungen und Kostensenkungen erzielen, die zu entscheidenden Wettbewerbsvorteilen führen (vgl. ZEW 2012, S. 10f.). Unternehmen, die dem Innovationsdruck nicht standhalten, scheiden hingegen aus dem Wettbewerb aus (vgl. Brem/Vahs 2013, S. 8f.).

Um so erstaunlicher ist daher die extrem hohe Anzahl an Fehlschlägen. Das Institut für angewandte Innovationsforschung kam in einer Studie zu dem Ergebnis, dass sich nur jede zweite auf den Markt eingeführte Innovation behaupten kann. Insgesamt führen nur sechs Prozent der ernsthaft verfolgten Innovationsprojekte zu einem zufriedenstellenden Endprodukt (vgl. Kerka et al. 2007, S. 276). Weitere Studien kommen zum Ergebnis, dass im Durchschnitt 200 Ideen notwendig sind, um ein erfolgreiches Produkt auf den Markt zu bringen (vgl. Mattes 2009, S. 110).

Die Gründe hierfür sind vielfältig. Häufig liegt es daran, dass Unternehmen nicht strategisch an die Innovationsbewertung herangehen (vgl. Stern 2007, S. 192f.). Oftmals wird über den Abbruch, oder Fortgang eines Projekts rein willkürlich und emotional entschieden. Vielen Unternehmen fehlt das Verständnis für den Einsatz von Bewertungsinstrumenten, mit denen sich ein zukünftiger Erfolg wirksam einschätzen lässt (Kunau et al. 2011, S. 89). Dies hat zu Folge, dass wenig Erfolg versprechende Innovationsprojekte zu spät oder gar nicht – hingegen Erfolg versprechende Innovationsprojekte zu früh abgebrochen werden (vgl. Beckmann/Specht 2002, S. 215). Die entstehenden (Opportunitäts-) Kosten vermindern wiederum die Wettbewerbsfähigkeit und können für Unternehmen existenzbedrohend sein. Eine effektive und effiziente Bewertung von Innovationen während ihrer Entwicklung wird daher zum entscheidenden Erfolgsfaktor (vgl. Littkemann/Holtrup 2005, S. 255).

Dem Controlling stehen zur Innovationsbewertung unterschiedliche Controllinginstrumente zur Verfügung. Diese reichen von qualitativen, über semi-quantitativen bis hin zu quantitativen Verfahren (vgl. Brem/Vahs 2013, S. 320f.). Die Instrumente sind dabei dem allgemeinen Controlling entnommen und nicht explizit für die Bewertung von Innovationen entwickelt worden (vgl. Littkemann/Keim, 2005, S. 119f.). Dies ist kritisch zu sehen, da sich Innovationsprojekte durch andere Merkmale kennzeichnen als Routineaufgaben. In der Literatur herrscht deshalb einig darüber, dass der Einsatz von Controllinginstrumenten prozessbegleitend erfolgen sollte (vgl. Brose 1982, S. 86 u. Granig 2007, S. 217). Nach jeder Bewertung muss eine begründbare Entscheidung über Abbruch oder Fortsetzung der Innovation erfolgen. Jedoch besteht noch Unklarheit über die prozessbegleitende Eignung der Instrumente während des Innovationsprozesses (vgl. Granig 2007, S. 217). Bislang gibt es lediglich die allgemeine Empfehlung, qualitative eher zu Beginn, semi-quantitative in der Mitte und quantitative Instrumente eher gegen Ende eines Innovationsprozesses einzusetzen (vgl. Schuh et al. 2012, S. 261).

Es ist jedoch zu bezweifeln, dass eine solche Aussage den Ansprüchen an eine effektive und effiziente Nutzung der Instrumente gerecht wird. Deshalb hat diese Arbeit zum Ziel, die qualitativen und semi-quantitativen Instrumente für den systematischen Einsatz im Innovationscontrolling zu beurteilen und sie den einzelnen Bewertungszeitpunkten im Innovationsprozess zuzuordnen. Aufgrund der Vielzahl an Controllinginstrumenten werden quantitative Instrumente nicht berücksichtigt.

Hierzu wird im zweiten Kapitel zunächst die Innovation begrifflich eingegrenzt. Anschließend werden die Merkmale herausgearbeitet, bei denen sich die Innovation von der Routinetätigkeit differenziert. Zur allgemeinen Abbildung des Innovationsprozesses erfolgt im Anschluss die Suche und Erläuterung eines geeigneten Phasenmodells. Danach ist festzustellen, welche Ziele und Aufgaben das Innovationscontrolling bei der Innovationsbewertung verfolgt und welche Mittel es einsetzt. Am Ende des Kapitels werden notwendige Anforderungen an die Controllinginstrumente herausgearbeitet.

Im dritten Kapitel werden die herausgearbeiteten Anforderungen in relevante Beurteilungskriterien umgeformt. Anschließend erfolgt die Beurteilung der Instrumente. Jedes Instrument wird dabei einzeln erläutert, anhand der Kriterien beurteilt und schließlich den Bewertungszeitpunkten des Phasenmodells zugeordnet.

Im vierten Kapitel werden unterschiedliche Instrumentengruppen miteinander verglichen, worauf im Anschluss ein Vergleich derjenigen Instrumente erfolgt, die im vorherigen Kapitel große Ähnlichkeiten zueinander aufwiesen.

Die Arbeit schließt im fünften Kapitel mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse, der Bedeutung der Ergebnisse für die Theorie und Praxis, sowie einer kritischen Würdigung ab.

2. Grundlagen der Bewertung von Innovationsprojekten

2.1 Begriffliche Eingrenzung der Innovation

Etymologisch betrachtet ist der Begriff Innovation aus dem lateinischen Wort „innovatio“ abgeleitet und bedeutet so viel wie Neuheit, Neuerung bzw. Neueinführung. Dies geht auf das Wort „novus“ (neu) zurück (vgl. Brem/Vahs 2013, S. 21). Die Innovation ist daher immer eng mit der Eigenschaft des „Neu-seins“ verknüpft. Allerdings ist dies ein sehr allgemeingültiger Begriff und es hat sich eine Vielzahl an unterschiedliche Definitionen und Interpretationen herausgebildet (vgl. Hauschildt/Salomo 2011, S. 3ff.). Eine einheitliche Definition ist nicht möglich, da die Neuheit aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werden kann. Je nach Betrachtungsweise kann sie unterschiedliche Bedeutungen annehmen. Im Folgenden wird die Innovation deshalb anhand der drei Dimensionen Subjektivität, Prozess und Inhalt eingegrenzt.

Die Innovation kann aus subjektiver Sicht zunächst als das Ergebnis eines Prozesses bezeichnet werden (vgl. Brem/Vahs 2013, S. 21f.). Sie beschreibt einen neuartigen Zustand, der sich deutlich vom vorangegangenen Zustand differenziert. Die Neuheit besteht darin, dass Zwecke und Mittel in einer bisher nicht bekannten Form miteinander in Beziehung gesetzt werden (vgl. hierzu und zum Folgenden Hauschildt/Salomo 2011, S. 18ff.). Ob etwas neu ist, hängt stets von der Wahrnehmung des Betrachters ab. Die Innovation kann für eine einzelne Person, ein Unternehmen oder sogar für den gesamten Markt neu sein. Eine objektive Neuheit liegt nur dann vor, wenn noch keine weltweite Anwendung erfolgte. Da sich die Konsequenzen aber immer auf das Unternehmen beziehen, ist die objektive Neuheit als Betrachtungsgegenstand unerheblich. Deshalb wird in dieser Arbeit davon ausgegangen, dass es sich immer dann um eine Innovation handelt, wenn das Unternehmen die Neuheit erstmalig einführt, unabhängig davon, ob sie bereits anderweitig existiert (vgl. Sabisch/Pleschak 1996, S. 5).

Aus prozessualer Perspektive bezeichnet die Innovation den reellen Verlauf ihrer Entstehung (vgl. Heesen 2009, S. 15). Dieser ergibt sich als eine zusammenhängende, zeitliche Abfolge von prozessualen Aktivitäten und Entscheidungen und wird in dieser Arbeit auch als Innovationsprozess bezeichnet (vgl. hierzu und zum Folgenden Granig 2007, S. 19ff.).

Es stellt sich die Frage, wo der Prozess beginnt, wo er endet und welche einzelnen Schritte er dabei durchläuft. Eine begriffliche Konkretisierung des Verlaufs kann anhand seiner Aufgabe erfolgen: „Der Produktinnovationsprozeß hat die Aufgabe, eine Produktidee mit den verfügbaren Ressourcen zeitgerecht in ein marktfähiges Produkt umzusetzen. Er muss durchgängig alle erforderlichen Schritte von der Initiierung der Produktinnovation bis hin zu ihrer Markteinführung sicherstellen.“ (Vahs/Burmester, 1999, S. 131f.). Wird dieser Ansicht gefolgt, beginnt die Innovation mit der Idee und endet mit der Markteinführung. Die anschließende Verwertung gehört nicht mehr zur Innovation, sondern wird der allgemeinen Routinetätigkeit des Unternehmens zugeordnet. Die unterschiedlichen Prozessschritte, die eine Innovation dabei durchläuft, können als Phasen, Stufen oder Abschnitte bezeichnet werden. Es zeigt sich, dass in der Literatur große Uneinigkeit darüber herrscht, inwiefern sich die einzelnen Abschnitte voneinander abgrenzen und mit welchen Bedeutungen sie einhergehen (vgl. Billig 2003, S. 36ff.). Daraus hat sich eine umfängliche Anzahl an möglichen Phasenmodellen ergeben. Die Abgrenzung der Phasen erfolgt im weiteren Verlauf dieser Arbeit anhand eines ausgewählten und geeigneten Phasenmodells, das noch zu bestimmen ist.

Durch den Innovationsprozess wird die Innovation von der Routinetätigkeit abgekoppelt und erhält eigene Ziele und Ressourcen, die getrennt zur Linienorganisation verlaufen (vgl. Littkemann 2005, S. 11). Heesen kommt zu dem Entschluss, dass die Innovation zugleich alle Eigenschaften eines Projekts erfüllt (vgl. Heesen 2009, S. 36f.). Demnach wird in dieser Arbeit auch von einem Projekt oder Innovationsprojekt geredet.

Wird sich dem Innovationsbegriff von der inhaltlichen Perspektive angenähert, dann ist zu klären was neu ist. Das Ergebnis eines Innovationsprojekts können Produkte oder Prozesse sein (vgl. hierzu und zum Folgenden Littkemann/Keim 2005, S. 60f.).

Produkte umfassen Güter und Dienstleistungen. Diese sind ausgerichtet auf die Lösung von Kundenproblemen und der Befriedigung von Bedürfnissen. Durch die Produktinnovation sollen sie entweder neue Aufgaben erfüllen oder die gleichen Aufgaben mit neuen Mittel erreichen, damit sowohl die Effektivität als auch die Effizienz der angebotenen Produkte verbessert wird (vgl. Munck et al. 2011, S. 54). Erreicht wird dies durch die Schaffung von neuen, oder durch die Veränderung der vorhandenen Produkte (vgl. hierzu und zum Folgenden Sabisch/Pleschak 1996, S. 15f.). Demzufolge verändert sich auch das Leistungsprogramm des Unternehmens.

Bei der Prozessinnovation verhält es sich anders. Prozesse beziehen sich auf neue Faktorkombinationen im innerbetrieblichen Wertschöpfungsprozess, um die Effizienz der Produktion zu steigern. Indirekt können diese zwar auch positive Auswirkungen auf das Produkt und den Kundennutzen haben, wenn dadurch bspw. eine höhere Qualität, schnellere Fertigung oder geringere Kosten entstehen. Den häufigsten Innovationsgegenstand machen jedoch Produkte aus, da sie direkt für die Befriedigung der Kundenbedürfnisse verantwortlich sind und dadurch über die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens maßgeblich bestimmen (vgl. Sabisch/Pleschak 1996, S. 14). Aus diesem Grund bleibt die Prozessinnovation in dieser Arbeit unberücksichtigt.

In der Fachliteratur besteht darüber hinaus Einigkeit, dass sich der Innovationsprozess für Güter stark vom Innovationsprozess für Dienstleistungen differenziert (vgl. hierzu und zum Folgenden Littkemann/Holtrup 2007, S. 207 u. Darkow 2007, S. 131f.). Bei Dienstleistungen beginnt der Innovationsprozess erst mit der Markteinführung. Davor handelt es sich lediglich um konzeptionelle Konstrukte. Bei Gütern hingegen endet der Innovationsprozess mit der Markteinführung. Aus diesem Grund werden im Rahmen dieser Arbeit Dienstleistungsinnovationen ebenfalls ausgeschlossen. Mit den Begriffen Innovation und Produktinnovation sind demnach nur materielle Güter gemeint.

2.2 Merkmale von Innovationsprojekten

Innovationsprojekte werden von einer Reihe bestimmter Merkmale geprägt, durch die sie sich von der Routinetätigkeit im Unternehmen abgrenzen. Es ist erforderlich, genauer auf die Merkmale einzugehen, um zu ermitteln welche Besonderheiten und Herausforderungen bei der Bewertung von Innovationen zu beachten sind.

Am häufigsten werden die Merkmale Innovationsgrad, Risiko, Komplexität und Konfliktpotenzial hervorgehoben (vgl. Thom 1980, S. 23 ff. und Billing 2003, S. 58ff.). Zusätzlich sind die Merkmale Irreversibilität und Interdependenzen zu nennen, da deren Bedeutung für die Innovationsbewertung von manchen Wissenschaftlern als sehr groß eingeschätzt wird (vgl. Heesen 2009, S. 17f.). Alle diese Merkmale stehen in einer engen Beziehung zueinander und beeinflussen sich in ihren Wirkungen gegenseitig (vgl. Thom 1980, S. 390f.). Weitere Merkmale werden nicht angeführt, da sie entweder in den genannten Merkmalen bereits enthalten sind, oder nicht innovationsspezifisch genug sind, um sich von der Routinetätigkeit abzugrenzen.

Das erste Merkmal eines Innovationsprojekts ist der Innovationsgrad. Dieser wird auch als „Neuheitsgrad“, „Veränderungsumfang“, oder die „intensitätsmäßige Dimension der Innovation“ bezeichnet, da er das Ausmaß der Neuerung darstellt, den die Innovation erreicht (vgl. hierzu und zum Folgenden Brem/Vahs 2013, S. 31). Der Innovationsgrad ist das bestimmende Merkmal eines Innovationsprojekts, da Ausprägungen der anderen Merkmale maßgeblich von ihm gesteuert werden. Befindet sich das Produkt auf einen bereits vorhandenen Markt und wurde lediglich im geringen Umfang verändert, handelt es sich um eine inkrementelle Innovation. Grundlegende Eigenschaften des vorangegangenen Produktes bleiben hierbei erhalten. Weist der Innovationsgrad hingegen hohe Ausprägungen auf, handelt es sich um eine radikale Innovation. Diese ist gekennzeichnet durch die Überwindung technologischer Grenzen und markiert häufig den Beginn einer neuen Reihe inkrementeller Innovationen (vgl. Brem/Vahs, 2013. S. 64). Je größer der Innovationsgrad ist, desto stärker grenzt sich die Innovation von der Routinetätigkeit ab. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit werden daher nur radikale Innovationen betrachtet, um einen möglichst großen Kontrast zur Routinetätigkeit herzustellen.

Radikale Innovationen sind geprägt durch eine unzureichende Informationslage (vgl. Brose 1982, S. 86). Dies resultiert daraus, dass aufgrund der Neuheit des Projekts keine oder nur sehr wenige Informationen aus der Vergangenheit zur Verfügung stehen. Daher kann das Unternehmen zum Zeitpunkt der Bewertung eines Projekts nur bedingt auf bereits vorhandenes Wissen und Erfahrungen zurückgreifen (vgl. Granig 2007, S. 131). Ein Projekt bezieht sich demnach immer auf eine unsichere und somit risikoreiche Zukunft.

Das Risiko ist demnach ein weiteres wesentliches Merkmal das mit Innovationsprojekten untrennbar einhergeht (vgl. Scheurer et al 2011, S. 34). Hierbei wird der Definition von Gleißner gefolgt: „Risiko ist die aus der Unvorhersehbarkeit der Zukunft resultierende, durch ‚zufällige‘ Störungen verursachte Möglichkeit, von geplanten Zielen abzuweichen.“ (Gleißner 2011, S. 10) Risiken können in technischer, wirtschaftlicher oder zeitlicher Form auftreten (vgl. hierzu und zum Folgenden Beckmann/Specht 2002, S. 26f.). Technische Risiken bezeichnen die mögliche Gefahr des Scheiterns, falls technologische Herausforderungen, die während eines Innovationsprojekts auftreten aufgrund mangelnder unternehmerischer Ressourcen nicht zu lösen sind. Wirtschaftliche Risiken hingegen beziehen sich auf eine Situation, in der das Produkt nicht die erforderlichen Erfolgspotenziale aufweist, um das investierte Kapital zu kompensieren. Zeitliche Risiken beziehen sich auf die Frage, ob die Innovation rechtzeitig abgeschlossen wird, oder durch Verspätungen zusätzliche Kosten entstehen können.

Besonders in den ersten Phasen des Innovationsprozesses ist die technische Realisierbarkeit, das Erfolgspotenzial und die Projektdauer nicht einschätzbar und das Risiko entsprechend hoch. Erst mit Hilfe der zunehmenden informationellen Konkretisierung der Innovation im weiteren Prozessverlauf können die Risiken fortlaufend abgebaut werden (vgl. hierzu und zum Folgenden Granig, 2007, S. 136ff.).

Hierbei zeigt sich jedoch ein schwerwiegendes Problem. Die Risiken des Projekts nehmen zwar fortlaufend ab, die Kosten des Projekts nehmen jedoch stetig zu. Je später ein Projekt scheitert, desto größer fallen die Verluste aus.[1] Bei einer hohen Anzahl gescheiterter Projekte fehlen dem Unternehmen zudem die Erträge der erfolgreichen Produkte, um die Verluste auszugleichen. Bei Innovationsprojekten besteht folglich die Gefahr darin, dass ein hoher Kapitaleinsatz und hohe Risiken aufeinander treffen (vgl. Badura 2011, S. 222). Fehlerhafte Entscheidungen können sich dadurch schnell existenzbedrohend auf das Unternehmen auswirken.

Ein weiteres wesentliches Merkmal von Innovationsprojekten ist die Komplexität: „Unter Komplexität ist der Grad der Überschaubarkeit zu verstehen, gemessen an der Anzahl der Elemente sowie der Anzahl und der Beziehungen dieser Elemente zueinander.“ (Brem/Vahs 2013, S. 33) Vereinfachend lässt sich sagen, dass sich Innovationsprojekte – im Vergleich zu Routinetätigkeiten – durch einen erhöhten Schwierigkeitsgrad hervorheben (vgl. Scheurer et al. 2011, S. 34). Eine Innovation setzt in der Regel eng verflochtene, unübersichtliche und mehrteile Prozesse in allen Bereichen des Unternehmens in Gang (vgl. hierzu und zum Folgenden Brem/Vahs 2013, S. 33f.). Unterschiedliche Funktionsbereiche müssen eng zusammenarbeiten und aufeinander abgestimmt werden. Dies erfordert hohe organisatorische Fähigkeiten auf allen Unternehmensebenen. Oftmals sind neue Organisationsstrukturen erforderlich oder es müssen kulturelle Veränderungen eingeleitet werden. Vor allem bei radikalen Innovationen ist dies der Fall. Eine hohe Komplexität wirkt sich wiederum verstärkend auf das Risikopotenzial aus (vgl. Granig, 2007, S. 132).

Aus Innovationsprojekten und den erforderlichen Veränderungsprozessen kann sich ferner ein erhöhtes Konfliktpotenzial ergeben. Konflikte können sich zwischen einzelnen Personen oder auf Unternehmensebene zutragen und negative, sowie positive Auswirkungen auf das Projekt haben (vgl. Brem/Vahs 2013, S. 35f.).

Irreversibilität ist ebenfalls ein innovationsspezifisches Merkmal. Sie sagt aus, dass die Auswirkungen von Fehlentscheidungen im fortschreitenden Projektverlauf nur schwer zu korrigieren sind (vgl. hierzu und zum Folgenden Heesen 2009, S. 25). Nachträgliche Veränderungen an der Innovation sind erfahrungsgemäß oft nicht mehr möglich oder mit sehr hohen Kosten verbunden. Dabei steigt der Änderungsaufwand in Abhängigkeit der Projektdauer zunehmend an (vgl. Wildemann 2009, S. 5). Zu Beginn eines Innovationsprojekts ist die Irreversibilität noch gering, gegen Ende des Innovationsprojekts jedoch sehr hoch. Vor allem bei radikalen Projekten ist die Irreversibilität sehr bedeutsam, da diese einen hohen Einsatz an Ressourcen und finanziellen Mitteln benötigen (vgl. Hauschildt/Salomo 2011, S. 16). Unternehmen können durch Fehlentscheidungen schnell an ihre finanziellen Belastungsgrenzen gelangen. Entsprechend trägt dies zur Erhöhung der unternehmerischen Risiken bei.

Zuletzt sind noch auftretende Interdependenzen zu nennen. Innovationen können andere Projekte und bereits bestehende Produkte im Unternehmen beeinflussen oder von ihnen beeinflusst werden (vgl. hierzu und zum Folgenden Ahsen 2010, S. 33). Sie können aufeinander aufbauen oder auf den gleichen Ressourcen basieren. Dabei stehen sie im Wettbewerb zueinander oder komplementieren sich. Folglich sind bei der Bewertung eines Innovationsprojekts die Beziehungen zu anderen Projekten und Tätigkeiten zu berücksichtigen.

Aus den Ausführungen der Merkmale lässt sich ableiten, dass die aus dem Innovationsgrad hervorgehenden Informationsdefizite und die dadurch entstehenden Risiken ein zentrales Problem der Innovationsbewertung darstellen (vgl. Brose 1982, S. 86). Andere Merkmale verstärken das Problem und schaffen darüber hinaus zusätzliche Anforderungen, die zu berücksichtigen sind. Die Bewertung von Innovationen ist daher deutlich anspruchsvoller als die von Routinetätigkeiten. Es sollte viel Wert auf eine wirkungsvolle Bewertung von Innovationsprojekten gelegt werden, um die Projektrisiken möglichst zügig zu verringern. Dabei erweist sich eine einmalige Bewertung zu Beginn des Innovationsprojekts aufgrund der herrschenden Informationsdefizite als nicht sinnvoll. Während des Innovationsprozesses verbessert sich die Informationslage zunehmend (vgl. hierzu und zum Folgenden Weinreich 1981, S. 6). Es erscheint daher angebrachter, ein Projekt mehrmals während seines Verlaufs zu bewerten. Bei jeder neuen Bewertung ist die, auf alten Informationen basierende, vorangegangene Bewertung in Frage zu stellen. So ist auf Grundlage aktualisierter Informationen das Projekt fortwährend neu einzuschätzen. Hauschildt/Salomo vergleichen diese Herangehensweise treffend mit einem „[…] vorsichtigen Vorantasten im dichten Nebel.“ (Hauschild/Salomo 2011, S. 366) Durch dieses Vorantasten lässt sich der stetige Anstieg der Informationsqualität wirksam dazu nutzten, die Risiken im Laufe des Innovationsprojekts kontinuierlich abzubauen (vgl. Badura 2011, S. 223).

Zur prozessbegleitenden Bewertung wird das Innovationsprojekt in einzelne Teilphasen zerlegt. Am Ende einer jeden Phase werden Meilensteine gesetzt, zu denen über den Fortgang oder Abbruch einer Innovation entschieden wird. Können die technischen und marktlichen Risiken nicht abgebaut werden, ist das Projekt abzubrechen (vgl. Brockhoff 1993, S. 660). Kommt es hingegen zur Fortsetzung des Projekts, wird das erforderliche Kapital für die nächste Projektphase freigegeben (vgl. Ahsen 2010, S. 14). Eine Innovation wird so zum Ergebnis einer Folge nicht eingetretener Projektabbrüche (vgl. Hauschildt/Salomo 2011, S. 366).

Werden auf diese Weise mehrere Projekte parallel durchgeführt, kommt es in jedem Meilenstein zu einer kontinuierlichen Verringerung der Projektgesamtzahl. So nimmt das Geschehen die Form eines sich nach hinten verengenden Trichters an und wird daher auch als Innovationstrichter bezeichnet (vgl. Wheelwright/Clark 1992, S. 111f.).

Im Folgenden ist auf Basis der Ausführungen zunächst zu klären, in welche Phasen ein Innovationsprozess zu zerlegen ist, um effektive und effiziente Abbruchentscheidungen zu ermöglichen.

2.3 Phasen des Innovationsprozesses

Die Darstellung des Innovationsprozesses und seiner Phasen erfolgt als vereinfachte und verallgemeinerte Abbildung durch ein sogenanntes Phasenmodell. Während die Reichweite der Innovation anhand ihrer Definition bereits eingegrenzt wurde, besteht bisher noch Unklarheit über die Zerlegung in die einzelnen Projektabschnitte. Thom bezeichnet eine exakte Abgrenzung der Stufen jedoch als nahezu unmöglich, da die Vielzahl der miteinander verflochtenen Größen des Innovationsprojekts ein nur schwer zu beschreibendes und zu erfassendes Konstrukt ergeben (vgl. hierzu und zum Folgenden Thom 1980, S. 45). Da in der Praxis die einzelnen Arbeitsschritte nicht klar voneinander abgegrenzt werden können, wird es zwischen den Phasen stets zu Überschneidungen kommen. Zudem existiert eine Vielzahl unternehmensspezifischer Variationen des Innovationsprozesses. Ein universal gültiges Modell ist demnach nicht möglich. Lediglich ein grobes Grundmodell, welches anhand der spezifischen Gegebenheiten des innovierenden Unternehmens individuell zu erweitern ist, scheint realisierbar. In der Literatur hat sich deshalb eine große Menge an verschiedenen Phasenmodellen herausgebildet.[2] Zumeist unterscheiden sich die einzelnen Modelle hinsichtlich der Anzahl, Strukturierung und Bezeichnung der Prozessstufen. Ferner werden einzelne Aspekte des Prozesses anders betont, zwischen unterschiedlichen Branchen und Unternehmensgrößen differenziert oder es werden unterschiedliche Zielsetzungen mit den Modellen verfolgt (vgl. Andreasen 2005, S. 249ff.).

Bevor für diese Arbeit ein Phasenmodell ausgewählt werden kann, sind zunächst die Anforderungen an das Modell zu formulieren. Dabei leiten sich die Anforderungen aus der zentralen Zielsetzung dieser Arbeit ab. Die Anzahl der Projektphasen ist so zu wählen, dass eine erkenntnisreiche und phasenbezogene Beurteilung der Bewertungsinstrumente ermöglicht wird. Das Modell muss dazu alle wesentlichen Schritte des Innovationsprozesses beinhalten. Das Projekt beginnt mit der Idee und endet mit der Markteinführung. Am Ende einer jeden Phase muss eine anschließende Entscheidung zum Fortgang oder Abbruch des Projekts prinzipiell möglich sein. Zudem sollten eine hohe Allgemeingültigkeit und zugleich eine gewisse Realitätsnähe des Modells gegeben sein. Da die frühen Phasen einer Innovation von größerer Bedeutung sind, sollte das Modell den Beginn des Innovationsprozesses detaillierter abbilden als die Endphasen des Innovationsprozesses (vgl. Sarangee et al. 2009, S. 530). Des Weiteren ist eine möglichst klare Abgrenzung der Phasen erforderlich. Charakteristika und typische Abläufe während der Projektphasen müssen erkennbar sein und sich von angrenzenden Phasen unterscheiden. Ansonsten wäre eine sachgerechte Zuordnung der Erkenntnisse zu den jeweiligen Phasen erschwert (vgl. Cratzius 2003, S. 8).

Ein Phasenmodell, das die genannten Anforderungen erfüllt, ist das Stage-Gate-Modell der nächsten Generation von Cooper (vgl. Cooper 2009, S. 54). Danach wird das Innovationsprojekt in klar voneinander abgegrenzte „Stages“ (Abschnitte, Phasen) zerlegt. In diesen Abschnitten erfolgen die Innovationsschritte, die zur Erstellung des Projekts notwendig sind. Der Innovationsfortschritt wird regelmäßig analysiert und die dadurch gewonnen Informationen systematisch gesammelt (vgl. hierzu und zum Folgenden Cooper 2010, S. 146f.). Dabei sind die Abschnitte bereichsübergreifend organisiert und umfassen eine Vielzahl parallel ablaufender Aktivitäten der unterschiedlichen Funktionsbereiche. Um in einen neuen Abschnitt zu gelangen, muss die Innovation am Ende der einzelnen Abschnitte sogenannte „Gates“ (Tore, Meilensteine) passieren. In den Meilensteinen wird das Innovationsprojekt anhand der gesammelten Informationen bewertet und anschließend eine Entscheidung zur Fortsetzung „go“, oder zum Abbruch „kill“ getroffen.[3]

Das Modell zeichnet sich durch eine hohe Flexibilität aus. Unternehmen können den Prozess spezifisch an ihre Situation anpassen.[4] Bei radikalen Innovationsvorhaben empfiehlt Cooper das Projekt in sechs Abschnitte zu gliedern, um Schritt für Schritt die Projektrisiken zu minimieren „Stage-Gate-Full“ (vgl. Cooper 2009, S. 54). Muss das Innovationsprojekt zügig vorangehen, lassen sich einzelne Abschnitte zusammenfassen „Stage-Gate-XPress“. Die Beschleunigung wird allerdings durch ein erhöhtes Risiko erkauft. Bei inkrementellen Innovationen sind die Projektrisiken geringer. Daher kann der Prozess auf drei Abschnitte zusammengefasst werden, um die Projektabwicklung ebenfalls zu beschleunigen „Stage-Gate-Lite“. In dieser Arbeit wird besonders auf radikale Innovationen Bezug genommen. Deshalb werden im Folgenden die einzelnen Abschnitte des Stage-Gate-Full-Modells (siehe Abbildung 1) vorgestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Stage-Gate-Full Modell

Quelle: Darstellung in Anlehnung an Cooper, 2010, S. 145

Entdeckungsphase:

In der Entdeckungsphase steht die Generierung neuer Produktideen im Fokus. Da eine Innovation jedoch erst mit einer Produktidee beginnt, ist diese Phase dem eigentlichen Innovationsprojekt vorgelagert (vgl. Cooper 2010, S. 149). Die Charakteristika dieser Phase haben aber eine große Bedeutung für den im Innovationsprozess enthaltenen ersten Meilenstein, so dass diese Phase dennoch erläutert wird.

Ideen werden durch Impulse bzw. sich ergebene Gelegenheiten oder Problemen ausgelöst. Diese entstehen durch technische Fortschritte, Gesetzesänderungen oder veränderte Kundenbedürfnisse (vgl. Verworn/Herstatt 2007, S. 8). Die Informationen zu neuen Produktideen können unternehmensintern durch einzelne Abteilungen wie bspw. Forschung, Marketing oder Produktion gewonnen werden, oder unternehmensextern durch Kunden, Wettbewerber oder Lieferanten (vgl. hierzu und zum Folgenden Rabl/Gaubinger 2009, S. 61ff.). Ferner wird die Generierung von Ideen durch Kreativitätstechniken, Ideenwettbewerben oder Technologiebeobachtungen bewusst vom Unternehmen gefördert. Dadurch liegt oftmals eine kaum überschaubare Vielzahl unterschiedlicher Ideen zur Verfügung. Gemäß Schlicksupp können es ohne weiteres mehrere hundert sein (vgl. Schlicksupp 1988, S. 203). Dabei herrschen große Informationsdefizite bezüglich der einzelnen Ideen. Die Informationen sind ungeordnet und das Wissen liegt häufig nur in taziter Form vor. Des Weiteren sind die Unternehmensprozesse komplex, dynamisch und nicht strukturiert. Einzelne Aktivitäten verlaufen uneinheitlich und sind nicht aufeinander abgestimmt. Jedoch ist der erforderliche Einsatz von Ressourcen zur weiteren Bearbeitung der Ideen noch gering.

Da Fehlentscheidungen noch keine irreversiblen Folgen haben, ist eine einfache und schnelle Grobselektion im ersten Meilenstein ausreichend, (vgl. Lautenbacher 2011, S. 93). Dazu müssen die Ideen zunächst gesichtet und geordnet werden (vgl. Wahren 2004, S. 161). Anschließend sind Ideen, die als eindeutig unbrauchbar und nicht realisierbar erscheinen auszusortieren (Cooper 2010, S. 150f.). Hierzu eignet sich der Einsatz von Muss- und Sollkriterien (vgl. Jahn 2010, S. 42). Es handelt sich folglich um eine rein vorläufige Festlegung auf Grundlage von Vermutungen, deren Bewertung je Idee nur wenige Minuten benötigen sollte (vgl. Lautenbacher 2011, S. 93). Der Schwerpunkt der Bewertung liegt bei der Strategiekonformität und der Bedeutung der Idee für das Unternehmen (vgl. Ahsen 2010, S. 45). Im Sinne von Littkemann/Keim hat das Unternehmen ebenfalls festzustellen, ob die Neuheit erstmalig eingeführt wird und es sich gemäß der Innovationsdefinition tatsächlich um eine Innovation handelt (vgl. hierzu und zum Folgenden Littkemann/Keim 2005, S. 132). Erst dann kann die Idee der normalen Routinetätigkeit im Unternehmen entzogen werden und den Beginn des Innovationsprozesses einleiten. Außerdem ist es notwendig, die Innovation hinsichtlich des Innovationsgrades der Idee und Risikobereitschaft des Unternehmens zu klassifizieren, damit die Anzahl der Prozessphasen festgelegt werden kann.

Erster Abschnitt: Reichweite festlegen

In der folgenden Phase liegt eine geringere, aber immer noch hohe Anzahl an Projektalternativen vor (vgl. Kerka et al. 2007, S. 290). Hinsichtlich der Charakteristika hat sich die Situation nicht grundlegend verändert. Weiterhin ist die Situation komplex und intransparent (vgl. Verworn/Herstatt 2007, S. 13). Nun geht es darum, sich einen ersten Überblick über den Innovationsumfang zu verschaffen und aktuelle Informationen zu besorgen. Dazu wird mit anfänglichen Studien das Projekt grundlegend eingeschätzt (vgl. hierzu und zum Folgenden Cooper 2010, S. 208ff.). Eine vorbereitende Markteinschätzung soll die Wettbewerbssituation, Marktpotenzial, Kundenwünsche etc. ermitteln. Eine technische Einschätzung soll die Leistungsmerkmale des Produkts und die Realisierbarkeit für Entwicklung und Produktion vorläufig bestimmen. Finanzwirtschaftliche Einschätzungen des Projekts sind in dieser Phase noch hochspekulativ und sollten daher nur sehr oberflächlich erfolgen. Die Anzahl der am Projekt beteiligten Mitarbeiter ist noch sehr gering. In der Regel setzten sie sich aus der Marketing- und Technikabteilung zusammen. Cooper bezeichnet diese Vorgänge als reine Recherchearbeiten, die das Ziel haben – in kurzer Zeit und möglichst kostengünstig – neue Informationen zu sammeln.

Im zweiten Meilenstein erfolgt eine erneute Bewertung des Projekts auf Grundlage der aktuellen Informationen (vgl. hierzu und zum Folgenden Cooper 2010, S. 153f.). Die Bewertung basiert zunächst auf den bekannten Kriterien, die durch zusätzliche wünschenswerte Kriterien ergänzt werden. Dabei ist darauf zu achten, ausnahmelos nur die Informationen aus der gegenwärtigen Phase zu nutzen. Die Bewertung hat das Ziel, Projekte zu identifizieren, die entweder für sich selbt erfolgsversprechend sind, oder sich positiv auf andere Projekte auswirken. Ferner kann auch die Aufstellung einer ersten Rangfolge der Projekte erfolgen. Da die Projektkosten in der nächsten Phase ansteigen, ist die Bewertung nun sorgfältiger durchzuführen als in der vorherigen Phase, um unnötige Mehraufwendungen durch unattraktive Projekte zu vermeiden.

Zweiter Abschnitt: Rahmen abstecken

Der zweite Abschnitt befasst sich mit der Bildung des Geschäftskonzeptes und kann als das entscheidende Stadium des Innovationsprozesses bezeichnet werden (Cooper, 2010, S. 208). Die Phase ist dadurch gekennzeichnet, dass sich nach der vorangegangenen Bewertung die Anzahl der Projekte nun stark reduziert haben (vgl. Lautenbacher 2011, S. 93f.). Die Innovation steht vor ihrer physischen Realisierung und deshalb vor der Freisetzung erheblicher finanzieller Mittel. Die konzeptionellen Beschlüsse, die in dieser Phase getroffen werden, haben tiefgreifenden Einfluss auf die Qualität, Produktion, Kosten und Entwicklungszeit (vgl. Werani/Prem 2009, S. 103). Falsche Entscheidungen können nun irreversible Folgen für das Projekt und das Unternehmen haben (vgl. Schwankl 2002, S. 39). Zentrales Anliegen in dieser Phase ist es daher, das Produkt exakt zu definieren, um nachträgliche Korrekturen in späteren Abschnitten zu vermeiden. Zusätzlich ist durch detaillierte Analysen die Informationslage weiter zu verbessern (vgl. hierzu und zum Folgenden Cooper 2010, S. 215f.). Die Produktdefinition befasst sich mit der Festlegung eines Geschäftsmodells, der Spezifizierung des Zielmarktes sowie der strategischen Positionierung. Dazu wird im Vorfeld eine ausführliche Marktanalyse durchgeführt, die sich aus Studien zu Verbraucherwünschen, Wettbewerbsanalyse und weiteren Quellen zusammensetzt. Im geringen Umfang beginnen hierbei erste Laborarbeiten zur Erstellung von Modellen und einfachen Prototypen, um die technische Machbarkeit nachzuweisen (Schuh et al. 2012, S. 96). Das Konzept nimmt dadurch erste greifbare Konturen an (vgl. hierzu und zum Folgenden Cooper 2010, S. 244f.). Die Informationsdefizite sind nun soweit abgebaut, dass eine quantitative Schätzung hinsichtlich der zu erwartenden Umsätze, Kosten und Gewinne erfolgen kann. Um die Fülle an Tätigkeiten angemessen zu erfüllen, ist eine größere Anzahl an Projektmitgliedern erforderlich. Dabei muss das Unternehmen in der Lage sein, auftretende Konflikte zwischen verschiedenen Gruppen zu handhaben und die einzelnen Arbeiten aufeinander abzustimmen.

Ist das Konzept fertig gestellt, kommt es im dritten Meilenstein zur Bewertung. Schwankl stellt dar, dass eine endgültige Auswahl von Konzeptalternativen erst im Verlauf der Entwicklungsphase erfolgen sollte, damit bei Schwierigkeiten auf Alternativen zurückgegriffen werden kann (Schwankl 2002, S. 114). Dem widerspricht Cooper. Unattraktive Projekte sind ohne Zurückhaltung auszusortieren, um die zur Verfügung stehenden Ressourcen nicht unnötig zu belasten (vgl. Cooper 2010, S. 248). Coopers Ansicht wird in dieser Arbeit gefolgt, da die Ansicht von Schwankl eine proaktive Abbruchkultur im Unternehmen behindern könnte (vgl. Schmalen/Pechtl 2009, S. 130). Probleme ergeben sich dann, wenn mehrere attraktive Projekte existieren, das Unternehmen allerdings nicht über die notwendigen Kapazitäten verfügt, diese Zeitgleich durchzuführen. Bei der Bewertung ist daher eine Priorisierung der Projekte durch die Aufstellung einer Rangfolge unumgänglich (vgl. Cooper 2010, S. 248). Reichen die Kapazitäten nicht mehr aus, sind die verbliebenden Projekte vorerst zurückzustellen.

Dritter Abschnitt: Entwickeln

Das Projekt befindet sich nun in der kostenintensiven Entwicklungsphase.[5] Durch die vorangegangene Selektion ist die Anzahl der noch laufenden Projekte überschaubar geworden (vgl. Wahren 2004, S. 162). In diesem Abschnitt finden die konkreten Entwicklungsarbeiten statt, die zum Ziel haben, einen ausgereiften Prototypen des Produktes herzustellen (vgl. hierzu und zum Folgenden Cooper 2010, S. 157f.). Bei langandauernden Projekten können Kontrollpunkte festgelegt werden, um den Entwicklungsstand zu kontrollieren und ggf. zu korrigieren. Parallel dazu werden Markt- und Finanzanalysen erstellt, sowie Pläne für Produktion und Marketing ausgearbeitet. Das vorhandene Konzept aus dem zweiten Abschnitt muss korrekt in das Produkt umgewandelt werden, damit es die Kundenanforderungen nicht verfehlt. Hierbei ist stetig auf eine Veränderung der Rahmenbedingungen zu achten (vgl. Cooper 2010, S. 192). Oftmals treten neue Ideen oder nicht vorhersehbare Behinderungen und Aufwendungen auf (vgl. Wahren 2004, S. 163). Die Aktivitäten verlaufen dabei formalisierter und weniger komplex als in den Phasen zuvor (vgl. Ernst 2011, S. 245).

Im Meilenstein wird die Qualität der Entwicklungsarbeit kontrolliert. Es wird festgestellt, ob das zuvor definierte Konzept mit dem Prototyp übereinstimmt oder eine entstandene Abweichung durch veränderte Rahmenbedingungen gerechtfertigt wird. Das Produkt muss zum Einen den Kundenbedürfnissen und zum Anderen den finanzwirtschaftlichen Erwartungen entsprechen (vgl. Cooper 2010, S. 192). Sollten Korrekturen notwendig sein, dürfen die anfallenden Aufwendungen den Nutzen nicht übersteigen. Bei negativen Resultaten, sind einzelne Entwicklungsschritte erneut zu durchlaufen, oder das Projekt abzubrechen. Es ist hervorzuheben, dass bei der Bewertung nur zukünftige Kosten relevant sein dürfen. Bereits geleistete Zahlungen sind entscheidungsirrelevant „sunk costs“ und dürfen bei der Bewertung eines Projekts nicht beachtet werden (vgl. Schmalen/Pechtl 2009, S. 130). Des Weiteren könnten sich einzelne Mitarbeiter und ganze Gruppen in späteren Phasen emotional an das Projekt binden und dazu neigen negative Bewertungsergebnisse umzuinterpretieren oder zu ignorieren (vgl. Wahren 2004, S. 166). Dadurch besteht die Gefahr einer Verselbstständigung des Projekts die zu verhindern ist.

Vierter Abschnitt: Testen und Validieren

Dieser Abschnitt beinhaltet alle Tätigkeiten, die den Prototyp zunächst produktionsreif und anschließend marktreif machen (vgl. Granig 2007, S. 194). Dazu werden alle Aspekte des Projekts ausführlich getestet. Es finden Produkttests, Feldversuche, Produktionstests und Verkäufe auf Testmärkten statt (vgl. hierzu und zum Folgenden Cooper 2010, S. 159). Dies soll die Qualität des Produktes bestätigen, Akzeptanz und Kundenreaktionen ermessen sowie die Schätzungen für Produktionskosten präzisieren.

Der fünfte Meilenstein führt zu Freisetzung weiterer hoher finanzieller Mittel für Fertigungsaufbau, Produktion, Vermarktung und Markteinführung (vgl. Sabisch/Pleschak 1996, S. 221). Schwerpunkt ist daher eine auf den aktuellen Testdaten beruhende vollständige Ermittlung der finanziellen Daten. Kosten der Produktion und Vermarktung können mit hoher Genauigkeit kalkuliert und Verkaufszahlen, Preiselastizitäten und Gewinnspanne eingeschätzt werden (vgl. Cooper 2010, S. 320). Sind die gesetzten Anforderungen an das Produkt erfüllt, beginnt die Markteinführung. Falls nicht, muss das Projekt in die dritte Phase zurückgewiesen werden oder es ist noch vor Entstehung weiterer Kosten abzubrechen (vgl. Graning 2007, S. 194f.).

Fünfter Abschnitt: Markteinführung

Der Innovationsprozess endet mit der Einführung des Produkts in den Markt. Wurden alle Abschnitte sorgfältig durchlaufen, sind wirtschaftliche Projektrisiken lediglich durch das Auftreten eines unabsehbaren Ereignisses gegeben (vgl. Badura 2011, S. 228). Bevor das Projekt in die Routinetätigkeit des Unternehmens integriert wird, können in einem abschließenden Rückblick die Stärken und Schwächen der Projektdurchführung und -bewertung ermittelt werden, um ein Fazit und Verbesserungsmöglichkeiten für Folgeprojekte zu ziehen (vgl. Cooper 2010, S. 161).

2.4 Bedeutung des Innovationscontrolling

Die erfolgte Beschreibung der einzelnen Phasen zeigt, dass Innovationen immer zielgerichtet vorbereitet und durchgesetzt werden müssen. Nur wenn sie aus einer systematischen Planung, Steuerung und Kontrolle heraus erfolgen und nicht das Ergebnis ständiger Zufälle sind, können sie erfolgreich sein (vgl. Sabisch/Pleschak 1996, S. 43). Die Tätigkeit, welche sich mit der gezielten und bereichsübergreifenden Durchführung von Innovationsprojekten durch den gesamten Innovationsprozess beschäftigt, wird als Innovationsmanagement bezeichnet (vgl. Granig 2007, S. 14). Deren herausragende Aufgabe ist das Treffen von Entscheidungen über den Fortgang oder Abbruch eines Innovationsprojekts.

Um jedoch zielgerechte Entscheidungen bei der Steuerung von Innovationen zu gewährleisten, ist das Management auf die Unterstützung eines Innovationscontrollings angewiesen (vgl. Sommerlatte/Krautter 2011, S. 739). Das Innovationscontrolling nimmt eine phasen-, produkt- und fachübergreifende Querschnittsfunktion innerhalb des Unternehmens und der gesamten Wertschöpfungskette ein (vgl. Brem/Vahs 2013, S. 354). Es unterstützt das Innovationsmanagement bei seinen Aufgaben zur Steuerung des Innovationsprozesses. Dies erfolgt durch eine systematische Auswertung und Aufarbeitung der zur Verfügung stehenden Informationen, die zur fundierten Entscheidungsfindung während des Projekts notwendig sind (vgl. hierzu und zum Folgenden Schuh et al. 2012, S. 260). Insofern wird durch das Controlling ein zielgerichtetes Informationsmanagement betrieben, mit dem die Ergebnisse aller Managementaufgaben verbessert werden können. Daher ist das Innovationscontrolling auch als Berater des Innovationsmanagements zu bezeichnen (vgl. Wildemann 2009, S. 45). Im Vordergrund steht die Aufgabe der fortlaufenden Bewertung der Innovation, damit das Management in der Lage ist, zu entscheiden, ob die Innovation fortgeführt werden kann oder abzubrechen ist (vgl. /Littkemann/Keim 2005, S. 119).

[...]


[1] Siehe Abbildung 3 im Anhang

[2] Eine Erläuterung der einzelnen Modelle erscheint hinsichtlich der Zielsetzung der Arbeit und Vielzahl der Modelle nicht sinnvoll. Stattdessen siehe hierzu u.a. die Modelle von Schmitt-Grohé 1972, S. 49ff.; Thom 1980, S. 53; Weinreich 1981, S. 7; Kline/Rosenberg 1986, S. 289ff. entnommen aus Corsten et al. 2006, S. 36; Cooper/Kleinschmidt 1990, S. 46; Brockhoff 1994, S. 28ff.; Geschka/Kleinschmidt 1996, S. 33ff.; Sabisch/Pleschak 1996, S. 24ff.; Witt 1996, S. 7ff.; Vahs/Burmester 1999, S. 128ff.; Koen et al. 2002, S. 8; Verworn/Herstatt 2007, S. 9; Cooper 2009, S. 54ff..

[3] Siehe Abbildung 4 im Anhang.

[4] Siehe Abbildung 5 im Anhang.

[5] Siehe Abbildung 6 im Anhang.

Fin de l'extrait de 95 pages

Résumé des informations

Titre
Innovationscontrolling. Eignung qualitativer und semi-quantitativer Controllinginstrumente zur Bewertung von Innovationsprojekten
Université
Ernst Moritz Arndt University of Greifswald
Note
2.0
Auteur
Année
2013
Pages
95
N° de catalogue
V272258
ISBN (ebook)
9783656634195
ISBN (Livre)
9783656634188
Taille d'un fichier
3203 KB
Langue
allemand
Mots clés
Innovationscontrolling, Controlling, Projektmanagement, Innovation, Projekt, Forschung und Entwicklung, Projektcontrolling, Innovationsmanagement, Controllinginstrumente, Stage-Gate, AHP, Prävalenzverfahren, Outrankingverfahren, PROMETHEE, ELECTRE, Nutzwertanalyse, Kosten-Nutzen-Analyse, Portfolioanalyse, Robert Cooper, Bewertung, Beurteilung, Innovationsprojekt, Innovationsprozess
Citation du texte
Martin Sauer (Auteur), 2013, Innovationscontrolling. Eignung qualitativer und semi-quantitativer Controllinginstrumente zur Bewertung von Innovationsprojekten, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/272258

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