Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Debatte um eine mögliche Relativierung des absoluten Folterverbots im Rechtsstaat durch eine diskutierte Einführung der Rettungsfolter in Ausnahmefällen.
In Zeiten des internationalen Terrorismus und Fällen von Geiselnahmen, bei denen das Leben unschuldiger Menschen bedroht ist, kommen im modernen Rechtsstaat Forderungen nach einer möglichen Relativierung oder Aufweichung des absoluten Folterverbots von Tätern in bestimmten Einzelfällen auf.
Durch die dem Täter der Entführung eines elfjährigen Jungen angedrohte Folter des Frankfurter Polizeipräsident Wolfgang Daschner zum Erfahren des Aufenthaltsortes des Entführten entzündete sich eine Debatte um das Tabu Folter im Rechtsstaat. Daschner und seine Kollegen befanden sich damals zweifelsohne in einem moralischen Dilemma. Was für rechtliche Möglichkeiten hätte es gegeben, dem schweigenden Täter den Aufenthaltsort des Jungen zu entlocken? Hätten diese ausgereicht oder waren diese bereits gänzlich ausgeschöpft? Hätte die Polizei den Aufenthaltsort des Jungen erfahren können, ohne dem Täter körperlichen Zwang anzudrohen? Folglich stand der damalige Polizeipräsident unter einem extremen moralischen Druck und Handlungs- Entscheidungsdruck, da es letztlich um das Leben eines Kindes ging. Legitimiert diese „Ausnahmesituation“ moralisch und rechtlich die Androhung körperlichen Zwangs?
Ein ähnliches Szenario wäre auch mit terroristischem Hintergrund denkbar, zum Beispiel, wenn ein Terrorist Geiseln festhält oder eine Bombe versteckt, mit dem Potenzial, möglicherweise hunderte Menschen zu ermorden.
Aktuelle Ereignisse in den Gefängnissen des Europarats-Mitglieds Georgien veranlassen zudem zur Sorge um die rechtsstaatliche Praxis mancher europäischen Staaten. Videos aus einem georgischen Gefängnis zeigen, wie wehrlose Häftlinge scheinbar systematisch von Wärtern gefoltert und vergewaltigt werden. (Tagesschau.de vom 20.09.2012)
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Begriffsumrahmungen
- Folter
- Terrorismus
- Ticking-Bomb-Szenario
- Folter im Notfall? — Zur Betrachtung von Folter im Rechtsstaat
- Folter und Europarat
- Schlussbetrachtung
- Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit analysiert die Debatte um eine mögliche Relativierung des absoluten Folterverbots im Rechtsstaat durch die Einführung der Rettungsfolter. Sie untersucht, ob Folter in bestimmten Ausnahmefällen, wie dem „Ticking-Bomb-Szenario", zur Gefahrenabwehr gerechtfertigt sein könnte.
- Das absolute Folterverbot im Rechtsstaat
- Die Rechtfertigung von Folter in Ausnahmefällen
- Die Rolle des Europarats im Kampf gegen Folter
- Die Auswirkungen von Folter auf die Menschenwürde
- Die Bedeutung des Rechtsstaates im Kontext der Terrorismusbekämpfung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet die aktuelle Debatte um das Folterverbot im Kontext des internationalen Terrorismus und stellt den Fall des Frankfurter Polizeipräsidenten Wolfgang Daschner vor, der dem Entführer eines Kindes Folter androhte. Die Arbeit analysiert die rechtlichen und moralischen Aspekte dieser Debatte und untersucht die Rolle des Europarats im Kampf gegen Folter.
Im Kapitel „Begriffsumrahmungen" werden die Begriffe Terrorismus, Folter und „Ticking-Bomb-Szenario" genauer definiert. Folter wird als die Ausübung von körperlichem Zwang oder seelischem Druck auf eine Person mit dem Ziel, ein Geständnis zu erlangen, definiert. Terrorismus wird als die systematische Ausübung von Gewalt gegen gesellschaftliche Gruppen mit politischen Zielen beschrieben. Das „Ticking-Bomb-Szenario" beschreibt eine hypothetische Extremsituation, in der ein Terrorist eine Bombe platziert hat, die das Leben von Menschen bedroht und nur er den Aufenthaltsort der Bombe kennt. In diesem Fall könnte nach Brugger körperlicher Zwang, „Rettungsfolter", gerechtfertigt sein, um vom Täter lebensrettende Informationen zu erlangen.
Das Kapitel „Folter im Notfall? — Zur Betrachtung von Folter im Rechtsstaat" analysiert die Argumente von Wilfried Brugger, der eine begrenzte Relativierung des Folterverbots im Ausnahmefall befürwortet. Brugger argumentiert, dass das Leben des Opfers im Falle einer Geiselnahme oder eines „Ticking-Bomb-Szenarios" dem Leben des Täters überwiegt und der Staat verpflichtet ist, das Leben seiner Bürger zu schützen. Er vergleicht die Folter mit dem „finalen Rettungsschuss" und schlägt Kriterien vor, die erfüllt sein müssen, damit Folter gerechtfertigt sein könnte.
Heiner Bielefeld hingegen vertritt die Auffassung, dass eine Relativierung des Folterverbots mit dem Rechtsstaat unvereinbar ist. Er argumentiert, dass eine Ausnahme vom Folterverbot einen Präzedenzfall schaffen würde, der zu einer „Zone des Sonderrechts" führen könnte. Bielefeld warnt vor der Gefahr, dass Folter als Mittel der Informationsgewinnung zu einer „Zone staatlicher Willkür im Dienste der Sicherheit" führen könnte.
Das Kapitel „Folter und Europarat" beleuchtet die Rolle des Europarats im Kampf gegen Folter. Der Europarat hat Institutionen wie den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) und das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter (CPT) geschaffen, um die Menschenrechte in den Mitgliedsstaaten zu schützen. Der EGMR ist für die Überwachung des Folterverbots zuständig und die Bürger können Individualbeschwerden gegen die Verletzung von Menschenrechten einreichen. Das CPT führt regelmäßige Besuche in Haftanstalten und psychiatrischen Kliniken durch, um die Situation der Häftlinge zu überprüfen und Empfehlungen zur Verbesserung der Haftbedingungen zu geben.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen Folter, Rechtsstaat, Terrorismus, „Ticking-Bomb-Szenario", Menschenwürde, Europarat, Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), Europäisches Komitee zur Verhütung von Folter (CPT), Rettungsfolter, Gefahrenabwehr, Präzedenzfall, Feindstrafrecht, Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte, individuelle Rechte, staatliche Gewalt.
- Citation du texte
- Tobias Molsberger (Auteur), 2012, Ticking-Bomb-Szenario: Ist Folter im Rechtsstaat zulässig?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/273730