Die folgende wissenschaftliche Arbeit behandelt verschiedene Varianten emotionsbedingten Essverhaltens. Ziel dabei ist aufzuzeigen, wie sich Emotionen und Essen wechselseitig bedingen.
Im Fokus stehen neue Forschungsergebnisse und Ansätze emotionsbedingten Essverhaltens sowie essbedingte Emotionen die den traditionellen Emotionstheorien gegenüberstehen. Diesen Auffassungen folgend wird weiterführend die neue Theorie der Glücksnahrung betrachtet um emotionsbeeinflussende Lebensmittel wie Schokolade zu spezifizieren.
Um festzustellen wie Emotionen mit dem Verzehr des glücksspendenden Lebensmittels Schokolade zusammenhängen, wurde eine qualitative empirische Studie durchgeführt. Die Untersuchungsergebnisse werden anhand der zuvor aufgeführten Ansätze und Theorien interpretiert. Aus den Ergebnissen resultiert, dass nicht die Inhaltsstoffe der Schokolade, sondern andere Merkmale für eine Stimmungsverbesserung nach dem Nahrungsverzehr verantwortlich sind. Hauptmerkmal bildet hierbei, das gestillte Bedürfnis des Verlangens nach einem bestimmten Nahrungsmittel, das zu positiven Emotionen führt.
Inhaltsverzeichnis
Danksagung
Kurzfassung
Abstract
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
2 Begriffsbestimmung und Abgrenzung
2.1 Emotionen sind Stimmungen, sind Gefühle, sind Affekte
2.2 Emotionen, Stimmungen, Gefühle und Affekte beim Essverhalten
3 Stand der Forschung
3.1 Emotionsbedingtes Essverhalten
3.2 Ergebnisse bisheriger Forschung des emotionsbedingten Essverhaltens
3.3 Varianten emotionsbedingter Veränderungen des Essverhaltens
4 Essen und Emotionen
4.1 Mood-Food
4.2 Schokolade
5 Emotionstheorien
5.1 Sozialkonstruktivistischer Ansatz
5.2 Kognitionstheoretischer Ansatz nach Arnold
5.3 Kognitionstheoretischer Ansatz nach Lazarus
5.4 Kritische Anmerkung
6 Qualitative Erhebung von Emotionen und Schokolade
6.1 Stichprobe und methodische Vorgehensweise
6.1.1 Qualitative Sozialforschung
6.1.2 Ziel der Studie
6.1.3 Stichprobe
6.1.4 Erhebungsinstrumente
6.1.5 Versuchsablauf
6.2 Auswertung und Ergebnisse
6.2.1 Auswertung der Untersuchung
6.2.2 Ergebnisse der Untersuchung
6.2.3 Interpretation der Ergebnisse
6.2.4 Qualitätsprüfung der Ergebnisse
7 Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Affekte, Stimmungen, Gefühle und Essverhalten
Abbildung 2: Emotionsbedingte Veränderungen des Essverhaltens als Ergebnis des Zusammenspiels von Emotionsmerkmalen, Mediatoren und Moderatoren
Abbildung 3: Die grundlegenden Wirkungszusammenhänge zwischen
Abbildung 4: Orientierungsschema zur Vorhersage emotionsbedingter Veränderungen des Essverhaltens
Abbildung 5: Mechanismen, die den emotionalen Wirkungen zu Grunde liegen ..
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Merkmale des Essverhaltens bei experimentell induzierten negativen und positiven Emotionen: Ergebnisse der Studien Willner et al. (1998) .. und Macht et al. (2002)
Tabelle 2: Einschätzungsmuster von Emotionen
Tabelle 3: Carroll E. Izards Emotionsprinzipien
Tabelle 4: Kurzportraits der Tagebuchschreiber
Tabelle 5: Ergebnisse der Untersuchung
Danksagung
An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Personen bedanken die mich unterstützt haben.
In erster Linie möchte ich mich bei meiner Familie und bei meinen Freunden für die ständige Motivation und Unterstützung während meiner beruflichen Ausbildung bedanken, ohne die diese Arbeit nicht möglich gewesen wäre.
Großer Dank gilt auch meiner Betreuerin Frau Doktor Ulrike Starker vom Lehr- stuhl für empirische Bildungsforschung die mir Freiheit gelassen hat, die Arbeit nach eigener Vorstellung zu entwickeln und mir motivierend und unterstützend zur Seite stand.
Ein besonderer Dank gilt meinen Tagebuchführern, den Pretest-Teilnehmern sowie den Interview- und Gesprächspartnern. Ohne ihre Bereitschaft wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen.
Herzlicher Dank gebührt nicht zuletzt: meinen Eltern Sabine Vosseler-Waller und Peter Waller, sowie meiner Cousine Sarah Kleemann, meiner Bekannten Anna von Zabern und meinem Freund Lennard Stürmer.
Kurzfassung
Die folgende wissenschaftliche Arbeit behandelt verschiedene Varianten emotionsbedingten Essverhaltens. Ziel dabei ist aufzuzeigen wie sich Emotionen und Essen wechselseitig bedingen.
Im Fokus stehen neue Forschungsergebnisse und Ansätze emotionsbedingten Essverhaltens sowie essbedingte Emotionen die den traditionellen Emotionstheorien gegenüberstehen. Diesen Auffassungen folgend wird weiterführend die neue Theorie der Glücksnahrung betrachtet um emotionsbeeinflussende Lebensmittel wie Schokolade zu spezifizieren.
Um festzustellen wie Emotionen mit dem Verzehr des glücksspendenden Lebensmittels Schokolade zusammenhängen, wurde eine qualitative empirische Studie durchgeführt. Die Untersuchungsergebnisse werden anhand der zuvor aufgeführten Ansätze und Theorien interpretiert. Aus den Ergebnissen resultiert, dass nicht die Inhaltsstoffe der Schokolade, sondern andere Merkmale für eine Stimmungsverbesserung nach dem Nahrungsverzehr verantwortlich sind. Hauptmerkmal bildet hierbei, das gestillte Bedürfnis des Verlangens nach einem bestimmten Nahrungsmittel, das zu positiven Emotionen führt.
Abstract
The subsequent thesis deals with different models of eating behavior based on emotions. The aim is to demonstrate how emotions and food correlate. Focused on latest results of research and approaching eating behavior based on emotions, there is a comparison made to traditional emotion theories. Following these concepts, the new theory of mood food is applied to specify food as e.g. chocolate, which has an impact on emotions.
Based on a qualitative empirical study, there is an attempt made to try to dis- cover how emotions and mood changes caused by eating of chocolate interact. The research results are interpreted considering the earlier mentioned approaches and theories. The results show that it is not the ingredients of chocolate, but other criteria that are responsible for an increase of someone’s well-being. The main criterion in this relation is the satisfaction of specific food needs which cause posi- tive emotions.
1 Einleitung
Essen zur Aufrechterhaltung des menschlichen Daseins formuliert sich als eine Grundlage jedes individuellen Lebens. Dabei gehören zum Prozess der Nah- rungsaufnahme allerlei Facetten, die in ihren Unterschieden bewusst oder unbe- wusst nach verschiedenen Kriterien, kulturspezifisch, persönlichkeitsbedingt und möglichkeitsgebunden wahrgenommen werden. So kann das Essen als Kopfsa- che gewertet werden, und das obwohl es doch eigentlich durch den Magen geht. Während sich bei der Verdauung im Magendarmtrakt das rein physikalisch und biologisch Notwendige abspielt, finden im Kopf die für das Essverhalten aus- schlaggebenden Vorgänge statt.
Essen ist in seiner biologischen Tatsache bestimmt, dem Körper Energie zu lie- fern. Doch wird Essen im Unterschied zur Ernährung von weit mehr begleitet. Der biologische und emotionale Aspekt des Essens sind untrennbar, denn Emotionen und Essverhalten sind eng miteinander verknüpft. Bereits die tradierte Volksweis- heit ‚Schokolade macht glücklich‘ weist darauf hin (vgl. Gniech 1990). Weiter kann Nahrung Trost spenden, eine Belohnung darstellen oder dem reinen Zeitvertreib dienen. Essen ist weit mehr als bloßes Hungerstillen und kann unsere Stimmung entscheidend beeinflussen. Nach Diehl 1980 ist das Essverhalten eines Individu- ums das Produkt zentraler psychischer Verarbeitung interner (Organismus) und externer (Außenwelt) Faktoren die zum gegebenen Zeitpunkt wirksam werden. Dabei ist die Verarbeitung je nach Individuum in ihrer Strukturierung der internen und externen Bestimmungsgrößen verschieden.
Die vorliegende Arbeit widmet sich vorrangig der Analyse interner Faktoren von Emotionen und teilweise der Persönlichkeitsmerkmale, während externe Determi- nanten in den Hintergrund rücken. Des Weiteren stehen die Zusammenhänge zwischen der Psychologie der Emotionen und der Psychologie des Essens im Zentrum des Forschungsinteresses. Im Gegensatz zur Ernährungspsychologie die sich in erster Linie der Quantität aufgenommener Nahrung widmet, befasst sich die Psychologie des Essens im Wesentlichen mit allgemeinpsychologischen Funk- tionen sinnlicher Erfahrungen und speziellen Qualitäten von Nahrung (vgl. Gniech 1990).
Da Schokolade als besonderer „Glücklichmacher“ zu den am häufigsten verzehr- ten und am meisten begehrten Lebensmitteln zählt, (vgl. Benton 1999) und mit emotionsbedingten Prozessen in enger Verbindung steht, gilt es herauszuarbei- ten, welche konkreten Emotionen, Gefühle und Stimmungen bei der Nahrungsauf- nahme von Schokolade wirken und wie das Essen unsere psychische Befindlich- keit beeinflusst. Das Wissen darum, dass Menschen Emotionen essend kompen- sieren und Zornesfalten durch Essen ausgebügelt werden können, ist weit verbrei- tet aber dennoch ein ungeklärtes und gering erforschtes Phänomen (vgl. Cvitkovich-Steiner 2008; Klotter 2007).
Aus dieser Motivation heraus entwickeln sich folgende Fragen auf die diese Arbeit Antworten finden will:
Wie beeinflussen Emotionen das Ernährungsverhalten? Wie verändert das Essen Emotionen?
Wie wirkt Mood-Food am Beispiel Schokolade auf Emotionen?
Aufbauend auf die Beantwortung dieser Fragen gliedert sich die vorliegende Arbeit in sieben Kapitel. Zu Beginn werden in Kapitel zwei grundlegende Begrifflichkeiten genauer betrachtet, die den Ausgangspunkt für die folgenden Inhalte bilden. Da- ran anschließend wird der Stand der Forschung aufgezeigt und durch die Darstel- lung einiger Modelle des emotionsbedingten Essverhaltens versucht, erste Ant- worten auf die Fragen zu geben. Kapitel vier widmet sich dem Themenkomplex Essen und Emotionen in ihren gegenseitigen Wechselwirkungen, sowie dem auf- kommenden Trend des Mood-Foods. Das Kapitel schließt mit dem Thema Scho- kolade ab, um anknüpfend Emotionstheorien vorzustellen. Aufgrund der enormen Anzahl an Emotionstheorien werden die für am wichtigsten und treffendsten emp- fundenen Theorien, die einen Beitrag zur Arbeit leisten können selektiert und auf- geführt. Dabei handelt es sich um sozialkonstruktivistische und kognitionstheoreti- sche Ansätze die im fünften Kapitel erläutert und in einer kritischen Diskussion abgeschlossen werden.
Der bisher aufgeführte Theorieteil bildet die Grundlage der im sechsten Kapitel dargestellten empirischen Erhebung, die den Zusammenhang zwischen Emotionen und Schokolade mittels einer qualitativen Forschung untersucht.
Auf Grundlage der daraus gewonnenen Erkenntnisse erfolgt im letzten Kapitel eine Schlussbetrachtung, mit einer abschließenden Erkenntnisdiskussion.
2 Begriffsbestimmung und Abgrenzung
„Je näher man ein Wort ansieht, desto ferner sieht es zurück“ (Karl Kraus 1911)
Von allen Bereichen der Psychologie scheinen die Begrifflichkeiten und Definitio- nen der Emotionspsychologie besonders widerspenstig zu sein (vgl. Janke, Schmidt-Daffy, Debus 2008, S. 19). Definitionen dienen als Konstrukte für theore- tische Aussagen über Ursache-Wirkungszusammenhänge zur Bildung von Theo- rien bestimmter realer Phänomene. Infolgedessen sind durch die unzähligen Emo- tionsdefinitionen fast gleichermaßen viele Emotionstheorien entstanden (vgl. Gru- nert 1993, S. 141). Durch die Kontroversen in der Emotionsforschung bestehen auch heute noch Unübersichtlichkeit und eine schlechte theoretische Integration in der Emotionspsychologie. Die Zahl der einander widersprechenden und sich ge- genseitig ausschließenden Emotionstheorien ist hoch und die verschiedenen Be- griffe wie Gefühl, Stimmung und Affekt werden entsprechend unterschiedlich aus- gelegt. Auch werden im komplexen Gegenstandsbereich der Emotionen mehr Fragen gestellt als beantwortet. Fragen, wie Emotionen entstehen, wie sie verhal- tenswirksam reguliert oder bewältigt werden, wie Emotionen und Kognitionen in- teragieren und wie angenehme und unangenehme Emotionen wirken, bilden die Essenz, die die Definitionen teilweise oder ganz beinhalten sollten (vgl. ebd., S. 141). Gleichwohl wird versucht eine in diesem Zusammenhang passende Definiti- on der verschiedenen Begrifflichkeiten zu geben, um Essverhalten und Emotionen erklären zu können.
2.1 Emotionen sind Stimmungen, sind Gefühle, sind Affekte
Emotionen können als ein innerer Aspekt des Erlebens gesehen werden die mit einer Gemütserregung in Verbindung stehen und nicht unbedingt bewusst zur Kenntnis genommen werden (vgl. Galliker 2009, S.7).
Stimmungen werden meist als low-level Emotionen angesehen. Otto et. al. sprechen beispielsweise von „Abstufungen auf einem grundlegenden Kontinuum emotionaler Prozesse“ (Otto/ Euler/ Macht 2000, S. 13) und bewerten Emotionen und Stimmungen nicht als unterschiedlich, sondern nach dem Ausmaß der Ob- jektbezogenheit. Demnach eignet sich das Kriterium von Intensität und Objektbe- zogenheit zur Unterscheidung. Stimmungen sind gegenüber Emotionen in ihrer Dauer kürzer, in ihrer Ausprägung größer und können als länger andauernde Er- lebnistönungen ohne klaren Reiz,- Situations-, Handlungs- oder Bedürfnisbezug bezeichnet werden(vgl. Klinger 1982, S. 131; Otto/ Euler/ Mandl 2000, S.13). Nach Schwarz symbolisieren Stimmungen „subjektiv erfahrene Befindlichkeiten“, die sich in den Dimensionen Wohlsein und Unwohlsein beschreiben lassen (vgl. Schwarz 1987, S.2).
Das Gefühl hingegen bildet Teil der Emotion mit Fokus auf die subjektive Erle- bensqualität als wahrnehmbar einsetzende Erlebnisweise (vgl. Grunert 1993, S. 138; Otto/ Euler/ Mandl 2000, S.13). Das Gefühl hängt mit einer bewussten seeli- schen Regung zusammen, die in ihrem zeitlichen Ablauf als befristet gilt (vgl. Galliker 2009, S.7). Ewert (1983) charakterisiert Gefühle als „Figuren“ welche sich von einem „Grund“ für Stimmungen unterscheiden. Gefühle als ein soziales Phä- nomen in Relation zur erlebten Umwelt zu charakterisieren, sind Definitionsversu- che von Arnold (1960a). Für Bischof (1989) ist die Emotion beispielsweise ein physiologischer Zustand und das Gefühl ein psychisches Erlebnis. Andere For- scher wie Scherer (1989) und James (1894) beschreiben Gefühle und Emotionen als ein und dasselbe.
Durch die zahlreichen Auffassungen und Definitionen sollen Emotionen als psychophysische Zustände gesehen werden, die sich durch verschiedene Komponenten konstituieren.
1. Erlebenskomponente: Grundsätzlich ist jede Emotion durch ein spezifisches „Gefühls“- Erleben charakterisiert, das bewusst oder nicht bewusst werden kann (vgl. Grunert 1993, S.138; Janke/ Schmidt- Daffy/ Debus 2008).
2. Ausdruckskomponente: Emotionen werden durch mimische, stimmliche, gestische und ganzkörperliche Reaktionen des Menschen zum Ausdruck gebracht (vgl. ebd., S.138; ebd.).
3. Kognitionskomponente: Am Beginn der Emotionsentwicklung steht die kog- nitive Komponente. Ein Individuum nimmt eine Begebenheit wahr und kann als verstehendes Subjekt aufgrund seines Wissens mögliche Verbindungen zwischen sich und der Begebenheit erkennen. Daraus resultieren je nach Wahrnehmung und Kognitionen des Subjekts entsprechende Reaktionen (vgl. ebd., S. 138; ebd.).
4. Motivationskomponente: Emotionen gehen mit einer erhöhten Aktivierung und dem Drang der Ausführung einer Aktion einher (vgl. Grunert 1993, S.138; Janke/ Schmidt- Daffy/ Debus 2008).
5. Verhaltens- Handlungskomponente: Emotionen führen zu bestimmten Ver- haltens- und Handlungsweisen, die Teil der Motivationskomponente sein können oder sich in emotionsregulatorischen Vorgängen durch Veränderung der Körperhaltung sichtbar machen (vgl. ebd., S. 138; ebd.).
6. Somatische Komponente: Somatische Veränderungen äußern sich in ver- schiedenen Teilsystemen wie dem zentralen und vegetativen Nervensys- tem, dem Stoffwechselsystem und dem Immunsystem (vgl. ebd., S. 138; ebd.).
Im Unterschied dazu kennzeichnen Affekte, heftige, kurzweilige Emotionen mit potentiell ungeregelten oder einengenden Wirkungen auf Erleben und Verhalten. Beispiele hierfür sind Freudentaumel, Lachanfall, Wutausbruch und Panikatta- cken. Affekte bedingen das Essverhalten nicht direkt, da sie wegen ihres kurzen Auftretens und ihrer Intensität andere Verhaltensweisen ausschließen. Durch das Nachlassen eines Affektes können jedoch Gefühlslagen zur Stimulierung emoti- onsbedingten Essverhaltens entstehen (vgl. Grunert 1993, S. 139).
Emotionen stellen demnach eine Sammelbezeichnung für enger definierte Begriffe wie Stimmung, Gefühl und Affekt dar, die sich in ihrer Intensität und der zeitlichen Verlaufsgestalt des Erlebens unterscheiden. Die Einflussnahme auf das jeweilige Verhalten ist dementsprechend zu differenzieren.
„Stimmungen bilden wegen ihres diffusen Charakters, ihres geringen Aktivierungsgrades und ihrer Persistenz den Rahmen für das Erleben der Umwelt, sie beeinflussen in einer Art der Vorauswahl, welche Ge- fühle und Affekte als Reaktion auf ein Ereignis geäußert werden“ (Grunert 1993, S. 139.).
Laut Zitat bewerten Stimmungen als Rahmen die Situationen, während Gefühle eine nachdrückliche Resonanz auf Sinnesempfindungen und kognitive Prozesse der Beurteilung, Konstruktion oder Erwartung bestimmter Situationen geben.
2.2 Emotionen, Stimmungen, Gefühle und Affekte beim Essverhalten
P. R. und A. M. Kleinginna (1981) liefern aus 101 zusammengestellten Definitio- nen eine Begriffsbeschreibung mit Beinhaltung verschiedener Aspekte von Emoti- onen, die vier bedeutende Blickpunkte emotionsbedingten Essens einschließen:
„ Emotion ist ein komplexes Interaktionsgefüge von subjektiven und objektiven Faktoren, das von neuronalen und hormonalen Systemen vermittelt wird. Diese Systeme können
(a) affektive Erfahrungen wie Gefühle der Erregung oder Lust/ Unlust bewirken;
(b) kognitive Prozesse wie Wahrnehmungen, Bewertungen und Klassifi- kationen hervorrufen;
(c) physiologische Anpassungen an die erregungsauslösenden Bedin- gungen verursachen und
(d) zu Verhalten führen, das häufig, aber nicht immer, expressiv, zielge- richtet und adaptiv ist.“ (S.355)
Die in (c) angesprochenen „physiologischen Anpassungen“ äußern sich durch bestimmte Bevorzugungen spezieller Nahrungsmittel in emotional belastenden Situationen. Das in (d) angeführte Verhalten geht mit emotionsbedingten Essenswünschen einher (vgl. P.R./ A.M. Kleinginna 1981).
Die von P.R. und A.M. Kleinginna aufgeführte Definition bildet einen guten Ausgangspunkt für weitere Betrachtungen.
Als Annahme des Einflusses von Stimmungen und Gefühlen auf emotionsbedingtes Essverhalten dient folgende Darstellung.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Affekte, Stimmungen, Gefühle und Essverhalten Quelle: Eigene Darstellung nach Grunert 1993, S. 140
Abbildung 1 beschreibt den mittelbaren und unmittelbaren Einfluss von Stimmun- gen auf das Essverhalten anhand von Gefühlen als mittelbarer Einfluss oder durch Wohlsein und Unwohlsein als unmittelbarer Einfluss. Stimmungen der Dimension wohl oder unwohl können als eine Form von Verstärkung das Verlangen nach Es- sen beeinflussen. Beim mittelbaren Einfluss führt das Unwohlsein zu unangeneh- men und das Wohlsein zu angenehmen Gefühlen. Weiter kann emotionsbedingtes Essverhalten durch Gefühle auch ohne Kontext entsprechender Stimmungen auf- treten.
Aufgrund der analog verlaufenden Wirkungen der Stimmungen und Gefühle auf das Essverhalten kann der Begriff Emotion als Sammelbegriff des emotionsbedingten Essens verwendet werden.
Da jede Person ein anderes Verständnis der verschiedenen Begrifflichkeiten besitzt, und die psychophysischen Zustände in ihrer Unterscheidung und Einor- dung von der subjektiven Wahrnehmung des Individuums abhängig sind, soll im Kontext der später aufgeführten Erhebungen die Wahl der Begrifflichkeiten und die Beschreibung des psychophysischen Zustands den einzelnen Untersuchungsteilnehmern überlassen werden.
3 Stand der Forschung
Experimentelle Untersuchungen im Hinblick auf verschiedene Emotionen in ihrer Wirkung auf das Essverhalten sind kaum vorzufinden. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich Emotionen in ihrer kognitiven, motivationalen und behavioralen Komponente unterscheiden, ist dies umso beeindruckender. Ausgangspunkt folgender Inhalte ist die Annahme, dass jede Veränderung des Essverhaltens, die im Kontext eines emotionalen Erlebens steht, das Resultat dreier sich wechselseitig beeinflussenden Variablengruppen darstellt.
1. „Emotionen als Eingangsgröße oder unabhängige Variablen; sie sind gekennzeichnet durch Intensität, Qualität, Valenz und andere Merk- male.
2. Psychische und somatische Prozesse, welche die Wirkungen von Emotionen auf das Essverhalten vermitteln (Mediatoren).
3. Faktoren, welche die Wirkungen von Emotionen auf das Essverhalten verstärken oder abschwächen (Moderatoren); hier sind vor allem Personenmerkmale zu nennen“ (Macht 2005, S.1).
Die folgende Abbildung 2 nach Macht 2005 veranschaulicht den Ausgangspunkt und bietet eine Übersicht der drei Variablengruppen in ihrer Beziehung zu den Emotionsmerkmalen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Emotionsbedingte Veränderungen des Essverhaltens als Ergebnis des Zusammenspiels von Emotionsmerkmalen, Mediatoren und Moderatoren
Quelle: Eigene Darstellung nach Macht 2005, S.10
3.1 Emotionsbedingtes Essverhalten
Der Fokus der Forschung lag bisher vor allem auf den Personenmerkmalen in ihrer unterschiedlichen Wirkung auf das Essverhalten.
Der Beobachtung des veränderten Essverhaltens durch verschiedene Emotionen wurde die Hypothese „hyper- und hypophager Reaktionstypen“ zugeordnet, die eine Appetitssteigerung mit stressigen Situationen verknüpft. (vgl. Grunert 1993, S.59; Macht 2005, S.10). Gründe werden zunächst den Personen, die sich durch verschiedene Merkmale wie gezügelte und ungezügelte Esser unterscheiden, zugeschrieben. Gezügeltes Essverhalten kennzeichnet sich durch psychologische Hunger- und psychologische Appetenzsignale, kognitive Kontrolle und Übersteuerung (vgl. Pudel/ Westhöfer 1998).
Nach der Disinhibitionshypothese steigern Emotionen den Nahrungskonsum aufgrund der Enthemmung des gezügelten Essstils (vgl. Herman/ Polivy 1984).
„Die Disinhibitionshypothese besagt, daß bestimmte Faktoren, darunter emotionale, die Restriktionen disinhibieren und dann zu übermäßigem Essen führen - d.h. emotionsbedingtes Essen wäre bei restriktiven Es- serinnen besonders verbreitet“ (vgl. Grunert 1993, S.131).
Einige Untersuchungen bestätigen die Tatsache der Mehraufnahme von Nahrung bei gezügelten Esserinnen unter Einfluss negativer Emotionen und folglich ebenfalls die Disinhibitionshypothese (vgl. Herman/ Polivy 1984). Diese Aussage lässt sich jedoch nicht generalisieren, da andere Experimente keine Veränderungen des Essverhaltens durch Emotionen aufzeigen konnten.
Dennoch wird für die emotionalen Esser die Theorie der Bewältigung negativer Emotionen durch Essverhalten formuliert (vgl. Macht 2005, S.1). Die Bewältigung von Stress durch Essen führe weiterhin zu einer Gewichtszunahme. Emotionale Esser stillen oftmals Anspannung und Angst durch süße und fettreiche Nahrung. Mehrere Untersuchungen bestätigen die Veränderung des emotionalen Zustan- des, bzw. die Verbesserung der Stimmung durch bestimmte Mahlzeiten (vgl. ebd., S.11).
Die Freude, verstanden als Emotionen erhöhter Reizaufnahme- und Reizverar- beitung steht der Traurigkeit gegenüber, bei welcher die Kapazität zur Reizauf- nahme sinkt (vgl. Barr- Zisowitz 2000; Frederickson 1998; Izard/ Ackermann, 2000).
Nach Frijda 1989 wird Verhalten bei Ärger aktiviert, bei Traurigkeit deaktiviert und bei Angst gehemmt oder mobilisiert. Vorangegangene Untersuchungen lassen darauf schließen, dass unterschiedliche Emotionen verschiedene Wirkungen auf das Essverhalten mit sich bringen.
Bisherige Hypothesen, dass das Essverhalten durch Emotionen die die Handlungsbereitschaft erhöhen gefördert und das Essverhalten durch Emotionen die die Handlungsbereitschaft vermindern gehemmt wird, sind empirisch nicht überprüft. Indes deuten Befragungen wie auch Human- und Tierexperimente daraufhin, dass Emotionen unterschiedliche Wirkungen auf das Essverhalten in Abhängigkeit von Intensität, Aktivierung, Valenz und Qualität entfalten.
1. Intensität und Aktivierung: Durch intensiven oder chronischen Stress re- duzieren Ratten ihre Nahrungsmenge, während bei schwächeren Stresso- ren die Menge und Essgeschwindigkeit ansteigt (vgl. Rowland/ Antelman 1976; 1992; Sampson et. al. 1992; Willner Muscat/ Papp). Experimentelle Ergebnisse der Humanpsychologie liegen bisweilen nicht vor. Allerdings ermitteln Fragebogenstudien ähnliche Ergebnisse bei Menschen wie bei den Tierversuchen (vgl. Mehrabian 1980). Hierbei wurden die Probanden instruiert, durch das Hineinversetzen in bestimmte Emotionen einzustufen, wie viel sie in Abhängigkeit der jeweiligen Emotion essen würden. Gering- fügiger aktivierende Emotionen wie Langeweile oder Niedergeschlagenheit gingen mit zunehmender Nahrungsaufnahme, stärker aktivierende Emotio- nen wie Angst und Anspannung mit reduzierter Nahrungsmenge einher (vgl. Macht 2005, S.12).
2. Valenz und Qualität: Repräsentative Erhebungen zeigen, dass die Valenz und Qualität der Emotionen das Essverhalten unterschiedlich beeinflussen. Langeweile und Einsamkeit wurden als appetitsteigernd, Traurigkeit und Ärger als appetithemmend beschrieben (vgl. Pudel/ Richter 1980; Pudel, 1984; Willenbring / Levine/ Morley 1986).
Michael Macht 2005 stufte nach einer Fragebogenuntersuchung die Basisemotionen Angst, Ärger, Traurigkeit und Freude anhand von 33 Items ein. Folgende vier Faktoren ergaben sich aus der Analyse der Items:
I. Nutritives Essverhalten (Essen zur Befriedigung des körperlichen Hungergefühls),
II. Impulsives Essverhalten (schnelles und unregelmäßiges Essen),
III. Emotional- instrumentelles Essverhalten (Essen zur Verbesserung des emotionalen Befindens),
IV. Hedonisches Essverhalten (Essen, um zu genießen)
Impulsiv-emotionales Essverhalten wurde größtenteils bei negativen Emotionen wie Ärger ermittelt, wohingegen Freude mit dem hedonischen Essverhalten in Wechselwirkung steht. In einer Felduntersuchung nach Macht und Simons (2000) unterstützen die Ergebnisse ebenfalls die These bezüglich der Tendenz, den emo- tionalen Zustand durch verändertes Essverhalten zu verbessern. Besonders bei negativen Emotionen wurde eine steigende und veränderte Essmotivation zur Stimmungsverbesserung ermittelt (vgl. Macht 2005, S.11f). Mittels einer weiteren Fragebogenstudie wurde ein Korrelat zwischen den Nahrungspräferenzen durch und Emotionen valenzabhängige Veränderungen erfragt. „Gesunde“ Nahrung wie Salat, Gemüse und Obst wurden als Folge positiver Emotionen beschrieben und „junk food“ wie z.B. Süßigkeiten hingegen bei negativen Emotionen (vgl. Lyman 1989).
Die Annahme, dass Valenz und Qualität von verschiedenen Emotionen und deren unterschiedlicher Wirkung auf das Essverhalten abhängig sind, wird durch die Erhebung bestätigt. Da es sich jedoch ausschließlich um vorgestellte und nicht tatsächlich erlebte Emotionen während der Befragung handelte, liegt für diese These kein empirischer Beweis vor.
3.2 Ergebnisse bisheriger Forschung des emotionsbedingten Essverhaltens
Bisher bestehen lediglich fünf Experimente im Themenkomplex der Induktion verschiedener Emotionen und ihren Wirkungen auf das Essverhalten (vgl. Macht 2005, S. 12). Im Fokus von drei der fünf Experimente standen die Auswirkungen positiver und negativer Emotionen auf das Essverhalten gezügelter und nicht- ge- zügelter Esser. Erkenntnis der Studien waren zwar stärkere Reaktionen der gezü- gelten Esser, bezüglich der Wirkung negativer und positiver Stimmung waren je- doch keine bedeutenden Unterschiede auszumachen. Die zwei weiteren experi- mentellen Forschungen untersuchten die unterschiedlichen Wirkungen positiver und negativer Emotionen auf das Essverhalten bei Menschen durchschnittlicher Essgewohnheiten (vgl. ebd., S.12).
In der Studie von Willner et al. (1998) wurden die Probanden mittels Musik in negative und positive Stimmung gebracht und erhielten durch Drücken eines Knopfes ein Stück Schokolade. Zu beobachten war eine gesteigerte Knopfaktivie- rung bei negativen Stimulanzien um erneut Schokolade zu erhalten. Macht (2002) hingegen versetzte seine Versuchspersonen während sie ein Stück Schokolade aßen in freudige oder traurige Stimmung. Bei Freude entstand durch die beruhi- gende Wirkung der Wunsch nach mehr Schokolade, bei Traurigkeit sank dieser (vgl. Macht 2005).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten1
Tabelle 1: Merkmale des Essverhaltens bei experimentell induzierten negativen und positiven Emotionen: Ergebnisse der Studien Willner et al. (1998) und Macht et al. (2002)
Quelle: Eigene Darstellung nach Macht 2005, S. 13
Als Fazit der beiden Experimente lässt sich zusammenfassen, dass Essverhalten durch negative Stimmung gefördert wird und Traurigkeit eine Hemmung des Essverhaltens bedingt.
Ergebnisse „mono- emotionaler“ Untersuchungen von Personen mit durchschnittlichen Essgewohnheiten zeigen kontroverse Befunde.
„Arousal/Stress, negative Stimmungen und Angst verursachten etwa mit gleicher Häufigkeit Steigerungen und Hemmungen des Essverhaltens“ (Macht 2005, S.14).
Zum einen wurde eine erhöhte Aufnahme an kohlenhydratreicher Nahrung aufgrund von negativen Emotionen festgestellt, zum anderen belegen Beobachtungen eine verringerte Nahrungsaufnahme bei Stress (Christensen/ Pettijohn 2001; Stone/ Brownell 1994; Wardle et al., 2000).
Die Frage, wie die Steigerung und Hemmung der Nahrungsaufnahme durch negative und positive Emotionen bedingt sind, ist demnach größtenteils ungeklärt. Bisherige Erklärungsansätze liegen einzig aus unterschiedlichen Teildisziplinen der Verhaltenswissenschaft vor, die keine umfassende Theorie zur Begründung emotionsbedingter Veränderungen liefern. Die Ansätze betrachten verschiedene Phänomene wie z.B. die gesteigerte Nahrungsaufnahme bei gezügeltem oder emotionalem Essstil, die Verringerung hedonischer Reaktionen auf Nahrung bei chronischem Stress und die hemmende Wirkung des Essverhaltens bei Angst. Biologisch verursachte Reaktionstendenzen sowie emotionale, motivationale und somatische Vorgänge werden als Mediatoren festgeschrieben. Die differentialpsychologisch fokussierten Theorien führen einen erhöhten Nah- rungskonsum bei gezügelten Essern auf eine Enthemmung des gezügelten Essstils zurück und fungieren als aussagekräftigste Theorie. Eine weitere Hypo- these sieht Gründe für die vermehrte Nahrungsaufnahme emotionaler Esser in dem Wunsch negative Emotionen zu reduzieren. Keine der Hypothesen ist jedoch in ihrer empirischen Wirklichkeit bewiesen (vgl. Macht 2005). Alle bisher beste- henden Ansätze lassen Person- und Emotionsmerkmale außen vor.
3.3 Varianten emotionsbedingter Veränderungen des Essverhaltens
Ursachen für die geringe Zahl an Forschungen zum emotionsbedingten Essverhal- tens bestehen zum einen darin, dass die Wirkungen von Emotionen auf das Ess- verhalten polymorph sind und zum anderen nur anhand von Personen- und Emo- tionsmerkmalen zu erklären sind. Der Forschungsfokus lag bisher größtenteils auf den Personenmerkmalen und ließ Emotionscharakteristika weitgehend unberück- sichtigt.
Auch die Emotionswirkungen auf das Essverhalten, die in ihren vielfältigen Ebenen verschiedene, heterogene Phänomene umfassen, wurden bisweilen nicht ausdifferenziert (vgl. Macht 2005, S.15f).
Um die Komplexität des Zusammenhangs zwischen Emotionen und Essverhal- ten zu durchdringen, werden zunächst zwei grundlegende Aspekte unterschieden.
Einerseits verändern Emotionen das Essverhalten, andererseits verändert das Essverhalten die Emotionen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Die grundlegenden Wirkungszusammenhänge zwischen Emotionen und Essverhalten
Quelle: Eigene Darstellung nach Macht 2005, S. 305
I. Emotionen verändern das Essverhalten
Michael Macht (2005) unterscheidet fünf grundlegende Varianten emotionsbedingter Wandlungen des Essverhaltens die in Abbildung 3 dargestellt und im Folgenden näher erläutert werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Orientierungsschema zur Vorhersage emotionsbedingter Veränderungen des Essverhaltens
Quelle: Eigene Darstellung nach Macht 2005, S. 17
(1) Emotionen steuern die Nahrungswahl.
(2) Emotionen hemmen das Essverhalten.
(3) Emotionen enthemmen gezügeltes Essverhalten.
(4) Emotionen modulieren das Essverhalten emotionskongruent.
(5) Emotionen lösen emotional- instrumentelles Essverhalten aus.
(1) Emotionale Steuerung der Nahrungswahl:
Die Steuerung der Nahrungswahl wird durch nahrungsbezogene emotionale Reize bedingt. Positiven Reize fördern die Nahrungsappetenz, negative stei- gern die Nahrungsvermeidung. Der Fakt, dass etwas Süßes bereits bei Neu- geborenen positive, mimische Reaktionen auslöst, während Bitteres tendenzi- ell zu gegenteiligen Reflexen führt, deutet auf biologisch verwurzelten Reakti- onstendenzen hin. Emotionen wie Ekel hingegen entstehen eher in Folge ei- nes Lernprozesses, welche erst ab dem zweiten Lebensjahr zu beobachten sind. Auch scheinen die Ekelreaktionen bei Frauen deutlich ausgeprägter als bei Männern zu sein. Durch Gewohnheiten und kulturell tabuisierte Nahrung manifestieren sich Muster der Ablehnung gegenüber bestimmten, teils hoch- wertigen Lebensmitteln und lösen negative, affektive Reaktionen aus (vgl. Macht 2005, S.16).
(2) Emotionale Unterdrückung des Essverhaltens:
Intensiven Emotionen folgen bestimmte Verhaltensweisen und körperliche Reaktionen, die der Nahrungsaufnahme im Weg stehen. Verhaltenshemmun- gen, Rückzugsverhalten und aggressives Verhalten durch Angst, Trauer und Ärger stehen mit einer Essenshemmung in Verbindung. Dies macht sich auch durch physiologische Veränderungen wie z.B. der Abbau von Glucose bei Stress bemerkbar. Die Annahme der Hemmung des Essverhaltens bei intensi- ver emotionaler Aktivierung wird durch Ergebnisse von Tierexperimenten un- terstützt (vgl. Blair et al. 1991; Macht 2005; Wing et al. 1900).
(3) Enthemmung gezügelten Essverhaltens:
Kognitive Faktoren, wie Vorstellungen des Idealgewichts können die Nah- rungsaufnahme reduzieren. Das gezügelte Essverhalten durch geringe Kalo- rienzufuhr ist durch kognitive Kontrolle und Übersteuerung physiologischer Hunger- und psychologischer Appetenzsignale gekennzeichnet. Nach der Disinhibitionshypothese steigern die Emotionen die Nahrungsaufnahme, da sie den gezügelten Essstil enthemmen. Je stärker das gezügelte Essverhalten ist, desto stärker ist die Enthemmung bei emotionaler Aktivierung (vgl. Her- man/ Polivy 1984; Westenhöfer 1992). Eingrenzend ist jedoch hinzuzufügen, dass der postulierte Enthemmungsprozess noch nicht eindeutig empirisch belegt werden konnte. Neuere Untersuchungen weisen hinsichtlich der emotional bedingten Steigerung des Essverhaltens gezügelter Esserinnen darauf hin, dass diese von Störungen der kognitiven Kontrolle durch Ablenkung herzuleiten ist (vgl. Macht 2005, S.16).
(4) Emotionskongruente Modulation:
Entsprechend ihrer Valenz und Qualität werden Emotionen bei informations- verarbeitenden Prozessen emotionskongruent verändert. Freude kann mit ei- ner Steigerung der Handlungsbereitschaft sowie Wohlgeschmack der Nahrung und der erlebten Essmotivation verbunden sein, während Traurigkeit zu einer Minderung des Wohlgeschmacks der Nahrung und der erlebten Essmotivation führen kann. So sind entsprechend dem Prinzip der Emotionskongruenz posi- tive Emotionen für nahrungsbezogene positive Reaktionen verantwortlich, z.B. dem Wohlgeschmack von Schokolade. Wohingegen negative Emotionen mit nahrungsbezogenen negativen Reaktionen korrelieren wie beispielsweise die Empfindung eines unangenehmen Geschmacks. Dies wurde in einer Studie der Würzburger Universität belegt, in welcher Studienteilnehmer , die in eine traurige Stimmung versetzt wurden, Schokolade schlechter schmeckte als Teilnehmern, die guter Stimmung waren. Nach der Theorie der Emotionskon- gruenz geht mit negativen Emotionen - inklusive Stress - eine Verminderung der Essmotivation einher. Zahlreiche andere Studien deuten jedoch auf eine gesteigerte Nahrungsaufnahme in stressigen Zuständen. Folglich existieren bestimmte Bedingungen, durch die das Essverhalten auch bei negativen Emo- tionen und Stress gesteigert wird. Ein gesteigertes Essverhalten ist immer dann zu beobachten, wenn die negativen Emotionen mit Essen vermindert werden sollen- emotionales oder emotional- instrumentelles Essverhalten. (vgl. Macht/ Roth/ Ellgring 2002; Willner/ Healy, 1994).
(5) Emotional-instrumentelles Essverhalten:
Aus Sicht der Lernpsychologie wird „die Emotion als auslösender Stimulus aufgefasst, das Essverhalten als operante Reaktion und seine Konsequenz (Verminderung der negativen Emotion) als negative Verstärkung“ (Macht 2005, S.16). Negative Emotionen werden demzufolge durch Essen vermindert oder bewältigt.
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1 Anmerkung: Die Versuchspersonen drückten eine Taste, um ein Stück Schokolade zu erhalten.
- Arbeit zitieren
- Annelina Waller (Autor:in), 2013, Emotionen und Essverhalten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/272664