Die Patientenverfügung als Mittel zur Durchsetzung der Patientenautonomie am Ende des Lebens


Hausarbeit, 2003

32 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

Vorwort

Einleitung

1 Die Autonomie des Patienten
1.1 Autonomie bei einwilligungsfähigen Patienten
1.1.1 Voraussetzung für Autonomie
1.1.2 Die Wichtigkeit der Selbstentscheidung
1.1.3 Das Recht auf Achtung der Autonomie
1.1.4 Der Informed Consent
1.1.5 Patientenautonomie und Pflege
1.2 Autonomie bei einwilligungsunfähigen Patienten

2 Einführung in die Patientenverfügung
2.1 Definition der Patientenverfügung
2.2 Historische Entwicklung der Patientenverfügung
2.3 Inhalte der Patientenverfügung

3 Rechtliche Aspekte der Patientenverfügung
3.1 Gesetzliche Grundlagen der Patientenverfügung
3.2 Bindungswirkung der Patientenverfügung
3.3 Widerrufsmöglichkeiten der Patientenverfügung
3.4 Exkurs: Weiter Möglichkeiten zur Sicherung der Patientenautonomie
3.4.1 Die Vorsorgevollmacht
3.4.2 Die Betreuungsverfügung
3.4.3 Vor- und Nachteile von Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung
3.5 Leitlinien in der Praxis

4 Erstellen einer Patientenverfügung
4.1 Inhaltliche Auseinandersetzung mit der Patientenverfügung
4.2 Darstellung verschiedener Patientenverfügungen
4.2.1 Die christliche Patientenverfügung
4.2.2 Die persönliche Patientenverfügung
4.2.3 Die Patientenverfügung der Aktion Leben e. V.
4.3 Der Weg zur Vorsorge

5 Ethische Aspekte der Patientenverfügung
5.1 Grenzfälle der Patientenverfügung
5.2 Patientenverfügungen und Sterbehilfe
5.3 Ethische Probleme durch die Patientenverfügung

6 Schlussbemerkungen

Literaturverzeichnis

Vorwort

In unserer einmal wöchentlich stattfindenden Veranstaltung „Medizinische, gesundheitspolitische und ethische Aspekte des Alters in der Gesellschaft“ haben unter anderem das Thema Patientenverfügungen behandelt.

Nach diesem Seminar beschäftigte ich mich häufig mit der Frage des Älterwerdens. Wie werde ich selbst einmal meinen Lebensabend gestalten? Es wäre schön wenn ich im Kreis meiner Familie alt werden und dort auch sterben könnte. Doch was wenn alles anders kommt? Wenn ich zum Sterben in ein Krankenhaus müsste? Die Vorstellung, dass ich am Ende meines Lebens auf einer Intensivstation liege, mein Leben durch die dortigen Geräte künstlich verlängert wird und mich meine Angehörigen nur kurz besuchen kommen, erscheint mir wie ein Alptraum.

Aber wer soll für mich entscheiden wenn ich dazu nicht mehr in der Lage bin? Möchte ich, dass meine Angehörigen oder die dortigen Ärzte die Entscheidungen für mich treffen? Oder möchte ich mir schon im gesunden Zustand überlegen, wie die Behandlung am Ende meines Lebens verlaufen soll?

Um diese Fragen zu klären nutze ich die Gelegenheit, die mir diese Hausarbeit bietet um mich eingehend mit dem Thema Patientenverfügungen zu beschäftigen.

Während meiner Literatursuche stellte ich fest, dass die Rechtlichen Aspekte - und hierbei gerade die Frage der Verbindlichkeit der Patientenverfügung - die Fachleute stark beschäftigen. Diesen Aspekt finde ich zwar sehr wichtig, da ohne die rechtlichen Grundlagen kein Verständnis für die Patientenverfügung aufkommen kann, trotzdem wollte ich keine rein juristische Arbeit schreiben. Deshalb erweiterte ich meine Literatursuche und habe nun eine Arbeit über ausgewählte Aspekte der Patientenverfügung verfasst. Mit der Darstellung dieser Aspekte befasst sich, unter anderem, die Einleitung.

Einleitung

Die Zahl der Patientenverfügungen in Deutschland ist momentan stetig steigend. Es gibt eine kaum zu überblickende Vielzahl an Vordrucken und Mustern von verschiedenen Institutionen (Vgl. Taupitz 2000, S. 105). Dies zeigt sich allein bei der Internetrecherche mit dem Stichwort „Patientenverfügung“: zu Beginn meiner Nachforschungen vor circa drei Monaten waren es noch 14.600 Treffer – heute bekommt man eine Angabe von ungefähr 16.500 Treffern.

Mit vielen Mustern haben sich auch viele Begriffe entwickelt, die gebräuchlichsten sind Patientenverfügung, Patiententestament oder Patientenbrief. In Deutschland scheint sich in der Umgangssprache der Begriff Patiententestament durchzusetzen. Da die Patientenverfügung nicht wie das Testament ein Geschäft mortis causa ist, also grundsätzlich mit dem Tod zusammenhängt, setzt sich in der Fachliteratur der Begriff Patientenverfügung durch (statt vieler vgl. Baumgarten 2000, S. 303). Diesen werde auch ich in meiner Arbeit verwenden.

Da die Patientenverfügung verfasst wird um die Patientenautonomie auch am Ende des Lebens zu sichern, möchte ich im ersten Kapitel meiner Arbeit zuerst darstellen was Patientenautonomie bedeutet. Hier wird unterschieden zwischen einwilligungsfähigen Patienten und einwilligungsunfähigen Patienten. Im zweiten Kapitel stelle ich die Sonderform der Patientenautonomie beim einwilligungsunfähigen Patienten dar, welche der Schwerpunkt meiner Arbeit sein wird – die Patientenverfügung. Am Anfang gebe ich eine thematische Einführung, dass heißt ich werde sie genauer definieren und ihre Herkunft erklären. Im dritten Kapitel werde ich den rechtlichen Aspekt, die gesetzlichen Grundlagen durch die eine Patientenverfügung möglich ist und vor allem die viel umstrittene Bindungswirkung erläutern. Anhand dieser Grundlagen werde ich anschließend im vierten Kapitel erklären, wie man eine rechtskräftige, dem eigenen Willen entsprechende Patientenverfügung verfasst. Zum Abschluss meiner Arbeit beschäftige ich mich mit den ethischen Aspekten der Patientenverfügung und den Problemen die durch sie auftreten können; dieser Thematik ist das fünfte Kapitel gewidmet.

1 Die Autonomie des Patienten

1.1 Autonomie bei einwilligungsfähigen Patienten

Nicht jeder kranke Mensch wird durch sein Leiden gleich zu einem Patienten. Zu diesem wird er erst wenn er sich auf Grund dieses Leidens in Behandlung bei einem Mitglied der Heilberufe begibt. Das Verhältnis zwischen Patient und Mitglied des Heilberufes ist keinesfalls einfach. Der Patient ist hilfsbedürftig und zumeist inkompetent in der Wahl der zur Verfügung stehenden Mittel. Dieses Verhältnis zwischen dem Patienten als Laien und dem Mitglied des Heilberufes als Experten erfordert von dem Patienten einen großen und riskanten Vertrauensvorschuss. Auf der anderen Seite ist der Patient in dieser Beziehung der Auftraggeber und somit autonomer Partner in einer Vertragsbeziehung (Vgl. Siep 1998, S. 840).

Schon seit der Antike wird dem Patienten durch den ärztlichen Standesethos das Recht auf eine Behandlung zugesprochen, die sein Wohlergehen steigert (Vgl. ebenda). Allerdings ist erst „seit einigen Jahren […] ein Wechsel der Perspektiven zu beobachten: Die Bedeutung der Fürsorge wird relativiert. Nicht mehr das „Wohl“ des Patienten, sondern sein „Wille“ gilt als oberste Richtschnur des Handelns“ (Großklaus-Seidel 2002, S. 142). Der Perspektivenwechsel hin zur Autonomie des Patienten beruht historisch gesehen auf der „neuzeitlichen Emanzipation des Individuums“ (Siep 1998, S. 840) und begann nach den schlechten Erfahrungen im Nationalsozialismus und den dortigen medizinischen Experimenten an Patienten (Vgl. ebenda, S. 840-841).

Durch diesen Perspektivenwechsel ist eine ärztliche (und pflegerische) Behandlung nur solange zulässig, wie sie auch durch den Willen des Patienten gedeckt ist (Vgl. Lipp 2003, S. 107).

1.1.1 Voraussetzung für Autonomie

Um Selbstbestimmte Entscheidungen fällen zu können, müssen mindestens zwei Bedingungen erfüllt sein. Zum Einen, dass der Mensch sich bewusst ist Ziele und Wünsche zu haben und diese auch umzusetzen gedenkt, zum Anderen, dass er in der Lage ist sich an die faktischen Bedingungen seines Lebens und Sterbens anzupassen. Hierzu bedarf es des Zustandes der minimalen psychischen Willensfreiheit. Dieser ist nicht gegeben, wenn das ganze Leben durch äußere Umstände diktiert wird, also wenn es für den Menschen keine Handlungsalternativen gibt, wie dies z. B. durch Krieg oder großer Armut der Fall ist. Auch wer sich durch Krankheit oder anderen Umständen in einem Zustand psychischer oder physischer Unzurechnungsfähigkeit befindet, ist nicht zu autonomen Entscheidungen in der Lage (Vgl. Bobbert 2002, S. 131-132).

Die oben genanten Zustände können zeitweise begrenzt oder dauerhaft sein. „Die Allgemeine Unfähigkeit zur Selbstbestimmung bedeutet allerdings nicht, daß die Betroffenen keinerlei moralischen Rechte hätten“ (Bobbert 2002, S. 131).

1.1.2 Die Wichtigkeit der Selbstentscheidung

Zum Teil wird in der Literatur und auch bei Personenbefragungen angegeben, dass im Zustand der Krankheit dem Menschen sein Wohlergehen wichtiger ist, als die Respektierung seiner Autonomie. Diese berufen sich auf das Vertrauen der Patienten in die Ärzte und darauf, dass diese zu kompetenteren Entscheidungen fähig sein sollten (Vgl. Eibach 2001, S. 60).

Warum aber, wenn der Arzt kompetenter ist und somit Entscheidungen besser fällen kann als der Patient, ist die Selbstentscheidung so wichtig? Eine autonome Entscheidung zu treffen heißt, sich nach höchstpersönlichen Gründen und Gegengründen zu richten. Für jeden Menschen bedeuten die Vorstellungen und das Erleben von Angst, Schmerzen oder körperlichen Einschränkungen etwas Anderes. Jeder darf nach seinen wert- und erlebnisbezogenen Interessen eine persönliche Abwägung vornehmen. Wenn man diese Entscheidungen akzeptiert bedeutet das, das Wohlergehen des Patienten zu erhöhen, da man ihn respektiert und dadurch ein Fundament der Selbstachtung bei dem Patienten herstellt. Dies ermöglicht ihm ein Leben nach seinen persönlichen Wertvorstellungen (Vgl. Schöne-Seifert 2003, S. 122-123). Wichtig ist hierbei, dass „Autonomieschutz […] grundsätzlich Neutralität gegenüber Entscheidungsinhalten wahren [muss] – [Autonomieschutz] muß die Entscheidung aus Angst vor Schmerzen ebenso decken wie jene aufgrund persönlicher Ideale, solange sie freiwillig, auf der Basis hinreichender Kenntnisse und vorhandener Einwilligungsfähigkeit zustande kommt“ (ebenda, S. 123). Aber nicht nur aus ethischen Gesichtspunkten ist die Autonomie so wichtig, auch aus rechtlicher Sicht „…steht das Selbstbestimmungsrecht des Menschen über seinen Körper, […] über einer Schutzpflicht anderer für sein Leben. Folglich ist die auf Abwehr des Eingreifens anderer gerichtete Autonomie und nicht das Leben das von der Verfassung geschützte Gut“ (Taupitz 2000, S. 123).

1.1.3 Das Recht auf Achtung der Autonomie

Das Recht auf Achtung der Autonomie hat der Patient „prima-facie“, was bedeutet, dass das Recht noch nicht präzisiert und auch noch nicht weiter begründet wurde. Diese Präzisierung werde ich im Bezug auf Bobbert (2002) vornehmen.

1.1.3.1 Die fünf elementaren Rechte der Patientenautonomie

Bobbert unterteilt das „prima facie“ Recht auf Achtung der Autonomie in 5 Elemente, welche im folgenden Teil dargestellt werden

1. Recht auf Zustimmung oder Ablehnung

Hierunter versteht man das Recht des Patienten, dass Handlungen anderer, die den eigenen Leib oder intime psychische Belange betreffen, grundsätzlich der Zustimmung des Betroffenen bedürfen. Unerlaubte Eingriffe in den Leib oder die psychische Integrität werden als intimste Verletzungen empfunden und bedürfen besonderen Schutzes. Professionelle Pflege und Behandlung können zwar meist nur über diese Eingriffe durchgeführt werden, aber ohne Zustimmung stellen auch sie eine unzulässige Verletzung des Patienten dar, selbst wenn diese zu seinem Wohlergehen geschehen (Vgl. Bobbert 2002, S. 134-135).

2. Recht auf Information

Durch die Tatsache, dass der Patient meist Laie bezüglich seiner eigenen Krankheit ist, besteht von seiner Seite ein großer Bedarf an Informationen, die durch Ärzte oder Pflegepersonal ausgeglichen werden müssen, damit er, mit dem nötigen Hintergrundwissen, zustimmen oder ablehnen kann, beziehungsweise eine Alternative wählen kann. Die Information betrifft auf medizinischer Seite Diagnose, Prognose und Therapie, sowie auf pflegerischer Seite Pflegediagnose, Pflegeziele und Pflegemaßnahme.

Diese Informationen sind wichtig, damit der Patient sein eigenes Wohl festlegen und hierzu zwischen mehreren Alternativen wählen kann. Eine Ausnahme von diesem Recht ist nur dann gegeben wenn sich ein Patient selbst dafür entscheidet, dass er keine umfassende Information möchte (Vgl. ebenda, S. 135-136).

Um diese beiden Rechte in der Praxis umzusetzen, hat sich das Modell des „Informed Consent“ entwickelt, auf welches ich später noch ausführlicher eingehen werde.

3. Recht auf Festlegung des Eigenwohls

Nicht ein ärztlicher Standesethos, medizinische Indikation oder Pflegestandards entscheiden über das Wohl des Patienten, sondern dieser allein nach seinen eigenen Zielen und Wertvorstellungen. Es gelten also nicht allgemein vernünftige Verhaltensweisen sondern allein die Wünsche des Patienten, selbst wenn diese sich, nach der Meinung Außenstehender, ungünstig auf sein Leben auswirken. Der Patient muss allerdings vorher umfassend informiert werden (siehe Recht auf Information), damit er die Tragweite seiner Entscheidung verstehen kann (Vgl. ebenda, S. 137-141).

4. Recht auf Wahl zwischen „möglichen“ Alternativen

Wenn es mehrere Alternativen in der Behandlung eines Patienten gibt, müssen ihm diese mitgeteilt werden. Es genügt nicht, dass der Patient einer Behandlung zustimmen oder ablehnen kann, erst durch Alternativen ist es dem Patienten möglich seinen eigenen Präferenzen zu folgen. Das Fachpersonal sollte hierbei möglichst wenige Vorentscheidungen treffen, da diese Entscheidungen nicht nur durch Sachinhalte, sondern auch durch ihre eigenen Wertvorstellungen geprägt wären (Vgl. Bobbert 2002, S. 141-142).

5. Recht auf eine „möglichst geringe“ Einschränkung des Handlungsspielraums durch Institutionen

Prinzipiell schränkt der Aufenthalt in einem Krankenhaus oder Altersheim den Patienten in seinen gewohnten Handlungsweisen ein. Es ist allerdings nur in extremen Fällen leicht zu beantworten, welche einschränkenden Regelungen akzeptabel sind und welche nicht. Professionelle Helfer befinden sich aber in der Beweislast was sie und aus welchen Gründen sie es, einschränken. Dieser Rechtfertigungsanspruch wird auch durch das eingeschränkte „Gut“ beeinflusst. (Ob jemand gegen seine Gewohnheit früh aufstehen muss bedarf weniger starker Gründe, als zum Beispiel strenge Reglementierung von Besuchzeiten) (Vgl. ebenda, S. 143-144).

1.1.3.2 Bezüge dieser Rechte auf Grundrechte

Um diese „prima-facie“ Rechte zu begründen, werde ich sie in Bezug auf Alan Gewirth kurz mit ausgewählten grundlegenden Menschenrechten vergleichen. Das Recht auf Zustimmung oder Ablehnung bezieht sich auf die Elementargüter „Leben“ sowie „physische und psychische Integrität“. Das Recht auf Information wird gestützt durch das Elementargut „Grundzuversicht in das eigene Vermögen, seine Ziele zu erreichen“, sowie das Nichtverminderungsgut „Wissen über Fakten zu haben, die für die geplanten Handlungen relevant sind“. Auch das Recht auf Festlegung des Eigenwohls lässt sich durch das Elementargut „Grundzuversicht in das eigene Vermögen, seine Ziele zu erreichen“ begründen. Die letzten beiden Rechte (Wahl zwischen möglichen Alternativen sowie das Recht auf eine möglichst geringe Einschränkung des Handlungsspielraums durch Institutionen), lassen sich ebenso auf das Elementargut „Grundzuversicht in das eigene Vermögen, seine Ziele zu erreichen“ beziehen, denn das Elementargut ist leichter durchzusetzen wenn man Handlungsoptionen besitzt und nicht in seiner Handlung eingeschränkt wird (Vgl. Bobbert 2002, S. 207-208).

1.1.4 Der Informed Consent

Der Informed Consent (informierte Zustimmung), oder auch Einwilligung nach Aufklärung, verbindet die Elemente „Recht auf Zustimmung oder Ablehnen“, sowie das „Recht auf Information“ zu einem Recht (Vgl. Bobbert 2002, S. 135).

1894 wurde erstmals durch das Reichsgericht festgelegt, dass ein ärztlicher Eingriff eine Körperverletzung ist, die nur durch die Einwilligung des Kranken gerechtfertigt wird. Der Information kam hier noch keine Bedeutung zu (Vgl. Giese 2001, S. 17).

Die „informierte Zustimmung“ war eine Reaktion auf medizinische Experimente am Menschen während des Nationalsozialismus und wurde als Regelung bei medizinischen Forschungen in den Nürnberger Ärzteprozessen (1946-48) festgelegt. Missbrauch von Personen zu Forschungszwecken wurde in den 50er Jahren auch in den USA bekannt. Die dortigen Richter entschieden, dass „… nur die ausschließliche Selbstbestimmung und Entscheidung der Probanden und Patienten für sich selbst […] einen wirksamen Schutz vor Missbrauch darstellen [kann]“ (ebenda, S. 20). Der Begriff Informed Consent wurde erstmals 1957 von einem amerikanischen Richter geprägt und wurde schließlich wegweisend für die Selbstbestimmung des Patienten (Vgl. ebenda, S. 19-20).

Eine informierte Zustimmung ist dann gegeben, wenn der Arzt die Art, den Zweck, die Erfolgswahrscheinlichkeit sowie die Risiken der Behandlung und Behandlungsalternativen, inklusive der Alternative der Nichtbehandlung mit dem Patienten besprochen, dies auch erfolgreich vermittelt hat und sich der Patient dann nach seinen eigenen Überzeugungen entscheidet (Vgl. Holzem 1999, S. 259-260).

Diskussionen um den Informed Consent gibt es viele, zum Beispiel, wann der richtige Aufklärungszeitpunkt ist, welche Grenzen die Aufklärung hat oder wann der Patient die Information im Großen und Ganzen verstanden hat (Vgl. ebenda, S. 299-307). Dies gilt es zu bedenken, aber auf Grund des eingeschränkten Rahmens dieser Arbeit war es mir nur wichtig den Informed Consent als ethisches und rechtliches Mittel zur Wahrung der Patientenautonomie darzustellen.

1.1.5 Patientenautonomie und Pflege

Auch für die Pflege gilt der Informed Consent. Pflege ist zwar weniger invasiv, aber auch „body-to-body“ (Großklaus-Seidel 2002, S. 143) Kontakte bedürfen der Einwilligungen, da auch diese den Patienten physisch und psychisch berühren, ihn in seiner Intimsphäre verletzen und durchaus dem Patienten schaden können (Vgl. ebenda). Theoretisch erfährt das Recht des Patienten auf Autonomie durch die Pflege große Zustimmung, in der Praxis geht die Autonomie aber oft durch ganzheitliche Pflege, also dem Fürsorgegedanken der Pflege unter (Vgl. Bobbert 2002, S. 14). Problemfelder gibt es hierdurch viele, beispielsweise wenn alltägliche Pflegehandlungen gegen den Willen des Patienten ausgeführt werden (etwa Lagerung nach Plan trotz Gegenwehr des Patienten) (Vgl. ebenda, S. 74). Die seit den siebziger Jahren entstandene Pflegeethik wendet sich langsam dieser Problematik zu, aber auch dadurch sind noch nicht alle Handlungsfelder abgedeckt (Vgl. ebenda, S. 68-69).

Allgemein kann man sagen, dass die ganzheitliche Pflege natürlich auch Respekt und Achtung vor der Würde des Patienten enthält, dennoch steht die fachliche Bestimmung der individuellen Patientenversorgung und nicht die Autonomie des Patienten im Vordergrund (Vgl. ebenda, S. 108).

1.2 Autonomie bei einwilligungsunfähigen Patienten

Wenn der Patient einwilligungsunfähig, beziehungsweise entscheidungsunfähig ist, bedeutet dies keinesfalls, dass er dadurch keine Autonomie mehr besitzt. Um die nicht mehr vorhandene Möglichkeit der Selbstbestimmung zu wahren, greift man auf den mutmaßlichen Willen des Patienten und nicht auf die Ansicht von Dritten, wie zum Beispiel die des Arztes zurück. Es geht also um die, nicht immer einfache Frage, wie sich der Patient selbst entschieden hätte. Hierzu ist es wichtig, die Einstellung des Patienten, zum Beispiel durch frühere Aussagen seinerseits, herauszufinden. Erst wenn dies nicht möglich ist, darf auf sein objektives Interesse, also die Meinung anderer was für ihn gut sei, zugegriffen werden (Vgl. Lipp 2003, S. 106). Eine nachweisbare Falscheinschätzung des mutmaßlichen Willens führt zur Strafbarkeit der Handelnden (Vgl. Knieper 1999, S. 42), da grundsätzlich auch am Lebensende und bei Einwilligungsunfähigkeit gilt, dass die Behandlung und Weiterbehandlung, nicht der Behandlungsabbruch Legimitation bedarf (Vgl. Taupitz 2000, S. 44).

Die mutmaßliche Einwilligung des Patienten ist allerdings nachrangig gegenüber Entscheidungen, die der Patient im einwilligungsfähigen Zustand getroffen hat, sowie Entscheidungen die noch einzuholen sind und gegenüber Entscheidungen seines gesetzlichen Vertreters. Angehörige die keine gesetzlichen Vertreter sind, können lediglich Indizwirkung bei der Ermittlung des mutmaßlichen Willens haben. Eine Möglichkeit bei einem einwilligungsunfähigen Patienten auf eine frühere Entscheidung von ihm zurückzugreifen ist die Patientenverfügung, die schon im einwilligungsfähigen Zustand durch den Patienten verfasst wird (Vgl. Taupitz 2000, S. 124).

Mit dieser Art der Vorsorge für eine Autonomie im einwilligungsunfähigen Zustand, also oft am Ende des Lebens, werden sich die folgenden Kapitel näher beschäftigen.

2 Einführung in die Patientenverfügung

Die Menschen in der heutigen Zeit erreichen ein sehr hohes Alter und häufig tritt der Tod nach langwierigen Krankheiten ein. Alte Menschen leiden häufig unter Multimorbidität, also an mehreren Krankheiten gleichzeitig. Der Tod kommt oftmals nicht plötzlich, sondern der Sterbeprozess dauert oft lange und wird durch Schmerzen begleitet. Zu dieser Tatsache kommt häufig die Angst sein Lebensende „unwürdig“ auf einer Intensivstation, angeschlossen an Schläuche und Apparate, zu verbringen. Es wird befürchtet, dass die Menschen dort sich vornehmlich um die Körperfunktion und die Maschinen, also das reine Überleben, kümmern und nicht mehr den Menschen dahinter sehen oder sich um seine seelische Bedürfnisse kümmern (Vgl. Klie 2001, S. 18). So kommt es, dass Menschen das Sterben heute mehr fürchten als den Tod, der sogar manchmal als Erlösung herbeigesehnt wird (Vgl. ebenda, S. 20).

Die Fortschritte in der Intensivmedizin haben nicht nur sinnvollen Nutzen gebracht, sondern auch dazu geführt, dass das Leben eines todkranken Menschen auch dann noch verlängert werden kann, wenn es keine Aussicht auf Heilung oder Besserung gibt. Deswegen machen sich inzwischen viele Menschen bereits im Vorfeld einer Erkrankung Gedanken über ihre Behandlungswünsche (Vgl. Eisenbart 2000, S. 13), und schreiben diese in einer Patientenverfügung nieder. Falls sie einmal nicht mehr entscheidungsfähig sind, möchten sie, dass die Behandlung trotzdem so verläuft wie sie es sich gewünscht hätten. Sie versuchen so, ihre Selbstbestimmung auch am Ende des Lebens noch zu behalten.

2.1 Definition der Patientenverfügung

„Eine Patientenverfügung ist eine vorsorgliche, schriftliche Erklärung, durch die ein einwilligungsfähiger Mensch zum Ausdruck bringt, dass er in bestimmten Krankheitssituationen keine Behandlung mehr wünscht, wenn diese letztlich nur dazu dient, sein ohnehin bald zu Ende gehendes Leben zu verlängern. In einer Patientenverfügung können aber auch andere Wünsche im Zusammenhang mit der ärztlichen oder pflegerischen Behandlung niedergelegt werden“ (Klie 2001, S. 156; vgl. auch Schreiber 1998, S. 844).

Dies ist eine von vielen in der Literatur zu findenden Definitionen der Patientenverfügungen. In anderen steht noch explizit, dass die Patientenverfügung für den Fall geschrieben ist, wenn der Zustand eintritt, in dem man seinen Willen nicht mehr äußern kann (Vgl. Knieper 1999, S. 50).

Der Begriff der Patientenverfügung bezieht sich allerdings nicht nur auf negative Anweisungen, wie die Behandlungsverweigerung, er kann auch die positive Anweisung zum Behandlungsauftrag enthalten, welcher in ganz genaue Grenzen gesetzt werden kann (Vgl. Baumgarten 2000, S. 305).

Da in den Diskussionen über Patientenverfügungen auch viel über Sterbehilfe und den Sinn des Lebens unter extremen Umständen diskutiert wird, ist es nicht verwunderlich, dass Patientenverfügungen sich in ihrem Inhalt unterscheiden. Die oben genannte Definition deckt aber den größten Teil der Patientenverfügungen ab.

2.2 Historische Entwicklung der Patientenverfügung

Die Patientenverfügung stammt ursprünglich von dem, in den USA gebräuchlichen, Living Will. Dort wurde erstmal 1965 in der Grundsatzentscheidung Griswold vs. Connecticut durch den United Supreme Court das Recht des Einzelnen auf seine Privatsphäre festgelegt. Diese Entscheidung des Gerichts erklärte ein Gesetz des Staates Connecticut für verfassungswidrig, welches den Gebrauch von Kontrazeptiva für verheiratete Paare unter Strafe stellte. In weiteren Entscheidungen wurde festgelegt, dass das „right of privacy“ auch die medizinische Entscheidungsfreiheit des Einzelnen garantiert, somit auch den Behandlungsabbruch am Lebensende. Dies betraf vorerst nur den entscheidungsfähigen Patienten. Erst 1976 ging der New Jersey Superior Court in seiner Entscheidung „in re Quinlan“ darüber hinaus und erlaubte das Abschalten der Beatmungsmaschine der 23-jährigen Karen Ann Quinlan die nach zwei Atemstillständen im Koma lag und nach ärztlicher Feststellung wahrscheinlich nie wieder das Bewusstsein erlangen würde. Nach dieser Annerkennung, dass ein Patient auch im entscheidungsunfähigen Zustand lebensverlängernde Maßnahmen ablehnen darf, kam es zur Entwicklung des Living Will (Vgl. Eisenbart 2000, S. 29-32). „Inhalt eines Living Will ist die schriftliche Erklärung eines geschäftsfähigen Verfassers, daß er die Anwendung außergewöhnlicher lebensverlängernder Behandlungsformen […] ablehnt, und zwar gerade für den Fall, daß er geschäftsunfähig werden sollte“ (ebenda, S. 30).

[...]

Ende der Leseprobe aus 32 Seiten

Details

Titel
Die Patientenverfügung als Mittel zur Durchsetzung der Patientenautonomie am Ende des Lebens
Hochschule
Evangelische Hochschule Darmstadt, ehem. Evangelische Fachhochschule Darmstadt  (Fachbereich II Pflege und Gesundheitswissenschaften)
Note
1,3
Autor
Jahr
2003
Seiten
32
Katalognummer
V27325
ISBN (eBook)
9783638294041
ISBN (Buch)
9783638729901
Dateigröße
583 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Aspekte, Patientenverfügung, Mittel, Durchsetzung, Patientenautonomie, Ende, Lebens
Arbeit zitieren
Dipl. Pflegewirt Daniel Fischer (Autor:in), 2003, Die Patientenverfügung als Mittel zur Durchsetzung der Patientenautonomie am Ende des Lebens, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/27325

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