Untersuchungen des thermoplastischen Shape-Memory-Effekts für die vaskuläre Anwendung


Bachelor Thesis, 2014

93 Pages, Grade: 1,3


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Abstract

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Stand der Technik
2.1 Stent Applikation und Stent Designs
2.1.1 Stent Applikation
2.1.2 Stent Herstellung: Ballonfaltung und Crimpen
2.1.3 Kategorisierung von Stents
2.2 Werkstoffe der Stents
2.2.1 Metalle und metallische Stents mit Polymerbeschichtungen
2.2.2 Kunststoffe
2.3 Shape Memory Effekt
2.3.1 Makromolekularer Zusammenhang
2.3.2 Programmierung des Shape Memory Effekts
2.4 Probleme der aktuellen Stentologie

3 Material und Methoden
3.1 Anforderungen an polymere Stents und geeignete Materialien
3.1.1 Anforderungen an Polymerstents
3.1.2 Kunststoffauswahl für thermoplastische Stents
3.2 Versuche zum Shape Memory Effekt
3.2.1 Ermittlung von Standardparametern
3.2.2 Konstruktion der Prüfapparatur
3.2.3 Versuchsbau des Probekörpers
3.2.4 Vorversuche
3.2.5 Versuchsdurchführung
3.3 FEM Simulation der arteriellen Belastung
3.3.1 Belastungssituation im Gefäß
3.3.2 Versuchsaufbau
3.3.3 Versuchsdurchführung

4 Ergebnisse
4.1 Resultate der FEM Simulation zur Belastung auf arterielles Gewebe
4.2 Ergebnisse der Optimierung des Stent Designs
4.3 Resultate der experimentellen Versuchsreihe
4.3.1 Einfluss der Temperatur auf die Rückstellung
4.3.2 Einfluss des Reckungsgrades auf die Durchmesseränderung
4.3.3 Einfluss von Schwächungen auf den Probekörper
4.3.4 Einfluss von uni- und biaxialen Schwächungen auf den Shape-Memory-Effekt
4.3.5 Einfluss der Schwächungen auf die dauerhaft plastische Verformung
4.3.6 Einfluss von Schwächungen auf das Spannungs-Dehnungs- Diagramm

5 Diskussion und Ausblick
5.1 Diskussion der Simulation
5.2 Diskussion der Versuchsreihen

6 Zusammenfassung

7 Literaturverzeichnis

8 Anhang
Anhang A : Technische Zeichnungen der konstruierten Versuchsapparatur
Anhang B : Datenblatt des für die Proben verwendeten LD PE ,,Lupolen 3020K“

Anhang C : Ergebnisse der Versuchsreihe zum Formgedächtnis Effekt

1 Einleitung

In den westlichen Industrienationen gilt Herzversagen auf Grund von koronarer Arteriosklerose als Todesursache Nummer eins [55]. Auslöser für Arteriosklerose einer oder mehrerer Koronararterien ist eine Verengung (Stenose) bzw. der Verschluss (Okklusion) eines Herzkranzgefäßes und eine daraus resultierende Nährstoff- und Sauerstoffunter-versorgung der Herzmuskulatur [53,54].

Ursache für die Verengung von Gefäßen ist deren pathologische Veränderung, welche sich über Jahre hinweg ziehen kann und immer noch nicht bis ins Detail geklärt ist [57]. Als Auslöser für eine Arteriosklerose werden in den bisherigen Forschungsarbeiten eine erhöhte Durchlässigkeit der innersten Gefäßwand (Tunica Intima) sowie die mechanisch induzierte Verletzung der Gefäßwand durch Blutdruckspitzen genannt und diskutiert [9,57].

Bei beiden Ansätzen kommt es zu einer Einlagerung von Cholesterin und Blutbestandteilen in die Gefäßwand. Dies führt zu einer Verdickung der Tunica Intima. Auf diese Verdickung der Intima reagiert der Körper mit einer unspezifischen Abwehrreaktion, dem vermehrten Freisetzen von Makrophagen. Ergebnis ist der Umbau der Gefäßwand (Remodelling) und die Bildung von Plaque. Dieser wächst, vor Blutfluss geschützt unter der Tunica Intima, und reduziert zunehmend das Gefäßvolumen. Das führt zu einer Abnahme der Durchblutung in der Gefäßwand und zum Absterben einzelner Zellen. Im Bereich der toten Zellen kommt es zur Bildung von Kalksalzen und darauf folgend zu einer Verkrustung. Bei Einrissen treten die Bestandteile der Plaque aus und es kommt zu einer Gerinnungskaskade. Hierbei bildet sich ein Thrombus, welcher binnen Minuten das Gefäß vollständig blockieren kann. Ab diesem Zeitpunkt, ist eine Mangelversorgung der Zellen nicht mehr zu verhindern und es kommt zum Herzinfarkt [9,57].

Gegen die koronaren Thrombosen und Stenosen konnten 1977 die ersten minimal-invasiven Therapien angewendet werden. Bis 1977 war die Bypass Operation die Standard Operationsmethode [57]. Dieser Eingriff stellt ein großes Risiko und eine Belastung für den Patienten dar, da hierbei der komplette Brustkorb operativ geöffnet werden muss. Bei diesem höchst-invasivem Eingriff wird der verengte Abschnitt der Arterie durch ein autogenes Venen- oder Arterienstück oder ein künstliches Ersatzgefäß ersetzt und der verengte Arterienabschnitt somit überbrückt [9,10,57].

Um diesen risikoreichen Eingriff zu vermeiden wurde die perkutane transluminale Koronarangioplastie (PTCA) von Grüntzig entwickelt [17,25]. Hierbei wird ein Ballonkatheter in die verengte Stelle der Arterie durch eine Schleuse eingeführt und mit bis zu 15 bar expandiert. Die verengte Stelle wird dadurch aufgedehnt und ein normaler Blutfluss sichergestellt [25]. Die Expansion des Ballonkatheters bewirkt eine Überdehnung der Gefäßwand und eine Zunahme des äußeren Gefäßdurchmessers. Die arterielle Plaque wird gezielt komprimiert und dadurch brüchig. Folge sind Einrisse der Intima und Teilen der zweiten Gefäßschicht (Tunica Media) [10,17].

Dennoch kommt es in bis zu 50 % der Fälle zu einer erneuten Verengung der Arterie, der sogenannten Restenose. Dies ist vor allem auf die elastischen Rückstellkräfte und die Umgestaltungsprozesse der Gefäßwand zurückzuführen [57]. Um die Restenoserate zu reduzieren, wird die PTCA mit der Implantation einer koronaren Gefäßstütze (Stent) kombiniert. Moderne Stents bestehen aus röhrenförmigen metallischen Drahtgitternetzten, sie reduzieren die arterielle Restenose auf unter 20 % [10,57].

Die Implantation des Metallstents löst häufig im Gefäß Verletzungen der Endothelschicht und der Intima was zu Entzündungen und Verletzungen in der Arterie führen kann. Diese Verletzungen lösen eine erhöhte Makrophagenbildung aus, so dass die Thrombogenität steigt. Um dies einzudämmen, werden in der modernen Angiologie polymerbeschichtete Metallstents mit medizinischen Wirkstoffen (z.B. Rapamycin oder Paclitaxel [21,39,57]) implantiert. Diese werden als Drug-Eluting Stents (DES) bezeichnet. Bei den Wirkstoffen handelt es sich um Antikoagulationsmittel und Wachstumshemmer, die eine erhöhte Thrombenbildung und Entzündungen vorbeugen. Wucherungen, welche die Gefäßwand erneut verengen, werden so am Entstehen gehindert [17,53]. Die Wirkstoffmenge bei DES ist durch die Polymerschichtdicke begrenzt. Um eine größere Wirkstoffmenge und eine längerfristige Freisetzung von Medikamenten zu ermöglichen, bietet sich die Entwicklung komplett polymerer Stent an. Durch die größere Menge an Polymer kann eine größere Menge an Medikamenten an den Stent gebunden und implantiert werden [57].

Typische Nebenwirkungen von metallischen Stents wie Entzündungen, Korrosionen an den Korngrenzen oder Abwehrreaktionen können durch Polymerstents reduziert bzw. eliminiert werden [27]. Ein Vorteil der Polymere ist, dass der menschliche Organismus Polymere als bioinerte Stoffe behandelt und sie lediglich mit einer Bindegewebe Schicht überzieht ohne negative Reaktionen, wie z.B. die Freisetzung von toxischen Substanzen hervorzurufen. So wird das Risiko von Abwehrreaktionen des Körpers reduziert [27,53,57]. Die Hürde für die Verwendung thermoplastische Stents ist neben der Implantation an sich die geringen mechanische Festigkeit der Polymere. Bisher ermöglicht die hohe metallische Dehnbarkeit eine Implantation und Expansion durch Ballonkatheter. Die Sprödigkeit und geringe Dehnbarkeit von Polymeren verhindert hingegen eine reine Expansion durch einen dilatierten Ballonkatheter bei polymeren Stents. Es ist eine neue Herangehensweise an die Implantation für polymere Stents nötig, denn es gilt die geringe Dehnbarkeit zu umgehen [9,27,36].

In dieser Arbeit sollen neben den unterschiedlichen Stentdesigns, Materialien und Applikationsarten für Polymer- und Metallstents auf neue Lösungen zur Implantation von Polymerstents eingegangen werden. Eine Schlüsselrolle für die Implantation von Polymerstents spielt der Shape-Memory-Effekt (SME). Der Kunststoff wird bei der Implantation nicht wie bei ballondialtierten metallischen Stents durch Druck, sondern im Bereich einer Aktivierungstemperatur aus eigner Kraft expandiert [44,54,57]. So ist ein Einriss bzw. ein Bruch im Polymerstent durch die Expansion ausgeschlossen und die problemfreie Implantation ermöglicht.

Der Shape Memory Effekt soll auf sein Auftreten bei Polymeren untersucht werden. Welcher Parameter für das Speichern einer vorübergehenden Form wichtig sind und wie sie mit Kunstoffen gespeichert werden können, soll durch eine experimentelle Versuchsreihe bestimmt werden. Im Mittelpunkt der Arbeit stehen Versuche zur Veränderung des Effekts bei Schwächungen im Material des Probekörpers. Durch die Schwächungen in den Probekörpern soll sich der bei Metallstents typischen Gitterstruktur angenähert werden. Dies soll Rückschlüsse auf die Verwendung des Formgedächtnis Effekts für die Implantation von polymeren Stents liefern.

Des Weiteren wird mit Hilfe einer finiten Elemente Simulation die mechanische Belastungssituation in einer thrombotischen Arterie simuliert. So entsteht ein besseres Verständnis über die notwendigen Festigkeiten der Polymere. Durch die Simulation kann gezeigt werden, welche Festigkeiten Kunststoffe besitzen müssen, um über mehrere Jahre in Gefäßen bestehen zu können. Zudem wird erörtert welche Kunststoffe sich für die Verwendung im Blutkreislauf und zur Verarbeitung eignen.

2 Stand der Technik

Zunächst wird auf die Grundlagen der Stents und deren Klassifizierung eingegangen. Insbesondere die dabei verwendeten unterschiedlichen Expansionsmethoden, Gitterstrukturen, Fertigungsfolgen sowie auf die unterschiedlichen Materialen der heute implantierten Stents wird eingegangen. Des Weiteren werden die Besonderheiten der Kunststoffstents und ihre Vor- und Nachteile in der Medizintechnik behandelt. Wichtig für die Verwendung von polymeren Stents ist der Shape Memory Effekt, da hierdurch Probleme bei der Implantation gelöst werden können. Auf diesen Effekt, seine Besonderheiten, wie er hervorgerufen wird und welche Parameter dazu nötig sind, soll in Kapitel 2.3 genauer geklärt werden.

2.1 Stent Applikation und Stent Designs

Im Folgenden soll auf die Methoden der Applikation von Stents in den Körper, die Aufbringung des Stents auf den Ballon und auf die unterschiedlichen Stentdesigns am Markt eingegangen werden.

2.1.1 Stent Applikation

Bei der Applikation von Stents wird dem Patienten ein Stent welcher auf einem Ballonkatheter gecrimpt wurde, über eine 6 F - bis 7 F-Schleuse1 in der Leistenregion implantiert [17] und über den Führungsdraht zur Stenose geführt.

Heutige Ballonkatheter bestehen meist aus 3 Komponenten [57]:

- Ansatzstück (Luer-Lock) am proximalen Ende zum Anschluss an die Inflationsspritze
- einem ein- oder mehrlumigen Katheter Schlauch
- Ballon am distalen Ende für die eigentliche Funktion
- Röntgenmarker, so dass eine korrekte Positionierung sichergestellt werden kann

Flexibilität und Belastbarkeit sind auf Grund der hohen Kräfte durch das Crimpen und die Dilatation des Ballons absolut unabdingbare Eigenschaften für die Ballone [17]. Die Navigation des Katheters durch den Körper erfolgt durch den Perfusionskatheter, welcher sich im Inneren des eigentlichen Katheters befindet. Im Perfusionskatheter befindet sich ein Führungsdraht, welcher entweder über die gesamte Länge des Katethers (Over-the-wire Technik) oder über ein kurzes Teilstück (Monorail-Technik) geschoben wird und die Navigation weiter erleichtert [17,57,59].

Beim Over-the-wire Ballonkatheter wird der Katheter über die gesamte Länge durch den koronaren Führungsdraht geführt und zeichnet sich deshalb durch eine gute Schubfestigkeit aus. Der Nachteil der Over-the-wire-Technik sind lange koronare Führungsdrähte, die die Handhabung erschweren und in einer aufwendigen Verlängerung eingeschoben werden müssen. Der Wechsel des Katheters muss unter Durchleuchtung durchgeführt werden [17].

Beim Monorail System tritt der Führungsdraht nach 17-40 cm am distalen Ende aus dem Katheter aus und liegt im restlichen Teil der Drahtlänge neben dem Katheterschaft. So wird der Katheter wie auf einer Schiene (,,Monorail“) geführt. Ein Vorteil der Monorail-Systeme besteht vor allem in der Möglichkeit des schnellen, leichter handhabbaren Wechsel des Katheters ohne Durchleuchtung [57]. Trotz einer vergleichbaren Schubfestigkeit der Monorail-Systeme, liegt das größte Problem des Systems vor allem in der ungenauen Steuerbarkeit des Führungsdrahts und wird deshalb nur selten verwendet [17].

2.1.2 Stent Herstellung: Ballonfaltung und Crimpen

Um einen Stent auf einen Ballonkatheter montieren und fixieren zu können muss der Ballon zuvor gefaltet werden, so dass ein problemloses Dilatieren gewährleistet ist [57,59]. Hierzu wird der Ballonkatheter expandiert und mit einer einem Spannfutter ähnlichen Konstruktion an mehreren gleichmäßig radial verteilten Stellen fixiert. Im Anschluss wird der Ballon auf den Durchmesser des Perfusionskatheters gefaltet und durch ein angeschlossenes Vakuum fixiert. Je nach Herstellungsverfahren entstehen drei bis fünf aufgewickelte Falten im Ballon (siehe Abbildung 1) [57].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Im nachfolgenden Schritt werden die ballonexpandierten Stents mit dem gefalteten Stent verbunden. Hierzu ist ein weiterer Fertigungsschritt, das sog. Crimpen notwendig. Hierbei wird der zu implantierende Stent in einer Apparatur gleichförmig auf den für die Implantation nötigen Durchmesser reduziert und auf das System aus Perfusionskatheter und Ballon montiert [57,59]. Eine ausreichende Fixierung ist notwendig, da ein vorzeitiges Abrutschen des Stents in der Arterie ein großes Risiko für den Patienten mit sich bringt und die Bergung eines Stents einen schwerwiegenden Eingriff darstellt [1]. Ferner hat das Crimpen großen Einfluss auf spätere Verunreinigungen am Implantat da hierbei mögliche Keime eingeschlossen werden können. Deshalb werden in der heutigen Implantologie ausschließlich maschinell gecrimpte Stents verwendet, ein Crimpen per Hand durch den Operateur findet nicht mehr statt, da dies zu viele Risiken mit sich bringt [1]. Neben der Gefahr der Ballonverletzung kann es vor allem in den dünnen und filigranen Stegen des Stents zu Rissen oder Brüchen kommen. Eine solche Beschädigung führt zu einer erschwerten Implantation und stellt ein großes Risiko für den Patienten dar [38].

2.1.3 Kategorisierung von Stents

Industriell verwendete Stents werden nach der Art der Expansion in der Stenose, der Gitterstruktur bzw. des Aufbau des Stents, dem Material und der Struktur und Fertigungsfolge unterschieden [43].

2.1.3.1 Applikationsart der Stents

Prinzipiell wird im heutigen Stand der Technik zwischen selbstexpandierenden und ballonexpandierten Stents unterschieden [17,57].

Selbstexpandierende Stents werden im expandierten Zustand gefertigt, anschließend kontrahiert und in Hülsen fixiert [57]. Durch das Fixieren des Stents kommt es nach Entfernen der Hülse zum unkontrollierten Aufspringen des Drahtgitters in der Arterie. Dies, die starke elastische Rückstellung des Drahtgitters und die geringe Stabilität in Umfangsrichtung sind die wichtigsten Gründe weshalb selbstexpandierenden Stents nur noch selten implantiert werden [21,38,57]. Lediglich in peripheren Arterien birgt die hohe Flexibilität der selbstexpandierenden Stents einen Vorteil. Die mechanische Kompression und eine permanente Rückstellung des Stents sind in diesem Fall wünschenswert [52].

Bei den ballonexpandierten Stents handelt es sich um Stents, welche ihre eigentliche Größe in der Arterie durch die Expansion mit Hilfe eines Ballonkatheters entfalten. Sie bestehen aus Materialien, die durch die Inflation des Ballons plastisch verformt werden. Durch die Aufweitung kommt es zur Kaltverfestigung im Material [38]. Dadurch können höhere radiale Kräfte aufgenommen werden als bei selbstexpandierenden Stents und die Langzeitfestigkeit sowie das Recoil-Verhalten sind deutlich verbessert [10,49].

2.1.3.2 Gitterstruktur

Stents werden weiter nach Ihrer Zell-Anordnung unterschieden. Hierbei gibt es zwei prinzipielle Ansätze, das Open Cell Design (OCD) und das Closed Cell Design (CCD) [43,57].

Während beim CCD die sequentiellen Ringe des Stents axial angeordnet sind und an jeder geschlossenen Zelle miteinander verbunden sind, zeichnet sich das OCD durch eine inhomogenere Oberfläche und deutlich unregelmäßigere Verbindungen durch Brücken [17] aus. So ist eine höhere Flexibilität gegeben, die Steifigkeit dagegen reduziert. Auf Grund der erhöhten Flexibilität der Open Cell Design Stents, eignen diese sich deutlich besser für kleinlumige Gefäße [21].

2.1.3.3 Struktur und Fertigungsfolge

Stents können durch Ihre Struktur und Fertigungsfolge in fünf unterschiedliche Gruppen eingeteilt werden [17,25,57].

Maschenstents – Mesh Stents

Maschenstents werden aus gewalztem oder gezogenem Draht gewickelt. Ihre Oberfläche wird anschließend chemisch angepasst, um die Oberfläche mit Hilfe von Ätzverfahren noch glatter zu machen. Durch das Ziehen des Werkstoffs entsteht ein großer elastischer Bereich, welcher sich für die selbstexpandierende Anwendung anbietet [21,57].

Spiralstents – Coil Stent

Werden ähnlich den Maschenstents aus gezogenem Draht gewickelt und werden durch Stricken oder Wickeln in die finale Form gebracht [21]. Die Fertigung aus einem Stück Draht, welcher zum Stent gedreht, wird ist der Hauptunterschied zu den Maschenstents. Sie sind ballonexpandierbar und können sehr flexibel gestaltet werden [57]. In der interventionellen Kardiologie spielt dieser Stent Typ keine Rolle mehr, denn das Verstricken führt zu einer ungleichmäßigen Dicke des Stents was eine Anlagerung von Thrombozyten begünstigt und eine Restenose begünstigt [17]. Zudem kommt es am Knotenpunkt von zwei verbundenen Drähten zu einem größeren Angriffsbereich für stehendes Blut was sich auf Grund die dort entstehende erhöhte Thrombozytenaggregation weiter negativ auf die verengte Stelle und den dort befindlichen Stent auswirkt.

Röhrchenstents – Tubular-Stent/ Slotted-Tube-Stent

Sie werden durch Funkenerosion oder Laserstrahlschneiden aus dünnwandigen, nahtlosen Rohren gefertigt [21]. Durch das beim Schneiden oder Erodieren erzeugte Aufschmelzen des Werkstoffs ist immer ein Nachbearbeiten in Form einer Wärmebehandlung oder elektrolytischen Polieren notwendig. Röhrchenstents können ballon- und selbstexpandierbar gestaltet werden [17,57].

Ringstent – Corrugated-Ring-Stent

Einzelne sinusförmige Ringsegmente aus gezogenem Draht werden nach Bedarf zusammengelötet [21]. Dies führt zu einer extremen Gestaltungsfreiheit und einer Vielzahl definierbarer Eigenschaften [17,57]. Durch die viele Lötstellen kommt es jedoch zu einer ungleichmäßigen Oberfläche des Stents. Das macht eine weitere Nachbearbeitung und Entgratung im Bereich der Lötstellen nötig [57].

Multidesignstents

Diese Gruppe zeichnet sich durch einen Mix der ersten vier Gruppen aus. Zu Ihnen gehören auch Stents mit Seitenöffnungen für die Durchlässigkeit von Seitenästen oder Stents mit unregelmäßiger Metallstruktur [17,57].

Eine Forschungsarbeit von Stöckl et al. [43] hat ergeben, dass Röhrchenstents (Tubular Stent) und Ringstents (Corrugated Stent) deutlich besser sind als Maschen– (Mesh Stent) oder Spiralstents (Coil Stent), da sie eine bessere Langzeitverträglichkeit zeigen und die Gefäßwand weniger verletzen [21,43]. Bei der Expansion wird die Gefäßwand deutlich weniger gereizt und die Expansion findet homogener statt [3]. Ferner hat sich gezeigt, dass Stents mit dünneren Stegen und einer geringeren Dichte des Metalls zu einer geringeren Restenoserate führen und durch die dünnere Konstruktion der Stege auch in kleineren Gefäßen implantiert werden können [21].

2.2 Werkstoffe der Stents

Aktuell applizierte Stents bestehen entweder aus Metall oder aus Metall, welches mit einer Polymerschicht überzogen ist. Durch die Polymerbeschichtung können Medikamente an der thrombogenen Stelle freigesetzt werden und so die Thromboserate reduziert werden.

2.2.1 Metalle und metallische Stents mit Polymerbeschichtungen

In der heutigen Implantation von Stents kommt es nahezu ausschließlich zur Verwendung von metallischen Stents. Sie sind weitreichend erforscht worden und eignen durch ihre Festigkeit besonders für die Verwendung als Stent. Der Edelstahl mit der Bezeichnung 316L (chirurgischer Edelstahl) [10,17] und Nitinol [44] haben sich auf Grund ihrer besonders guten mechanischen Eigenschaften, der Langzeitstabilität und der Existenz von Shape-Memory Effekten für die Verwendung als Stent hervorgehoben.

Nitinol besteht zu gleichen Teilen aus Nickel und Titan und besitzt neben dem bereits genannten Shape-Memory-Effekt, auf den in Kapitel 2.3 weiter eingegangen wird, eine hohe Dehnbarkeit [25]. Durch das Titan und die sich bildende TiO2 Schicht ist zudem eine hohe Biokompatibilität sichergestellt [44,57].

Weite Verbreitung besitzen außerdem Stents aus Chrom-Nickel Stählen. Neben guten Ur- und Umformeigenschaften zeichnen sich Chrom-Nickel Stähle vor allem durch ihre guten Eigenschaften im Bereich der Zähigkeit, Festigkeit und Korrosionsbeständigkeit im Organismus aus [25,57].

Eine weitere wichtige Werkstoffgruppe für Stents sind Titan bzw. Titanlegierungen. Diese besitzen die beste Biokompatibilität und können durch Zugabe von Eisen oder Sauerstoff sehr gut auf die benötigten mechanischen Eigenschaften eingestellt werden. Ferner wird durch Kaltverfestigung im Gefäß die Festigkeit des Titans weiter gesteigert. Trotz relativ hoher Herstellungskosten werden sie häufig verwendet, da sie bereits bei geringem Druck dilatiert werden können und so einen geringen Recoil in der Arterie zeigen [4,57].

Durch medikamentös beschichtete Metallstents wird die Restenoserate weiter gesenkt. Forschungsarbeiten von Lau et al. [21] mit metallischen Beschichtungen (z.B. Gold) haben jedoch sogar eine Erhöhung der Restenoserate nachgewiesen. Beschichtungen mit Silicium oder Carbon zeigen keinerlei Verbesserung in der Restenose im Vergleich zu nicht beschichteten Stents aus Edelstahl [8,21,52].

Schömig et al. [39] zeigen, dass Stents mit medikamentösen Beschichtungen (Drug Eluting Stents) die Restenoserate weiter senken und zudem die Verträglichkeit im Gefäß steigern können. Für die Beschichtungen werden wachstumshemmende Medikamente (z.B. Rapamycin, siehe [57] bzw. Abbildung 2) verwendet, die bewirken, dass das übermäßige Zellwachstum unterbrochen wird und ein Rückgang der Zellwucherung erzielt werden kann. Ein weiterer Vorteil der beschichteten Stents ist, dass die Wirkstoffe unmittelbar an der betroffenen Stelle freigesetzt werden können. So kann eine kontrollierte, langfristige Wirkstoffabgabe verbunden mit einer hohen lokalen Wirkstoffkonzentration im Gewebe gewährleistet werden. Dennoch muss die Verwendung von medikamentenbeschichteten Stents kritisch betrachtet werden, da durch die Wachstumshemmer der Heilungsprozess verzögert eintreten kann [22,57]. Ein weiteres Problem ist das verzögerte Auftreten von Infarkten im Thrombosebereich durch die Zugabe von Gerinnungsmitteln [22,26]. Erneut entstehende Infarkte können durch das verdünnte Blut erst zu einem späteren Zeitpunkt erkannt werden und stellen ein hohes Risiko für den Patienten dar. Durch lokale Unverträglichkeiten der Medikamente kommt es teilweise zu chronischen Entzündungs-reaktionen, die zu einer thrombogenen Gefäßfläche führt, da die Wundheilung durch die Medikamente reduziert bzw. komplett verhindert ist [22,50,59].

Abbildung 2 ist eine Übersicht über mehrere Studien zu Stents, die klar belegen, dass die Zugabe von Wirkstoffen über Beschichtungen an Stents sich positiv auf die Restenose im menschlichen Organismus auswirkt [20,34,57].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2 Übersicht über bisherige Studien zu den Drug-Eluting- Stents und deren Ergebnisse (modifiziert nach [6,57]). Eine deutliche Verbesserung der Restenoserate durch Verwendung von Drug-Eluting-Stents ist durch die beiden Forschungsarbeiten klar erwiesen.

Die Überlegenheit des Sirolimus-freisetzenden Stents im Vergleich zu Paclitaxel geht aus einer Metaanalyse zu medikamentenfreisetzenden Stents der Technischen Universität München hervor, welche Forschungsergebnisse an 3669 Patienten zusammenfasst. Das Risiko einer Restenose [20] mit Sirolimus ist laut Metaanalyse halb so groß wie bei der Beschichtung mit Paclitaxel [22,39].

2.2.2 Kunststoffe

Obwohl sich metallischen Werkstoffe durch den hohen Umformungsgrad bei der Aufweitung und durch die hohe mechanische Festigkeit geeignet sind, wären durch die Verwendung von Kunststoffen völlig neue Funktionalitäten und Einsatzbereiche denkbar. Typische Metall Problematiken in der Medizintechnik wie Korrosion an den Korngrenzen oder das Ausschwemmen von Metall-Ionen kann durch Kunststoff Beschichtungen von Metallstents reduziert werden oder durch Verwendung von nicht-degradierbaren Polymerstents komplett verhindert werden [57].

Auf Grund der guten Prozessierbarkeit eignen sich thermoplastische Materialien zur Verarbeitung zu medizintechnischen Produkten besonders. Durch die geringen mechanischen Festigkeiten der verwendeten Polymere im Vergleich zu den metallischen Stents sind noch keine reinen Polymerstents zur Marktreife gelangt. Polymere finden als Beschichtung von metallischen Stents zur Senkung der Thrombogenität und Verletzung der Gefäßwand [17] sowie als biodegradierbare Kunststoffe ihren Einsatz [57]. Typische Werkstoffe sind hier vor allem Polylactide [36].

Durch die gute Hämokompatibilität sind Polyurethane speziell für den medizinischen Einsatz die sich am besten eignenden Thermoplaste für medizinische Implantate. Diese Kunststoffgruppe findet deshalb bereits Verwendung in künstlichen Herzklappen und künstlichen Gefäßen [57] und zeichnet sich durch seine Langzeitfestigkeit im Körper aus. Ferner lassen sich über den Vernetzungsgrad und die Wahl des Monomers die Eigenschaften des Polymers über große Bereiche variieren, so dass die nötigen mechanischen Eigenschaften für die Verwendung passend eingestellt werden können. Bei Polyurethan ist vor allem die Neigung zur hydrophilen Degeneration und die Ausprägung von Spannungskorrosion bisher noch ein großes Problem.

Auch die Applikation der Polymerstents birgt neue Risiken. Eine Ballondilatation eines Polymerstents ist nicht möglich, da Kunststoff sich im Allgemeinen durch ein großes elastisches Verformungsverhalten (Recoil) auszeichnet. Dieses Verhalten ist bei Stents idealerweise auszuschließen oder möglichst gering zu halten, da durch den großen elastischen Bereich des Kunststoffs die Gefäßwand sich nicht dauerhaft expandieren lässt [52,59].

Ein Lösungsansatz von Beck et al. [2] zur Applikation von thermoplastischen Stents besteht in der Dilatation eines Stents durch eine temperierte Kochsalzlösung unter Ausnutzung der Materialeigenschaften. Besonderes Augenmerk liegt auf der temperaturaktivierten Veränderung der Struktur von Caprolacton. Der Caprolacton-Stent wird zwischen 52 °C und 70 °C weich und modellierbar und konnte mit einem handelsüblichen Ballonsystem implantiert werden. Der Vorteil dieses Verfahrens liegt vor allem in der reversiblen und redundanten Durchführung des Vorgangs und der Verwendung in anderen Gefäßen des Organismus [2]. Ein weiterer Ansatz ist der bioresorbierbare Igaki-Tamai Stent, welcher 2007 als erster resorbierbarer Stent aus PLLA mit der CE Auszeichnung auf den Markt gekommen ist [23,27]. Der Stent wird mit einem handelsüblichen Ballon-Katheter-System eingebracht. Hierbei wird der Shape-Memory Effekt mit der Ballondilatation kombiniert. Die Expansion erfolgt nicht wie gewohnt durch den Druck des Ballons sondern durch Erwärmung der Flüssigkeit im Ballon am Expansionsort. Untersuchungen zeigen, dass eine Expansion bei 50 °C 13 Sekunden dauert, eine Expansion bei 37 °C hingegen dauert 20 Minuten [21]. Daraus resultiert, dass der Shape- Memory Effekt nur in bestimmten Temperaturbereichen funktioniert und programmierbar ist [27].

Weitere Lösungsansätze zur Applikation liegen vor allem in der geometrischen Gestaltung und Auslegung der Polymerstents, die eine Ballondilatation ermöglichen sollen [52,59]. Kritisch ist jedoch die Verletzung der Polymerstruktur durch die Expansion zu betrachten. Durch die entstehenden Risse ist die Langzeitfestigkeit reduziert und der Stent kann zerstört werden [59]. Weiterführende Forschungen haben gezeigt, dass der Shape-Memory Effekt die beste Lösung zu diesem Problem ist. Dieser bei Kunststoffen typischerweise auftretende Effekt führt dazu, das Polymere in bestimmten Temperaturbereichen verformbar sind und die neue Form ,,speichern“ können. Bei einer erneuten Erwärmung des Polymers ist eine Rückkehr in die ursprüngliche Form möglich. In Kapitel 2.3 soll darauf genauer eingegangen werden. In Abbildung 3 ist mit einer Schemazeichnung die Funktion des Shape Memory Effekts dargestellt [9,27].

2.3 Shape Memory Effekt

Im folgenden Kapitel soll auf die chemischen Bedingungen für den Memory Effekt sowie auf den Ablauf einer erfolgreichen Programmierung des Effekts eingegangen werden.

2.3.1 Makromolekularer Zusammenhang

Prinzipiell gilt, das der Formgedächtniseffekt nicht stoffspezifisch ist, sondern von einer Kombination aus Polymerstruktur und Polymermorphologie sowie der Programmierungs-technik des Effekts abhängt [51,52].

Zwingende Voraussetzung für den Shape-Memory-Effekt ist das Vorhandensein zweier verschiedener Phasen im Material [27,34,54]. Die beiden Phasen besitzen unterschiedliche Erscheinungsformen und beeinflussen deshalb den Formübergang auf unterschiedliche Weise. Es wird zwischen der permanenten und einer reversiblen Form unterschieden. Die Phasen können aus amorphen, teilkristallinen oder einzelnen Phasen von Copolymeren bestehen [34,52]. Die Phase, welche die permanente Gestalt gewährleistet, wird Hartphase genannt, die zweite Phase wird als Schaltphase bezeichnet. Der Memory Effekt wird thermisch induziert und muss in einem bestimmten Temperaturbereich des Materials stattfinden [41].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Phase mit der höchsten Übergangstemperatur TPerm wirkt als physikalische Vernetzung, die die permanente Form bestimmt. Oberhalb TPerm, werden die Polymere bei ihrer Schmelztemperatur mit konventionellen Verfahren (z.B. Extrudieren oder Spritzgießen) verarbeitet.

Eine zweite Phase ermöglicht als molekularer Schalter die temporäre Form. Die Übergangstemperatur TTrans kann sowohl eine Glasübergangstemperatur TG als auch eine Schmelztemperatur sein. Im Bereich unterhalb von TTrans sind alle Bewegungen eingefroren.

Oberhalb der Glasübergangstemperatur TG liegt eine amorphe Struktur vor, unterhalb ein kristalliner Bereich und ein amorpher Bereich im Mix. Grund hierfür ist die unterschiedliche Morphologie der Schaltphasen. Oberhalb der Übergangstemperatur und unterhalb von TPerm bewirkt die Erleichterung der Kettenbewegungen einen Spannungsabfall in einem durch äußere Kraft gedehnten Material.

Der Übergang in eine weichere Form tritt dann auf, wenn durch thermische Aktivierung die Rotation der Kettenbindungen zunehmend ermöglicht wird. Die Ketten können eine der vielen möglichen energetischen gleichwertigen Formen einnehmen, ohne sich wesentlich zu entwirren. Die Polymerketten liegen in der Mehrzahl als kompakte Knäuel vor, da die Form entropisch bevorzugt ist [9,34,51].

Bei der Verformung von Kunststoffteilen erfolgt eine Ausrichtung der ursprünglich verknäulten Kettenmoleküle in Verformungsrichtung. Durch dieses Aneinandergleiten der Polymerketten unter Spannung stellt sich unter Entropieverlust eine zunehmende Orientierung der Kettenmoleküle ein. Mit dieser Verringerung der Entropie ist das thermodynamische Gleichgewicht des Materials gestört. Durch schnelles Abkühlen des Kunststoffbauteils unterhalb von TTrans wird die Beweglichkeit der Molekülkette soweit unterbunden, dass eine Rückverformung nicht erfolgt. Die temporäre Form liegt nun unterhalb von TTrans vor und die permanente Form ist dadurch gespeichert [41].

Ein erneutes Aufheizen löst die auf dieser Schaltphase beruhende physikalische Vernetzung wieder auf und das Material geht aufgrund seiner Entropieelastizität wieder in den Gleichgewichtszustand der permanenten Form zurück. Ein anschließendes Rückbilden der temporären Form durch ein erneutes Abkühlen findet nicht statt [9,52,54].

2.3.2 Programmierung des Shape Memory Effekts

Die Programmierung des Shape-Memory-Effekts kann in drei Schritte: Recken, Fixierung und Rückstellung, unterteilt werden [58].

Der erste Verarbeitungsschritt des gefertigten Bauteils ist das Recken, d.h. die eigentlich verknäulten Polymerkomponenten werden kontrolliert gelängt und so in einer neuen lineareren Form gehalten. Dabei findet eine Umorientierung der Makromoleküle statt, was die Fixierung der temporären Form ermöglicht. Dieser Schritt erfolgt bei der später entscheidenden Aktivierungstemperatur TAkt [34].

Im Anschluss wird bei TAkt oder darunter das gereckte Bauteil fixiert gehalten um die inneren Spannungen zu eliminieren. Dieser Schritt wird als Fixieren bzw. Relaxation der temporären Form bezeichnet und ist der zweite Schritt der Programmierung des Effekts. Im Anschluss wird das Bauteil rasch abgekühlt. Dieser Schritt ist nötig um die temporäre Form des Polymers zu speichern bzw. endgültig zu programmieren. Je nach Bauteil variiert hier der Bereich der Abkühltemperatur zwischen dem Gefrierpunkt und +10°C. Eine rasche Abkühlung ist unabdingbar für die Programmierung des Effekts da nur so eine Rückverformung verhindert werden kann und die temporäre Form fixiert werden kann. Die Abkühltemperatur und Abkühlrate sind nur zwei der Parameter die bei der Programmierung des Shape Memory Effekts variiert werden können. Das Bauteil kann nach einmaliger Abkühlung aus der Fixierapparatur entnommen werden und kann bis zur Implantation in der gereckten Form gelagert werden [58].

Bei Erwärmung des Bauteils auf TAkt „erinnert“ sich das Bauteil an die ursprüngliche Form und wandelt sich wieder zurück [51,52]. Dieser Schritt wird als Rückstellung des Polymers bezeichnet.

Die Stärke der Ausprägung des Formgedächtniseffekts ist von verschiedenen Parametern abhängig. Neben der oben genannten Abkühltemperatur und Abkühlrate, ist die Härte des Bauteils ein wichtiger Faktor. Zudem sind die Recktemperatur, Reckgeschwindigkeit und Reckungsgrad weitere wichtige Faktoren für die Programmierung des Effekts. Ferner können die Fixiertemperatur, die Fixierzeit sowie die Wiederaufheizrate wichtige Einflussfaktoren für die Ausbildung des Effekts sein.

Forschungsarbeiten von Müller et al. [27] und Wache et al. [52] haben gezeigt das mit zunehmender Härte auch der Formgedächtniseffekt zunimmt. Ferner wurde festgestellt, dass die Rückstellung unterbrochen werden kann und zu einem späteren Zeitpunkt wieder fortgesetzt werden kann, ohne dass der Effekt weniger stark auftritt. Ein weiteres wichtiges Resultat der Forschungsarbeiten ist, dass zwischenzeitliches geringes Aufheizen der Probe den Aktivierungstemperaturbereich einengen kann. Dies wirkt sich positiv auf die spätere Implantation aus, da so das Bauteil kontrollierter und gezielt expandiert werden kann [27,52].

Auch die Molmasse und chemische Bindungskräfte können ausschlaggebend sein für die Formgedächtniseigenschaften, denn bei zunehmenden Bindungskräften im Molekül steigt auch die Schmelztemperatur. Bestimmte Glasüberganstemperaturen können durch gezielte Kombination einzelner Polymere so erreicht werden. Durch β- oder γ- Strahlung kann der Vernetzungsgrad und somit auch die Glasübergangstemperatur bearbeitete werden. Polymere können durch Recken bei Temperaturen über TG in eine temporäre Form gebracht werden, wobei Fixierstellen entstehen, welche zur Stabilisation der temporären Form unabdingbar sind [27,53].

Auch bioabbaubare Polymere zeichnen sich durch ihre Formgedächtnis-Eigenschaften aus, z.B. bei bioabbaubarem Nahtmaterial. Bei Körpertemperatur ziehen sich die Fäden aus dem gereckten Zustand zusammen und erleichtern den Verschluss der Naht [58].

2.4 Probleme der aktuellen Stentologie

Bei der Implantation des Stents kommt es häufig zu einer Verletzung bzw. zu einem Einriss der Intima, was zu einer verstärkten Thrombenbildung und einer Entzündung im Stentbereich führt [45]. Längerfristig betrachtet führt dies zur Bildung einer erneuerten Intima die den Stent umwächst. Dies führt, trotz der erfolgreichen Implantation des Stents, zu einer Restenose durch neointimale Hyperplasie. Bei Restenosen im Stentbereich spricht man von einer In-Stent-Restenose [1,3,20,57].

Die Implantation von metallischen Stents ist nahezu immer mit einer Verletzung des Gefäßes verbunden, es kommt zu einer Endothelabschabung durch die einzelnen Stege des Stents. Ferner kommt es bei der Expansion des Ballons zu einer kurzzeitigen Überdehnung der Arterie, was zu erheblichen Schubspannungen im Gewebe führt und Einrisse in der Intima zur Folge hat. Ein weiterer Grund für die Verletzung der Gefäßwand ist die Rotation bis zu 100° die bei der Implantation entsteht. Diese Drehung lässt sich auf die Faltung der Ballone zurückführen [10,17].

Ein weiteres Problem der aktuellen Stents ist das Auftreten einer elastischen Rückdehnung (Recoil) der Arterie samt Stent nach der Dilatation des Ballons. Der Recoil ist deshalb möglichst niedrig zu halten, was den Bedarf nach steifen Materialien unterstreicht [21,44]. Ein idealer Wert für den Recoil bei metallischen und thermoplastischen Stents ist 10 %. Hierbei kommt es zu einer guten Anpassung an das Gefäß und zu einer ausreichend großen Aufweitung des Gefäßes [42,59].

Zwar werden durch die metallischen Stents ausreichend feste Stents entwickelt, birgt der metallische Werkstoff dennoch eine große Gefahr für den Körper. Durch den Kontakt mit Blut und Gewebe kommt es zur Freisetzung toxischer Reaktionsprodukte sowie zur Korrosion des Stents. Auch Allergien durch freigesetzte Ionen sind möglich [57].

3 Material und Methoden

Im Folgenden sollen zunächst kurz die Anforderungen an einen Kunststoffstent dargestellt werden und eine Kunststoffauswahl für die mögliche spätere Realisierung getroffen werden. Zudem wird mit einer FEM Simulation die Belastungssituation in einem thrombotischen Gefäß dargestellt. In einer Versuchsreihe wird außerdem der Shape-Memory Effekt genauer analysiert und diverse Prozessparameter getestet. Ziel der Versuchsreihen ist es, den Zusammenhang zwischen Schwächungen in den Probekörpern und deren Auswirkungen auf den Formgedächtnis Effekt zu untersuchen.

3.1 Anforderungen an polymere Stents und geeignete Materialien

Im folgenden Kapitel soll auf die Anforderungen an Stents eingegangen werden. Dies soll als Grundlage für die späteren Versuche und Simulationen dienen und als Richtlinien auf dem Weg zu neuen komplett polymeren Stent dienen.

3.1.1 Anforderungen an Polymerstents

Der Stent muss einerseits eine hohe Flexibilität besitzen, andererseits eine ausreichend hohe radiale Stabilität aufzeigen. Durch die hohe Flexibilität ist eine gute Anpassung an die Gefäßwand und eine erleichterte Applikation möglich. Der Stent muss problemlos den Windungen des Gefäßsystems folgen können, so dass eine Positionierung für den Arzt sehr leicht erfolgen kann. Die hohe radiale Festigkeit hingegen sichert die dauerhafte Öffnung der Arterie und führt zu einer hohen Positionstreue [43]. Durch hohe radiale Belastbarkeit wird ein elastischer Rückgang des Stents (Recoil) verhindert. Ein guter Richtwert für den Recoil ist 10 % [22,27]. Hier liegt ein guter Kompromiss zwischen sicherer Verankerung und elastischem Verhalten im Gefäß vor.

Ferner muss der Kunststoff ein gutes Ermüdungsverhalten aufzeigen. Er muss alle Belastungen dauerhaft und ohne Ermüdungsbruch aushalten. Ein Bruch des Stents hat fatale Folgen für den Patienten. Eine Explantation von Stents gestaltet sich als extrem schwierig und erfordert einen aufwendigen Eingriff [43].

Eine weitere Anforderung ist eine geringe Dicke des Stents. Dünne Stege ermöglichen eine geringe Restenoserate. Eine Anlagerung von Thromben, die durch die Implantation entstehen, kann so reduziert werden. Dünne Stege und das niedrige Profil führen zu guten rheologischen Eigenschaften, so dass ein ungehinderter Blutfluss in der ehemals verengten Stelle trotz des Stents sichergestellt ist. Ferner sollte die radiale Ausdehnung des Stents möglichst klein gehalten werden. Ziel ist es, den Einfluss der Gefäßstütze auf den Blutstrom möglichst gering zu halten und auch das Risiko der Thrombozytenaggregation zu reduzieren [42,57].

Einfluss auf die Anforderungen bzgl. Festigkeit, Flexibilität, Recoil und Positionstreue der Stents haben die folgenden Parameter:

- Werkstoff
- Länge und Durchmesser
- Design der Streben
- Dicke, Breite und Abstand der Streben
- Anzahl und Abstand der Segmente
- Art und Position der Verbindung zwischen den Segmenten

Durch die aufgeführten Parameter können die Stents je nach Bedarf und Gefäß in ihren mechanischen Eigenschaften angepasst werden.

Eine weitere wichtige Anforderung an den Kunststoff ist die Sichtbarkeit bei bildgebenden Verfahren. Dadurch ist eine genaue Positionserkennung möglich und das Implantat kann an der richtigen Stelle seine Wirkung entfalten. Im Falle von Polymerimplantaten muss mit Röntgenmarkern oder Beimischungen von Kontrastmitteln gearbeitet werden, da Kunststoffe bei bildgebenden Verfahren nur teilweise erkennbar sind [27].

[...]

Excerpt out of 93 pages

Details

Title
Untersuchungen des thermoplastischen Shape-Memory-Effekts für die vaskuläre Anwendung
College
Technical University of Munich  (Lehrstuhl für Medizintechnik)
Grade
1,3
Author
Year
2014
Pages
93
Catalog Number
V273683
ISBN (eBook)
9783656658863
ISBN (Book)
9783656658856
File size
3005 KB
Language
German
Keywords
untersuchungen, shape-memory-effekts, anwendung
Quote paper
Felix Briza (Author), 2014, Untersuchungen des thermoplastischen Shape-Memory-Effekts für die vaskuläre Anwendung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/273683

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