Funktionalismus meint „die Betrachtung soziokultureller Erscheinungen unter dem Gesichtspunkt ihrer Funktion, d.h. der Aufgaben oder Leistungen, die sie im Rahmen der übergeordneten Ganzheit soziokultureller Systeme erfüllen“ (Stagl 1999: 138). Daher bezeichnet der Funktionalismus eine Richtung in der Völkerkunde, die die inneren Abhängigkeiten der einzelnen Elemente einer Kultur erforscht und darstellt. Zum Ziel hat der Funktionalismus sich daraus ableitende allgemein gültige Gesetze von Kulturen. Malinowski und Radcliffe-Brown vertraten in der britischen Social Anthropology zwei Versionen der funktionalistischen Theorie: den psychobiologischen Funktionalismus sowie den Strukturfunktionalismus.
In dieser Arbeit werde ich mich mit den Gemeinsamkeiten und Unterschieden dieser beiden Strömungen beschäftigen. Dabei gehe ich folgendermaßen vor: zu Beginn werde ich die Theorie des Funktionalismus darlegen, anschließend auf Malinowskis Theorie des psychobiologischen Funktionalismus eingehen und folgend auf den Strukturfunktionalismus von Radcliffe-Brown. Darauf aufbauend werde ich mich den Unterschieden ihrer Theorien widmen und im letzten Teil der Arbeit die Gemeinsamkeiten aufzeigen, die zwischen ihren Theorien vorhanden sind. Hierbei vertrete ich die These, dass sowohl Malinowski wie auch Radcliffe-Brown die Autonomie des Individuums und die Wechsel- und Gestaltungsmöglichkeiten der Kultur nicht berücksichtigt haben.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Funktionalismus
- III. Bronislaw Kaspar Malinowski
- III.1 Der psychobiologische Funktionalismus von Malinowski
- III.2 Kritik an Malinowski anhand dem Ideal der Teilnehmenden Beobachtung
- IV. Alfred Reginald Radcliffe-Brown
- IV.1 Der Strukturfunktionalismus von Radcliffe-Brown
- VI.2 Kritik am Strukturfunktionalismus von Radcliffe-Brown
- V. Unterschiede zwischen Funktionalismus und Strukturfunktionalismus
- V.1 Individuum-Vorteil-Ansatz versus altruistischer Ansatz
- V.2 Variationen im Hinblick auf das Funktionsprinzip
- V.3 Radcliffe-Browns Betonung von Gesellschaft versus Malinowskis Betonung von Kultur
- V.4 Arbeitsweisen von Malinowski und Radcliffe-Brown im Vergleich
- VI. Übereinstimmungen zwischen Funktionalismus und Strukturfunktionalismus
- VI.1 Malinowski und Radcliffe-Brown als „Gegner einer jeglichen historischen Betrachtungsweise“ (Petermann 2004: 885)
- VI.2 Die naturwissenschaftliche Betrachtung von Ethnologie
- VI.3 Einfluss von Durkheim auf Radcliffe-Brown und Malinowski
- VI.4 Die Vorgehensweise des Strukturalismus und des Funktionalismus
- VII. Schlussbemerkungen
- VIII. Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert die beiden Strömungen des Funktionalismus in der britischen Social Anthropology: den psychobiologischen Funktionalismus von Malinowski und den Strukturfunktionalismus von Radcliffe-Brown. Sie untersucht die Gemeinsamkeiten und Unterschiede dieser beiden Ansätze und zeigt auf, inwiefern beide den Einfluss von Emile Durkheim auf ihre Theorien zeigen.
- Funktionalismus als Gegenbewegung zum Evolutionismus, Diffusionismus und der kulturhistorischen Ethnologie
- Bedeutung der „teilnehmenden Beobachtung“ in Malinowskis Feldforschung
- Kritik an Malinowskis Ansatz und das Ideal der „teilnehmenden Beobachtung“
- Unterschiede zwischen dem psychobiologischen Funktionalismus von Malinowski und dem Strukturfunktionalismus von Radcliffe-Brown
- Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Theorien, insbesondere die Ablehnung historischer Betrachtungsweisen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt den Funktionalismus als ein bedeutendes Forschungsfeld in der Ethnologie vor. Sie beschreibt die grundlegenden Prinzipien und Ziele dieser Richtung, die sich mit den inneren Abhängigkeiten der Elemente einer Kultur auseinandersetzt. In Kapitel III werden die wichtigsten Aspekte des psychobiologischen Funktionalismus von Bronislaw Malinowski beleuchtet, einschließlich seiner einflussreichen Feldforschung auf den Trobriand-Inseln. Dieses Kapitel widmet sich auch der Kritik an Malinowskis Ansatz und seiner „teilnehmenden Beobachtung“, die durch die posthume Veröffentlichung seiner Tagebücher in Frage gestellt wurde. Kapitel IV befasst sich mit Alfred Reginald Radcliffe-Browns Strukturfunktionalismus. Hierbei wird auf die Unterschiede zwischen beiden Ansätzen im Hinblick auf den Fokus auf das Individuum, das Funktionsprinzip und die Arbeitsweisen der beiden Forscher eingegangen. Abschließend beleuchtet Kapitel VI die Gemeinsamkeiten zwischen beiden Theorien, insbesondere die Ablehnung historischer Betrachtungsweisen und den Einfluss von Emile Durkheim.
Schlüsselwörter
Funktionalismus, psychobiologischer Funktionalismus, Strukturfunktionalismus, Malinowski, Radcliffe-Brown, Teilnehmende Beobachtung, Ethnographie, Feldforschung, Durkheim, Kultur, Gesellschaft
- Arbeit zitieren
- M.A. Anna Lietz (Autor:in), 2006, Eine kritische Gegenüberstellung der beiden Schulen des Funktionalismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/273583