Leseprobe
Inhalt
A. Einführung
I. Thematischer Aufriss
II. Marktzutrittsregelungen
B. Folgen nach dem UWG
I. Verstoß gegen Marktzutrittsregelungen als unlautere geschäftliche Handlung
1. Unlauterkeit nach § 4 Nr. 11 UWG
a) Herrschende Meinung
b) Kritik
c) Stellungnahme
d) Abgrenzung zwischen reinen Marktzutrittsvorschriften und Vorschriften mit Doppelfunktion
aa) Herrschende Meinung
bb) Kritik und alternativer Ansatz
cc) Stellungnahme
e) Zusammenfassung zu § 4 Nr. 11 UWG
2. Unlauterkeit nach § 3 I UWG
a) Meinungsstand
aa) Regelung des Rechtsbruchs in § 4 Nr. 11 UWG abschließend
bb) Ergänzende Anwendung des § 3 UWG
b) Stellungnahme und Zusammenfassung
II. Zusammenfassung zu den Folgen nach dem UWG
C. Folgen nach dem BGB
I. Nichtigkeit nach § 134 BGB
1. Grundsatz
2. Ausnahme
3. Zusammenfassung zu § 134 BGB
II. Nichtigkeit nach § 138 BGB
III. Deliktsrechtliche Folgen
1. § 823 I BGB
2. § 823 II BGB
a) Allgemeines
b) Kasuistik
c) Fazit und Zusammenfassung zu § 823 II BGB
3. Zusammenfassung zu den deliktsrechtlichen Folgen
D. Ergebnis
I. Gruppierung von Marktzutrittsregelungen anhand der Folgen eines Verstoßes
II. Abschließende Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Kommentare
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Internet und sonstige Quellen
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A. Einführung
I. Thematischer Aufriss
„Die Leitsätze der Entscheidung tönen wie Hammerschläge.“[1] So beschreibt Köhler die „Elektroarbeiten“-Entscheidung des BGH[2]. Diese Entscheidung stellt einen Meilenstein[3] bei der Beantwortung der Frage nach den Folgen einer Marktteilnahme unter Verstoß gegen Marktzutrittsregelungen und wurde mit der UWG-Novelle in § 4 Nr. 11 UWG kodifiziert. Über die Folgen einer ebensolchen Marktteilnahme unter Verstoß gegen Marktzutrittsregelungen nach dem BGB und UWG soll hier einen Überblick verschafft werden.
II. Marktzutrittsregelungen
Marktzutrittsregelungen regeln den Zugang zum Markt, stellen also Voraussetzungen auf, unter denen ein Marktteilnehmer am Markt auftreten darf. Sie lassen sich in vier Kategorien einteilen, nämlich (1) unternehmensbezogene Marktzutrittsregelungen wie § 30 I GewO oder § 3 BauNVO, die formelle und sachliche Anforderungen an ein Unternehmen stellen, bevor dieses am Markt tätig werden kann, (2) personenbezogene Marktzutrittsregelungen wie § 2 BÄO, die Anforderungen an die persönliche Qualifikation der Marktteilnehmer (meist Freiberufler wie Ärzte und Rechtsanwälte) stellen, (3) bereichsbezogene Marktzutrittsvorschriften wie Art. 87 BayGO, die den Umfang des Marktauftritts regulieren und (4) produktbezogene Marktzutrittsregelungen wie § 21 AMG, die den Marktzutritt im Hinblick auf einzelne Produkte von bestimmten Voraussetzungen abhängig machen.[4]
B. Folgen nach dem UWG
Das UWG dient nach § 1 UWG dem Schutz der Mitbewerber, Verbraucher und sonstiger Marktteilnehmer vor unlauterem Wettbewerb und dem Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb. Zur Durchsetzung dieses Ziels hält das UWG in den §§ 8 ff. UWG für die jeweils Anspruchsberechtigten ein effektives Instrumentarium bereit. Praktisch besonders relevant ist der Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch nach § 8 UWG.[5] Für Mitbewerber besteht der Gewinnabschöpfungsanspruch nach § 10 UWG. Zusätzlich gewährt § 9 UWG einen Schadensersatzanspruch. Alle Ansprüche nach §§ 8 – 10 UWG setzen zunächst eine unlautere geschäftlich Handlung voraus.
I. Verstoß gegen Marktzutrittsregelungen als unlautere geschäftliche Handlung
1. Unlauterkeit nach § 4 Nr. 11 UWG
Nach § 4 Nr. 11 UWG ist der Verstoß gegen Vorschriften, die auch dazu bestimmt sind, das Marktverhalten im Interesse der Marktteilnehmer zu regeln als unlauter i.S.d. § 3 I UWG anzusehen.
a) Herrschende Meinung
Nach h.M. sind reine Marktzutrittsregelungen, die keinen Marktbezug aufweisen, nicht von § 4 Nr. 11 UWG erfasst.[6] Hierunter sind solche Regelungen zu verstehen, die das Marktverhalten als solches nicht tangieren, weil sie z.B. den Zugang bestimmter Personen zu ihrem eigenen Schutz nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen zulassen.[7] Weiter sind solche Normen zu den reinen Marktzutrittsregelungen zu zählen, die den Marktzutritt einer Person nur deswegen verbieten, weil sein Auftreten wirtschaftlich unerwünscht ist, z.B. weil bereits am Markt Tätige vor Konkurrenz geschützt werden sollen.[8] Bereits zu § 1 UWG a.F. hatte der BGH mehrfach klargestellt, dass ein Verstoß gegen reine Marktzutrittsvorschriften nicht sittenwidrig i.S.d. § 1 UWG a.F. sei.[9] Wie eingangs erwähnt, spielte die „Elektroarbeiten“-Entscheidung[10] dabei eine wichtige Rolle. In jenem Fall ging es darum, dass die Stadt München unter Verstoß gegen Art. 87 BayGO – der regelt, wann eine Gemeinde am Markt tätig werden darf – Elektroarbeiten anbot und dabei die privatwirtschaftliche Konkurrenz preislich unterbot. Der BGH musste sich also mit der Frage beschäftigen, ob eine Gemeinde, wenn sie unter Verstoß gegen kommunalrechtliche Marktzutrittsregelungen am Markt auftritt, einen Wettbewerbsverstoß begeht[11]. Er verneinte dies v.a. mit dem Argument, dass es nicht der Sinn des UWG sei, Marktteilnehmer unter Berufung auf einen Gesetzesverstoß vom Markt fernzuhalten, wenn das entsprechende Gesetz den Marktzutritt aus Gründen untersagt, die den Schutz des lauteren Wettbewerbs nicht ansatzweise berühren. Weiter wird auf den Telos des Wettbewerbsrechts rekurriert, nach dem jede Belebung des Wettbewerbs, wie sie auch durch den Marktzutritt der öffentlichen Hand geschehen kann, erwünscht ist. Deswegen müsse bei einem Verstoß gegen Vorschriften über den Marktzutritt anhand einer – am Schutzzweck des § 1 UWG a.F. ausgerichteten – Würdigung des Gesamtcharakters des Verhaltens geprüft werden, ob der Gesetzesverstoß einem unlauteren Wettbewerbsverhalten entspricht, wobei der Normverstoß alleine nur dann ausreichend ist, wenn die Norm zumindest eine sekundär wettbewerbsbezogene Schutzfunktion hat.[12] Diese Rechtsprechung wollte der Gesetzgeber in der UWG-Novelle aus dem Jahre 2004 kodifizieren, wobei er ausdrücklich Bezug auf die „Elektroarbeiten“-Entscheidung nimmt.[13] Auch die Formulierung in § 4 Nr. 11 UWG „…auch bestimmt ist, … das Marktverhalten zu regeln“ schließt eigentlich schon Marktzutrittsregelungen ohne zumindest sekundäre wettbewerbsbezogene Schutzfunktion wie z.B. §§ 104 ff. BGB[14] aus.
Der Umkehrschluss jedoch, wonach jede Marktzutrittsregelung automatisch aus dem Anwendungsbereich des § 4 Nr. 11 UWG fällt ist unzulässig. Dies legt wiederum zum einen der Wortlaut durch die Formulierung „auch bestimmt ist“ nahe. Zum anderen sprechen die Gesetzesmaterialien davon, dass Verstöße gegen Marktzutrittsregelungen vom Tatbestand erfasst sein können, wenn sie eine auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezogene Schutzfunktion haben und somit auch das Marktverhalten regeln.[15] Weiter sprach auch der BGH in seiner „Elektroarbeiten“-Entscheidung, die der Gesetzgeber ja maßgeblich umsetzen wollte, davon, dass ein Gesetzesverstoß alleine ausreicht, wenn eine solche wettbewerbsbezogene Schutzfunktion vorliegt, was z.B. bei Vorschriften, die als Voraussetzung für die Ausübung einer bestimmten Tätigkeit den Nachweis bestimmter fachlicher Fähigkeiten fordern, der Fall sei.[16] Sofern die Marktzutrittsregelung also eine Vorschrift mit Doppelfunktion ist, also neben dem „Ob“ des Tätigwerdens am Markt auch das „Wie“ regelt, wird sie nach h.M. vom Tatbestand des § 4 Nr. 11 UWG erfasst.
b) Kritik
Kritisiert wird an der herrschenden Meinung, dass hierdurch zumindest im Bereich von kommunalen Marktzutrittsregelungen ein rechtsfreier Raum geschaffen werde, da aufgrund der Tatsache, dass viele kommunale Marktzutrittsnormen nicht als drittschützend angesehen werden[17], auch kein verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz erlangt werden kann, worin letztlich ein Verstoß gegen das Gebot des effektiven Rechtsschutzes aus Art 19 IV GG gesehen werden könne.[18] Auch der Bundesrat hielt es in seiner Stellungnahme zur UWG-Novelle, im Hinblick auf dieses Rechtsschutzdefizit, für nötig auch Marktzutrittsvorschriften unter den Tatbestand des § 4 Nr. 11 UWG zu subsumieren, was mit einer entsprechenden Änderung des Wortlauts klargestellt werden sollte.[19] Weiter wird gegen die herrschende Meinung angeführt, dass Marktzutritt und Marktverhalten eine natürliche Einheit bilden würden, weswegen eine Trennung eher lebensfremd sei.[20] Der kategorische Ausschluss eines Verhaltens am Markt sei gerade die stärkste Form der Regelung des Marktverhaltens, weswegen eine Marktzutrittsregel immer auch das Marktverhalten regelt.[21] Gegen die herrschende Meinung wird auch auf den Schutzzweck des Wettbewerbsrechts verwiesen. Dieser sei die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs. Vor diesem Hintergrund sei es aber nur konsequent, Marktverhalten, das auf einem illegalen Marktzutritt basiert, als besonders gravierenden unlauteren Wettbewerb einzustufen.[22]
c) Stellungnahme
Obwohl die Kritik in manchen Punkten durchaus berechtigt ist, vermag sie nicht zu überzeugen. Mit dem Argument eine Marktzutrittsvorschrift regle automatisch auch das Marktverhalten, kann man noch das Wortlautargument der herrschenden Meinung abschwächen. Aber auch wenn sich der Ausschluss reiner Marktzutrittsregelungen nicht zwingend aus dem Wortlaut ergibt, so ergibt er sich doch relativ eindeutig aus der Entstehungsgeschichte des § 4 Nr. 11 UWG.[23] Während im Referentenentwurf zur UWG-Novelle[24] noch die Formulierung „… auch dazu bestimmt ist, … das Marktverhalten oder den Marktzutritt zu regeln“ enthalten war, wurde der Passus „oder den Marktzutritt“ im Regierungsentwurf gestrichen[25], was darauf hinweist, dass reine Marktzutrittsvorschriften nicht umfasst sein sollen. Insbesondere geschah diese Beschränkung des Wortlautes auch nicht deswegen, weil der Gesetzgeber die Formulierung „oder den Marktzutritt“ für überflüssig hielt[26], was sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt. Denn die Begründung zu § 4 Nr. 11 UWG spricht von einer „Einschränkung“ gegenüber dem Referentenentwurf.[27]
Das Argument der Rechtsschutzverkürzung bei kommunalrechtlichen Marktzutrittsregelungen wird auch von der Bundesregierung als „beachtlicher Grund“ bezeichnet[28]. Insbesondere aufgrund des verfassungsrechtlichen Gebots des effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 IV GG erscheint dieses Argument auf den ersten Blick überzeugend. Jedoch muss bedacht werden, dass das Wettbewerbsrecht seine Einstellung zu Marktzutrittsregelungen nicht aufgrund einer hierzu gehörenden Normengruppe ändern kann. Im Rahmen der Diskussion um Art. 87 BayGO wird oft nicht beachtet, dass es sich hierbei nur um eine von vielen Marktzutrittsvorschriften handelt. Würde man aufgrund der verfassungsrechtlichen Diskussion im Rahmen des Art. 87 BayGO dazu übergehen auch Marktzutrittsregelungen in den Anwendungsbereich des § 4 Nr. 11 UWG aufzunehmen, so würde dies im Hinblick auf andere Marktzutrittsregelungen zu ähnlichen gravierenden Problemen führen. Als Beispiel können hier die §§ 104 ff. BGB genannt werden. Betreibt beispielsweise ein Minderjähriger ohne Zustimmung seiner gesetzlichen Vertreter ein Unternehmen, so können die Mitbewerber dagegen nicht mittels des Wettbewerbsrechts vorgehen.[29] Würden nun Marktzutrittsregelungen von § 4 Nr. 11 UWG umfasst, so wäre den Mitbewerbern die Möglichkeit eröffnet, im oben genannten Beispiel mit wettbewerbsrechtlichen Mitteln vorzugehen. Sie hätten aus § 8 UWG einen Unterlassungsanspruch, aus § 9 UWG einen Schadensersatzanspruch und aus § 10 UWG einen Gewinnabschöpfungsanspruch, vorausgesetzt die übrigen Voraussetzungen wären gegeben. Dies würde jedoch dazu führen, dass der Minderjährige aufgrund von Normen, die seinen Schutz bezwecken, wettbewerbsrechtlichen Sanktionen ausgesetzt wäre. Auch aufgrund der Tatsache, dass der Minderjährigenschutz eines der Grundprinzipien des BGB ist, würde dies zu einem erheblichen Wertungswiderspruch führen. Wie an diesem Beispiel zu sehen ist, ist es ökonomischer, die verfassungsrechtlichen Probleme hinsichtlich des Rechtsschutzes, die im Rahmen kommunalrechtlicher Marktzutrittsregelungen auftreten, im Rahmen ebendieser und nicht im Rahmen des Wettbewerbsrechts zu lösen und dabei andere ebenso erhebliche Probleme zu verursachen[30]. Auch die Möglichkeit, nur kommunalrechtliche Marktzutrittsregelungen als von § 4 Nr. 11 UWG umfasst zu sehen, überzeugt nicht, da es keinen sachlichen Grund gibt, nur einen Teil der Marktzutrittsregelungen zu umfassen, das Gros hingegen nicht.
[...]
[1] Köhler NJW 2002, 2761, 2762.
[2] BGHZ 150, 343 = GRUR 2002, 825 – Elektroarbeiten.
[3] Köhler NJW 2002, 2761, 2762.
[4] Doepner WRP 2003, 1292, 1297 f.
[5] Beater, Rn. 2684.
[6] BGH GRUR 2010, 654 Rn. 18 – Zweckbetrieb; BGH GRUR 2012, 201 Rn. 24 – Poker im Internet; OLG Düsseldorf GRUR-RR 2011, 10, 11; Köhler GRUR 2004, 381, 384-385; GroßKo UWG/ Metzger, § 4 Nr. 11 Rn. 35; Ohly /Sosnitza, § 4 Rn. 11.18; Lettl, UWG, Rn. 396; ders., WettR, Rn.257; Nordemann, Rn. 780 u. 785; noch zu § 1 UWG a.F.: BGHZ 150, 343, 347 = GRUR 2002, 825, 825 – Elektroarbeiten; BGH GRUR 2002, 269, 270 – Sportwetten Genehmigung; BGH GRUR 2003, 164, 165; Köhler GRUR 2001, 777, 780; Köhler WRP 1999, 1205, 1211 (zu kommunalrechtlichen Marktzutrittsregelungen).
[7] Köhler GRUR 2004, 381, 384.
[8] Ullman GRUR 2003, 817, 823; Köhler GRUR 2004, 381, 384.
[9] BGHZ 150, 343, 347 = GRUR 2002, 825, 825 – Elektroarbeiten; BGH GRUR 2002, 269, 270 – Sportwetten Genehmigung; BGH GRUR 2003, 164, 165 - Altautoverwertung.
[10] BGHZ 150, 343 = GRUR 2002, 825 – Elektroarbeiten.
[11] Zusammenfassend: Köhler NJW 2002, 2761, 2762.
[12] So im Wesentlichen die Argumentation des BGH in BGHZ 150, 343, 347-348 = GRUR 2002, 825, 826 – Elektroarbeiten.
[13] Vgl. BT-Dr. 15/1487, S.19; BRat-Dr. 301/03, S. 37.
[14] Köhler /Bornkamm, § 4 Rn. 11.45.
[15] BT-Dr. 15/1487, S.19.
[16] BGHZ 150, 343, 348 = GRUR 2002, 825, 826 – Elektroarbeiten.
[17] Exemplarisch: Art 87 BayGO wird nicht als drittschützende Norm angesehen (Bauer/Böhle/Ecker, Art. 87 GO Rn. 7).
[18] Fezer/ Götting, § 4-11 Rn. 45; Götting, S. 299 Rn. 19.
[19] BT-Dr 15/1487, S. 31.
[20] Elskamp, S. 157; Höfinghoff, S. 134; Fezer/ Götting, § 4-11 Rn. 27; Doepner WRP 2003, 1292, 1299.
[21] Höfinghoff, S. 134; Sack WRP 2004, 1307, 1308; Elskamp, S. 157.
[22] Frezer/ Götting, § 4-11 Rn. 29; Doepner WRP 2003, 1292, 1301; im Hinblick auf kommunalrechtliche Marktzutrittsvorschriften im Ergebnis genauso: Gloy/Loschelder/ Hasselblatt, S. 946 Rn. 76.
[23] So auch: Ohly /Sosnitza , § 4 Rn. 11.18.
[24] www.gesmat.bundesgerichtshof.de/gesetzesmaterialien/15_wp/UWG2003/refe.pdf.
[25] BRat-Dr. 301/03, S. 37; BT-Dr. 15/1487, S. 19.
[26] So auch Sack WRP 2004, 1307, 1309.
[27] BRat-Dr. 301/03, S. 37; BT-Dr. 15/1487, S. 19.
[28] BT-DR. 15/1487, S.41
[29] Köhler /Bornkamm, § 4 Rn. 11.45.
[30] Auch die Bundesregierung vertritt in ihrer Antwort auf die Stellungnahme des Bundesrates die Auffassung, dass dieses Problem besser im öffentlichen Recht gelöst werden sollte (BT-Dr. 15/1487, S. 41).