Byzanzrezeption in der Allerheiligen-Hofkirche in München


Hausarbeit, 2014

13 Seiten


Leseprobe


1. Die Wirkung des Goldes

„Ein Bilderbuch in Gold“ -Petra Bosetti, 20081

„Architekturerlebnis“ -Oswald Hederer, 19642

„Das erstaunlichste kirchliche Juwel, das menschlicher Verstand sich überhaupt vorstellen kann.“ -Guy de Maupassant, 18853

Die Zitate aus verschiedensten Zeitepochen machen es deutlich: byzantinische oder Byzanz-rezipierende Kirchengebäude haben seit jeher eine außerordentliche Wirkung auf ihre Besucher. So kam es am Anfang des 19. Jahrhunderts dazu, dass Ludwig I. von Bayern den Plan fasste, in seiner Heimat eine ebensolche Kirche nach byzantinischem Vorbild zu errichten. Zu dieser Zeit entwickelt sich der Historismus in Architektur und Kunst, bei dem Stilelemente vergangener Epochen wieder verwendet, vermischt, kopiert oder neu interpretiert werden. Ludwig Wamser sieht diese Neu- oder, je nach Sichtweise, Rückentwicklung als Reaktion auf die neuen zeitlichen Umstände. Mit der wachsenden Industrialisierung zeigt sich eine Umverteilung in der Gesellschaft; es entsteht eine größer werdende Arbeiterschicht, die ein demokratisches System verlangt. Nun lassen die Herrscher Gebäude errichten, die stilistisch aus Zeiten stammen, in denen eine Person, oft in Einklang mit der Kirche, von Gott gewollt, allein und unangefochten herrschte. So versuchten sie wohl „auch mit Mitteln der Kunst die alten Zustände zu erhalten oder ein Ausgleich zu schaffen“, wie es Wamser formuliert.4 Dabei entwickelte sich unter Ludwig I. zum ersten Mal eine Vorliebe für den „byzantinischen Stil“. Die Vorstellung dieses Stils unterscheidet sich jedoch in der damaligen Zeit stark von unserer heutigen, da die Bauten des heutigen Griechenlands und der Türkei noch kaum bekannt, vor allem nicht untersucht waren. Wohl bekannt waren dagegen die vom byzantinischen Reich beeinflussten Bauten in Italien, wie die Capella Palatina in Palermo. Diese besuchte Ludwig I. zur Weihnachtsmesse im Jahr 1823 auf seiner Italienreise.5 Die Wirkung dieser Kirche, mit ihrer Mosaikausstattung und Kuppelgewölben, die am Weihnachtsabend von Kerzen erleuchtet wurden, muss einen enormen Eindruck auf Ludwig gemacht haben. Besonders deutlich wird das in einem Zitat von Leo von Klenze, der später als Hofarchitekt Ludwigs I. galt und auch mit dem Bau der

neuen, von Palermo beeinflussten Kirche beauftragt wurde: „Der Goldgrund dieser Gemälde, das sonderbare, phantastische Verhältnis des Ganzen, der Rost eines ehrwürdigen Alterthums, die geschichtlichen Erinnerungen, welche sich daran knüpften, und die heilige Handlung bei mitternächtlicher Beleuchtung hatten auf den Kronprinzen so gewaltigen Eindruck gemacht, dass er nicht Worte finden konnte, mir denselben zu beschreiben.“6

2. Leo von Klenze und die Vorbereitungen

Schon der adlig anmutende Künstlername zeigt den hohen Anspruch des, nach bürgerlichen Namen, Franz Leopold Karl Klenze an der eigenen Person. Er war der Hofarchitekt Ludwig I. und beeinflusste somit stark das zu dieser Zeit entstandene klassizistische Stadtbild Münchens.7 Über Briefe und mündliche Überlieferungen ist heute viel über das Verhältnis zwischen dem König und seinem Architekten, und den Uneinigkeiten und Kompromissen bei einzelnen Bauten bekannt. Daraus entsteht das Bild des eigenwilligen Klenze, der seine Ausbildung und sein Wissen zur Architektur gern anwendet, um den König von seinen eigenen Vorstellungen etwas abzubringen und ihn zur klassizistischen Gestaltung der Bauaufträge zu überzeugen. Dies gelang, insbesondere da Klenze als Meister des Klassizismus gilt, in vielen Fällen. Bei der Allerheiligenhofkirche setzte sich jedoch der König zu den größten Teilen mit seiner ersten Vorstellung der Nachempfindung der Capella Palatina durch. So sagt auch Adrian von Buttlar, die Allerheiligenkirche sei das „einzige Beispiel, dass Klenze sich gegen seine Überzeugung mit der Wahl byzantinischer und mittelalterlicher Stilformen tatsächlich den Wünschen des Auftraggebers fügte.“8

Als nach der Weihnachtsmesse 1823 Klenze der Auftrag zu einer neuen, byzantinischen Kirche in München erteilt wurde, befand sich dieser selbst noch auf sizilianischer Expedition um die Architektur zu studieren. Später sagte er: „Um mich auf den Entwurf vorzubereiten, mußte ich nun gleich den Besuch aller alten Kirchen wiederholen und namentlich diese Kapelle mehrmals und auf das genaueste besehen“9. Zwar ist übermittelt, das auch er von der Wirkung der goldenen Mosaikflächen stark beeindruckt war, doch hat er nicht nur Lob für die altertümlichen Stilformen übrig. So spricht er von den „ungeheuren artistischen Unvollkommenheiten […] welche diesen Bauwerken des Mittelalters ankleben“ und befürchtet, dass es große Mühe kosten wird, diese „im Sinne wahrer Kunst“, also nach

Klenzes Vorstellungen, zu modifizieren10. Diesen Vorstellungen entsprach wohl die Markuskirche in Venedig am ehesten, und so zeigte er diese auch dem König auf seiner Rückreise 1824. Die verschiedenen Einflüsse der italienischen Kirchen findet man bei der Betrachtung des endgültigen Baus der Allerheiligen-Hofkirche wieder.

3. Der Kirchenbau in München

Mit der Grundsteinlegung am 2. November 1826 begann der nur bis 1837 dauernde Bau der Allerheiligenhofkirche zwischen der Residenz und dem Marstallplatz in München. Sie stellte den ersten Kirchenbau der Gegensäkularisation dar, weswegen sie wohl etwas plakativ „allen Heiligen“ geweiht wurde.11 In der letztendlichen Ausführung der Kirche, nach langem Briefverkehr zwischen dem Architekten und dem König, ist die Verschiedenheit zwischen Außen- und Innenbau beachtlich, daher werde ich hier beide zunächst getrennt voneinander beschreiben.

3. 1. Innenbau

Leider ist die Allerheiligenkirche im zweiten Weltkrieg so stark beschädigt worden, dass die Wandausschmückung im Inneren, ein Freskenzyklus von Heinrich Hess, nicht mehr restauriert werden konnte und so für uns heute nur noch von früheren Bildern und den Entwürfen nachzuempfinden ist. Der Innenraum ist durch zwei hintereinander liegende Kuppelräume, einer Vorhalle im Osten und der Apsis im Westen gebildet. Die Münchner Bürger konnten die Kirche auf dem Marstallplatz vom Osten her betreten, wogegen Ludwig I. von seiner Residenz aus direkten Zugang zu den Emporen hatte. Vom Osten tritt man in die Vorhalle, die durch Arkaden getrennt zum ersten Kuppelraum führt. Jeweils eine Bogenzone verbindet jenen ersten mit dem zweiten Kuppelraum und diesen mit der Apsis. Die Wölbung der Apsis mit ihrem schimmernden Goldanstrich bildete einen weichen Abschluss und führte den Blick aus dem Langhaus wieder zurück.12 Durch Arkadenreihen die die Emporen tragen vom Hauptschiff abgetrennt, sind schmale Seitenschiffe ausgearbeitet. Die Emporen öffnen sich zu den Kuppelräumen jeweils durch einen großen, sie überspannenden Bogen. Die Aufreihung der Kuppeln mit den seitlichen Emporen hat Klenze an das Langhaus von San Marco in Venedig angelehnt. Und doch hat der Architekt viel wesentliches von San Marco

nicht übernommen, wie den Kreuzgrundriss und die hohen durchfensterten Kuppeln, die auch in der Capella Palatina in Palermo zu sehen sind. Das Licht scheint in der Münchner Kirche durch sechzehn Hochfenster hinter den Emporen und durch die Fensterrose im Osten, sodass für den unten im Kirchenraum stehenden Besucher keine Fenster sichtbar waren und das Licht nur indirekt einfiel und durch die vergoldeten Kuppeln und den Marmorinkrustationen in den gesamten Raum weitergeleitet wurde.13 Insgesamt zeigt sich der architektonische Aufbau mit sehr klaren Formen und genauen Ausmessungen. So bildet zum Beispiel die Balustrade der Empore eine mittlere Teilung der Wand, über die dann nur die Kuppeln

[...]


1) Zitat aus: Petra Bossetti: Ein Bilderbuch in Gold, aus: http://www.artmagazin.de/architektur/8207/ cappella_palatina_palermo

2) Zitat aus: Oswald Hederer: Leo von Klenze. München 1964. Seite 282

3) Zitat aus: Bossetti, aus: http://www.art-magazin.de/architektur/8207/cappella_palatina_palermo

4) Zitat aus Die Welt von Byzanz. Europas östliches Erbe, Hrsg: Ludwig Wamser. München 2004

5) Hederer. München 1964

6) Zitiert nach: Adrian von Buttlar: Leo von Klenze. München 1999. Seite 233

7) von Buttlar. München 1999

8) Zitat aus: von Buttlar. München 1999. Seite 232

9) Zitiert nach: von Buttlar. München 1999. Seite 233

10) Zitiert nach: von Buttlar. München 1999. Seite 233

11) Hederer. München 1964

12) Hederer. München 1964

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Byzanzrezeption in der Allerheiligen-Hofkirche in München
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Autor
Jahr
2014
Seiten
13
Katalognummer
V273697
ISBN (eBook)
9783656660194
ISBN (Buch)
9783656699606
Dateigröße
747 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
byzanzrezeption, allerheiligen-hofkirche, münchen
Arbeit zitieren
Lisa Wossal (Autor:in), 2014, Byzanzrezeption in der Allerheiligen-Hofkirche in München, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/273697

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