Manche Geschichten werden geschrieben um die Liebe am Leben zu erhalten und manche Filme werden gemacht, um das Kino am Leben zu halten. Und wenn dies beides gleichzeitig passiert, dann entsteht etwas, dessen Erlebnis nur noch eines ist: Einzigartig.1
So schließt F. -M. Helmke seine Kritik zu Baz Luhrmanns Film 'Moulin Rouge', der im Oktober 2001 in den deutschen Kinos anlief. Aber was soll an 'Moulin Rouge' einzigartig sein? Viele Kritiker bemängeln gerade die einfache Story, die von einem jungen Dichter handelt, der sich im Pariser Fin de Siècle in eine todkranke Kurtisane verliebt:
Moulin Rouge has neither grounding, nor a solid or eloquent enough 'book' to anchor it.
Instead a deliberately simplistic (anti-naturalist and that's fine) plot that is necessarily familiar.2
Dawson geht in seinem Aufsatz zum Filmstil Luhrmanns sogar noch weiter:
Luhrmann habe vielen Mythen keinen guten Dienst erwiesen, indem er das naturalistische Potential des Kinos nicht ausschöpfte und so den grundlegenden Unterschied zwischen Film und Theater verkannte3. Gerade diese Tatsache wird von anderen wiederum gepriesen, sie feiern 'Moulin Rouge' als das “erste Kinomeisterwerk des 21. Jahrhunderts”4 und sehen das von den Kritikern schon begrabene Filmmusical wiederbelebt5.
[...]
1 Helmke 2003
2 Dawson 2003
3 vgl. ebd.
4 Filmecho 20/2001
5 Zeller 2003
Inhalt
1. Einleitung
2. Hintergrund zu Film und Regisseur
2.1 Der Film
2.2. Der Regisseur
3. Schauplätze und Figuren: Charakterisierung, Entlehnungen und Klischees
3.1. Paris, Montmartre und das Moulin Rouge
3.2. Die Bohème und die Belle Epoque
3.3 Harold Zidler
3.4 Duke
3.5 Christian
3.6 Satine: Hure und Heilige
3.6.1 Boule de Suif
3.6.2 'La Traviata' und “La dame aux camelias”
3.6.3 'Scènes de la vie de bohème' und 'La Bohème'
4. Komposition und Kommunikation
4.1 Der “Rote Vorhang-Film”- Aufbau und Funktion von Exposition und Ende.
4.2 Der doppelte Erzähler
4.3 Das Spiel im Spiel
4.4 Aufbau eines Sujets: Der Tod
5. Das musikalische Schauspiel
5.1. Die Musik - der direkte Draht zu Emotionen
5.2. Musik im Schauspiel
6. Die Rolle der Musik in 'Moulin Rouge'
6.1 Filmmusiktechniken und ihre Anwendung in Moulin Rouge
6.1.1 Deskriptive Technik
6.1.2 Mood-Technik
6.1.3 Baukastentechnik
6.1.4 Leitmotivtechnik
6.2 Musik in 'Moulin Rouge': Herkunft und Funktion
6.2.1 Nature boy
6.2.2 Complainte de la butte
6.2.3 The Sound of music
6.2.4 Zidlers Rap und der Can-Can
6.2.5 Sparkling Diamonds
6.2.6 Hindi sad Diamonds
6.2.7 Rhythm of the night
6.2.8 Meet me in the red room
6.2.9 Your song
6.2.10 Spectacular, spectacular
6.2.11 Children of the revolution
6.2.12 One day I'll fly away
6.2.13 Elephant Love Medley
6.2.14 Gorecki
6.2.15 Like a virgin
6.2.16 Come what may
6.2.17 Tango de Roxanne
6.2.18 Fool to believe / The show must go on
7. Fazit und Ausblick
9. Bibliographie und Filmographie
9.1 Literatur
9.2 Film
9.3 Webressourcen
9. Anhang
9.1 Sequenzprotokolle
9.1.1. Exposition
9.1.2. Zidler entdeckt Satine und Christian
9.1.3 Satine erwähnt das Stück gegenüber dem Duke
9.1.4 Erste Ideen zu “Spektakulär, Spektakulär”
9.1.5 Entwicklung der Texte in Toulouses Atelier
9.1.6 Proben zum Stück / Das heimliche Liebeslied / Die Enthüllung
9.1.7 Satine trennt sich von Christian
9.1.8 Wird die Kurtisane den Sitarspieler treffen?
9.1.9 Christian zahlt seine Hure
1. Einleitung
Manche Geschichten werden geschrieben um die Liebe am Leben zu erhalten und manche Filme werden gemacht, um das Kino am Leben zu halten. Und wenn dies beides gleichzeitig passiert, dann entsteht etwas, dessen Erlebnis nur noch eines ist: Einzigartig.1
So schließt F. -M. Helmke seine Kritik zu Baz Luhrmanns Film 'Moulin Rouge', der im Oktober 2001 in den deutschen Kinos anlief. Aber was soll an 'Moulin Rouge' einzigartig sein? Viele Kritiker bemängeln gerade die einfache Story, die von einem jungen Dichter handelt, der sich im Pariser Fin de Siècle in eine todkranke Kurtisane verliebt:
Moulin Rouge has neither grounding, nor a solid or eloquent enough 'book' to anchor it. Instead a deliberately simplistic (anti-naturalist and that's fine) plot that is necessarily familiar.2
Dawson geht in seinem Aufsatz zum Filmstil Luhrmanns sogar noch weiter: Luhrmann habe vielen Mythen keinen guten Dienst erwiesen, indem er das naturalis- tische Potential des Kinos nicht ausschöpfte und so den grundlegenden Unterschied zwischen Film und Theater verkannte3. Gerade diese Tatsache wird von anderen wiederum gepriesen, sie feiern 'Moulin Rouge' als das “erste Kinomeisterwerk des 21. Jahrhunderts”4 und sehen das von den Kritikern schon begrabene Filmmusical wiederbelebt5.
Das es sich bei 'Moulin Rouge' um ein Filmmusical handelt, daran besteht kein Zweifel. Aber auch das ist kein Indiz für seine Einzigartigkeit, in den vergangenen Jahren flimmerten einige Filmmusicals über die Leinwände, viele wenig, wenige sehr erfolgreich, wie beispielsweise Andrew Lloyd Webers 'Evita' 1997. Auch der Chro- notopos birgt in sich nichts Ungewöhnliches: Moulin Rouge steht in einer langen Reihe von 'Belle Époque'-Verfilmungen, die vor allem in den vierziger und fünfziger Jahren sehr populär waren. In der Tat kommen dem Zuschauer viele Elemente in irgendeiner Form bekannt vor. Auch auf musikalischer Seite bringt die Produktion auf den ersten Blick nichts Neues. Kaum eine Melodie, die der Zuschauer noch nicht gehört hat, Baz Luhrmann und sein Musikdirektor Marius DeVries bedienten sich großzügig im Kanon der Popgeschichte. Dennoch stellt sich Frage, warum ein Film wie 'Moulin Rouge' die Kinobesucher und Kritiker in solchem Maße spalten kann.
In der folgenden Arbeit soll deshalb untersuchen, was das Besondere an 'Moulin Rouge' ist und warum der Film als charakteristisches Werk der Postmoderne bezeichnet werden kann. Hierbei soll der Augenmerk vor allem darauf gerichtet werden, welche Quellen und Klischees Baz Luhrmann in 'Moulin Rouge' verwendete. Es sollen die inhaltlichen Fragmente herausgefiltert werden, die trotz des “Zitatenschredders”6 noch erkennbar sind und ihre Herkunft - soweit plausibel nachvollziehbar - untersucht werden. Hierbei soll gezeigt werden, dass sich der Regisseur vor allem von Stereotypen bediente, was ihm einige Kritik einbrachte:
Da hat einer eine große Kanone mit verbrauchten Zeichen voll geladen und auf Dauerfeuer geschaltet, und er braucht keine Angst zu haben, dass ihm vorzeitig die Munition ausgeht. [...] Die Zeichen sind einfach, und sie sagen alle dasselbe.7
Der ungewöhnliche formale Aufbau des Films, der die spezifische Handschrift Baz Luhrmanns trägt, soll in Punkt 4 im Mittelpunkt stehen. Hier sollen die Charakte- ristika der 'Rote Vorhang Filme' Luhrmanns am Beispiel von 'Moulin Rouge' herausgehoben werden. Zudem soll in einem Unterpunkt die postmoderne Vermi- schung der Handlungsebenen im 'Play im Play' untersucht werden. Am Beispiel des Todes wird gezeigt, wie der Regisseur systematisch ein Sujet während des Films neben der Haupthandlung aufbaut.
In Punkt 5 rückt, nachdem in den vorhergehenden Punkten Klischees und Entlehnungen auf inhaltlicher und formaler Seite betrachtet wurden, die musikalische Ebene ins Zentrum. Dabei soll in einem ersten Schritt gezeigt werden, warum Musik Emotionen hervorrufen kann und wie dieser 'direkte Draht' in der Geschichte des Schauspiels benutzt wurde. Dann soll in Punkt 6 auf die spezielle Rolle der Musik in Filmproduktionen eingegangen werden. Nach einem kurzen Überblick über die verschiedenen Techniken der Filmmusik folgt dann in Punkt 6.2 die detaillierte Auseinandersetzung mit den wichtigsten Stücken aus 'Moulin Rouge'. Neben der Funktion in dem Filmmusical werden hier die Herkunft der einzelnen Songs und die spezifischen Anpassungen an das Drehbuch aufgezeigt.
Im Laufe der Arbeit sind zur Illustration wichtige Filmstellen oft in einem Sequenz- protokoll dargestellt. Abhängig von der Relevanz der einzelnen Größen für die Argumentation beschränkt sich dieses meist auf einzelne Aspekte. Von längeren Sequenzen finden sich im Anhang ausführliche Protokolle, worauf aber an den betreffenden Stellen hingewiesen wird.
Aus Platzgründen und aus Gründen der Übersichtlichkeit wurde bei der Bearbeitung der Filmmusik weitestgehend auf Sequenzprotokolle verzichtet. Hier sind die Lied- texte ohne weitere filmische Details abgedruckt. Was sowohl bei Liedtexten wie auch bei den Sequenzprotokollen ebenso wie bei Zitaten im Text enthalten ist, ist die genaue Zeitangabe. Dabei stellt die angegebene Zeit den Startzeitpunkt der Sequenz beziehungsweise des Liedes dar. Bei Zitaten ist es der Zeitpunkt der Aussprache. Diese Angaben sollen das schnelle Auffinden der betreffenden Stellen im Film ermöglichen.
Zum besseren Verständnis folgt nun im ersten Kapitel ein Überblick über die wichtigsten Eckdaten des Films sowie eine kurze Zusammenfassung der Handlung. In Punkt zwei soll das bisherige Schaffen und die Verbundenheit des Regisseurs Baz Luhrmann mit der 'Moulin Rouge'-Thematik dargestellt werden.
2. Hintergrund zu Film und Regisseur
Vor der wissenschaftlichen Bearbeitung des Themas 'Moulin Rouge' soll zur Einführung ein Überblick über die Handlung und den Regisseur gegeben werden.
Die Handlungszusammenfassung ist wichtig, weil es nach der Lektüre für den Leser dieser Arbeit einfacher sein wird, die Zusammenhänge innerhalb der Analyse zu verstehen, ohne dass bei der Untersuchung einzelner Fragmente auf eine ausführliche inhaltliche Positionierung eingegangen werden muss. Natürlich soll im Folgenden die Argumentation nicht gänzlich losgelöst vom inhaltlichen Kontext erfolgen; das wäre bei der komplexen Struktur der Produktion wenig angebracht. Dennoch soll die Positionierung der untersuchten Teile in der Handlungsstruktur zielgerichtet nur auf das für die Analyse und das Verstehen Notwendige beschrieben werden, ohne dass sich die Ausführungen in der komplexen Handlungsstruktur verlieren.
2.1 Der Film
'Moulin Rouge' wurde im Jahr 2001 vom australischen Regisseur Baz Luhrmann für die Produktionsgesellschaft 20th Century Fox gedreht. Die Produktion des 126 Minuten langen Films fand in einem australischen Studio statt; alle Schauplätze sind Kulissen oder computeranimiert. Der Chronotopos der Produktion ist das berühmte Pariser Moulin Rouge zur Zeit des Fin de Siècle, einer Zeit, in der sich die künstle- rische Gesellschaft der Bohème von allen sozialen Zwängen zu lösen versuchte. Wer aufgrund des Topos eine schlüpfrige Handlung erwartet, wird weitestgehend enttäuscht. Zwar sind die Motive8 Prostitution und Bigoterie der bourgeoisen Bevöl- kerung wichtige Handlungselemente, diese dienen aber vor allem dazu, den drama- turgischen Knoten um die zentrale Liebesgeschichte zu schnüren. Diese spielt sich zwischen den beiden Protagonisten Satine (gespielt von Nicole Kidman) und Christian (gespielt von Ewan McGregor) ab. Die Tänzerin Satine ist hochgefeierter Star des Pariser Nachtclubs mit der roten Mühle als Markenzeichen. Der junge britische Schriftsteller Christian ist neu in der Stadt. Er will in Paris seinen Durch- bruch als Schriftsteller schaffen. Sein erster Roman soll von der Liebe handeln, wobei sein Problem darin besteht, dass er noch nie geliebt hat. Der Neuankömmling wird kurzerhand von einer jungen Schauspieltruppe der Pariser Bohème engagiert und soll den Intendanten des Nachtclubs Harold Zidler ( gespielt von Jim Broadbent) von einem neuen neuen Theaterstück überzeugen. Auf den ersten Blick begeistert von Satines Show, fängt Christian allerdings vorerst bei ihr an, Überzeugungsarbeit als englischer Gentleman zu leisten. Satine hält ihn für den angekündigten englischen Herzog ('Der Duke', gespielt von Richard Roxburgh), der das Moulin Rouge aus einer finanziellen Notlage retten soll. Zu diesem Zweck war ihm von Zidler eine Nacht mit der begehrten Prostituierten Satine versprochen worden. Die Theater- gruppe wird engagiert, um ein von Christian geschriebenes Stück aufzuführen : Die Geschichte einer Kurtisane, die sich zwischen dem Geld eines reichen Maharadschas und der Liebe eines armen Musikers entscheiden muss. Während dem Entwurf des Bühnenstücks und der Proben kommen sich Christian und Satine näher. Gleichzeitig versucht das Showgirl die Liebesnacht mit dem Duke herauszuschieben. Dieser erhebt nun zusätzlich alleinigen Anspruch auf Satine. Die Kurtisane wird schließlich vor die Wahl gestellt: Entweder sie trennt sich von Christian oder er wird getötet. Als unberechenbare Variable kommt eine Erkrankung der Prostituierten hinzu, die alle Entscheidungen schließlich als stärkere Macht hinfällig macht: Satine stirbt an Schwindsucht, nachdem sie sich bei der Uraufführung des Stückes für Christian entschieden hatte.
2.2. Der Regisseur
Baz Luhrmann fiel bereits mehrmals durch seinen außergewöhnlichen Regiestil auf9. Schon in 'Strictly Ballroom' (1992) setzte der Australier auf die Mischung von Tanz und Musik und in der Filmfassung von Shakespeares 'Romeo und Julia' (1996) ergibt die Kombination von rasanten Schnittechniken und Kameraführung ebenso wie die Überstilisierung von Charakteren und Ausstattung ein “postmodernes Sinnerlebnis in Versform”10. In 'Moulin Rouge' bringt Luhrmann diese persönliche Handschrift seiner Filme zur Perfektion: In einer opernhaft betonten Inszenierung mit grotesken Nebenfiguren stimmen die Darsteller immer dann in Musik und Tanz ein, wenn Emotionen vermittelt werden sollen. Dabei zitiert er ohne Scham aber mit viel Ironie aus der Pop-, Opern- und Filmgeschichte. Die Entwicklung des spezifischen 'Red- Curtain'-Stils vollzog sich kontinuierlich während seiner Karriere. Immer wieder griff der Regisseur auf altbekannte Stücke zurück, verfremdet diese soweit dies möglich war und sorgte dadurch für eine Deautomatisierung der Rezeption, die bei Zuschauern und Kritikern Aufsehen erregte.
Schon zu Beginn seiner Karriere stand ein großer Erfolg: Mit seinem Erstlingswerk 'Strictly Ballroom - Die gegen alle Regeln tanzen'11, das 1992 beim Filmfestival in Cannes uraufgeführt wurde, gewann er den 'Prix de Jeunesse' und erhielt außerdem eine lobende Erwähnung im Rahmen des Wettbewerbs um die 'Goldene Kamera' für den besten Debütfilm. Außerdem wurde 'Strictly Ballroom', ein romantisches, humorvolles und innovatives Märchen aus der Welt des Turniertanzes, mit acht 'Australian Film Institute Film Awards' und drei 'British Academy Awards' ausge- zeichnet. Zu den weiteren Auszeichnungen, die die Produktion weltweit sammelte, gehören der 'Carlsberg People's Choice Award' beim Toronto Film Festival, der Publikumspreis der Filmfestivals in Sydney und Melbourne, der Preis für den besten Debütfilm beim Chicago Film Festival, sowie eine Nominierung für den 'Golden Globe'.
Seine Karriere begann Baz Luhrmann mit einem Studium am renommierten 'National Institute of Dramatic Arts' (NIDA) in Sydney. Unter zahlreichen Bewerbern wurde er 1985 als Assistent für die Inszenierung von Peter Brooks Stück 'The Mahabarata' ausgewählt. Im Jahr darauf entwickelte und inszenierte Luhrmann die 30-minütige Theater-Originalversion von 'Strictly Ballroom'. Nach der NIDA-internen Aufführung reiste er mit dem Stück zum Weltjugend-Theaterfestival in die ehemalige Tschechoslowakei, wo er für die beste Inszenierung und die beste Regie ausgezeichnet wurde. Im selben Jahr brachte Luhrmann für die New Moon Theater Company das im australischen Outback spielende und auch dort vor Ort aufge- führte 'Crocodile Creek' auf die Bühne. Nach seinem Universitätsabschluss gründete der Regisseur eine unabhängige Theatertruppe namens Six Years Old Company und übernahm darin den Posten des künstlerischen Leiters. Die Truppe gastierte mit einer Wiederaufführung von 'Strictly Ballroom' erfolgreich in Sydney und führte das Stück auch bei der Weltausstellung in Brisbane auf.
Luhrmann und seine Mitarbeiter stellten außerdem mehrere ungewöhnliche Insze- nierungen von klassischen und modernen Opern auf die Beine, darunter im Jahr 1990 die umjubelte Aufführung von Puccinis Werk 'La Bohème' in der Australian Opera, ein erster Kontakt mit der 'Moulin Rouge'-Materie. Die im Paris des frühen 19. Jahrhunderts spielende Handlung verlegte Luhrmann in die 50er Jahre des 20. Jahr- hunderts. Er entwarf gemeinsam mit seiner langjährigen kreativen Partnerin Catherine Martin nicht nur “aufsehenerregende, monochromatische Dekors”12 und zeitgenössische Kostüme, sondern auch eine einzigartige bewegliche Bühne. Die ungewöhnliche Fassung von 'La Bohème' war ein Riesenerfolg, denn seine Insze- nierung gefiel nicht nur Opern-Liebhabern, sondern auch der jüngeren Generation. Luhrmanns 'La Bohème' gewann den 'Mo Award' für die beste Operninszenierung des Jahres und wurde im Rahmen der 'Great Performances'-Reihe im nicht-kommer- ziellen Fernsehsender PBS ausgestrahlt. Zusammen mit dem Komponisten Felix Meagher schuf Luhrmann die Oper 'Lake Lost', die ihm den 'Victorian Green Room Award' als bester Regisseur einbrachte.
Seine Inszenierung der Opernversion von 'Ein Sommernachtstraum' des Autors Benjamin Brittens sorgte für Aufsehen. Als das Stück 1994 beim Edinburgh Festival gezeigt wurde, gewann es den Kritikerpreis. 1989 inszenierte Luhrmann im Rahmen des Sydney Festivals eine einzigartige Veranstaltung namens 'Dance Hall', für die er einen Tanzpalast der 40er Jahre rekonstruierte und das Publikum aufforderte, gemeinsam jene Nacht wiederaufleben zu lassen, in der Australien das Ende des Zweiten Weltkriegs feierte. Luhrmann beschränkte sich nicht nur auf die Bühnen- und Filmarbeit. Er entwarf unter anderem als Gast-Chefredakteur eine komplette Ausgabe der australischen "Vogue". Zudem leitete er die Werbekampagne zur erfolgreichen Wiederwahl des australischen Premierministers Paul Keating. Darüber hinaus drehte der Australier das Musikvideo zu Paul Youngs Hitsingle 'Love is in the Air' und das Video zu Ignatius Jones' 'Beat Me Daddy'. Als Schauspieler trat Baz Luhrmann unter anderem neben Judy Davis in dem Spielfilm 'Winter of Our Dreams' auf. Er wirkte ebenfalls als Darsteller und Co-Regisseur an dem Doku-Drama 'Kids of the Cross' mit.
3. Schauplätze und Figuren: Charakterisierung, Entlehnungen und Klischees
“Wir nehmen eine einfache Geschichte, die auf einem wiedererkennbaren, ursprüng- lichen Mythos basiert und verlegen ihn in eine überhöhte Kunstwelt, die gleichzeitig exotisch und vertraut ist”, beschreibt Baz Luhrmann die Herangehensweise bei der Konzeption seiner Filme. Er nennt diese wegen ihrer Inszeniertheit 'Red Curtain Movies', 'Roter Vorhang Filme'”. War die Kunstwelt in 'Strictly Ballroom' die Umgebung des Ballsaaltanzes und in 'Romeo & Julia' das stilistisch überhöhte Verona Beach, hat er sich für 'Moulin Rouge' den berühmten Pariser Nachtclub zur Jahrhundertwende ausgesucht. Der Regisseur recherchierte gemeinsam mit seinem Co-Autor Craig Pearce und seiner Ausstatterin Catherine Martin vor Ort, um die spezifischen Atmosphäre und Charakteristika des Montmartre zum Fin de siècle herauszufinden. Dabei diente nicht nur die Architektur als Vorlage.
Sie recherchierten alles was dazugehört: vom Cancan über den Maler Toulouse-Lautrec [...] bis zu den zeitgenössischen Schriftstellern und Journalisten, die atemlos ihre unmittelbaren Eindrücke des damaligen Nachtlebens festgehalten hatten13.
Bei der Entwicklung von Handlung, Schauplätzen, Charakteren und Musik geht Baz Luhrmann einen in dieser Ausprägung im Mainstream-Kino ungewöhnlichen, aber für die Postmoderne charakteristischen Weg. Neben der Recherche vor Ort bedient er sich bei der Erarbeitung des Personals und der Topoi bei Werken aus verschiedenen Epochen und verschiedenen Genres, aus der Literatur, der Opernwelt, der Zeitgeschichte und des Films. Dabei folgt Baz Luhrmann dem postmodernen Prinzip, das die moderne Forderung nach ständiger Neuerung negiert und an ihrer Stelle die Kombination historischer Elemente zu Neuem propagiert.
Die historischen Avantgarden werden immer wieder zitiert, doch subversiv derart unterlaufen, dass sie ihren vorwärts dringenden Impuls verlieren; die neue postmoderne Kulturproduktion behauptet, in jedem Moment das Allerneueste zu bringen, doch sie kann ihre Produkte nur noch als Wiederholungen von älteren verstehen.14
Der Regisseur setzt die gesammelten Fragmente zusammen und passt sie so an, dass alle Teile wieder ein Ganzes ergeben. Dabei beschäftigt er sich bis ins kleinste Detail mit dem Stoff, um Gemeinsamkeiten hervorzuheben. Allerdings versucht Luhrmann nicht, die Herkunft der Fragmente zu verwischen, im Gegenteil. Er läßt Dialoge und auch ganze Szenen aus den literarischen Quellen beinahe unverändert und liefert auch sonst direkte Hinweise auf die Herkunft der Elemente. Zusätzlich bedient er sich gerne gängiger Klischees, besonders bei der Inszenierung des zeitgenössischen Paris und der Bohème.
“The cliché it's itself a loaded gun”15, schreibt Dawson zum gewählten Chronotopos. Aber woraus besteht ein Klischee? Hersler und Richter heben vor allem die nivellie- rende Funktion der stereotypen Muster, denn nichts anderes sind Klischees, hervor.
Klischees sind Schablonen. Aber sie wiederholen nicht nur, sondern kommen uns darüber hinaus leblos, undefiniert und falsch vor. Es gibt sie dort, wo Zeichen sind, also überall. Ihrerseits Zeichen, werden Sie durch häufige Verwendung stabilisiert und banalisiert - und sind so grob, dass sie auf Unterschiedlichstes passen. Strukturiert durch das Schema Erwartung-Einlösung, werden solche Vorgaben effizient und unterschwellig mit eigener dumpfer Stimmung gefüllt. Daher der Eindruck, es gehe um uns, wo doch Klischees an unserer Stelle denken und fühlen. Bedingte kulturelle Reflexe machen das möglich, denn der Klischeebestand ist konventionell, sozial organisiert.16
Hiermit geben sie eine Definition von Klischee, die den negativen Charakter dieser 'Schablonen' herausstellt. Gleichzeitig weisen sie aber auch darauf hin, dass Klischees eine Vereinfachung und Strukturierung komplexer Zusammenhänge bedeuten und kulturellen Konventionen unterliegen. Ähnlich beschreibt Hartmut Winkler die Begriffe Stereotyp und Klischee:
Stereotypen sind [...] narrative und ästhetische Muster, die im filmischen Material beobachtet werden können. Während sich künstlerisch wertvollere Produktionen dadurch auszeichnen, dass sie sowohl auf narrativer Ebene als auch bezogen auf Formprobleme eigene und 'originelle' Lösungen entwickeln, beschränkt sich die große Menge weniger anspruchsvoller Produkte darauf, bereits bewährte Lösungen zu wiederholen, zu variieren und zu einer stabilen Struktur prognostizierbarer Schemata zu verfestigen. Stereotype Mittel und Darstellungsformen in diesem Sinne sind 'Klischees' und wie diese pejorativ konnotiert.17
Kürzer und ohne negative Wertung versucht Rudolf Holzberger Klischees zu defi- nieren. Er bezeichnet Klischees als “populäre Bilder, die von Medien stereotyp verbreitet werden, und auf eine entsprechende Disposition im Publikum treffen”18.
Ohne Referenz auf konventionalisierte, den Rezipienten bekannte Muster kommt allerdings kein Spielfilm aus, müssen auch Hesler und Richter eingestehen:
Ohne Stereotype, seien es narrative Muster, Stilmotive, non-diegetische Mittel, thematische Auswahl, Figurentypen, etc. kommt kein fiktionaler Film aus. Das liegt in der Natur seiner Absicht, er möchte etwas erzählen. Und Erzählungen müssen kulturell standardisiert sein, weil einer ihrer Zwecke die Gestaltung von Sinn ist. Sinn gestalten, heißt Sinn verständlich und kommunizierbar machen und beruht damit auf Absprachen innerhalb von Gemeinschaften. Eine Erzählung, die diese Absprachen ignorieren würde, wäre keine. Aber eine Erzählung, die zu neuen Absprachen nötigt, ist deshalb nicht sinnlos.19
Was bedeutet dies auf den Film 'Moulin Rouge' angewandt, in dem es offensichtlich von Klischees und Stereotypen nur so wimmelt? Zunächst ruft die auf den ersten Blick oberflächliche Vorgehensweise von Baz Luhrmann und die damit verbundene Kumulierung und Überzeichnung gängiger Stereotypen die Kritiker auf den Plan: Jonathan Dawson bemängelt, dass es der Geschichte an Substanz fehle und der Film den Vorlagen einen schlechten Dienst erweise.
In abandoning the realist power and naturalist tendencies of cinema Baz Luhrmann has also, ironically, ignored much of cinema's potential for magic as well as its difference from theatre.20
Er sieht im 'Red Curtain-Film' sogar das Ende des Kinos bevorstehen21. Andere Kritiker bezeichneten 'Moulin Rouge' als “une comédie musicale américaine, gorgée de kitsch-pop”22. Betitelt war der Beitrag in der 'Libération' mit “French Con Con”23, was die Meinung des Blattes bezüglich der Filmleistung Baz Luhrmanns unmissver- ständlich ausdrückt.
Dabei beruht der spezifische 'Red Curtain'-Stil des Regisseurs gerade auf dem Prinzip, durch die Anhäufung und Überstilisierung von Klischees und Stereotypen den Zuschauer mit bekannten Strukturen zu 'neuen Absprachen' zu nötigen.
In den nächsten Punkten soll gezeigt werden, wie Baz Luhrmann Orte und Personen ausgestaltet hat, welche Vorlagen er beim Verfassen des Drehbuchs von 'Moulin Rouge' benutzte und welcher Klischees sich der Regisseur bediente. Im Falle der literarischen und zeitgenössischen Vorlagen sind die Werke den Personen zuge- ordnet, die in der Umsetzung in 'Moulin Rouge' die größten Übereinstimmungen haben. So kommt es, dass sich bei der Analyse der Entlehnungen aus 'La Traviata' durchaus auch Hinweise auf Christian ergeben. Es handelt sich hier um eine heuris- tische Gliederung, die lediglich dem einfacheren Verstehen dient und deshalb nicht trennscharf zu vollziehen ist.
3.1. Paris, Montmartre und das Moulin Rouge
Um die Atmosphäre im Paris des späten 19. Jahrhunderts darzustellen, sammelte Baz Luhrmann unter anderem im heutigen Montmartre 'typische' Straßenzüge und Häuser, aus denen später im Modell und im Computer ein 'Klischée-Montmartre' entstehen konnte. Denn dem Regisseur kam es nicht auf eine historisch korrekte Nachbildung an. “Das Letzte, wozu dieser Film genutzt werden kann, ist als Quelle für historische Recherchen”, äußerte sich der Kameramann der Produktion, Donald McAlpine zu den Kulissen.
Während vom 'Dorf Montmartre' einzelne Straßenzüge und Häuser detailliert zu erkennen sind, wird von der Stadt Paris nur ein Bahnhof und eine Totale gezeigt. So reichte es, dass für diese Ansicht der Stadt eine Postkarte des zeitgenössischen Paris eingescannt und via Computeranimation verändert wurde. Die Totalansicht von Paris, mit Eiffelturm, Montmartre und Sacre Coeur bleibt im Film vom Aufbau immer gleich (erkennbar am Schiff auf der Seine, dass sich nie von der Stelle bewegt), lediglich die Tageszeit und das Wetter
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Paris (0:01:44)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Paris (0:04:48)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Paris (1:03:39)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Paris (1:04:40)
ändern sich.
Die Stadtansicht hat dabei eine wichtige Rolle in der Exposition und am Ende der Handlung (siehe Punkt 4.1). Aber auch im Handlungsverlauf wird immer wieder aus dem Moulin-Rouge in die Totale gezoomt. So wird einerseits der Fortlauf der erzählten Zeit deutlich, wenn sich die Tageszeit in der Totalen ändert. Andererseits zeigt der Zoom die Verankerung des Nachtclubs in der Pariser Gesellschaft. Die Film- handlung wird somit als ein Teil des Ganzen darge- stellt, als einen kleinen Ausschnitt aus dem Leben der Metropole. Zudem können die Stereotypen von Paris wie Eiffelturm, Seine und Montmartre problemlos integriert werden, was den Wiedererkennungswert beim Zuschauer erhöht.
Die Darstellung des Montmartre aber muss aus dramaturgischen Gründen und auch in Hinsicht des angenommenen Hintergrundwissens des Zuschauers detaillierter erfolgen, da kaum zu erwarten ist, dass einem internationalen Publikum die Topo- graphie sowie die soziale Rolle des Montmartre geläufig sind. Deshalb greift der Regisseur hier wieder auf wenige bekannte, aussagekräftige stereotype Elemente zurück und kombiniert diese mit entsprechenden Figuren. Um den Montmartre als eigene Welt vor den Toren der Stadt darzustellen, fügte er eine Art Stadttor hinzu, welches die Besucher empfängt. Vor diesem Tor, das aussieht wie ein aufgerissener Schlund und im wirklichen Paris die Jugendstil-Dekoration eines Geschäftes ist, warnt ein Priester den Neuankömmling vor dem
Abbildung 5: Eingang zum Montmartre
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Hinter dem Tor erkennt man den Hügel von Montmartre, reges Treiben und die Mühlenflügel des 'Moulin Rouge'. Es lässt sich somit klar als Grenze zwischen dem anständigen Paris und dem “Mekka der Sünde” (0:05:08) interpretieren.
Bei der ersten Begegnung des Zuschauers mit dem Montmartre werden nun vor allem die negativen Seiten des Viertels demonstriert: In
einer rasanten Kamerafahrt wird der Rezipient durch die Gassen des Montmartre geführt. Herunterge- kommene Fassaden, verlebte Freudenmädchen, Absinth-Abhängige und der betrunkene Hauptdar-
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Abbildung 6: Musiker - steller werden in gelblichen Grautönen dargestellt
Erste Fahrt (0:02:08) und insgesamt ist die Stimmung sehr düster. Der Ort wirkt wenig einladend und erweckt kaum den Anschein eines Amüsierbetriebes.
Im Kontrast hierzu steht die Darstellung des Viertels bei der Ankunft des Hauptdar- stellers. Der Regisseur wählte hierzu einen weitestgehend identischen Aufbau von Personal und Kamerafahrt, allerdings wirkt nun die Atmosphäre freundlich und entspannt. Es dominieren zwar noch immer noch monochrome Farben, diese sind aber heller und haben eine rosafarbene Tönung, was insgesamt einen lebendigeren Eindruck erweckt. Im Gegensatz zur ersten Fahrt durch die Gassen ist auch der Musikant munter und gut gelaunt (vgl. Abbildungen 6 und 7). Diese beiden Seiten des Montmartre stellen die Haltung des Protago- nisten zu dem Künstlerviertel bei der Anreise und nach dem Tod Satines dar. Bemerkenswert ist hier auch die Kameraperspektive: Beim Eintreffen Christians besteht eine leichte Untersicht, wodurch
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 7: Musiker - Zweite Fahrt (0:05:10)
der Musiker als Teil der Bohème überlegen und erhaben erscheint. Nach dem Tod Satines, was in der erzählten Zeit eine Distanz von einem Jahr bedeutet aber in der Erzählzeit nur wenige Filmminuten später gezeigt wird, ist die Einstellung identisch bis auf die Tatsache, dass jetzt Normalsicht vorliegt. Christian ist nun selbst Teil der Mont- martre-Gesellschaft. Insgesamt kann deshalb die Differenz zwischen den sonst weit- gehend deckungsgleichen Darstellungen des Montmartre als Zeichen des Erkennens dessen, was hinter der Fassade des Amusements abläuft, interpretiert werden.
Als Teil des Montmartre unterliegt auch das 'Hotel Blanche' diesen Regeln. Das Zuhause Christians und der Bohèmians, das genau gegenüber dem Moulin Rouge positioniert wurde, trägt zudem den großen Werbeschriftzug 'L'amour fou' , womit es auf das für den Protagonisten wichtigste der Prinzipien der Bohème referiert. Hinter dem Wort 'L'amour' befindet sich das Zimmer Christians, das Refugium der beiden Liebenden. Damit wird die Werbeschrift mit einer weitergehenden Bedeutung aufge- laden.
Was für die Darstellung des Montmartre gilt, kann auch weitestgehend auf das Moulin Rouge übertragen werden. Der Regisseur und sein Team haben hierzu zwar teilweise historische Elemente des Nachtclubs in die Kulisse integriert, diese aber oft üppiger ausgestattet und mit anderen Funktionen belegt, als dies im originären Moulin Rouge der Fall war. So wurde der Garten des Etablissements in Anlehnung an altes Film- und Fotomaterial gestaltet. Auch der Elefant war Teil dieses Gartens. Während sich im echten Moulin Rouge im Bauch des Dickhäuters ein Gentlemen's Club verbarg, beherbergt der Film-Elefant das Liebeszimmer Satines, das mit seiner orientalischen Einrichtung auch das Motiv für das Theaterstück 'Spektakulär, Spek- takulär' liefern sollte.
Es geht darum, die damals bestehenden Elemente auf eine Weise zu manipulieren, dass sie für heutige Zuschauer verständlich und zugänglich sind. Baz [Luhrmann] wollte, dass wir eine Welt in einem Stil erschaffen, den er mit 'realer Künstlichkeit' umschrieb. Ein künstlich erschaffenes Paris, an dem sich das Musical, das ihm vorschwebte, ganz natürlich anfühlen sollte. Ein Ort, an dem es ganz normal erscheinen sollte, wenn jemand urplötzlich zu singen beginnt.24
Dies ist dem Regisseur mit dem Moulin Rouge im Film und seiner artifiziellen, überstilisierten Umgebung gelungen: Nicht nur die Bühne wird zum Ort des Schau- spiels, sondern auch die Orte, die im Einflussbereich des Moulin Rouge liegen.
Damit werden die Grenzen zwischen Illusion und Wirklichkeit verwischt, was dem Regisseur bei der Komposition der Handlung dienlich ist25.
Wie am Beispiel des Montmartre erläutert, wird auch das Moulin Rouge in zwei gegensätzlichen Zuständen präsentiert. So wird das Etablissement in kreischend bunten Farben, illuminiert mit Hunderten von Glühbirnen und voller sich amüsierender Menschen gezeigt. Damit kontrastiert die Darstellung des zerfallenen und verlassenen Moulin Rouge26. Auf der einen Seite haben wir somit den Amüsierbetrieb, der die negativen Seiten des Lebens ausblendet, auf der anderen Seite die Ruine als Synonym für die Vergänglichkeit.
3.2. Die Bohème und die Belle Epoque
Mit dem Paris der Jahrhundertwende sind die Begriffe 'Belle Époque' und 'Bohème' untrennbar verbunden. Die 'Schöne Epoche' dauerte in Frankreich etwa von 1890 bis 1914 und zeichnet sich durch eine relative außenpolitische Stabilität sowie zunehmenden Wohlstand durch Modernisierung von Industrie und Technik aus. Durch die Ausbreitung des Schienennetzes der Eisenbahnen und die Erfindung des Automobils veränderte sich die Mobilität der Bevölkerung.
Die Technikbegeisterung dieser Epoche drückt sich im Film unter anderem durch den Eiffelturm aus, der seit der Weltausstellung von 1889 das Gesicht der Stadt prägt.
Auch die Eisenbahn als modernes Fortbewegungsmittel wird im Film dokumentiert: Mit ihr reist Christian in die Stadt. Er steigt am Gare St. Lazare inmitten eines moderen Bahnhofgebäudes aus dem dampfenden Zug
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Abbildung 8: Christian im Bahnhof (0:04:59) und schaut sich begeistert um.
Aber die auffälligste Errungenschaft der 'Belle Époque' war das elektrische Licht. Paris hatte zu dieser Zeit den Kosenamen “Ville lumière”27, die Stadt, “die immer Licht ist”28. In 'Moulin Rouge' versuchten der Regisseur und sein Team diesen Eindruck einer strahlenden Stadt für das heutige Publikum begreifbar zu machen.
Wir gingen davon aus, dass die Menschen damals beim Anblick von elektrischem Licht dachten, noch nie etwas Helleres, Glitzerndes und Wunderbareres gesehen zu haben. [...] Wir interpretierten die Erlebnisse von damals für die Gegenwart. Was die Beleuchtung betrifft, können wir gar nicht übertreiben. Die Beleuchtung ist so überdreht, wie es dem Moulin Rouge gebührt: Glamour total.29
Die Elektrizität nimmt somit einen großen Anteil an der Darstellung des zeitgenös- sischen Paris und seiner Schauplätze: Die rote Mühle, das Wahrzeichen des 'Moulin Rouge' ist über und über, innen wie außen, mit Glühbirnen verziert. Auch die Stadt Paris selbst demonstriert den technischen Fortschritt: Als Christian 'Your song' anstimmt (0:26:27), wird in einer Totalen des dunklen Paris in allen Häusern das Licht angeschaltet. Hier ist ebenfalls wieder die Überzeichnung das Mittel um eine wichtige Stimmung, nämlich die der Technikverliebtheit, zu kommunizieren und macht gleichzeitig deutlich, dass der Film alles andere als realitätsnah ist. Auf diese Art wird die Inszeniertheit immer wieder hervorgehoben. Die Begeisterung für den Fortschritt wird bei der Vorstellung des Theaterstücks deutlich:
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Die Elektrizität, elektrisches Licht und Maschinen werden hier in einem Atemzug genannt mit Attraktionen wie Feuerschlucker, exotischen Frauen, Indianern und Akrobaten.
Aber nicht nur die Entwicklungen der Technik charakterisieren die 'Belle Époque', im Bereich der Gesellschaft änderte sich ebenfalls Grundlegendes. Die Aristokratie räumte ihre Schlüsselpositionen in Politik und Wirtschaft dem Bürgertum. Aufgrund des steigenden Wohlstands der Bourgeoisie änderte sich auch der Anspruch an Frei- zeitgestaltung und Amüsement. So fand das gesellschaftliche Leben in Paris vor allem bei leichten Vergnügungen wie Bällen, Maskeraden, in der Oper oder bei Pferderennen statt. Wenig profitierten von dieser Entwicklung die Arbeiter. Da Sozialeinrichtungen und Absicherungen fehlten und ausgeprägter Kapitalismus herrschte, organisierten sich die Proletarier in Gewerkschaften und Parteien und setzten Verbesserungen für die arbeitende Bevölkerung durch. Das Freizeitverhalten wurde dennoch demokratischer: Bürgertum, Adel und Proletarier amüsierten sich in den Lokalen rund um den Montmartre.
Zur dieser Gesellschaft gehörte auch die Bohème: “Künstler, Denker, Dichter, mit dem Geist verheiratet, mit den Musen kokettierend, aber nicht in den Genuss des Champagners gelangend, der damals in Strömen floß”30. Wenngleich Proletarier und Bohèmians keinen Champagner in ihre Gläser füllen konnten, durch die sozialen Probleme breitete sich der Alkoholismus als neue Volkskrankheit aus und Paris trank wie niemals zuvor.
Der Alkoholgenuss wird in 'Moulin Rouge' als charakteristisch für Bohèmians dargestellt. Besonders das Modegetränk Absinth steht dabei als Getränk der Künstler im Mittelpunkt. Der grüne Likör, der unter Zusatz von Wermuth hergestellt wird, hat einen hohen Thujongehalt, was eine halluzinogene Wirkung hervorrufen kann. Aus diesem Grund wurde das Getränk die 'Grüne Fee' genannt. Baz Luhrmann führt den ritualisierten Absinthgenuss gleichsam als 'Aufnahmeritual' des Montmartre- Neulings Christian aus. Getreu der Idee des 'Red Curtain Movie' erscheint die 'Grüne Fee' den Bohèmians in Person und lässt die Berauschten in einer psychedelisch kunterbunten Welt rotieren. Im Zentrum liegt dabei das Moulin Rouge. Der kollektive Absinthrausch dient somit als vereinigender Bestandteil einer diversen Gruppierung. Die Bohème in 'Moulin Rouge' entspricht voll und ganz der stereotypen Vorstellung: Ein buntes Gemisch aus Malern, Dichtern, Komponisten, Philosophen und Tänzern, das zwar die Bourgeoisie verabscheut, aber deren Geld zum Überleben braucht.
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Von der Konstellation und von der Unterbringung der Bohèmians orientiert sich Baz Luhrmann hier an Henry Murgers “Scènes de la vie de bohème” und der darauf basierenden Oper 'La Bohème' von Giacomo Puccini31.
In der fiktiven und überstilisierten 'Moulin Rouge'-Bohème lässt der Regisseur zum Teil zeitgenössische Figuren mitspielen: So erkennt man beim Ensemble des Moulin Rouge mit Chocolat, Nini, le Pêtomane, Môme Fromage und Poupée Chinoise Tänzer und Attraktionen des echten Nachtclubs. Der Maler Toulouse-Lautrec32 sowie der Komponist Eric Satie33 gehörten ebenfalls zur illustren Gesellschaft des Moulin Rouge. Während die Figur des Toulouse-Lautrec nicht in seiner Eigenschaft als Maler, sondern als Erzähler, Moulin Rouge-Insider und Schauspieler im Bühnen- stück erscheint34, wird Eric Satie als Komponist von 'Spektakulär, Spektakulär' dargestellt35. Im Gegensatz zu bisherigen Toulouse-Lautrec und Belle-Epoque- Verfilmungen, wo der Maler als ernster Mann voller Komplexe36 dargestellt wird, lässt Luhrmann die Filmfigur wie das zeitgenössische Vorbild lispeln.
“Obwohl er seine Leben lang aufgrund einer seltenen Krankheit, die auch für seine stark verkürzten Beine verantwortlich war, mit großen Schmerzen leben musste, war Toulouse-Lautrec ein Bonvivant mit bissigem Witz und scharfem Verstand”37, weiß Baz Luhrmann.
3.3 Harold Zidler
Der Besitzer des Moulin Rouge und Vaterersatz von Satine wird in 'Moulin Rouge' durch Harold Zidler verkörpert. Er ist eine schillernde Figur, die die Grenzen zwischen Gut und Böse verschwimmen läßt. Zum Einen hat der Principal das Ziel, das Moulin Rouge in ein Theater umzuwandeln. Zu diesem Zweck braucht er Satine als Köder, denn nur mit Hilfe der Kurtisane kann er die Finanzierung seiner ehrgei- zigen Pläne sicherstellen. Er lockt dabei Satine mit der Aussicht Schauspielerin zu werden. Seine Bestrebungen gehen sogar so weit, dass er dem Investor den Besitz des Moulin Rouge und zudem an Satine überträgt. Zum Anderen liegt ihm neben diesen wirtschaftlichen Interessen aber gleichsam das Wohl Satines am Herzen, für die er eine Art Vaterersatz ist. Dieser Zwiespalt löst sich in Harold Zidler auf, ohne wider- sprüchlich zu wirken. So kann er, indem er Satine die Wahrheit über ihre Erkrankung verschweigt, sowohl dem Erfolg des Theaterstücks und damit dem Moulin Rouge, wie auch der Kurtisane, die durch die Erkenntnis nicht belastet wird, dienen. Als “Geschöpf der Unterwelt” (1:27:45) ist sein vorrangiges Ziel, dass die Show um jeden Preis weitergeht. Dabei ist für echte Liebe keinen Platz, was er Satine zu verstehen gibt: “Wir können es uns nicht leisten zu lieben” (1:27:50). Die Gefahr um die Finanzierung des Moulin Rouge sowie die Erkrankung Satines sind für ihn somit Gründe genug von seinem Protegé das höchste Opfer zu verlangen, nämlich Christian zu verlassen.
Wenn es darum geht den Financier bei Laune zu halten, zeigt sich der Impresario als wahres Genie im Ausreden erfinden und tischt dem Duke hanebüchene Geschichten auf, damit dieser das Projekt 'Spektakulär, Spektakulär' und den damit verbundenen Umbau des 'Moulin Rouge' weiter bezahlt. Dass dieses wortgewandte Bollwerk eines Geschäftsmannes eine weiche Seite hat, wird vor allem deutlich, wenn er in 'Show must go on' die negativen Seiten der Bühnenwelt reflektiert. Dennoch hält er selbst in den schwierigsten Situationen an seiner Maxime fest. Dies zeigt die Szene, in der Satine auf der Bühne am Boden liegt, nachdem Christian mit ihr abgerechnet hat:
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Die Figur des Harold Zidler orientiert sich zum Einen am zeitgenössischen Besitzer des Moulin Rouge, Charles Zidler, der mit seinem Partner Joseph Oller am 6. Oktober 1889 die Tanzhalle eröffnete. Zum Anderen hat Harold Zidler ebenfalls Gemeinsamkeiten mit Zizi Danglard aus dem Film 'French CanCan'38.
“Zizi Danglard is a theatrical entrepreneur: producer, director, talent scout, manager, boulevardier, lover, hustler. Most importantly, he is a visionary: the film is the story of Danglard putting on a new show, as usual in backstage musicals. However, it is more:
from the theatrical world around him, from bits and pieces of music hall, mime, cooch dancer shows, popular music and dance of the period, he razes a new sort of theatre.”39
Was Rick Thompson in seiner Filmkritik über die Figur des Zizi Danglard schreibt, läßt sich in dieser Form auf Harold Zidler übertragen, lediglich die Eigenschaft des Frauenhelden trifft auf Zidler nicht (mehr) zu. Die Haltung gegenüber der Bour- geoisie und dem Adel ist bei beiden gleich: “We artists are at the mercy of the men with money”40, sagt Danglard, der Satz könnte in gleicher Form von Harold Zidler stammen.
Betrachtet man die zeitliche Situierung und das Personal beider Filme genauer, fällt auf, dass 'Moulin Rouge' von der Handlung her zeitlich nach 'French CanCan' ange- siedelt ist. Zidler/Danglard hat das Moulin Rouge bereits errichtet, der Can-Can wurde bereits als 'der' Tanz des Etablissements mit der roten Mühle etabliert. Jean Renoir läßt in seinem Film die Tänzerinnen den Can-Can einstudieren und endet mit der Eröffnungsnacht des neuen Moulin Rouge. Baz Luhrmann beginnt die Präsen- tation des Moulin Rouge mit dem Can-Can und läßt Zidler den Vergnügungstempel in ein Theater umbauen. Statt des Can-Can üben die Tänzerinnen und Tänzer nun Singen und Schauspielen. Wie in 'French CanCan' ist in 'Moulin Rouge' die Handlung auf die Premiere beziehungsweise Eröffnung des neuen beziehungsweise umgebauten Moulin Rouge ausgerichtet. In beiden Filmen findet der Höhepunkt im großen Finale der Show am Ende statt. Ebenso ist in beiden Produktionen eben jenes vorher in Gefahr: In 'French CanCan' will die Hauptfigur Nini Pattes-en-l'Air aus Eifersucht nicht tanzen, in 'Moulin Rouge' ist es Christian, der “wahnsinnig vor Eifersucht” (0:58:13) auf die Bühne stürmt, zudem hängt die Erkrankung Satines wie ein Damoklesschwert über der Show. In beiden Produktionen haben die Theaterleiter nur ein Ziel: “Die Show muss weitergehen”( unter anderem 0:53:14) und machen das ihren Darstellern bewusst. “Le spectacle passe avant les rancœ urs et les jalousies”41. Ob die Show weitergeht, hängt aber in beiden Fällen von reichen Financiers ab: Ist es in Moulin Rouge der Duke, der den Geldhahn öffnet, hat in 'French CanCan' Baron Walter die Finanzierung in seinen Händen.
Vom Stil wird 'French CanCan' von Kritikern als “frenzy of color, excitement, and nonstop musical numbers”42 beschrieben, Attribute, die ebenfalls auf Moulin Rouge zutreffen. Neben diesen im Stil, Aufbau und Handlung verborgenen Anleihen an 'French CanCan' liefert Baz Luhrmann aber auch direkte Hinweise auf die thema- tische Nähe der beiden Produktionen: Das einzige französische Chanson in 'Moulin Rouge', 'Complainte de la Butte', stammt aus der Feder von Jean Renoir und wurde in 'French CanCan' von der Konkurrentin der Hauptfigur Nini gesungen. Und ist es Zufall, dass die erbittertste Konkurrentin Satines in 'Moulin Rouge' die Tänzerin Nini Pattes-en-l'Air ist? Man kann aufgrund der gezeigten Gemeinsamkeiten, aber vor allem in Hinsicht auf die verbindende Figur Zidler/Danglard 'Moulin Rouge' durchaus als eine Art 'Fortsetzung' von 'French CanCan' betrachten.
3.4 Duke
Bei der Figur des Duke hat Baz Luhrmann einen klassischen Film-Bösewicht erschaffen. Er vereinigt Elemente des Barons Walter aus 'French CanCan', des Barons Douphols aus 'La Traviata' sowie des Staatsrates Alcindoro aus 'La Bohème', übertrifft seine Vorbilder jedoch an Arroganz und Boshaftigkeit bei Weitem. Selbst die Naivität des Staatsrates aus 'La Bohème' wird vom Duke noch überboten. Der Duke ist reich, unsympathisch und läßt “unsaubere” Arbeiten von seinem Diener Warner erledigen.
Zudem ist er überzeugt, alles mit Geld erwerben zu können, selbst die Gunst der Frauen und was ihm gehört, will er mit niemandem teilen (vgl. 0:51:36). Für den Duke ist “wahre Liebe” ebenso eine Ware wie die käufliche, die er mit Satine in Anspruch nimmt.
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Seine Schwäche für die Tänzerin wird nur von seiner Naivität überboten: Selbst die auffälligsten Situationen zwischen Satine und Christian wirken für ihn unverdächtig, bis Nini ihm die Augen öffnet.
Auffällig ist der musikalische Kontrast zwischen dem Duke und seinem Rivalen Christian. Während das Lied 'Your song' von Christian gesungen, die Kraft seiner Liebe unterstreicht und durch die klare, kraftvolle Gesang kein Zweifel an der Aufrichtigkeit des Helden läßt, klingt die Zeile 'It's a little bit funny, this feeling inside' aus dem Munde des Duke heimtückisch und heuchlerisch. Vor allem seine schwache, brüchige Stimme und die vielen Dissonanzen lassen ahnen, dass die Absichten des Antagonisten im Bezug auf Satine wesentlich anderer Natur sind als die Christians (0:40:38). Unmusikalität und das Böse scheinen schon von jeher miteinander gleichgesetzt zu sein. Schon der Volksmund sagt 'Böse Menschen kennen keine Lieder' und auch die Griechen waren überzeugt, dass böse Dämonen mit Musik vertrieben werden können. Diese liebten nach antiken Vorstellungen die Ruhe der Unterwelt und hassten Musik43.
Dem Duke ist das 'gotische Zimmer' zugeordnet. Als Ort des gefürchteten Beischlafs zwischen Satine und dem Duke gedacht, ist das grausige Gemach alles andere als eine lauschige Liebeslaube. Luhrmann spielt hier mit Sicherheit auf die zahlreichen Vampirfilme an, in denen gotische Räume mit Vorliebe als “Wirkungsort” der Blut- sauger inszeniert werden. Eine andere mögliche Interpretation ist die augenschein- liche Ähnlichkeit des 'gotischen Zimmers' mit den Räumen in Citizen Kane's Schloss 'Xandadu'44. Mit dem Medienmogul aus Orson Wells' gleichnamigen Film teilt der Duke aber nur den Reichtum sowie den Glauben, mit Geld alles kaufen zu können. Somit ist der Duke durchgehend negativ besetzt, er wirkt stärker noch als die anderen Figuren als personifiziertes Klischee.
3.5 Christian
Der mittellose Dichter Christian ist ein Neuling im Montmartre. Aus einer offen- sichtlich konservativen britischen Familie stammend, bricht er mit den Konventionen und schließt sich der Bohème an. Seine Unschuld kontrastiert mit dem Milieu aus Bohèmians und käuflicher Liebe. In dieser Konstellation ist die Basis für die spätere Tragödie gelegt. “Tragedy ensues when middle-class boy with romantic ideals falls in love with street girl who cannot afford them”45, fasst der Regisseur die Position Christians in der Ausgangssituation zusammen.
Mit der Figur des Christian hat Baz Luhrmann auf die Orpheus-Figur der grie- chischen Mythologie zurückgegriffen. Das ist besonders deshalb sehr interessant, weil im Orpheus-Mythos die Macht der Musik zentrales Thema ist. Orpheus ist der Sohn von Apollo, Gott der Weisheit und der Musik, und Kalliope, Muse der Dichtung und der Philosophie. Er ist der fleischgewordene göttliche Gesang. Mit seiner Musik kann Orpheus Menschen bezaubern, wilde Tiere zähmen, Steine erweichen und Wälder bezwingen. Er begleitet die Argonauten auf ihrer Fahrt zur Eroberung des goldenen Vlieses, wo er den das Vlies bewachenden Drachen in den Schlaf singt. Mit seinem göttlichen Gesang und dem Leierspiel übertönt Orpheus auch die gefährlichen Sirenen. Diese betören mit ihrem süßen Gesang die an ihrer Insel vorbeifahrenden Seeleute, die so in ihr Verderben steuern. Nach der Rückkehr heiratet Orpheus die Baumnymphe Eurydike, die vom Hirten Aristaios verehrt wird. Auf der Flucht vor ihrem Bewunderer wird sie von einer Schlange gebissen und stirbt. Orpheus trauert so stark um seine geliebte Gattin, dass er sie aus der Unterwelt zurückholen will. Mit seinem Klagegesang bezwingt er den Fährmann Charon, der die Seelen der Toten über den Unterweltfluss Styx ins Totenreich bringt. Auch den Wachhund der Unterwelt, den mehrköpfigen Kerberos, kann er so besiegen. Das Götterpaar der Unterwelt, Hades und Persephone, empfindet schließlich Mitleid aufgrund des Gesangs und erlauben Orpheus Eurydike wieder auf die Erde und damit zurück ins Leben zu bringen. Allerdings darf Orpheus sich nicht nach ihr umsehen, sonst würde er sie auf ewig verlieren, bestimmen die Herrscher der Unterwelt. Die Sehnsucht jedoch ist zu groß: Orpheus schaut sich um und verliert Eurydike für immer.
“In diesem Mythos geht es um Idealismus und ums Erwachsenwerden. Und um die Erkenntnis, dass das Leben uns Dinge in den Weg stellt, die sich unserer Kontrolle entziehen: den Tod von geliebten Menschen, Beziehungen die nicht von Dauer sind”, erklärte Baz Luhrmann in einem Interview46.
Die Parallelen zwischen Orpheus und Christian sind offensichtlich. Wie Orpheus verfügt auch Christian über eine Stimme, die Macht über andere Menschen ausübt. Sei es beim ersten Kontakt mit den Bohèmians (“The hills are alive by the sound of music”(0:07:36)), beim ersten Treffen mit Satine im Elephanten ('Your song' (0:26:30)) oder beim 'Elephant Love Medley' (0:46:57:0): Wenn Christian singt, erweicht er die Herzen seiner Zuhörer. Er kann somit als zeitgenössischer Orpheus betrachtet werden, der allerdings nicht einmal kurzfristig etwas gegen den Tod ausrichten kann.
Sowohl Orpheus wie Christian sind unsterblich in eine Frau verliebt. Bei beiden hat der Moment des 'Umdrehens' etwas Schicksalhaftes: Beide haben in diesem Moment für einen kurzen Augenblick ihre Liebe noch einmal in ihrer Nähe. Bei Orpheus ist es die Prophezeiung von Hades und Persephone, die ihm die Geliebte nimmt, als er sich umdreht, um Eurydike zu sehen. Bei Christian ist es die Schwindsucht, eine ihm unbekannte “Macht, dunkler als die Eifersucht und stärker als die Liebe”(0:58:16), die ihm Satine raubt. Während sich Orpheus beim Weg aus der Hölle umdreht, schaut Christian beim Verlassen der Bühne bei der Premiere von 'Spektakulär, Spek- takulär' zurück zu Satine. Als sich die beiden Liebenden wieder in den Armen liegen, stirbt die Kurtisane an ihrer Krankheit. In beiden Fällen, sowohl im griechischen Mythos wie auch im Falle von Moulin Rouge, liegt das 'Happy End' zum Greifen nah, dennoch kommt es zur Tragödie.
“Wie im Orpheus-Mythos wird man davon entweder zerstört oder man taucht in die Unterwelt ein, stellt sich ihr und kehrt geläutert und erwachsen aus dieser Erfahrung zurück”, zieht der Regisseur den Vergleich zwischen Film und Sage47.
3.6 Satine: Hure und Heilige
Satine ist die tragende und die tragische Figur in 'Moulin Rouge'. Sie tanzt und singt im Amüsierbetrieb und verkauft ihren Körper an vermögende Gäste aus der Pariser Bourgeoisie und dem Adel. Satine hat ein besonderes Talent: Sie kann auf Abruf Fassaden projizieren. So wirkt sie nach außen unnahbar, kalt und hart wie ein Diamant. Gegen Bezahlung passt sie ihr Verhalten aber dem Wunsch der Kunden an.
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Wie das Beispiel zeigt, verbirgt sich hinter der spröden Fassade der “femme fatale” jedoch ein sensibles Mädchen, dass davon träumt seine Vergangenheit hinter sich zu lassen und neu anzufangen. Denn so nahe der Beruf der Kurtisane dem einer Schau- spielerin doch ist, denn beide schaffen Illusionen, so sehr hegt Satine den Wunsch, auf einer richtigen Bühne zu stehen. Eine zweite Möglichkeit aus dem Alltag im Moulin Rouge zu entfliehen, bietet ihr die verbotene Beziehung zu Christian. Dabei ist ihr bewusst, dass es ihr nicht möglich sein wird, sich selbst zu verlieben:
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Sie ist davon überzeugt, dass das Moulin Rouge der Käfig ist, aus dem sie fliehen will. Erst später wird ihr klar, dass die Krankheit ihr wirkliches Gefängnis ist. So erfüllt Satine sich vor ihrem Tod zumindest den Wunsch, einmal als Schauspielerin auf einer Bühne zu stehen.
Nach dem Prinzip des “Red Curtain Movie” hat Luhrmann auch bei der Figur Satines Anleihen bei Kino-Klassikern gemacht. Im Fall der Kurtisane beziehen sich diese Referenzen im Wesentlichen auf ihr Äußeres, aber auch einige Verhaltensschemata wurden von den Vorbildern übernommen. So spielen Kleidung, Make-up und Frisur Satines auf die großen Hollywood-Diven der 40er und 50er Jahre48 an.
The first moment we first see Satine she is a combination of Marilyn Monroe (How to marry a millionaire) Marlene Dietrich (Blue Angel)49, with a sprinkle of Cabaret and a nod to Rita Hayworth in Gilda.50
Mit diesen Referenzen auf das klassische Kino will der Regisseur einen älteren Stereotypen auffrischen, denn Satine ist keine Kreation von Baz Luhrmann.
It is this constant referencing and re- referencing that we hope allows a modern audience to decode the historical setting.51
Der Regisseur greift beim “historical setting” auf die klassische Stereotype der ehrenvollen Prostituierten zurück, die im 19.Jahrhundert von vielen Autoren behandelt wurde. Die wichtigsten sind mit Sicherheit 'Boule de Suif' von Maupassant und “La dame aux camelias” von Alexandre Dumas dem Jüngeren, auf deren Basis Guiseppe Verdi später die Oper 'La Traviata' entstehen ließ. Wegen der dramatischen Aufführungsform von Oper und Film sollen im letzteren Fall zur Illustration Szenen aus 'La Traviata' den Pendants in 'Moulin Rouge' gegenübergestellt werden.
3.6.1 Boule de Suif
Das Motiv der Prostituierten, die sich opfert um andere zu retten, findet sich beispielsweise in Guy de Maupassants 'Boule de Suif' wieder. Der Roman handelt zur Zeit des deutsch-französischen Krieges. Die Prostituierte 'Boule de Suif' ist gemeinsam mit einer Reisegruppe, bestehend aus jeweils zwei Vertretern der Bour- geoisie, des Adels und der Kirche, in einer Postkutsche unterwegs. Die Gruppe verabscheut die Prostituierte und zeigt dies auch. Bei einem Zwischenstopp in einem Gasthaus hält ein Deutscher Offizier die Reisegruppe fest. Er will ihnen erst erlauben weiterzufahren, wenn 'Boule de Suif' mit ihm schläft. Als die Prostituierte sich ziert, redet die Reisegruppe, die sie zuvor ignoriert hatte, auf sie ein. 'Boule de Suif' gibt nach und opfert sich. Die Reisegruppe wartet unterdes im Gastraum und verschwört sich unter der Vorgabe von fadenscheinigen Moralvorstellungen gegen die Prostitu- ierte. Auf der Weiterreise kehren die ehrenwerten Bürger wieder zu ihrer ableh- nenden Haltung zurück und behandeln 'Boule de Suif' schlechter als jemals zuvor. Diese leidet sichtbar unter der Behandlung der 'hônnetes gens'.
Hier lässt sich eine Parallele zu Satine erkennen: Satine ist - wie Boule de Suif - eine Prostituierte. Harold Zidler, der Besitzer des Moulin Rouge, ködert sie mit der Aussicht auf eine Karriere als Schauspielerin, mit dem Geldgeber zu schlafen. Satine weigert sich andauernd; erst als die geplante Premiere zu platzen droht, will sie sich dem Duke hingeben. Sie hat wie Boule de Suif vor, sich zu opfern, um das Projekt nicht zu gefährden. Während Satine in das 'gotische Zimmer' geht, um den Duke zu treffen, wartet das Ensemble im leeren Zuschauerraum. Dort wird Christian von Nini und dem Argentinier anschaulich demonstriert, was es auf sich hat mit einer Prosti- tuierten zusammen zu sein. Im Gegensatz zu Boule de Suif kommt es im Falle von Satine nicht zur sexuellen Handlung. Der Duke versucht, sich an der Kurtisane zu vergehen, Satine verweigert sich jedoch. Chocolat, ein Mitglied des Ensembles, rettet die Kurtisane mit einem gezielten Fausthieb aus der bedrohlichen Situation.
3.6.2 'La Traviata' und “La dame aux camelias”
Wer Guiseppe Verdis52 Oper 'La Traviata' aus dem Jahr 1853 kennt und dann Vergleiche zu 'Moulin Rouge' anstellt, wird ohne Probleme viele Elemente aus dem Werk wiedererkennen. Luhrmann fügt ohne Scheu einzelne Handlungsstrukturen und sogar Dialoge aus der Oper in 'Moulin Rouge' ein; oft werden diese gar nicht oder nur leicht an die moderne Fassung angepasst. Die Charakterisierung Satines ist ebenfalls an die Figur der Violetta sowie deren Vorbilder adaptiert. Sie sind beide Kurtisanen und führen einen gehobenen Lebensstil. Sowohl Satine wie auch Violetta leben in einer Scheinwelt, in der das Leiden hinter die Fassade der Ausgelassenheit und des Feierns tritt. Beide Frauen sind an Schwindsucht erkrankt und führen verbotene Beziehungen: Satine zu einem mittellosen Poeten, Violetta zu einem jungen Mann aus gutem Hause. Durch das Einmischen Dritter werden die Bezie- hungen gewaltsam getrennt, doch kurz bevor beide Frauen sterben, bekommen sie ihre Liebsten zurück.
Neben den Parallelen im Handlungsverlauf lassen sich aber auch auf szenischer Ebene starke Ähnlichkeiten feststellen.
Ist es im Film das “Elephant Love Medley”, dass die Liebenden zusammenführt, so gibt es auch in 'La Traviata' ein Duett, dass sich mit dem Problem der Liebe zwischen einem Mann und einer Kurtisane auseinander setzt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
[...]
1 Helmke 2003
2 Dawson 2003
3 vgl. ebd.
4 Filmecho 20/2001
5 Zeller 2003
6 Höbel und Weingarten, 'Der Spiegel', in http://www.programmkino.de/MNOP/Moulin_Rouge/moulin_rouge.html vom 20.07.2003
7 Kniebe, 'Süddeutsche Zeitung', in http://www.programmkino.de/MNOP/Moulin_Rouge/moulin_rouge.html vom 20.07.2003
8 Das Motiv wird definiert als: “Strukturelle Einheit als typische, bedeutungsvolle Situation, die allgemeine thematische Vorstellungen umfasst (im Gegensatz zum durch konkrete Züge festgelegten und ausgestatteten Stoff, der wiederum mehrere Motive enthalten mag) und Ansatzpunkt eigener Erlebnis-und Erfahrungsgehalte in symbolischer Form werden kann: unabhängig von einer Idee bewusst geformtes Stoffelement. Unterscheidungen: Situationsmotive (z.B. Dreiecksverhältnis), Typusmotive beziehungsweise Charaktermotive (Geiziger). Verschiedene Gattungen verwenden Motive, die typische für sie sind.” (Wilpert, 2001)
9 Alle biographischen Angaben vgl. http://www.foxfilm.de vom 20.06.2003
10 ebd.
11 Das Buch zu seinem Erstlingswerk “Strictly Ballroom Die gegen alle Regeln tanzen"schrieb Luhrmann gemeinsam mit Craig Pearce, mit dem er später auch die Skripte zu "Romeo und Julia" und zu 'Moulin Rouge' verfasste (vgl. www.foxfilm.de vom 20.06.2003).
12 ebd.
13 http://www.cyberkino.de/entertainment/kino/1110/111048pr.html vom 22.08.2003
14 Brockhaus Multimedial 2004
15 http://www.sensesofcinema.com/contents/01/14/moulin_rouge.html vom 20. 08. 2003
16 Hesler/Richter 2003
17 Winkler 1992, S. 142 f.
18 Holzberger in Franz 2003
19 Hesler/Richter 2003
20 vgl. http://www.sensesofcinema.com/contents/01/14/moulin_rouge.html vom 20. 08. 2003
21 So der Titel seines Aufsatzes: “The fourth wall returns: Moulin Rouge and the death of cinema.”
22 Libération vom 10. Mai 2001, S. 32
23 ebd.
24 Ausstatterin Catherine Martin in http://www.cyberkino.de/entertainment/kino/1110/111048pr.html vom 22.08.2003
25 Siehe hierzu auch Punkt 4.3
26 Siehe hierzu auch Punkt 4.4
27 Ross 1997, S. 14
28 ebd.
29 Mc Alpine in Jasper 2003
30 Ross 1997, S.9
31 Giacomo Puccini wurde 1858 in Lucca geboren und starb 1924 in Brüssel. Er gilt als Hauptvertreter der italienischen Oper nach Verdi. (vgl. Brockhaus Multimedia 2003)
32 Henri de Toulouse-Lautrec wurde am 1864 geboren und starb 1901. Der Maler und Grafiker stammte aus einem alten französischen Adelsgeschlecht. In Folge zweier Beinbrüche und einer Erkrankung (1878/79) wurde er zum Krüppel. Er begann früh zu zeichnen und zog 1884 auf den Montmartre. Seine Motive fand er dort in den Vergnügungslokalen, Tanzcafés, Kabaretts sowie Bordellen, auf Rennplätzen und im Zirkus. Er wurde so zum kritischen Chronisten der Pariser Gesellschaft im ausgehenden 19. Jahrhundert (vgl. Brockhaus Multimedia 2003).
33 Der französische Komponist Eric Satie wurde 1866 geboren und starb 1925. Er prägte “einen vom Impressionismus unabhängigen, modern-klassizistischen Klangstil.” Satie schrieb unter anderem Ballette, Klavierstücke und das sinfonische Drama 'Socrate' (1919) (vgl. Brockhaus Multimedia 2003).
34 Zur genaueren Rolle von Toulouse-Lautrec siehe auch 3.2
35 siehe hierzu auch 6.1.3
36 Im Film 'Moulin Rouge' von John Huston aus dem Jahr 1952 steht die Geschichte des Malers im Mittelpunkt der Handlung, während die Figur hier nur eine Nebenrolle einnimmt. Die Produktion war für sieben Oskars nominiert, erhielt aber nur zwei für Ausstattung und Kostüme.(vgl. http://www.moviemaster.de/archiv/film/filmphp?nr=1522 vom 21.08.2003)
37 Luhrmann in Jasper 2003
38 'French CanCan' wurde im Jahr 1955 unter der Regie von Jean Renoir nach einer Idee von André- Paul Antoine gedreht. In dem Film sind unter anderem Jean Gabin, Maria Félix, Francoise Arnoul, Michel Piccoli, Edith Piaf und Patachou zu sehen.
39 Thompson 2000
40 Zizi Danglard in Thompson 2000
41 http://www.univ-nancy2.fr/renoir/cancan.html vom 01.09.2003
42 http://www.moviemartyr.com/1955/frenchcancan.html vom 01.09.2003
43 vgl. Böttger 2002, S. 18
44 Siehe hierzu auch Punkt 3.4
45 Luhrmann 2001, S. 76
46 vgl. http://www.cyberkino.de/entertainment/kino/1110/111048pr.html vom 22.08.2003
47 ebd.
48 vgl. Luhrmann 2001, S. 77
49 Der “Blaue Engel” ist keine Hollywood-Produktion der 40er oder 50er Jahre, er wurde 1929/30 in Deutschland gedreht. Regie führte Josef von Sternberg.
50 Luhrmann 2001, S. 78
51 ebd.
52 Guiseppe Verdi wurde 1813 in Roncole bei Parma geboren. Schon mit zehn Jahren vertritt er den Gemeindeorganisten. Im Alter von dreizehn Jahren beginnt Verdi zu komponieren. In Mailand fällt er durch die Aufnahmeprüfung am Konservatorium. An der Scala studiert er “vor Ort” die Werke bekannter Komponisten. Nach dem Tod seiner jungen Frau und dem Misserfolg von 'Un giorno di regno' komponiert er sein erstes bedeutendes Werk, Nabucco, dass 1842 erstmals in der Scala aufgeführt wird. 1853 wird 'La Traviata' uraufgeführt und erntet zunächst keinen Erfolg. 1893 wird Verdis letzte Oper 'Falstaff' zum ersten Mal gespielt. 1901 stirbt der Komponist, vier Jahre nach seiner zweiten Frau Guiseppina (vgl. Parouty, Zürich 2001, S.13f.).
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