Von der Idee zum Innovationsprojekt

Ableitung und Ausgestaltung eines Gesamtkonzepts zur Bewertung der Attraktivität einzelner Innovationsideen von kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland


Diplomarbeit, 2014

94 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Inhaltsübersicht

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung 1.1 Ausgangslage 1.2 Ziel der Arbeit 1.3 Inhaltliche Gliederung

2 Theoretische Grundlagen 2.1 Kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland 2.1.1 Quantitative Kriterien zur Abgrenzung von KMU 2.1.2 Qualitative Merkmale zur Abgrenzung von KMU 2.1.3 Besonderheiten von KMU in Bezug auf Innovationen 2.2 Innovationsverständnis 2.2.1 Treiber des Innovationsbedarfs 2.2.2 Invention und Innovation 2.2.3 Grundlegende Merkmale einer Innovation 2.2.4 Überblick über die Innovationsarten 2.2.5 Produktinnovation 2.3 F&E-, Technologie- und Innovationsmanagement 2.3.1 Forschungs- und Entwicklungsmanagement 2.3.2 Technologiemanagement 2.3.3 Innovationsmanagement 2.4 Zwischenfazit

3 Schaffung innovationsfördernder Rahmenbedingungen 3.1 Unternehmens- und Innovationskultur 3.2 Strategie- und Zielsystem 3.3 Anreizsystem 3.4 Organisation und Führung 3.5 Zwischenfazit

4 Der Innovationsprozess 4.1 Phasenmodelle des Innovationsprozesses 4.1.1 Nach THOM 4.1.2 Nach Brockhoff 4.1.3 Nach Vahs 4.1.4 Weitere Modelle und Erfolgsbeurteilung 4.2 Die frühen Phasen des Innovationsprozesses 4.3 Probleme und Besonderheiten des Innovationsmanagements von KMU in den frühen Phasen des Innovationsprozesses 4.3.1 Geringe Formalisierung 4.3.2 Vernachlässigte Marktorientierung 4.4 Entwicklung eines Phasenmodells des Innovationsprozesses für Produktinnovationen von KMU 4.4.1 Struktur des Innovationsprozesses 4.4.2 Systematisierung der Entscheidungssituationen 4.5 Zwischenfazit

5 Innovationsbewertung 5.1 Ziele, Funktionen und Anforderungen 5.2 Instrumente zur Bewertung einzelner Innovationsideen 5.2.1 Überblick 5.2.2 Qualitative Bewertungsinstrumente 5.2.3 Semi-quantitative Bewertungsinstrumente 5.3 Auswahl der am besten geeigneten Bewertungsinstrumente 5.4 Zwischenfazit

6 Gesamtkonzept zur Bewertung der Attraktivität einzelner Innovationsideen in KMU 6.1 Darstellung des Gesamtkonzepts 6.2 Bewertungsinstrumente 6.2.1 Meilenstein M1 6.2.2 Meilenstein M2 6.3 Kritische Betrachtung des Gesamtkonzepts

7 Zusammenfassung und Ausblick 7.1 Zusammenfassung 7.2 Ausblick: Trend Open Innovation

8 Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabellenverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

1.1 Ausgangslage

Die große Bedeutung von Innovationen wird durch die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung der vergangenen Jahre deutlich. Die Internationalisierung verbunden mit einer zunehmenden Sättigung der Märkte und sich stark verkürzende Produktlebenszyklen zwingen Unternehmen zu Neuerungen.[1] Da Innovationen die Basis für eine langfristige Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit[2] bilden und nicht nur Risiken mit sich bringen, sondern auch Möglichkeiten bieten, verwundert es kaum, dass der Wirtschaftssektor in Deutschland für interne Forschung und Entwicklung im Jahr 2011 einen historischen Rekordwert von über 50 Mrd. Euro ausgegeben hat,[3] wie der Stiftverband für die deutsche Wirtschaft mitteilte.

Doch die alleinige Investition hat nicht automatisch eine erfolgreiche Innovation zur Folge. Vor allem im Segment der kleinen und mittleren Unternehmen, den sogenannten KMU, liegen die „Flopraten“ extrem hoch.[4] Kriegesmann & Kerka[5] stellten fest, dass nur knapp 13 % aller innovativen Ideen realisiert und als Produkt in den Markt eingeführt werden, wovon wiederum nur 50 % finanziell erfolgreich sind. Es zeigt sich, dass Produktneu-entwicklungen für Unternehmen nicht nur eine erhebliche Chance in Bezug auf Imageverbesserung und Unternehmensvergrößerung bieten, sondern auch beachtliche Risiken mit sich bringen. Können im Falle einer Fehlentwicklung die bereits getätigten Investitionen aufgrund fehlender oder knapper Ressourcenbasis nicht kompensiert werden, kann dies das Ende für ein Unternehmen bedeuten.[6]

Doch worin liegen die Gründe des Scheiterns? Einer der Hauptgründe für das Scheitern von Produktneuentwicklungen liegt im wenig standardisierten, unsystematischen und nicht methodengestützten Vorgehen beim Durchlaufen des Innovationsprozesses.[7] Neben Defiziten im Hinblick auf ein innovationsförderndes Betriebsklima[8] stellt vor allem die Auswahl der am meisten Erfolg versprechenden Innovationsideen und die Bewertung von Innovationsprojekten in den verschiedenen Entwicklungsstadien Unternehmen vor immense Probleme.[9]

Obwohl zahlreiche Ansätze und Methoden existieren, die den Innovationsprozess strukturieren und unterstützen sollen, ist es dennoch aufgrund unterschiedlicher situativer Variablen (z. B. Finanzkraft und Personalstärke) schwierig den Prozess für jedes Unternehmen nachvollziehbar zu gestalten. Während es in der wissenschaftlichen Literatur zahlreiche Vorschläge und Konzeptlösungen gibt, die sich meist nur auf Großunternehmen mit einem ausdifferenzierten Innovationsmanagement beziehen,[10] wird dem Management von Innovationen in kleinen und mittelständischen Unternehmen bisher vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit gewidmet.[11]

Zusätzlich weisen KMU besondere Schwächen auf. Sie sind nicht nur durch den geringen Einsatz von Bewertungsinstrumenten und einer hohen Risikoanfälligkeit geprägt, sondern sind auch noch durch die Ressourcenknappheit benachteiligt.[12] Folgend werden vorhandene Potenziale nicht vollständig ausgeschöpft und Entscheidungen für oder gegen eine Idee häufig noch „aus dem Bauch heraus“ gefällt, nicht selten mit verhängnisvollen Folgen.

1.2 Ziel der Arbeit

Wesentliches Ziel dieser Arbeit besteht in der Ableitung und Ausgestaltung eines Gesamtkonzepts zur Bewertung der Attraktivität einzelner Innovationsideen von KMU in Deutschland.

Dazu werden die Besonderheiten von KMU gegenüber Großunternehmen in Bezug auf Innovationen herausgearbeitet und von der Schaffung innovationsfördernder Rahmenbedingungen bis einschließlich der Ausgestaltung des Ideenbewertungsprozesses zentrale Inhalte und Aufgaben, sowie typische Probleme des Innovationsmanagements von KMU aufgezeigt. Unter Berücksichtigung des Informationsstandes in den frühen Phasen des Innovationsprozesses werden adäquate Methoden und Werkzeuge für die Auswahl der am meisten Erfolg versprechenden Innovationsideen zur Verfügung gestellt. Dabei orientiert sich diese Arbeit stets an den Besonderheiten und Bedürfnissen von kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland.

Die vorliegende Arbeit beschränkt sich auf Produktinnovationen, da diese im Rahmen der Innovationstätigkeit von Unternehmen von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung sind[13] und mehr denn je über die Überlebensfähigkeit eines Unternehmens entscheiden.[14] Zurückzuführen ist dies auf die immer kürzer werdenden Produktlebenszyklen, erheblichen Angebotsausweitungen und die Folgen des schnellen technischen Fortschritts.

Zusammenfassend soll die vorliegende Arbeit kleinen und mittelständischen Unternehmen ein auf die unternehmensspezifischen Gegebenheiten adaptierbares Gesamtkonzept zur Bewertung der Attraktivität einzelner Innovationsideen zur Verfügung stellen und sie des Weiteren dazu anregen und dabei unterstützen, sich zukünftig stärker auf das gezielte Management von Innovationen zu konzentrieren, um diese systematischer und somit auch erfolgreicher durchführen zu können.

1.3 Inhaltliche Gliederung

Nach einer allgemeinen Einführung in die Thematik in Kapitel 1 wird in Kapitel 2 die Wissensbasis für das weitere Vorgehen gelegt, indem die zentralen Begriffe dieser Arbeit definiert und näher beleuchtet werden, um ein einheitliches Verständnis zu gewährleisten. Hervorgehoben werden vor allem die Besonderheiten von KMU gegenüber Großunternehmen in Bezug auf Innovationen. Ebenso werden die Aufgaben und Ziele des Innovationsmanagements aufgezeigt.

Kapitel 3 geht auf die Bedeutung innovationsfördernder Rahmenbedingungen ein. Dazu wird eine Reihe von Merkmalen einer innovationsfördernden Unternehmenskultur dargestellt sowie die Wichtigkeit der Strategie- und Zielformulierung, eines geeigneten Anreizsystems und organisatorischer Voraussetzungen näher beschrieben.

Kapitel 4 bildet den ersten inhaltlichen Schwerpunkt und setzt sich mit den Phasenmodellen des Innovationsprozesses auseinander. Zuerst werden allgemeine Anforderungen abgeleitet bevor anschließend die Phasenmodelle in Bezug auf Strukturierung und Komplexitätsreduktion näher beleuchtet sowie deren Vor- und Nachteile diskutiert werden. Im Anschluss wird auf die Besonderheiten der frühen Phasen des Innovationsprozesses eingegangen und typische Probleme und Besonderheiten des Innovationsmanagements von KMU in Bezug auf die frühen Phasen des Innovationsprozesses aufgearbeitet. Es folgt die Ableitung eines eigenen Phasenmodells des Innovationsprozesses, welches die Basis für das weitere Vorgehen bildet. Nach der Darstellung der Struktur des Modells folgt eine nähere Betrachtung der Entscheidungssituationen, um daraus anschließend Anforderungen an die Bewertungsinstrumente ableiten zu können.

Kapitel 5 stellt den zweiten inhaltlichen Schwerpunkt dieser Arbeit dar und schafft zunächst theoretische Grundlagen für die Bewertung von Innovationen (hier: der Innovationsideen). Auch hier werden zunächst allgemeine Anforderungen an die Bewertungsinstrumente abgeleitet und aus einer Vielzahl an Instrumenten nur die für KMU geeigneten und für die Problemstellung sinnvollen qualitativen und semi-quantitativen Bewertungsinstrumente vorgestellt. Basierend auf einer Nutzwertanalyse werden die am besten geeigneten Bewertungsinstrumente, unter Berücksichtigung bereits vorhandener Informationen in den einzelnen Prozessphasen, ausgewählt.

In Kapitel 6 werden die in Kapitel 5 ausgewählten, am besten bewerteten Bewertungsinstrumente den Meilensteinen der frühen Phasen des Innovationsprozesses zugeordnet. Anschließend werden diese mit Bewertungskriterien ausgestaltet sowie das Gesamtkonzept kritisch betrachtet.

Im abschließenden Kapitel 7 werden die gewonnen Erkenntnisse zu einem Gesamtbild zusammengefasst und im Ausblick wird auf den Trend der Open Innovation näher eingegangen. Die inhaltliche Gliederung ist in Abbildung 1 dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Inhaltliche Gliederung Quelle: Eigene Darstellung

2 Theoretische Grundlagen

Dieses Kapitel bildet die Basis für die weitere Behandlung des Innovationsthemas in KMU. Um Unklarheiten zu vermeiden, werden terminologische Grundlagen geschaffen und die in dieser Arbeit verwendeten Begriffe definiert und näher beschrieben. Dazu wird zunächst die Gruppe der KMU anhand quantitativer Kriterien und qualitativer Merkmale abgegrenzt, bevor im weiteren Verlauf die Besonderheiten kleiner und mittlerer Unternehmen gegenüber Großunternehmen in Bezug auf Innovationen herausgearbeitet werden. Im Anschluss folgt eine nähere Betrachtung der Treiber des Innovationsbedarfs, der grundlegenden Merkmale einer Innovation und ein Überblick über die Innovationsarten. Das Kapitel schließt mit den Aufgaben und Zielen des Innovationsmanagements.

2.1 Kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland

Während sich Politik und Wissenschaft über viele Jahre auf Großunternehmen konzentrierten, stehen heute verstärkt kleine und mittlere Unternehmen (in Deutschland oftmals auch als „Mittelstand“ bezeichnet; kurz: KMU) im Fokus der wirtschaftspolitischen und öffentlichen Betrachtung in Deutschland.[15] Rund 3,7 Mio. KMU beschäftigen 60,8 % aller sozialpflichtigen Arbeitnehmer, bilden vier von fünf Auszubildenden aus und machen einen deutlich höheren Umsatz als die 30 DAX-Unternehmen.[16] Mit einem Anteil von über 99 % der umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen leisten KMU maßgeblich einen großen Beitrag für den wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands. Nicht umsonst hat auch das Ausland den Blick verstärkt auf den „German Mittelstand“ gerichtet. Denn 54 % der deutschen KMU brachten (im Vergleich zum EU-Mittel von nur 34 %) im Zeitraum von 2008 bis 2010 mindestens eine Produkt- oder Prozessinnovation auf den Markt.

Doch wer zählt zu den KMU? Eine einheitliche Definition existiert nicht, weshalb im Folgenden neben den quantitativen Kriterien für die Definition auch qualitative Merkmale zusammengestellt werden, anhand jener KMU von Großunternehmen abgegrenzt werden können.

2.1.1 Quantitative Kriterien zur Abgrenzung von KMU

Für die Definition von KMU werden unterschiedliche quantitative Unternehmensmerkmale herangezogen. Ausschlaggebend für die Definition von kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland ist zum einen die Mitarbeiterzahl, zum anderen der jährliche Umsatz.[17] Im europäischen Kontext hingegen sind die Zahl der Mitarbeiter und entweder der jährliche Umsatz oder die Bilanzsumme die ausschlaggebenden Faktoren für die Einstufung eines Unternehmens.[18] Folgende Tabellen geben einen Überblick:

KMU-Definition des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn (ifM Bonn)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: KMU-Definition des ifM Bonn Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an das Institut für Mittelstandsforschung Bonn, http://www.ifm-onn.org/mittelstandsdefinition/definition-kmu-des-ifm-bonn/, zuletzt abgerufen am 14.09.2013

KMU-Definition der Europäischen Kommission

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: KMU-Definition der Europäischen Kommission Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Europäische Union (2003), S. 39.

Vergleicht man die beiden Tabellen, wird ersichtlich, dass sich die Definition des ifM Bonn und die der Europäischen Kommission doch deutlich voneinander unterscheiden. Das liegt daran, dass das ifM Bonn sowohl quantitative als auch qualitative Merkmale (siehe Kapitel 2.1.2) berücksichtigt, während sich die Europäische Kommission auf die quantitativen Aspekte beschränkt.[19] Ebenso fällt auf, dass die Mitarbeiterzahl für die KMU-Definition bei der Europäischen Kommission nur die Hälfte der von der ifM Bonn angesetzten Mitarbeiterzahl beträgt, jedoch der maximale Jahresumsatz gleich geblieben ist und lediglich um den Faktor der Bilanzsumme ergänzt wurde. Damit wird der fortschreitenden wirtschaftlichen und technischen Entwicklung in allen Branchen Rechnung getragen. Denn einer geringen Anzahl an Beschäftigten ist es mit Hilfe von Maschinen und Computern möglich immer mehr Umsatz zu generieren. Neben den quantitativen Merkmalen wird von der Europäischen Kommission noch eine weitgehende Unabhängigkeit verlangt, auf die hier aber nicht näher eingegangen wird.[20]

2.1.2 Qualitative Merkmale zur Abgrenzung von KMU

Zahlen und Fakten reichen alleine nicht aus um kleine und mittlere Unternehmen zu charakterisieren.[21] KMU unterscheiden sich vielmehr auch durch qualitative Merkmale. So können KMU beispielsweise anhand von Organisationsstrukturen, Führungsstil aber auch rechtlichen Unternehmensmerkmalen von Großunternehmen abgegrenzt werden.[22] Zentrale Bedeutung hat dabei die enge Verbindung zwischen Unternehmen und Inhaber.[23] Diese Verflechtung spiegelt sich idealtypisch in der Einheit von Eigentum, Leitung, Haftung und Risiko wieder, sodass die wirtschaftliche Existenz des Unternehmens und die der Leitung eine Einheit bildet. Daraus folgend können weitere wichtige qualitative Merkmale zur Charakterisierung des Mittelstands abgeleitet werden. Unter anderem:[24]

- Völlige oder zumindest weitgehende Konzernunabhängigkeit, wodurch Entscheidungen meist durch die Persönlichkeit des Unternehmers geprägt sind,
- Mitwirkung der Leitung an allen strategisch relevanten Entscheidungen,
- meist persönliches Verhältnis zwischen Leitung und Mitarbeitern,
- geringer Formalisierungsgrad und geringe Anzahl an Hierarchieebenen bedingen kurze direkte Informationswege,
- Abteilungen werden funktionsorientiert gebildet und es liegt ein geringer Grad an Spezialisierung vor,
- Änderungen an der Organisationsstruktur werden nur in großen Zeitintervallen vorgenommen,
- Hohe Risikoanfälligkeit aufgrund einer i. d. R. geringen Produktpalette.

Trotz der Vielzahl an qualitativen Merkmalen ist es nicht möglich daraus eine allgemeingültige Definition des KMU-Begriffs abzuleiten.[25] Das liegt einerseits an der zumeist schlechten Messbarkeit von qualitativen Kriterien, andererseits können einzelne Merkmalsausprägungen auch auf Großunternehmen zutreffen. Eine qualitative Abgrenzung von KMU sollte daher aufgrund des Gesamtbildes aus verschiedenen qualitativen Merkmalen erfolgen, sodass ein Unternehmen der Gruppe der KMU zuzuordnen ist, wenn es eine Vielzahl der Merkmale erfüllt.[26] Für eine exakte Definition von kleinen und mittleren Unternehmen werden jedoch quantitativen Kriterien herangezogen. Wesentlicher Vorteil dabei ist, dass die notwendigen Daten relativ leicht und präzise erhoben werden können.

In dieser Arbeit werden der Gruppe der KMU alle Unternehmen zugeordnet, die einen Großteil der qualitativen Merkmale erfüllen. Eine Abgrenzung anhand quantitativer Kriterien scheint für die Problemstellung nicht sinnvoll, da auch größere Unternehmen die Strukturen von KMU aufweisen können, somit mit den gleichen Problemen zu kämpfen haben und dadurch auch der Zielgruppe der vorliegenden Arbeit angehören.

2.1.3 Besonderheiten von KMU in Bezug auf Innovationen

In Bezug auf Innovationen weisen KMU gegenüber Großunternehmen eine Reihe von Besonderheiten auf, die Innovationen einerseits begünstigen, andererseits auch eine Hürde für die Durchführung von Innovationsprojekten darstellen können.[27] Es ist zu beobachten, dass KMU trotz guter Voraussetzungen (z. B. flache Hierarchien, kurze Kommunikations-wege und schnelle Entscheidungen) vielfältige Probleme zu bewältigen haben.[28]

Im Vergleich zu Großunternehmen können KMU nicht mit Kapitalkraft und Marktmacht im zunehmenden nationalen und internationalen Wettbewerb bestehen.[29] Vor allem bei kleinen Unternehmen ist der Spielraum für Rationalisierungsmaßnahmen gering, sodass nicht selten bei veränderter Nachfragesituation die Geschäftsaufgabe ansteht.[30] Vertriebs- und Managementtechniken sowie deren Eignung für die erfolgreiche Durchführung von Innovationsprozessen sind in KMU nur wenig bekannt,[31] da bestehende Konzeptlösungen sich meist auf Großunternehmen beziehen und nicht 1:1 auf den Mittelstand übertragbar sind. Chaotische Strukturen, vor allem zu Beginn des Innovationsprozesses, sind die Folge dessen.

KMU sind häufig nicht mit ausreichender Information versorgt, weshalb es oft an methodischem Wissen und dem entsprechenden Know-how mangelt,[32] um beispielsweise neue Technologien effizient einsetzen zu können. Neue Ideen sind oftmals nur ein Nebeneffekt von alltäglichen Arbeitsprozessen und werden meistens nicht bewusst gesucht und entwickelt.[33] Des Weiteren haben KMU Probleme qualifiziertes Personal zu rekrutieren, da i.d.R. die Karrierechancen und Verdienstmöglichkeiten bei Großunternehmen als besser eingeschätzt werden.[34] Nicht selten verhindert die schmale finanzielle und personelle Ressourcenbasis die gleichzeitige Durchführung mehrerer Innovationsprojekte und macht somit einen Risikoausgleich zwischen den Projekten so gut wie unmöglich.[35]

Zusammenfassend liegen die Unterschiede im Vergleich zu Großunternehmen in nahezu allen bedeutsamen Bereichen des Unternehmens. Folgend wird auf die Unternehmensführung, Organisation, Finanzierung und Marktbearbeitung näher eingegangen.[36]

- Unternehmensführung

Während in Großunternehmen vorwiegend speziell qualifizierte Manager mit der Unternehmensführung beauftragt werden, werden KMU meist vom Eigentümer geführt. So herrscht eher ein langfristiges Denken, hohe Motivation und ein patriarchalischer Führungsstil. Ein geringer Grad an Professionalisierung und fehlende Managementstrukturen haben zur Folge, dass Entscheidungen von der Geschäftsführung relativ autonom getroffen werden. Meistens ist der Eigentümer selbst in das operative Tagesgeschäft sowie in Innovationsvorhaben mit eingebunden und muss sich dadurch mit einer Vielzahl an Fragen auseinandersetzen.

Umfangreiche strategische Planungen werden eher selten durchgeführt und ebenso wenig dokumentiert. Eine Literaturanalyse von 22 empirischen Studien belegt, „nur etwa ein Viertel der KMU im deutschsprachigen Raum betreibt eine schriftliche strategische Planung mit einem Zeithorizont von mehr als drei Jahren.“[37] Strategische Instrumente, wie beispielsweise die Portfolioanalyse, sind ebenso kaum bekannt. Die Bewertung von Ideen und neuen Geschäftsfeldern basiert vielmehr auf Basis der Erfahrung und Einschätzung des Eigentümers und leitender Mitarbeiter als auf formalen Entscheidungsprozeduren. So werden häufig, aufgrund des fehlenden methodischen Wissens, vorhandene Potenziale nicht vollständig ausgeschöpft und Innovationen zumeist nur auf eine konkrete Kundenanfrage hin entwickelt.

Der nicht selten vorzufindende patriarchalische Führungsstil und die Teilnahme der Geschäftsleitung am Innovationsgeschehen können sowohl positive als auch negative Auswirkungen haben. Positiv wäre es, wenn der Eigentümer zum Innovationspromotor[38] wird und so den Innovationsprozess beschleunigt. Demgegenüber besteht die Gefahr, dass bei einer zurückhaltenden Einstellung des Unternehmers gegenüber Veränderungen die Ideen und Vorschläge der Mitarbeiter abgeblockt werden. Auch die Fehleinschätzung der Kompetenzgrenzen des Unternehmens kann ein weiteres Hindernis im Innovationsprozess darstellen.

- Organisation

In KMU findet man meistens eine relativ einfache Organisationsstruktur vor. Die geringe Anzahl an Hierarchieebenen und der geringe Formalisierungsgrad schaffen eine hohe Flexibilität, um auf Veränderungen der Nachfragesituation schnell reagieren zu können. Kurze und direkte Informationswege sorgen dafür, dass Koordinationsprobleme nur selten oder überhaupt nicht entstehen. Da sich i.d.R. in Kleinunternehmen die Mitarbeiter untereinander kennen, ist es tendenziell leichter Vertrauen auf- und Anonymität abzubauen. Die Kommunikation verläuft meist informell, was unter Umständen zu Barrieren oder Verzögerungen führen kann. Aufgrund der dünnen Personaldecke werden die Mitarbeiter im Tagesgeschäft stark mit Routineaufgaben belastet, wodurch Freiräume für Kreativität und die Generierung neuer Ideen fehlen können. Ebenso zeigt sich, dass das technische und betriebswirtschaftliche Know-how sowie die Erfahrungen und Kontakte bestimmter Personen in KMU von größerer Bedeutung für das Innovationsgeschehen sind als Organisationsdesign und vorgegebene Ablaufpläne.

- Finanzierung

Eine der größten Schwachstellen im Mittelstand ist die Finanzierung. Der Zugang zu Finanzmärkten ist wegen der niedrigen Eigenkapitalquote (vor allem wegen fehlender Sicherheiten) eher schwierig. Da Innovationsvorhaben Kapital voraussetzen und binden, besteht im Falle einer Fehlentwicklung die Gefahr, dass bereits getätigte Investitionen nicht kompensiert werden können und das Unternehmen in Liquiditätsschwierigkeiten gerät. Da zumeist nur wenige Innovationsvorhaben parallel durchgeführt werden (tendenziell sogar eher nur eins), wird ein Risikoausgleich zwischen den Innovationsprojekten kaum möglich. Vorteilhaft hingegen scheint die Loyalität der Geschäftsführung gegenüber dem Unternehmen. Da diese nicht auf kurzfristige Gewinne abzielt, können mittel- bis langfristige Innovationsprojekte angegangen werden.

- Marktbearbeitung

Geht es um die Marktbearbeitung, wählen KMU nicht selten die Strategie der Produkt- und Leistungsorientierung, indem sie neue, individuelle Lösungen für einzelne Kunden suchen. Des Weiteren sind die Adaption und Imitation von „fremden“ Ideen sowie die Spezialisierung auf einzelne Marktsegmente (Markt- und Nischenstrategie) typische Vorgehensweisen, um im Wettbewerb bestehen zu können.

Um sich große Märkte erschließen zu können, bedarf es ein umfassendes Marketing das hohe Kosten verursacht. Die entsprechend anfallenden Kosten für den hohen Werbeaufwand können eher von Großunternehmen als von KMU getragen werden. Ebenso ist es für Großunternehmen leichter einen weltweiten Export zu organisieren. Klein- und Mittelbetriebe sind in diesem Bereich nicht konkurrenzfähig und sollten deshalb vielmehr auf ihre Stärken in den Marktnischen und der Marktnähe bauen.

Das Produktportfolio ist in KMU eher klein und die eng gewachsene Beziehung zum Kundenstamm, sowie spezielle Serviceleistungen schützen vor der Konkurrenz. Bei einer dauerhaften Bindung an wenige Abnehmer und Lieferanten entsteht eine große Abhängigkeit. Fällt ein wichtiger Kunde oder Lieferant weg, kann das Unternehmen in große Schwierigkeiten geraten. Begrenzte technische und finanzielle Möglichkeiten erschweren es zudem den KMU extreme Risiken zu übernehmen, langfristige Projekte anzugehen und zu managen, mit denen sie ihre Wettbewerbsposition festigen oder verbessern könnten.

Es zeigt sich, dass viele KMU-spezifische Faktoren den einzelwirtschaftlichen Wachstumsprozess behindern. Gerade deswegen müssen kleine und mittlere Unternehmen nicht nur ihre Schwächen mildern, sondern auch ihre Stärken ausspielen und durch intensive Marktnähe, unmittelbares Erkennen und Ausnutzen von Marktnischen sowie durch schnelle Reaktionsfähigkeit in Bezug auf Veränderungen der Nachfragesituation flexibel auf die Anforderungen des Marktes reagieren, um langfristig ihre Unternehmensexistenz sichern zu können.[39] Es ist daher lohnenswert die KMU spezifischen Potenziale durch ein an den Besonderheiten und Bedürfnissen von KMU angepasstes Innovationsmanagement zu aktivieren.[40]

Tabelle 3 gibt noch einmal einen Überblick über die strukturellen Unterschiede zwischen Groß- und Kleinbetrieben, indem die betrieblichen Stärken und Schwächen in Abhängigkeit der Unternehmensgröße dargestellt werden:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 3: Betriebliche Stärken und Schwächen in Abhängigkeit der Unternehmensgröße Quelle: Eigene Darstellung. Modifiziert in Anlehnung an Allesch (1986), S. 48.

2.2 Innovationsverständnis

2.2.1 Treiber des Innovationsbedarfs

Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts wurde der Innovationsbegriff durch den österreichischen Nationalökonom und späteren Harvardprofessor Joseph Alois Schumpeter mit seiner Theorie der Innovation[41] eingeführt. Damit setzte er gesellschaftliche Veränderungsprozesse in Gang. Das Thema „Innovation“ gewann stetig an Bedeutung. Doch erst in den letzten Jahren hat sich der Innovationsbegriff zu einem häufig verwendeten Modewort entwickelt, das nahezu in allen Bereichen präsent ist. Die kontinuierlich steigende Bedeutung der Innovations-Thematik ist auf mehrere Entwicklungen zurückzuführen (siehe Abbildung 2):[42]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Treiber des Innovationsbedarfs

Quelle: Eigene Darstellung. Modifiziert in Anlehnung an Goffin & Mitchell (2009), S. 20.

- Beschleunigter technologischer Fortschritt

Innerhalb weniger Jahre hat sich das Tempo, in dem neues Wissen generiert wird, massiv beschleunigt. In Wissenschaften wie beispielsweise der Optik, Festkörperphysik, Biochemie und vor allem der Mikroelektronik und der IT entstanden in kürzester Zeit zahlreiche Basisinnovationen, die große Auswirkungen auf eine Vielzahl an verschiedenen Anwendungen in unterschiedlichen Techniken zur Folge haben. Neue Technologien lassen sogar komplett neue Industrien und viele neue Arbeitsplätze entstehen. Den Basisinnovationen folgten wiederum neue Werkstoffe, Prüf- und Fertigungsverfahren, Logistiksysteme und auch Marketingstrategien. Diese ziehen wiederum neue Entwicklung nach sich. Der beschleunigende technologische Fortschritt stellt Unternehmen vor Herausforderungen. Die größte Schwierigkeit besteht darin, dass neue Technologien ständig aufmerksam verfolgt, aber auch bestehende Technologien berücksichtigt werden müssen, da diese breitere Anwendung finden.

- Verschärfter Wettbewerb

Die Globalisierung und Sättigung vieler Märkte, der Markteintritt von Schwellenländern und sich stark verkürzende Produktlebenszyklen scheinen den Wettbewerb in vielen Branchen zu verschärfen. Indikatoren hierfür sind die, über mehrere Jahre gesehen, steigende Zahl an Insolvenzen und Gründungen.[43] Für Unternehmen, die in wettbewerbsintensiven Branchen tätig sind, wird es immer schwieriger die eigene Position zu festigen oder sich überhaupt erst zu etablieren. Produkt- und Prozessinnovation werden als die Mittel angesehen, mit denen nicht nur Unternehmen, sondern auch die ganze Branche dem verschärften Wettbewerb aktiv entgegentreten kann. Die Innovationstendenz tritt somit als unternehmensindividuelle und Branchenerscheinung auf.

- Veränderte Kunden und Bedürfnisse

Weitere Innovationstreiber sind veränderte Charakteristiken und Anforderungen der Kunden. Neben dem Trend zur Individualisierung der Nachfrage verändert auch der demografische Wandel zunehmend viele Märkte. Die alternde Bevölkerung wird veränderte Anforderungen in Bezug auf Größe und Natur vieler Konsumgüter stellen, wohingegen beispielsweise andere Märkte in aufstrebenden Ländern (z. B. Südostasien) weitgehend aus jungen Konsumenten bestehen, die wiederum andere Bedürfnisse und Wünsche haben. Die zunehmende Kaufkraft in jungen Industrieländern wird demzufolge die Nachfrage an neuen Produkten und Dienstleistungen steigern. Nicht nur der demografische Wandel, sondern auch die wachsende Nachfrage nach umweltverträglichen Produkten und Dienstleistungen übt zusätzlich Innovationsdruck auf Unternehmen aus. Denn bei einer zunehmenden Sättigung der grundlegenden Bedürfnisse rücken bestimmte versteckte Kundenbedürfnisse immer stärker in den Vordergrund.

Folgedessen werden aufgrund veränderter Kunden und Bedürfnisse traditionelle Marktsegmente wegfallen oder fragmentieren, sodass Unternehmen gezwungen sind, ihr Produktsortiment daran anzupassen.

- Verändertes Geschäftsumfeld

Die wachsende Verbreitung der Marktwirtschaft als ökonomisches System, die steigende Zahl an Handelszusammenschlüssen zur Reduzierung von Zöllen und die Lockerung der Regulierung bestimmter Märkte in vielen westlichen Ländern führen weltweit zu einer immer größeren Marktöffnung. Drastisch verkürzte Produktlebenszyklen und hohe Durchfallraten neuer Produkte sind Ergebnis dieser Marktveränderung. Unternehmen werden somit immer abhängiger von einer dauerhaften Innovationstätigkeit.

Den Innovationstreibern zur Folge ist es kaum verwunderlich, dass heutzutage Universitäten und Hochschulen Kurse oder sogar Studienschwerpunkte für Innovationsmanagement als eigenständige Disziplin in der Betriebswirtschaftslehre einrichten.[44] Obwohl Innovationen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft eine herausragende Rolle spielen, ist dennoch das Innovationsverständnis im Hinblick auf die damit verbundenen Inhalte in den meisten Fällen eher diffus und nicht selten unpräzise.[45] Vergleicht man die Vielzahl an Definitionen in der Literatur fällt auf, das lediglich Einigkeit darüber besteht, dass es sich um „etwas Neues“ (abgeleitet aus dem Lateinischen „innovatio“)[46] handelt.

Trotz dieser noch großen Uneinigkeit ist es für die wissenschaftliche Betrachtung und weitere Behandlung des Innovationsthemas wichtig die Vielschichtigkeit des Phänomens Innovation näher zu beleuchten, um Missverständnissen vorzubeugen.[47] Bevor allerdings die grundlegenden Merkmale, die für viele Innovationen Gültigkeit haben, erläutert werden, muss zunächst eine Abgrenzung des Innovationsbegriffs zum Begriff der „Invention“ erfolgen, da im allgemeinen Sprachgebrauch diese beiden Begriffe fälschlicherweise häufig synonym verwendet werden.[48]

2.2.2 Invention und Innovation

Eine Invention oder Erfindung ist eine vollkommen neue Gestaltungsidee und die erstmalige technische Realisierung einer neuen Problemlösung.[49] Charakteristisch ist, dass das auf dem technischen Gebiet liegende Ergebnis wiederholt erzielt werden kann. Eine Invention kann sowohl geplant (z. B. durch Grundlagenforschung, Technologie- oder Technikentwicklung) als auch ungeplant, also zufällig entstehen.

Eine Innovation dagegen ist das Ergebnis einer umgesetzten Idee (Invention), die grundsätzlich erstmalig wirtschaftliche Anwendung findet und den Markt durchdringt (Diffusion). Somit ist eine Innovation das Ergebnis eines Prozesses oder dieser selbst, der alle Phasen beginnend von Ideengewinnung bis hin zur wirtschaftlichen Nutzung der Problemlösung durch Markteinführung oder durch Umsetzung im Unternehmen umfasst. Abbildung 3 stellt den Zusammenhang zwischen Invention und Innovation dar:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Zusammenhang von Invention und Innovation Quelle: Eigene Darstellung. Modifiziert in Anlehnung an Müller-Prothmann & Dörr (2009), S. 7.

2.2.3 Grundlegende Merkmale einer Innovation

Um Innovationen genauer charakterisieren zu können, wird der Ansatz von Thom gewählt, der die vier grundlegenden Merkmale von Innovationen und deren Zusammenhänge erläutert, wodurch Innovationen sich von Routineaufgaben unterscheiden.[50]

- Neuheitsgrad

Der Grad der Neuheit variiert von geringfügigen bis hin zu fundamentalen Neuerungen und wird meist als das grundlegendste Merkmal einer Innovation bezeichnet. Wichtig ist, dass die Problemlösung über den bisherigen Erfahrungs- und Erkenntnisstand hinausgeht. Dabei kann es sich um eine Unternehmensneuheit, regionale, nationale oder Weltneuheit handeln. Des Weiteren besteht ein Zusammenhang zwischen Neuheitsgrad und wirtschaftlichem Nutzen, der von Bedeutung ist. Denn ein hoher Neuheitsgrad kann einen Wettbewerbsvorteil darstellen.

- Unsicherheit

Neuheitsgrad und Unsicherheit stehen in einer engen Verbindung zueinander. Typischerweise herrscht vor allem in den frühen Phasen des Innovationsprozesses noch eine relativ hohe Unklarheit über das angestrebte Ergebnis. Grundsätzlich gilt: Je höher der Neuheitsgrad einer Innovation, desto geringer die vorhandenen Erfahrungswerte, desto größer die Unsicherheit des zu erwartenden Ertrags.

- Komplexität

Aufgrund einer in der Regel unklaren Problemstruktur von Innovationen und eines nicht-linearen Verlaufs der einzelnen Innovationsphasen ergeben sich hochgradig komplexe Vorgänge. Innovationen haben den Charakter einer Querschnittsfunktion, denn sie betreffen alle Funktionsbereiche eines Unternehmens und weisen zusätzliche Beziehungen zum Unternehmensumfeld (Lieferanten, Kunden, Behörden, Forschungseinrichtungen, usw.) auf. Das Ergebnis ist Komplexität, die den Faktor Unsicherheit verstärkt und sich aus technischen, technologischen, organisatorischen und kulturellen Elementen zusammensetzt.

- Konfliktgehalt

Die Faktoren Neuartigkeit, Unsicherheit und Komplexität haben einen hohen Konfliktgehalt in allen Phasen des Innovationsprozesses zur Folge, der sowohl negative als auch positive Aspekte mit sich bringt. Konflikte sind Voraussetzung für Veränderungen. Denn meist entstehen aus Unzufriedenheit neue Ideen und kreative Lösungsansätze die für eine erfolgreiche Durchführung von Innovationsprozessen wichtig sind und ein Unternehmen voran bringen können. Hierzu ist es notwendig, dass Konflikte im Unternehmen bewusst wahrgenommen und mit einer positiven Grundeinstellung angegangen werden (siehe Abschnitt 3.1), sodass die auftretenden Konflikte weder die Unsicherheit erhöhen, noch eine destruktive Wirkung entfalten.

Es wird vermutet, dass das Ausmaß und der Bestand von Wettbewerbsvorteilen von den konkreten Ausprägungen der Merkmale einer Innovation abhängen.[51] Nicht jede Innovation hat jedoch den gleichen Neuheitsgrad oder Komplexitätsgehalt. Es ist auch sehr unwahrscheinlich, dass Innovationen immer mit den gleichen Risiken zu kämpfen haben oder die gleichen Konfliktpotenziale mit sich bringen. Trotzdem stehen die verschiedenen Merkmale in einer Beziehung zueinander und können sich wechselseitig verstärken.

2.2.4 Überblick über die Innovationsarten

Innovationen lassen sich in unterschiedliche Kategorien einordnen.[52] In der Literatur findet meist eine Kategorisierung anhand des Gegenstandsbereichs statt, weshalb sich die Unterscheidung von Produkt- und Prozessinnovationen am häufigsten wieder findet. Doch Innovationen beziehen sich nicht nur auf Produkte oder Dienstleistungen, denn neue Arbeits- oder Managementmodelle können ebenso eine Innovation darstellen.

Auch eine Differenzierung nach dem Auslöser ist möglich. Zweckinduzierte Innovationen werden durch die Bedürfnisse der Kunden oder die konkrete Nachfrage des Marktes initiiert, weshalb sie auch als Pull-Innovationen (market-pull) bezeichnet werden. Mittelinduzierte Innovationen (Push-Innovationen) hingegen sind Innovationen, die von neuen Technologien ausgelöst werden (technology-push), für die aber erst noch ein Markt gefunden werden muss.

Eine weitere Möglichkeit der Differenzierung stellt das gemeinsame Merkmal, der Neuheitsgrad der Innovation, dar. Es fällt auf, dass manche Innovationen eine ganze Branche auf den Kopf stellen, wohingegen andere vom Markt erst überhaupt nicht als solche erkannt werden. Die niedrigste Stufe ist dabei die Imitation. Sie bezeichnet das Nachahmen einer bereits vorhandenen und erfolgreich eingesetzten Lösung und stellt im engeren Sinne keine große Erfindung dar. Neben der Anpassungsinnovation existiert noch die sogenannte Verbesserungsinnovation bevor die höchste Stufe, die Basisinnovation, erreicht wird. Diese bezeichnet einen Durchbruch in Bezug auf neue Technologien oder Organisationsprinzipien und zieht häufig eine Vielzahl an Folgeinnovationen nach sich.

Die vierte Möglichkeit der Differenzierung ist eine Unterscheidung nach dem Aufwand, der im Unternehmen notwendig ist, um eine Innovation zu realisieren. Inkrementalinnovationen lassen sich relativ risikolos durchführen, da sie bereits auf bestehenden oder naheliegenden Märkten sowie auf bekannten Anwendungsgebieten erfolgen. Radikale (disruptive) Innovationen weisen dagegen einen hohen Neuheitsgrad, verbunden mit einem wirtschaftlich größeren Risiko, auf. Sie bringen komplexe und einschneidende Veränderungen mit sich und besitzen das Potenzial ganze Märkte zu revolutionieren. Tabelle 4 gibt einen Überblick über mögliche Differenzierungskriterien und deren jeweilige Kategorien:[53]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 4: Differenzierungskriterien von Innovationen Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Vahs & Burmester (1999), S. 72.

[...]


[1] Vgl. Benedix (2003), S. 1.

[2] Vgl. Berger (1998), S. 13.

[3] Vgl. Andreas Kladroba (2013), S. 7.

[4] Vgl. Schewe & Becker (2009), S. 19.

[5] Vgl. Kriegesmann & Kerka (2007)

[6] Vgl. Berger (1998), S. 13.

[7] Vgl. Berger (1998), S. 14 sowie Verworn; Lüthje & Herstatt (2000)

[8] Vgl. Stern (2003), S. 74.

[9] Vgl. Heesen (2009), S. V (Geleitwort) sowie Schewe & Becker (2009), S. 147–148.

[10] Vgl. Schewe & Becker (2009), S. V (Geleitwort).

[11] Vgl. Allesch & Klasmann (1989), S. 2 sowie Heesen (2009), S. V (Geleitwort).

[12] Vgl. Heesen (2009), S. 1.

[13] Vgl. Vahs & Trautwein (1999), S. 5.

[14] Vgl. Vahs & Burmester (1999), S. 73.

[15] Vgl. Allesch & Klasmann (1989), S. 1.

[16] Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (2012), S. 2.

[17] Vgl. Institut für Mittelstandsforschung Bonn: KMU-Definition des IfM Bonn, http://www.ifm-bonn.org/mittelstandsdefinition/definition-kmu-des-ifm-bonn/; zuletzt abgerufen am 13.09.2013 sowie Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie: Mittelstandspolitik, http://bmwi.de/DE/Themen/Mittelstand/Mittelstandspolitik/politik-fuer-den-mittelstand.html; zuletzt abgerufen am 14.09.2013.

[18] Vgl. Europäische Union (2003), S. 39; Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie: Mittelstandspolitik, http://bmwi.de/DE/Themen/Mittelstand/Mittelstandspolitik/politik-fuer-den-mittelstand.html; zuletzt abgerufen am 14.09.2013 sowie Institut für Mittelstandsforschung Bonn: KMU-Definition der Europäischen Kommission, http://www.ifm-bonn.org/mittelstandsdefinition/definition-kmu-der-eu-kommission/; zuletzt abgerufen am 18.09.2013.

[19] Vgl. Institut für Mittelstandsforschung Bonn: KMU-Definition der Europäischen Kommission, http://www.ifm-bonn.org/mittelstandsdefinition/definition-kmu-der-eu-kommission/; zuletzt abgerufen am 18.09.2013.

[20] Vgl. Europäische Union (2003), S. 39.

[21] Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie: Mittelstandspolitik, http://bmwi.de/DE/Themen/Mittelstand/Mittelstandspolitik/politik-fuer-den-mittelstand.html; zuletzt abgerufen am 14.09.2013.

[22] Vgl. Walther (2004), S. 36.

[23] Vgl. Wolter & Günterberg (2003), S. 2ff.

[24] Vgl. zu den aufgeführten Merkmalen Walther (2004), S. 36; Minder (2001), S. 8–11; Mugler (2005), S. 17; Schwarz , Altenburg & Strebel (2004), S. 252–255; Heesen (2009), S. 48 sowie Wolter & Günterberg (2003), S. 2ff..

[25] Vgl. Walther (2004), S. 37.

[26] Vgl. Mugler (2005), S. 17.

[27] Vgl. Dömötör (2011), S. 9.

[28] Vgl. Spielkamp & Rammer (2006), S. 16 sowie Dömötör (2011), S. 9.

[29] Vgl. Allesch & Klasmann (1989), S. 1.

[30] Vgl. Trommsdorff (1990), S. 3.

[31] Vgl. Allesch & Klasmann (1989), S. 1.

[32] Vgl. Allesch & Klasmann (1989), S. 1.

[33] Vgl. ILInnovationslabor GmbH: Innovationsmanagement in KMU, http://innovationslabor.de/index.php?option=com_content&view=category&layout=blog&id=26&Itemid=61; zuletzt abgerufen am 20.09.2013.

[34] Vgl. Spielkamp & Rammer (2006), S. 16.

[35] Vgl. Schwarz , Dummer & Krajger (2006), S. 20.

[36] Vgl. Spielkamp & Rammer (2006), S. 16–18; Dömötör (2011), S. 9ff.; Meyer (2001), S. 149ff.; Minder (2001), S. 81; Schwarz , Altenburg & Strebel (2004), S. 254 sowie Allesch (1986), S. 43ff..

[37] Vgl. Dömötör (2011), S. 15.

[38] Als Innovationspromotoren werden Personen bezeichnet, die den Innovationsprozess aktiv und intensiv fördern. Siehe Witte (1973), S. 17ff..

[39] Vgl. Allesch & Klasmann (1989), S. 1.

[40] Vgl. Trommsdorff (1990), S. 3.

[41] Vgl. Schumpeter (1939)

[42] Vgl. zu den vier Entwicklungen Goffin & Mitchell (2009), S. 19ff.; Fischer (2000), S. 27–28 sowie Trommsdorff (1990), S. 1–3.

[43] Institut für Mittelstandsforschung Bonn: Gründungen und Unternehmensschließungen, http://www.ifm-bonn.org/statistiken/gruendungen-und-unternehmensschliessungen/#accordion=0&tab=1; zuletzt abgerufen am 29.01.2014.

[44] Vgl. Vahs & Burmester (1999), S. 2 sowie Trommsdorff (1990), S. 1.

[45] Vgl. Vahs & Burmester (2005), S. 1ff..

[46] Vgl. Bibliographisches Institut GmbH: Duden, http://www.duden.de/rechtschreibung/Innovation; zuletzt abgerufen am 25.09.2013.

[47] Vgl. Hauschildt & Salomo (2007), S. 3.

[48] Vgl. Vahs & Burmester (1999), S. 42.

[49] Vgl. zur Abgrenzung einer Invention zu einer Innovation Vahs & Burmester (1999), S. 42; Benedix (2003), S. 6. sowie Müller-Prothmann & Dörr (2009), S. 7.

[50] Vgl. zu den grundlegenden Merkmalen einer Innovationen Vahs & Burmester (1999), S. 49ff sowie Thom (1980), S. 34ff..

[51] Vgl. Spielkamp & Rammer (2006), S. 6–7.

[52] Vgl. zu den hier dargestellten Innovationsarten Hartschen , Scherer & Brügger (2009), S. 8.; Vahs & Burmester (1999), S. 72 ff.; Trommsdorff (1990), S. 4ff. sowie Pleschak & Sabisch (1996), S. 3ff..

[53] Ein ausführliches Kapitel zu den Innovationsarten befindet sich in Vahs & Burmester (1999), S. 71ff..

Ende der Leseprobe aus 94 Seiten

Details

Titel
Von der Idee zum Innovationsprojekt
Untertitel
Ableitung und Ausgestaltung eines Gesamtkonzepts zur Bewertung der Attraktivität einzelner Innovationsideen von kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland
Hochschule
Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt  (Wirtschaftsingenieurwesen)
Autor
Jahr
2014
Seiten
94
Katalognummer
V272885
ISBN (eBook)
9783656655565
ISBN (Buch)
9783656655589
Dateigröße
1558 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
idee, innovationsprojekt, ableitung, ausgestaltung, gesamtkonzepts, bewertung, attraktivität, innovationsideen, unternehmen, deutschland
Arbeit zitieren
Manuel Heusinger (Autor:in), 2014, Von der Idee zum Innovationsprojekt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/272885

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