Seit dem Zweiten Weltkrieg hat die politische Koordination und Kooperation stark an Bedeutung gewonnen. Zum einem hat die zunehmende gegenseitige Abhängigkeit zwischen den Volkswirtschaften die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass politische Aktionen eines Landes durch spill-overs auf andere Länder übergreifen. Die gestiegene Verflechtung ergibt sich aus den Handelsverflechtungen, die auf Grund der Liberalisierung des Welthandels (GATT und WTO) stark angestiegen sind, sowie aus der wachsenden Globalisierung der Produktion und Dienstleistungen über ausländische Direktinvestitionen und aus der wachsenden Globalisierung der Finanztransaktionen durch die Liberalisierung des Kapitalverkehrs und durch die technischen Fortschritte im Börsenhandel.
Zum anderen untersucht die Makroökonomik verstärkt die Wirtschaftspolitik. Auch die Einführung spieltheoretischer Konzepte in die Makroökonomik zeigt die wachsende Bedeutung der Politikkoordination.
Dieses Buch beginnt mit einer kleinen Einführung in die Spieltheorie. Es wird zunächst ein statisches Spiel in einem Zwei-Länder-Fall untersucht. Dabei werden die kooperative und die nichtkooperative Lösung miteinander verglichen. Im Folgenden werden die unterschiedlichen Arten von Kooperationen und mögliche Hindernisse für diese dargestellt. Im Anschluß wird die Möglichkeit einer Umverteilung in der WWU untersucht und im zum Abschluß werden die Kooperationsformen zwischen zwei Ländern (Fiskalpolitik) und einer EZB (Geldpolitik) simuliert. Hierbei wird auf das Zwei-Länder-Mundell-Fleming-Modell explizit eingegangen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung
1.1 Fragestellung
1.2 Beispiele für internationale Politikkoordination
1.3 Aufbau der Arbeit
2. Spieltheoretischer Ansatz zur Lösung politischer Konflikte
2.1 Intuition des spieltheoretischen Ansatze
2.2 Statisches Spiel mit einem Zwei-Länder-Mundell-Fleming-Modell
2.3 Arten und Hindernisse der Koordination
3. Koordinierung der Fiskalpolitik in der WWU
3.1 Fiscal Federalism
3.2 Kooperation in einem Zwei-Länder-Fall mit einer EZB
4. Zusammenfassung
Literaturverzeichni
Anhang
1 Einführung
1.1 Fragestellung
Seit dem Zweiten Weltkrieg hat die politische Koordination und Kooperation stark an Bedeutung gewonnen. Zum einem hat die zunehmende gegenseitige Abhängigkeit zwischen den Volkswirtschaften die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass politische Aktionen eines Landes durch spill-overs auf andere Länder übergreifen. Die gestiegene Verflechtung ergibt sich aus den Handelsverflechtungen, die auf Grund der Liberalisierung des Welthandels (GATT und WTO) stark angestiegen sind, sowie aus der wachsenden Globalisierung der Produktion und Dienstleistungen über ausländische Direktinvestitionen und aus der wachsenden Globalisierung der Finanztransaktionen durch die Liberalisierung des Kapitalverkehrs und durch die technischen Fortschritte im Börsenhandel.
Zum anderen untersucht die Makroökonomik verstärkt die Wirtschaftspolitik. Auch die Einführung spieltheoretischer Konzepte in die Makroökonomik zeigt die wachsende Bedeutung der Politikkoordination.
1.2 Beispiele für internationale Politikkoordination
- 1978: Gipfel der G7 in Bonn: Wenn die USA die Benzinsteuer zur Senkung des Energiekonsums anhebt, sollte Deutschland Maßnahmen zur Förderung der Konjunktur setzen. Japan sollte seinen Markt für deutsche und amerikanische Exporte öffnen. Mit diesem Pakt sollte die Abhängigkeit von der OPEC reduziert werden.
- 1985: Plaza-Accord: Um den Dollarverfall zu stoppen, einigten sich die G7 auf koordinierte Stützungsmaßnahmen.
- 1987: Louvre-Accord: Lose Vereinbarung zwischen USA, Deutschland und Japan zur Einhaltung nicht offengelegter Zielwechselkurse.
- 1991: Der IMF installierte eine Task Force, die Warnindikatoren ausarbeitet, die die Notwendigkeit koordinierter Interventionen signalisieren sollten.
- 1998: Auf Grund der Asienkrise haben IMF, Weltbank und die Regierungen der USA und mehrerer europäischer Staaten den betroffenen Ländern Kredite gewährt, die damit ihre unter Abwertungsdruck geratenen Währungen stützen sollten und Währungsreserven aufbauen sollten. Außerdem wurden die Restrukturierungs-maßnahmen im Bankensektor unterstützt.
- 1999: Die Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) in Europa macht eine Koordination der Wirtschaftspolitik notwendig, um die Nachteile aus dem asymmetrischen Konzept der Wirtschaftspolitik (zentrale Geldpolitik und dezentrale Fiskalpolitik) zu minimieren.
- 2002: Die Einführung des Euro ist eine weitere Stufe in der Koordinierung der Politik in Europa.
1.3 Aufbau der Arbeit
Im folgenden Kapitel wird nach einer kleinen Einführung in die Spieltheorie ein statisches Spiel in einem Zwei-Länder-Fall untersucht. Dabei werden die kooperative und die nichtkooperative Lösung miteinander verglichen. In Unterkapitel 2.3 folgen die unterschiedlichen Arten von Kooperationen und mögliche Hindernisse für diese. In Kapitel 3.1 wird die Möglichkeit einer Umverteilung in der WWU untersucht. Zum Abschluß wird in Kapitel 3.2 die Kooperationsformen zwischen zwei Ländern (Fiskalpolitik) und einer EZB (Geldpolitik) simuliert.
2. Spieltheoretischer Ansatz zur Lösung politischer Konflikte
2.1 Intuition des spieltheoretischen Ansatzes
Zwei Länder sind von einem Inflationsschock betroffen. Ihre Handlungsmöglichkeiten sind jeweils eine restriktive (hohe Zinsen) oder eine lockere Geldpolitik (niedrige Zinsen). Das Ergebnis des Inflationsschocks und der politischen Reaktion wird mit dem Okun’schen Misery-Index gemessen, der sich aus der Inflationsrate zuzüglich der Arbeitslosenquote ergibt, und wird in einer Auszahlungsmatrix erfaßt.
Das Gefangenendilemma:
Tabelle 1: Auszahlungsmatrix für ein Gefangenendilemma-Spiel[1]
Land 2
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
GP = Geldpolitik; in jeder Zelle gilt die erste Zahl für Land 1 und die zweite für Land 2
Es werden im folgenden zwei spieltheoretische Lösungskonzepte betrachtet.
Im nichtkooperativem Gleichgewicht (Nash-Cournot-Gleichgewicht) wählt jedes Land die Strategie, die den eigenen Verlust minimiert. Dabei wird die Reaktion des anderen Landes als gegeben angesehen. Beide Länder haben die dominante Strategie.„restriktive Geldpolitik “gewählt, da diese Strategie unabhängig von der Strategie des anderen Landes die eigenen Verluste minimiert. Das Nash-Cournot-Gleichgewicht (-9 / -9) ist die einzig mögliche (unique) Lösung.
Im kooperativen Gleichgewicht kann eine Verbesserung gegenüber der nichtkooperativen Lösung erfolgen. Wenn sich beide Länder auf eine lockere Geldpolitik einigen, machen beide Länder einen geringeren Verlust (-8 / -8). Die Kooperation führt also zu einer Pareto-Verbesserung. Dieses Ergebnis ist aber nicht ohne eine bindende Verpflichtung zur Kooperation aufrecht zu erhalten, da jedes Land seine wirtschaftliche Lage durch eine Änderung der Geldpolitik verbessern könnte, wenn im Gegenzug das andere Land bei seiner lockeren Geldpolitik bleibt.
Der Kampf der Geschlechter:
Tabelle 1: Auszahlungsmatrix für das Spiel „Kampf der Geschlechter“[2]
Land 2
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
GP = Geldpolitik; in jeder Zelle gilt die erste Zahl für Land 1 und die zweite für Land 2
In diesem Spiel gibt es zwei Nash-Gleichgewichte. Hier kommt es darauf an, welches Land zuerst seine Geldpolitik festlegt. Beginnt Land 1, wählt es eine lockere Geldpolitik. Land 2 folgt dann auch mit einer lockeren Geldpolitik. Man erhält also die Lösung (-8 / -9). Beginnt Land 2, wählt es ein restriktive Geldpolitik. Land 1 folgt daraufhin auch mit einer restriktive Geldpolitik und man erhält die Lösung (-9 / -9).
Handeln aber beide Länder gleichzeitig, kann es ohne Kooperation zu einem schlechtem Ergebnis kommen. Kooperation kann also vorteilhaft sein. Wie stark jedoch dieser Gewinn durch Kooperation ist, hängt auch von dem Modell ab.
2.2 Statisches Spiel mit einem Zwei-Länder-Mundell-Fleming-Modell
Zur Demonstration eines statischen Spiels wird hier das vereinfachte Zwei-Länder-Mundell-Fleming-Modell benutzt. Das vollständige Modell und die Herleitung des vereinfachten Modells sowie dessen Ergebnisse sind im Anhang dargestellt.
Durch die Vereinfachungen des vollständigen Modells wird nur die Geldpolitik betrachtet. Die Löhne und das Preisniveau sind fix, wobei die Preise in jedem Land mit p = p* = p0 > 0 normalisiert werden.[3] p0 kann als Anfangsschock in den Preisen angesehen werden. Alle ausländischen Variablen sind mit * gekennzeichnet. Die Modellparameter sind mit griechischen Buchstaben bezeichnet.
Da die Gleichungen für das Ausland analog sind, wird zunächst nur das Inland betrachtet. Hierbei wird angenommen, dass die Länder symmetrisch sind, das heißt, alle Koeffizienten sind gleich.
Vereinfachtes Modell:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Ausgehend von diesem vereinfachten Modell erhält man folgende Lösung für beide Länder.[4]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Wenn das Inland eine expansive Geldpolitik (m steigt) betreibt, folgt ein Anstieg des inländischen realen BIP (q steigt) und eine Verringerung des ausländischen Outputs (q* sinkt). Die expansive Geldpolitik im Inland verursacht eine reale Abwertung der Währung (w steigt), woraus ein negativer Effekt auf den ausländischen Output erfolgt, da durch die Abwertung die ausländische Konkurrenzfähigkeit sinkt. Außerdem führt die expansive Geldpolitik zu einem Anstieg der inländischen und zu einem Rückgang der ausländischen Verbraucherpreise (pc steigt, pc* sinkt).
Wenn nun das Ausland auch eine expansive Geldpolitik betreibt, wirken die oben beschriebenen Effekte in entgegengesetzter Richtung. Die Auswirkungen einer expansiven Geldpolitik im Inland werden unter der Annahme positiver Modellparameter zum Teil kompensiert.
Politiker sorgen sich hauptsächlich um den Output (reales BIP) und um die Inflation (Abweichung der Verbraucherpreise vom gewünschten Niveau). Da hier nur die Auswirkungen der Geldpolitik untersucht werden, wählen die Politiker in jedem Land eine Geldpolitik, die folgende Zielfunktion (Verlustfunktion) minimiert:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
e stellt das relative Gewicht dar, das den Verbraucherpreisen relativ zum realen BIP beigemessen wird. Im statischen Fall entspricht das Niveau der Verbraucherpreise gleich der Inflationsrate. Da hier ein Mundell-Fleming-Modell mit fixen Preisen unterstellt wird, kann man nicht die Auswirkungen der Geldpolitik auf die Inflation untersuchen, die durch Wechselkursänderungen hervorgerufen werden.
Nichtkooperatives Gleichgewicht:
Die Politiker beider Länder wählen die Geldpolitik, die die obige Zielfunktion minimiert. Da annahmegemäß beide Länder symmetrisch sind, wird die Analyse nur für das Inland durchgeführt. Durch die Optimierung erhält man folgende Gleichgewichtsbedingung:[5]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
mit:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Gleichung (2.6) ist die Reaktionsfunktion des Inlandes. Die Reaktionsfunktion für das Ausland ist analog. Es gilt G1 < 1, da W2 < W1.
Das nichtkooperative Gleichgewicht (Nash-Cournot-Gleichgewicht) liegt im Schnittpunkt beider Reaktionsfunktionen (m = m*). Daraus kann man folgenden Punkt berechnen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Auf Grund des Anfangsschocks in den Preisen (p0) ist die Geldpolitik restriktiv, was in beiden Ländern zu einem Sinken des realen BIP führt.
[...]
[1] Siehe Breuss (1998)
[2] Siehe Breuss (1998)
[3] Die Annahme fixer Preise impliziert: dp = dp* = 0
[4] Herleitung siehe Anhang S. II und S. III
[5] Herleitung siehe Anhang S. IV