Seit ihrer Gründung im Jahr 1945 haben die Vereinten Nationen (VN) zahlreiche epochale Veränderungen miterlebt, etwa den Ost-West-Konflikt, sein Ende oder den Krieg gegen den Terror. Im Laufe dieser historischen Einschnitte sah sich auch die Weltorganisation der Notwendigkeit kontinuierlicher Anpassungen ausgesetzt. Dies betraf und betrifft einerseits die neuen globalen Herausforderungen, wie die zunehmende Ungleichverteilung von Gütern zwischen der Ersten und der Dritten Welt, und andererseits teilweise damit einhergehende Veränderungen der VN-Strukturen. So hat sich beispielsweise seit ihrer Gründung die Mitgliederzahl mehr als verdreifacht (von einst 51 auf derzeit 192), was fortwährende Anpassungen an die Organisation von Abläufen und Prozessen innerhalb der Gremien und einzelnen Arbeitsbereiche der VN notwendig gemacht hat. Eines der wichtigsten Organe, das bislang von jeglichem Wandel nahezu unangetastet geblieben ist, stellt der Sicherheitsrat (SR) der VN dar. Seine Zusammensetzung im Hinblick auf die fünf ständigen Mitglieder (Permanent five, P-5) hat sich seit 1946 zwar verändert , die Ausgangslage wiederholter Reformbestrebungen, die unter anderem auf eine Erweiterung dieses Organs hinsichtlich seiner Mitglieder, die Einschränkung der Veto-Macht der P-5 oder eine größere Transparenz von Entscheidungen gezielt haben, allerdings nicht.
Die vorliegende Arbeit untersucht die Frage, warum die von verschiedenen Seiten innerhalb der VN vorgetragenen Forderungen einer grundlegenden Reformierung des VN-Sicherheitsrates bislang nicht umgesetzt worden sind. Konkret geht es um die Reformbemühungen 1997, 2005 und die Debatte seit 2007. Die Frage ist zwar bereits vielfach in der Fachwelt diskutiert worden, doch wird hier der Versuch unternommen, eine systematische Untersuchung anhand einer Theorie durchzuführen, die die Dynamik von politischen Inhalten und deren Prozessen in den Vordergrund stellt. Daher liegt dieser Arbeit das Vetospieler-Theorem von George Tsebelis zugrunde, mit Hilfe dessen gezeigt werden soll, warum die relevanten Akteure (ständige und nicht ständige Mitglieder des VN-Sicherheitsrates sowie Organe der VN mit Entscheidungskompetenz in dieser Frage) durchschlagende Reformen verhindert haben. Die Analyse soll sich dabei nicht nur auf die P-5 und ihre Vetomacht beschränken, sondern auch andere Gruppen von Staaten im Reformprozess betrachten und ihre Motive im Reformprozess erörtern. Abschließend werden die Ergebnisse anhand der verwendeten Th
Inhaltsverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis
- Abbildungsverzeichnis
- Literatur- und Quellenverzeichnis
- Einleitung
- 1.1 Warum diese Theorie?
- 2. Der Vetospieler-Ansatz nach George Tsebelis
- 2.1 Welche Vetospieler gibt es?
- 2.2 Absorptionsregel, Status quo und weitere Spieler
- 2.3 Kritik
- 3. Der VN-Sicherheitsrat
- 3.1 Abriss seiner Entstehung
- 3.2 Befugnisse und Aufgaben des Sicherheitsrates
- 3.3 Arbeitsweise des SR
- 3.4 Gebrauch des Vetos im SR
- 4. Die Reformdebatte — ein Überblick
- 4.1 Die Vorschläge von 1997 (Razali-Plan)
- 4.2 Die Reformversuche von Kofi Annan
- 4.3 Die Debatte seit 2007
- 4.4 Die Nicht-Reform der Arbeitsmethoden des SR
- 5. Die Vetospieler und ihr Verhalten: Die P-5
- 5.1 Die USA
- 5.2 Großbritannien und Frankreich
- 5.3 China
- 5.4 Russland
- 6. Die nicht ständigen Mitglieder
- 6.1 Die G4-Gruppe
- 6.2 Der „Kaffeeclub" (UfC)
- 6.3 Die „L69"-Gruppe
- 6.4 Die afrikanische Gruppe
- 7. Der Sicherheitsrat als Vetospieler
- 7.1 Das winset einer Reform
- 7.2 Das Theorem in seiner Anwendung
- 8. Fazit — Eine "unmögliche" Reform?
- Anhang
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Masterarbeit untersucht die Gründe für das Scheitern der Reformbemühungen des VN-Sicherheitsrates. Die Arbeit analysiert die Reformversuche von 1997, 2005 und die Debatte seit 2007 anhand des Vetospieler-Theorems von George Tsebelis. Ziel ist es, die Dynamik der politischen Prozesse und Inhalte im Kontext der Reformdebatte zu erklären und zu verstehen, warum relevante Akteure wie ständige und nichtständige Mitglieder des Sicherheitsrates sowie andere VN-Organe mit Entscheidungskompetenz in dieser Frage, durchschlagende Reformen verhindert haben.
- Die Vetospieler-Theorie als analytisches Instrumentarium
- Die Struktur und Funktionsweise des VN-Sicherheitsrates
- Die verschiedenen Reformbemühungen und Vorschläge
- Die Interessen und Motive der wichtigsten Akteure
- Die Chancen und Herausforderungen einer möglichen Reform
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema der VN-Sicherheitsratsreform ein und erläutert die Relevanz des Vetospieler-Theorems für die Analyse des Reformsprozesses. Kapitel 2 stellt das Vetospieler-Theorem von George Tsebelis vor, das die Bedingungen für Politikwechsel und Blockaden von Reformen untersucht. Kapitel 3 beschreibt die Entstehung, Befugnisse und Aufgaben des VN-Sicherheitsrates sowie die Arbeitsweise und die Rolle des Vetos. Kapitel 4 bietet einen Überblick über die verschiedenen Reformbemühungen, von den ersten Vorschlägen in den 1990er Jahren bis zu den aktuellen Debatten. Kapitel 5 analysiert die Positionen und Motive der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates (P-5) hinsichtlich der Reform. Kapitel 6 untersucht die wichtigsten Gruppen von nichtständigen Mitgliedern, die sich im Reformsprozess engagieren, wie die G4-Gruppe, die "Kaffeeclub"-Gruppe (UfC), die "L69"-Gruppe und die afrikanische Gruppe. Kapitel 7 wendet das Vetospieler-Theorem auf die Reformdiskussion an und untersucht die Chancen und Herausforderungen einer möglichen Reform. Das Fazit fasst die Ergebnisse der Analyse zusammen und diskutiert die Frage, ob eine umfassende Reform des VN-Sicherheitsrates realistisch ist.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen den VN-Sicherheitsrat, die Sicherheitsratsreform, das Vetospieler-Theorem, Vetospieler, ständige Mitglieder, nichtständige Mitglieder, G4-Gruppe, "Kaffeeclub" (UfC), "L69"-Gruppe, afrikanische Gruppe, Einstimmigkeit, Mehrheitsentscheidungen, winset, Status quo, Politikwechsel, Machtverhältnisse, internationale Beziehungen, globale Ordnung, Friedenssicherung, Legitimität, Effektivität, Repräsentanz, Demokratie, Multilateralismus, UN-Charta, internationale Organisation.
- Arbeit zitieren
- Johannes Bullmann (Autor:in), 2014, Kann der Vereinte Nationen-Sicherheitsrat reformiert werden? Eine Analyse mit Hilfe des Vetospieler-Theorems, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/273152