David Lynch ist ein Regisseur des Autoren-Kinos. Er ist für seine verwirrenden, rätselhaften, surrealistischen und ambigen Filme bekannt. Metamorphosen, das Unterbewusste, Albträume und fremde Welten sind die wiederkehrenden Themen in Lynchs Filmen. Der Film „Lost Highway“ aus dem Jahr 1997 entspricht auch den oben genannten Merkmalen.
Aufgrund der filmischen Sprache in diesem Film lässt er sich nicht eindeutig Interpretieren. In den zahlreichen Kritiken existieren mehrere unterschiedliche Interpretation. In dieser Arbeit möchte ich den Film anhand einer psychogenen Fuge analysieren. Außerdem werde ich eine Analyse der Struktur des Filmes und der visuellen Ebene durchführen.
1. Einleitung
David Lynch ist ein Regisseur des Autoren-Kinos. Er ist für seine verwirrenden, rätselhaften, surrealistischen und ambigen Filme bekannt. Metamorphosen, das Unterbewusste, Albträume und fremde Welten sind die wiederkehrenden Themen in Lynchs Filmen. Der Film „Lost Highway“ aus dem Jahr 1997 entspricht auch den oben genannten Merkmalen.
Aufgrund der filmischen Sprache in diesem Film lässt er sich nicht eindeutig Interpretieren. In den zahlreichen Kritiken existieren mehrere unterschiedliche Interpretation. In dieser Arbeit möchte ich den Film anhand einer psychogene Fuge analysieren. Außerdem werde ich eine Analyse der Struktur des Filmes und der visuellen Ebene durchführen.
2. Interpretation des Filmes - psychogene Fuge
Auf den ersten Blick sehen wir im Film die Geschichten zwei unterschiedlichen Menschen namens Fred und Pete, deren Ereignisse sich spiegeln und wiederholen. Nach kurzer Zeit verstehen wir, dass die zwei Hauptdarsteller auf eine Art und Weise mit einander in Verbindung stehen. Die spiegelnden Szenen sowie die wiederholenden Helden und Ereignisse verwirren auf den ersten Blick. Beim weiteren Anschauen des Filmes lässt sich feststellen, dass es sich um ein und derselbe Person handelt, die sich nach einem traumatischen Ereignis neu findet. Dies geschieht mit der Verwandlung des Hauptdarstellers in eine, wie man zunächst annimmt, andere Person. Eine Erklärung dieser Verwandlung von Fred Madison zu Pete Dayton bietet die „psychogene Fuge“. Dieser medizinische Terminus beschreibt eine durch ein psychotraumatisches Ereignis ausgelöste Flucht aus der Realität, die mit Gedächtnisstörung und Selbstannahme einer neuen Persönlichkeit einhergeht (Haselhorst 2013: 151ff, sowie 329).
Mit dem Einsatz der psychogenen Fuge kann man die Handlung des Filmes folgend kurz zusammenfassen: Fred Madison leidet unter der Vorstellung, dass seine Frau Renée ihn betrügt. (Seine psychische Störung hat in diesem Moment schon angefangen.) Aus Eifersucht tötet er sie, wird verhaftet und zum Tode verurteilt. In der Gefängniszelle vor seiner Hinrichtung bekommt er einen Nervenzusammenbruch. Diese resultiert aus dem Verstehen seiner Tat. Er verwandelt sich daraufhin in der Fugenwelt, in der er sich als Pete neu findet. Damit ermöglicht Fred es sich durch die Fugenwelt den Verlust seiner Frau zu kompensieren. Jedoch tritt sein Unterbewusstsein in der Fugenwelt hervor und Freds Welt dringt in die von Pete mit den gleichen Akteuren ein.
Schon die aller erste Szene (Abb. 1 und Abb. 2) ist ein Hinweis auf die doppelte Identität. David Lynch vermeidet ein übliches Establishing Shot mit der TotaleEinstellungsgröße, wie zum Beispiel eine Weit-Aufnahme von der Stadt oder Haus. Durch den Establishing Shot soll der Ort der Handlung vorgestellt und dadurch etabliert werden. Er dient damit der räumlichen und zeitlichen Orientierung des Zuschauers im Handlungsraum. In „Lost Highway“ übernehmen solche Ortsetablierung Fred und sein spiegelndes Abbild. Das heißt der Handlungsraum des Films ist Freds Psyche.
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In der ersten Szene (Abb. 1 und Abb. 2) sehen wir Freds Gesicht in Großaufnahme. Wobei sich durch den Achsensprung (vermutlich mithilfe des Spiegels) der Eindruck ergibt, dass es sich um zwei Personen handelt. Es scheint so zu sein, dass zwei Personen, die mit Schuss-Gegenschuss gefilmt worden sind, sich im Gespräch miteinander befinden. Zudem ist aufgrund der unterschiedlichen Ausleuchtung von Freds Gesichts nicht sofort erkennbar, dass es eine Person ist. Nur die Zigarette gibt einen Hinweis darauf, dass es sich um dieselbe Person handelt. Mit diesem Setting und dieser Kameraführung wird ein Selbstdialog erreicht. Die Montage, Beleuchtung und Kameraführung weist schon am Anfang des Filmes darauf hin, dass es sich um eine geistige Dissoziation handelt.
3. Strukturanalyse
Den Film „Lost Highway“ kann man in drei narrative Blöcke unterteilen, die durch das Wechseln des Protagonisten gekennzeichnet sind. Der erste Block ist die Geschichte von Fred bis er in der Gefängniszelle sitzt. Der zweite - die Geschichte von Pete, die mit Alice' Worten „you'll never have me“ endet. In dem dritten Teil tritt Fred wieder auf. Jeder dieser drei Blöcke entspricht an sich dem kausalen, chronologischen und linearen Normen der klassischen Erzählstruktur. Die Konstruktion der gesamten Erzählung entsprichtjedoch nicht dem Kausalitätsprinzip sowie der Temporalität. „Was auf der einen Ebene geschehen wird, ist auf der anderen längst Vergangenheit[...]“ (Seeßlen 1994: 165). In „Lost Highway“ kann der erste Block nicht nach dem zweiten Block folgen, da Mr. Eddy (Dick Laurent) in dem ersten Block für tot erklärt worden ist und er in dem zweiten Block wieder lebendig ist. Auch Renée, die in dem ersten Block ermordet wurde, istjedoch in dem dritten Block wieder lebendig (Steinke 2007: 161).
David Lynch bricht die zeitliche Linearität so auf, dass ihre Rekonstruktion nicht mehr möglich ist. Die Anordnung des Geschehens in den unterschiedlichen Erzählungsebenen formt sich in einem zeitlichen Kreis. Der Film beginnt wo er endet, nämlich mit der Mitteilung der Nachricht „Dick Laurent is dead“, bei der Fred sowohl Absender als auch Empfänger ist. So gesehen hat der Film keinen Anfang, keine Mitte und kein Ende. Die Abfolge des Geschehens passiert nicht kausal und chronologisch, sondern willkürlich. „[...] Lynch Personen blicken sozusagen in die Zukunft, während sie sich in die Vergangenheit bewegen.“ (Seeßlen 1994: 165) Die zeitlichen Ereignisse passieren sowohl nacheinander als auch übereinander. Die Zeit im Film ist eher subjektiv und psychisch als objektiv und chronologisch.
Die zeitliche Abfolge der Ereignisse wird von Fred bestimmt, die Informationsvergabe erfolgt auch von ihm. Fred bestimmt explizit seine willkürliche Handlungs- und Zeitstruktur in der Szene bei dem Gespräch mit Polizistin in seinem Haus: „I like to remember things my own way... Not necessarily the way they happend.“ ("00:24:33). Nach diesem Satz wird daraufhingewiesen, dass das Geschehen im Film, nicht unbedingt einen Anspruch auf Realität haben wird. Fred selektiert die Information und gibt sie auf seine eigene Weise wieder. Durch diese Informationsselektion und Freds Wahrnehmung bzw. Freds gedoppelte Identität in Form einer psychogenen Fuge verkompliziert sich die Abbildung der Erzählung vom Kreis zum Möbius-Band (Steinke 2007: 170).
Möbius-Bänder beinhalten eine bestimmte Struktur und entstehen in Systemen, in denen gewöhnlich hierarchisch angeordnete Ebenen sich gegen sich selbst kehren und deshalb zu verwickelten Hierarchien werden (Steinke 2007: 163). Das heißt in dem Film gibt es keine eindeutigen Hierarchieebenen. Zudem ist die Differenz zwischen Innen und Außen, sowie Oben und Unten nicht selbsterklärend. Die Struktur eines MöbiusBandes impliziert Brüche und Drehungen. Das heißt, im Film sollen die Brüche mit der Realität und Übergänge zu den ausgedachten Welten stattfinden. Diese Brüche erfolgen in der Szene in dem Gefängnis ("00:48:30) sowie in der Zurückverwandlung von Pete zu Fred in der Wüste-Szene ("01:56:00).
3. Analyse der visuelle Ebene
Im Folgenden möchte ich auf die visuelle Darstellung der ersten und zweiten Hälfte des Filmes und ihre Rolle für die Abbildung der Welt des Protagonist eingehen.
Das filmische Setting wie z.B. die Beleuchtung und Farbe sind in fiktionalen Filmen immer bewusst, genau und gezielt ausgewählt. Sie werden oft benutzt, um ein Gefühl für die Entwicklung der Figuren zu erzeugen. Der Grad der Sättigung fungiert oft als eine symbolische Analogie zur Qualität des Lebens eines Protagonisten. Der erste Block des Filmes zeigt die Gefühlswelt und den Seelenzustand des Protagonisten, die die Voraussetzung für das weitere Geschehen sein wird. Dieser Block besteht oft aus asymmetrischen Aufnahmen mit einer Low-Key Beleuchtung (wie z.B. in Abb.3). Hier ist die Dunkelheit bzw. der Low-Key-Stil eine Metapher für Freds Seelenzustand. Fred spürt die Entfremdung und hat Angst seine Frau Renée zu verlieren.
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Abb.3
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Abb. 4
Die Darstellung von Freds Haus sowie sein spartanisches Interieur ist metaphorisch gesehen eine Abbildung Freds Persönlichkeit und eine Artikulation seines seelischen Zustandes. Dies zeigt Freds Lebensqualität, seine Unvollständigkeit, Unzufriedenheit und Unklarheit. Die Leere erzeugt das Gefühl, dass etwas fehlt. Der Low-Key-Stil und die Textur des Bildes sowie der Verzicht auf Details erschwert dem Zuschauer den filmischen Raum innerhalb der Wohnung zu konstruieren. Sein Haus ist ein Labyrinth. Man ist in Freds Haus desorientiert, denn es nicht verständlich welcher Raum hinter der nächten Tür ist. (Abb. 4)
Die Anordnung des Subjektes im Bild spricht ebenfalls von Freds Seelenzustand. Die Bildkomposition ist oft asymmetrisch und nicht ausbalanciert (Abb. 5 und Abb. 6).
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- Citation du texte
- Anna Korchagina (Auteur), 2014, „Lost Highway“. Eine Filmanalyse, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/272650