Fehlende Perspektiven der jungen Londoner Migrantenschicht als Auslöser der Ausschreitungen im Jahr 2011?


Seminararbeit, 2014

15 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhalt

Einleitung
Hintergründe der Arbeit

1. Blick auf die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für Migranten
1.1. London als Integrationsmaschine
1.2. Bildungsperspektiven für junge Migranten in Großbritannien
1.3. Situation in den Sozialvierteln

2. London als Hotspot der organisierten Bandenkriminalität und frühere Ausschreitungen

3. Die Unruhen in Großbritannien im August 2011
3.1. Vorgeschichte
3.2. Erste Ausschreitungen und Ausbreitung
3.3. Bilanz der Ausschreitungen
3.4. Die Rolle der sozialen Netzwerke

4. Reaktionen und Maßnahmen in Großbritannien
4.1. Reaktionen der Regierung und Sicherheitspolitik
4.2. Juristische Verfolgung der Beteiligten und Bandenbekämpfung

5. Persönliche Einschätzung und Zukunftsaussichten

Einleitung

Hintergründe der Arbeit

4. August 2011, London: Einheiten der Londoner Polizei bewegen sich im Problemviertel Tottenham. Es handelt sich um einen Einsatz im Rahmen der organisierten Bandenkriminalität, welche in diesem Stadtteil seit Jahrzehnten floriert. Kriminelle Gruppierungen aus Kulturen aus aller Welt treffen hier aufeinander, weshalb Tottenham als eines der Zentren der Bandenkriminalität Londons gilt. Kurz darauf liegt ein 29-jähriger blutüberströmt am Boden – getroffen von der Kugel aus der Waffe eines Polizisten. Die anfängliche Argumentation der Londoner Polizei, der Schütze habe aus Notwehr gehandelt, wird kurz darauf widerlegt. Der Tod von Mark Duggan ist der Ausgangspunkt für eine Serie von gewalttätigen Ausschreitungen in ganz Großbritannien, welche auf der ganzen Welt erhebliche mediale Aufmerksamkeit erreichte und den Tod von fünf Menschen zur Folge hatte. Da die Beteiligten an den tagelangen teils bürgerkriegsähnlichen Zuständen zumeist weder einen politischen noch einen ideologischen Hintergrund hatten, versuche ich zu Beginn der Arbeit die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für junge Migranten in Großbritannien sowie den Einfluss der organisierten Bandenkriminalität auf die Unruhen zu erörtern. Nur so ist es möglich zu verstehen, wie es zu einer derart gewalttätigen Eskalation wie im August 2011 kommen konnte.

Der ausschlaggebende Beweggrund zur Anfertigung dieser Arbeit war die gesellschaftliche Debatte im Jahr 2011, ob derartige Ausschreitungen auch in der Bundesrepublik möglich wären. Der Berliner CDU-Politiker Frank Henkel warnte beispielsweise in einem Interview, dass es auch in der Bundeshauptstadt Stadtteile gebe, in denen Migranten ohne Zukunftsperspektive sowie gewaltbereite Jugendliche leben würden.[1] Rainer Wendt, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), sorgte für Aufsehen, als er bemerkte, dass es in deutschen Großstädten wie Hamburg und Berlin eine ähnlich explosive Mischung wie in Großbritannien gebe, die vor allem durch Verachtung gegenüber dem Staat sowie sozialer Ausgrenzung einzelner Bevölkerungsschichten verursacht würde.[2] Der damalige Innenminister Hans-Peter Friedrich (CDU) widersprach dem jedoch und sagte: „Solche gesellschaftlichen Spannungen wie aktuell in England oder in anderen europäischen Ländern haben wir glücklicherweise derzeit nicht.“[3]

1. Blick auf die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für Migranten

1.1. London als Integrationsmaschine

Besonders das Aufeinandertreffen und Miteinander von Kulturen aus aller Welt hat großen Einfluss auf den einzigartigen Charme der britischen Hauptstadt. Weltoffenheit, Vielfalt und Toleranz werden hier besonders in den Fokus des Stadtlebens gestellt. Eine Volkszählung ergab, dass 2,2 Millionen Londoner ursprünglich aus anderen Nationen stammen. Menschen aus über 150 Ländern leben hier miteinander, zudem werden über 300 verschiedene Sprachen gesprochen.[4] Durch das harmonische Zusammenleben von Menschen aus verschiedensten Ländern wird den Londoner Bürgern die Möglichkeit geboten, die individuellen Eigenschaften, Bräuche und Sitten der in London vertretenen Kulturen zu erforschen.

Die größte ethnische Minderheit in London stellt die Bevölkerung aus Indien mit 347.091 Menschen dar, welche vor allem im Zeitraum der späten 60er-Jahre nach London einwanderte. Der Großteil der in London ansässigen Inder lebt in den äußeren Stadtbezirken wie Brent oder Harrow. Die zweitgrößte ethnische Minderheit in London stellen die Menschen aus der Karibik dar, welche zum Großteil zwischen 1955 und 1964 einwanderten. Laut der letzten Volkszählung im Jahr 1991 leben 290.968 Kariber in London. Sie leben hauptsächlich in Sozialwohnungen in den Innenbezirken Londons wie Paddington. Beispiel die dominikanisch dominierten Gebiete um Paddington, die montserratischen um die Liverpool Street und die jamaikanischen südlich der Themse.[5]

Jedoch gibt es durchaus kritische Stimmen, welche ein Ende der Zuwanderung fordern und die Ausweisung von Migranten fordern, welche sich illegal im Land aufhalten. Es kann davon ausgegangen werden, dass sich derzeit eine fünfstellige Zahl von illegalen Einwanderern in London aufhalten. Wütende Reaktionen löste beispielsweise eine Kampagne des britischen Innenministeriums aus, welche mit Plakaten beklebte Kleinbusse in sechs Londoner Viertel schickte. Auf den Plakaten war abgebildet, wie viele illegale Einwanderer in den verschiedenen Vierteln bereits festgenommen wurden. Zudem waren die Busse mit dem Aufruf „Illegal im Vereinigten Königreich? Geh nach Hause oder rechne mit Festnahme.“ versehen. Illegale Einwanderer sollten mit der kostengünstigen Kampagne bewogen werden, eine Nachricht mit dem Wort „Home“ an eine Nummer zu versenden, damit anschließend die Ausreise in ihr Heimatland eingeleitet werden kann.[6]

1.2. Bildungsperspektiven für junge Migranten in Großbritannien

Die erfolgreiche Eingliederung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund hat einen wesentlichen Einfluss auf die Integration in eine Gesellschaft, da ein erfolgreicher schulischer Werdegang für den weiteren Lebensweg ausschlaggebend ist. In vielen Staaten, darunter auch Deutschland, bestehen erhebliche schulische Leistungsunterschiede zwischen einheimischen Kindern und Kindern aus Migrantenfamilien. Dies ist vor allem auf Sprachbarrieren zurückzuführen, da betroffene Schüler aufgrund von mangelhaften Sprachkenntnissen nicht dem Unterrichtsgeschehen folgen können. Verglichen mit der Situation in Deutschland gelingt es jungen Migranten in Großbritannien jedoch wesentlich besser, nach Absolvierung der Schullaufbahn einen Bildungsabschluss zu erreichen. Es darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass für Kinder aus Einwandererfamilien der Zugang zu angesehenen Schulen nur schwer möglich ist, da die Eltern die oft hohen Gebühren nicht finanzieren können.

Betrachtet man den Anteil von Migranten an britischen Schulen im Jahr 2007, weisen 723.130 Kinder in der Primary School einen Migrationshintergrund vor, was einem prozentualen Anteil von 21,9 % entspricht. Die Primary School kann in etwa mit der deutschen Grundschule verglichen werden. Im Bereich der Sekundarschulen, welche in etwa den deutschen Gymnasien und Mittelschulen entsprechen, gehören 578.170 Jugendliche (17,7 %) einer ethnischen Minderheit an.[7] Einen wichtigen Faktor für das gute Abschneiden von Migranten an britischen Schulen stellt die Strategie des Ethnic minority achievment dar. Ziel dieser Strategie ist es, unter dem Motto „The secret of education lies in respecting the pupil“ gute Leistungen durch Lob und Anerkennung in den Schulen zu erreichen. Hinzu kommt, dass die Schulen durch Fachkräfte des Ethnic Minority Achievement Service (EMAS) bei ihrem Integrationsauftrag unterstützt werden, etwa bei der Bewältigung von Sprachproblemen bei Gesprächen mit den Eltern von Schülern.[8]

1.3. Situation in den Sozialvierteln

London gilt als eine der teuersten Metropolen der Welt. Besonders im Westen der Stadt ist es beliebt, sein Geld in Form von Immobilien anzulegen. Menschen aus aller Welt sehen es als besonders lukrativ an, Wohnungen und Häuser in Vierteln wie Chelsea oder Kensington anzulegen. Auch das Leben in der Londoner Innenstadt ist aufgrund der hohen Mietkosten für Menschen aus der Mittelschicht und Geringverdiener kaum noch zu finanzieren.

Die Folge ist, dass diese Menschen das Zentrum verlassen und sich in bezahlbaren Vierteln niederlassen müssen. Dadurch entsteht ein Problem, welches vielen Menschen vor allem aus amerikanischen Metropolen bekannt ist: Die Isolation einzelner Bevölkerungsschichten in einem bestimmten Stadtgebiet. Vielen Menschen ist dieser Prozess teils auch als „Ghetto-Bildung“ bekannt, bei dem Menschen aus der einkommensschwachen Schicht in einem abgegrenzten Gebiet zusammenleben. Folgen dieser Entwicklung sind beispielsweise ein geringerer sozialer Zusammenhalt innerhalb der Gesellschaft und einer oft mit einhergehenden Stigmatisierung der segregierten Schicht.

[...]


[1] ntv.de(13.08.2011): „US-Experte hilft gegen Gangs“

[2] handelsblatt.de (10.08.2011): „Angst vor England-Randale erreicht Deutschland“

[3] welt.de (10.08.2011): „Polizei warnt vor sozialen Unruhen in Deutschland“

[4] augsburger-allgemeine.de (27.05.2012): „London – Die Welt in einer Stadt“

[5] geographie.uni-erlangen.de: „Ethnische Minderheiten – Die räumliche Verteilung in London“

[6] zeit.de (29.07.2013): „Großbritannien rechtfertigt Angstkampagne“

[7] Internationale CBP-Recherche: Integration braucht faire Bildungschancen, S. 1

[8] goethe.de (2008): „Integration durch Bildung)

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Fehlende Perspektiven der jungen Londoner Migrantenschicht als Auslöser der Ausschreitungen im Jahr 2011?
Note
1
Autor
Jahr
2014
Seiten
15
Katalognummer
V273775
ISBN (eBook)
9783656665731
ISBN (Buch)
9783656665717
Dateigröße
508 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Riots London, Ausschreitungen, Migranten, London, Riots 2011, Tottenham
Arbeit zitieren
Michael Hutter (Autor:in), 2014, Fehlende Perspektiven der jungen Londoner Migrantenschicht als Auslöser der Ausschreitungen im Jahr 2011?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/273775

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