Die Verschwörungstheorie von der Brunnenvergiftung der Juden

Judenverfolgung während der großen Pestepidemie in der Mitte des 14. Jahrhunderts mit Fokus auf Straßburg


Hausarbeit, 2009

21 Seiten, Note: 1, 7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Hauptteil
2. 1 Die Pestepidemie in Europa
2. 2 Überblick über die Stellung der Juden in der mittelalterlichen 6 Gesellschaft
2. 3 Die Verfolgung der Juden in Straßburg

3 Schlussbetrachtung

Quellen und Literaturangaben
1 Quellen
2 Literatur

1 Einleitung

Eine Verschwörungstheorie ist in der Regel ein dem Geiste der Menschen entsprungenes Phänomen, welches in nahezu allen möglichen Lebensformen und Gemeinschaften der Menschen auftreten kann und auftritt. Im Laufe der Jahrhunderte sind immer wieder ganz verschiedene Verschwörungstheorien entstanden, die nur allzu oft in keinerlei Relation zu einer tatsächlich verifizierbaren Verschwörung standen, aber dennoch unzählige Opfer forderten.

Dieser dunkelste Aspekt von Verschwörungstheorien trifft sicherlich in ganz erheblichem Maße auf die Juden zu. Wiederholt wurden sie zu Opfern von Verschwörungstheorien und den daraus resultierenden antijüdischen beziehungsweise später dann antisemitischen Anfeindungen und Verfolgungen. Die Verfolgung und Anklage der Juden ist daher keineswegs ein Thema, das lediglich für die Neuzeit relevant ist, sondern bereits in der Bibel wird Anklage gegen die Juden erhoben.[1][2] Im Laufe der Jahrhunderte erhärtete sich die Antipathie gegenüber den Juden zunehmend, so dass sie in Form von Anfeindungen und Pogromen erschreckend oft zu Opfern von Verschwörungstheorien geworden sind: So auch in der Mitte des 14. Jahrhunderts, zur Zeit der großen Pestepidemie, als die Juden beschuldigt wurden, dass sie die Brunnen in weiten Teilen Europas vergiftet hätten. In Folge dieser Verschwörungstheorie und deren weiträumige Verbreitung kam es in vielen Städten zu Pogromen und der Ermordung von (fast) allen Juden. In Folge dessen wurde im Februar 1349 auch die gesamte jüdische Gemeinde der Stadt Straßburg verbrannt.[3]

Es erscheint logisch, dass man sich rückblickend viele Fragen über den Hergang jener Ereignisse stellt: Warum wurden die Juden in Straßburg verbrannt? Was passierte damals wirklich? Wie kam es zu dem Pogrom gegen die Juden? Wer initiierte den Pogrom? Wie sah es mit der immer wieder diskutierten Beteiligung der Geissler aus?

Im folgenden Text werde ich nun versuchen diese Fragen, so weit es mir möglich ist, zu beantworten. Dabei möchte ich versuchen nach mögliche Ursachen und Gründen zu suchen, die das Verhalten der Menschen, die an dem Pogrom gegen die Juden in der hier exemplarisch herausgegriffenen Stadt Straßburg beteiligt waren, erklären und dabei versuchen nach möglichen Antworten suchen. Insbesondere möchte ich in diesem Zusammenhang allgemein auf die Verschwörungstheorie gegen die Juden eingehen und versuchen diesen Aspekt genauer zu betrachten und somit versuchen eine Erklärung für die Entstehung jener Verschwörungstheorie, die weite Kreise gezogen hat, zu finden.

Ich werde nun zunächst einen kurzen allgemeinen Überblick über die Pestepidemie im 14. Jahrhundert und über die Entwicklung der Situation der Juden im Mittelalter geben, da das allgemeine Umfeld der Juden, ihre spezifische Geschichte und ihr Alltag für die Verbreitung und das Aufgreifen der Verschwörungstheorie von erheblicher Bedeutung sind. Im Anschluss daran werde ich die Ereignisse in Straßburg zur Zeit der großen Pestepidemie beleuchten und versuchen eine Erklärung für die Verbreitung der Verschwörungstheorie von der jüdischen Brunnenvergiftung und die Verbrennung der Juden in Straßburg zu finden.

Zu der Quellenlage kann man sagen, dass es sich anbietet neben weltlichem und kirchlichem Verwaltungsschriftgut wie dem Urkundenbuch von Straßburg und den Konzilbeschlüssen des IV Laterankonzils mit mehreren Chroniken zu arbeiten. Dabei wäre die deutsche Chronik Jakob Twingers von Königshofen zu nennen, die jener aufbauend auf Fritsche (beziehungsweise teilweise auch Friedrich genannt) Closener, um 1400 verfasste.[4] Eben so wichtig ist sicherlich auch die Chronik des Matthias von Neuenburg. Gerade diesen beiden Chronisten kann unter anderem auf Grund ihres Bildungsgrades ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit zuschreiben.[5] Festzuhalten ist, dass es aber eigentlich keine zeitgenössischen Quellen gibt, die mit wertenden Worten Belege für eine Verschwörungstheorie liefern.

Im Bereich der Sekundärliteratur haben Alfred Haverkamp, Gerd Mentgen und Frantisek Graus viel über die Verschwörungstheorien gegen die Juden publiziert und gerade Graus thematisiert auch immer wieder Verschwörungstheorien ganz allgemein. Dies trifft sicherlich auch auf Publikationen von Alex Bein zu. Man kann festhalten, dass sich bereits einige Wissenschaftler mit den Ereignissen befasst haben, die sich im Umfeld der großen Pestepidemie ereignet haben. Viele Wissenschaftler, die sich eingehend mit der Verfolgung der Juden in der Mitte des 14. Jahrhunderts beschäftigt haben, führen in ihren Publikationen gerade Straßburg als Beispiel an, da der Verlauf der Ereignisse dort sowohl sehr eindringliche als auch recht beispiellose ist. Leider gibt es keine Publikationen, in denen thematisiert wird, ob es die klassische Verschwörungstheorie des Mittelalters gegeben hat, beziehungsweise ob man im nachhinein ein entsprechendes Konstrukt erkennen kann. Ein vergleichbares Werk würde sicherlich interessante Einblicke geben und es ermöglichen die Verschwörungstheorien weniger im Kontext und aus dem Erwartungshorizont unserer heutigen Zeit, sondern noch mehr in ihrem realhistorischen Umfeld zu sehen.

2 Hauptteil

2.1 Die Pestepidemie in Europa

Im Mittelalter grassierte die Pestseuche mehrfach in Europa und kostete auf Grund der hohen Infektionsgefahr, der beschränkten medizinischen Möglichkeiten und dem nicht hinreichenden Wissen über die Krankheit und ihre Ursachen stets vielen Menschen das Leben. Im 14. Jahrhundert war das Ausmaß der Seuche so schlimm, dass ihr in der Zeit von 1347 bis 1351 etwa ein Drittel der europäischen Bevölkerung zum Opfer fiel.[6]

Im Jahre 1347 war die Pest in Konstantinopel ausgebrochen und dann von Genueser Kauffahrtsschiffen in verschiedenen Hafenstädten eingeschleppt worden. Ausgehend von der Provence kam die Pest auch nach Deutschland.[7]

Aus der Machtlosigkeit und Hilflosigkeit angesichts der Pestepidemie, der hohen Mortalität und dem erschreckenden Krankheitsbild resultierte in der Gesamtbevölkerung ein Verhalten, welches geprägt war von Angst, Flucht, Angriff und dem Suchen nach Erklärungen für das schreckliche Sterben.[8] Dies führte dazu, dass die Angriffswut der Bevölkerung, die zweifellos der Erklärungsnot für die Seuche entsprang, sich gegen Sonderpopulationen wie die Juden richtete.[9] Man verdächtigte die Juden, dass sie Brunnen und Quellen vergiftetet hätten, um den Christen zu schaden. Dieses Gerücht eilte schon bald der Pest voraus und gelangte schließlich über die romanische Schweiz nach Deutschland.[10]

2.2 Überblick über die Stellung der Juden in der mittelalterlichen Gesellschaft

Nach der Zerstörung des jüdischen Tempels in Jerusalem begann die Zeit der jüdischen Diaspora. Die Juden verließen gezwungenermaßen ihre Heimat und begannen in Europa, zu siedeln.

Zum Verhängnis wurde ihnen dabei immer wieder ihre Fremdheit, welche bedingt war durch ihre andersartigen Sitten und Bräuche sowie ihren Glauben und gerade Letztgenannter diente den Christen immer wieder als Keimzelle um Verschwörungstheorien gegenüber die Juden aufkommen zu lassen. Dies war relativ leicht möglich, da die Gesellschaft, in der die Menschen im Mittelalter lebten, noch nicht in ihrer heutigen säkularisierten Form existierte, weshalb die Sphären Leben und Glauben noch untrennbar miteinander verknüpft waren und sich dementsprechend gegenseitig beeinflussten.[11]

Den Juden wurden zwar seit der Karolingerzeit (9. Jahrhundert) Schutzprivilegien in Form von kaufbaren Judenschutzbriefen zugestanden. Jedoch entwickelten sich diese im Laufe der Jahrhunderte zunehmend zu einem Instrument, durch welches es dem Judenschutzherren vor allem möglich war verhältnismäßig große Einnahmen zu erzielen, da die Juden mit ihrem ganzen Hab und Gut als seine Kammerknechte galten und für die zugesicherten Schutzprivilegien recht hohe Steuern bezahlen mussten.[12] Gleichzeitig ging mit diesem besonderen Status jedoch auch eine Verminderung ihres rechtlichen Status einher.[13] Die Juden waren allerdings auf die Schutzprivilegien angewiesen, da das Feindbild Jude teilweise sicherlich auch bedingt durch die Sonderstellung der Juden im Gesellschaftsgefüge der mittelalterlichen Städte rasch eine zunehmende Ausdifferenzierung erfuhr. Im 12. Und 13. Jahrhundert wurden die antijüdischen Verleumdungen von Ritualmord, Hostienfrevel sowie der Gottesmördervorwurf zunehmend verbreitet. Zudem kam in dieser Zeit zum ersten Mal der Vorwurf der Brunnenvergiftung auf.[14] Es kam bereits damals zu Judenverfolgungen. Allerdings sind diese zu dieser Zeit eher regional begrenzt gewesen.[15][16]

[...]


[1] Vgl. Wippermann, Wolfgang: Agenten des Bösen. Verschwörungstheorien von Luther bis heute. Berlin 2007, S. 17

[2] Vgl. Ebd. S. 8.

[3] Vgl. Aufgebauer, Peter: Artikel „Straßburg“, in: Neues Lexikon des Judentums, München, Auflage, 1992, S. 435.

[4] Vgl. Kurt Ruh u.a.: Die deutsche Literatur des Mittelalters, 2, völlig neu bearbeitete Aufl., 12 Bde., Berlin 1978-2006, Sp. 1184.

[5] Vgl. Ebd. Sp. 194ff, Sp. 1182.

[6] Vgl. Mentgen Gerd: Forschungen zur Geschichte der Juden im mittelalterlichen Elsaß. 2., Hannover 1995 (Forschungen zur Geschichte der Juden, 2.), S. 363f.

[7] Vgl. Keil, Gundolf: Pest im Mittelalter: die Pandemie des „Schwarzen Todes“ von 1347 bis 1351, in: Das 14. Jahrhundert. Krisenzeit, 1., hrsg. v. Walter Buckl, Regensburg 1995 (Schriftenreihe der Katholischen Universität Eichstätt), S. 96f.

[8] Vgl. Ebd. S. 98f.

[9] Vgl. Ebd. S. 99.

[10] Vgl. Mentgen (wie Anm. 5), S. 365.

[11] Vgl. Bein, Alex: Die Judenfrage. Biographie eines Weltproblems. 1, Stuttgart 1980, S. 70.

[12] Vgl. Bein (wie Anm. 10), S. 89, S.97.

[13] Vgl. Wenninger, Markus J.: Man bedarf keiner Juden mehr. Ursachen und Hintergründe ihrer Vertreibung aus deutschen Reichstädten im 15. Jahrhundert, Graz 1981, S. 21f.

[14] Vgl. Mentgen, Gerd: Juden. Zwischen Koexistenz und Pogrom, in: Randgruppen der spätmittelalterlichen Gesellschaft, hrsg. v. Bernd-Ulrich Hergemöller, Fahlbusch 2001, S. 356-359.

[15] Vgl. Mentgen (wie Anm. 5), Kapitel VI.

[16] So zum Beispiel die Armleder- und Rindfleischverfolgungen im Elsass in den Jahren 1336-1338.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Die Verschwörungstheorie von der Brunnenvergiftung der Juden
Untertitel
Judenverfolgung während der großen Pestepidemie in der Mitte des 14. Jahrhunderts mit Fokus auf Straßburg
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg  (Historisches Seminar)
Veranstaltung
PS: Verschwörungstheorien im Mittelalter
Note
1, 7
Autor
Jahr
2009
Seiten
21
Katalognummer
V272636
ISBN (eBook)
9783656641216
ISBN (Buch)
9783656641209
Dateigröße
548 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
verschwörungstheorie, brunnenvergiftung, juden, judenverfolgung, pestepidemie, mitte, jahrhunderts, fokus, straßburg
Arbeit zitieren
Verena Caroline Wernet (Autor:in), 2009, Die Verschwörungstheorie von der Brunnenvergiftung der Juden, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/272636

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