Bühler, Flusser, Habermas und die Besonderheiten der virtuellen Kommunikation

Kollektive Gruppenarbeiten im Zeitalter des Internets


Term Paper, 2014

33 Pages, Grade: 1,3


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Inhalt

1. Einleitung

2. Was ist Kommunikation
2.1. Definition Kommunikation
2.2. Das Organonmodell von Karl Bühler
2.3. Das Stufenmodell der Kulturgeschichte von Vilém Flusser
2.4. Die Theorie des kommunikativen Handelns von Jürgen Habermas

3. Kommunikation in virtuellen Gemeinschaften
3.1. Definition Virtuelle Gemeinschaft
3.2. Virtuelle Gruppenkommunikation
3.3. Charakteristika virtueller Kommunikation
3.3.1. Virtuelle Kommunikation und sozialer Kontext
3.3.2. Schriftlichkeit
3.3.3. Soziale Präsenz

4. Kollaborative Gruppenarbeiten
4.1. Der Begriff des kollaboratives Arbeitens
4.2. Vor- und Nachteile kollaboratives Arbeitens
4.3. Medienwahl und kollaboratives Arbeiten

5. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Als in den 1990er Jahren das Internet durch die Einführung des World Wide Web begann, für die breite Maße nutzbar zu werden, war es zunächst noch nicht viel mehr als eine riesige, wachsende Datenbank, die die Suche und das Finden von Informationen erleichtern sollte. Im Windschatten des WWW entwickelten sich allerdings schon früh virtuelle Gemeinschaften, die sich beispielsweise über Mailinglisten organisierten. In den folgenden Jahren kamen dann immer neue Möglichkeiten der Netzkommunikation hinzu und mit dem Wachsen des Internets wuchs auch die allgemeine Bedeutung computergestützter Kommunikation. (Tippe, 2001, S.1) Während das Internet zunächst vor allem als Möglichkeit zur Informationsbeschaffung fungierte, dient es heute immer stärker dem aktiven computergestützten Lernen über große Distanzen und unabhängig von zeitlichen Restriktionen. Online Angebote nehmen stetig zu, gleichzeitig differenzieren sich die Angebote und Arten, wie gelernt werden kann und soll, immer mehr aus (bspw. an Universitäten oder in Unternehmen). (Capdeferro & Romero, 2012, S. 27, Oehl et al., 2010, S. 3774) Daraus ergeben sich aus bildungswissenschaftlicher Perspektive eine Vielzahl relevanter Fragen, die vor allem darauf zielen, herauszuarbeiten unter welchen Bedingungen und Faktoren, bestmögliche Lernerfolge für alle Beteiligten erreicht werden können.

Eine Vielzahl an Kommunikationstheorien entstanden zu einer Zeit mehr oder weniger analoger Kommunikation. Dementsprechend wichtig ist es, deren Anschlussfähigkeit für Fragen computergestützter Kommunikation kritisch zu betrachten und gegebenenfalls ins digitale Zeitalter zu überführen. Im Rahmen des Moduls 2 (Bildungswissenschaftliche) Voraussetzungen für den Einsatz von neuen Lehr-Lernformen an der Fernuniversität Hagen sollen zunächst die Besonderheiten virtueller Gruppenkommunikation erarbeitet und diese im Anschluss auf der Grundlage wesentlicher Aspekte der Kommunikationstheorien von Habermas, Bühler und Flusser in ihren Konsequenzen für kollaborative Gruppenarbeiten analysiert werden.

Zu Beginn der Arbeit wird der Begriff der Kommunikation näher definiert, bevor die wesentlichen Aspekte der Kommunikationstheorien von Habermas, Bühler und Flusser herausgearbeitet werden. Im zweiten Teil folgt dann eine Betrachtung virtueller Gruppenkommunikation. Hier wird u.a. herausgestellt, was unter virtueller Kommunikation und virtueller Gemeinschaft zu verstehen ist. Im Anschluss werden die wesentlichen Merkmale virtueller Kommunikation herausgearbeitet und in Bezug zu den Kommunikationstheorien des ersten Teils der Arbeit gesetzt. Im letzten Teil wird dann der Bereich der kollaborativen Gruppenarbeit, deren Vor- und Nachteile etc. betrachtet, bevor ein kurzes Fazit folgt. Im Rahmen dieser Arbeit werden die Begriffe virtuelle und computergestützte Kommunikation ebenso synonym verwendet, wie die Begriffe virtuelle Gruppe und virtuelle Gemeinschaft.

2. Was ist Kommunikation?

Kommunikation ist allgegenwärtig im menschlichen Leben und findet täglich in den unterschiedlichsten Formen statt. Man kann sich ihr nicht entziehen oder anders ausgedrückt kann man – wie Watzlawick feststellt – nicht nicht kommunizieren: "Man kann nicht nicht kommunizieren, denn jede Kommunikation (nicht nur mit Worten) ist Verhalten und genauso wie man sich nicht nicht verhalten kann, kann man nicht nicht kommunizieren."(Watzlawick, Beavin & Jackson, 2000, S. 53)

Die Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex Kommunikation erfolgt interdisziplinär. Wie der Begriff Kommunikation definiert wird, ist zudem abhängig von der eingenommenen Perspektive. 1972 konnte Carl Graumann eine Vielzahl sich unterscheidender Begriffsbestimmungen herausarbeiten, bevor Klaus Merten 1977 bereits 160 verschiedene Definitionen zählte. Es ist anzunehmen, dass sich diese Zahl – u.a. durch die Entwicklung und Ausbreitung des Internets – bis heute noch deutlich erhöht hat. (Reichertz, 2009, S. 82, Boos, 2009, S. 15, Merten, 1977, S. 168ff., Beck, 2013, S.155)

Im folgenden Kapitel soll nun zunächst eine klare Arbeitsdefinition herausgearbeitet werden, die die wesentlichen Merkmale der Kommunikation verdeutlicht.

2.1. Definition Kommunikation

Kommunikation leitet sich vom lateinischen Wort communicatio ab und bedeutet Mitteilung, Verbindung, Zusammenhang, Verkehr, Umgang und Verständigung (zwischen Menschen). Nach Röhner und Schütz (2012) kann Kommunikation in unterschiedlichen Formen auftreten, diese können face to face (also von Angesicht zu Angesicht) bis zur computervermittelten Kommunikation (im Folgenden kurz CvK) reichen und dabei sowohl verbal wie auch non-verbal sein. (Röhner & Schütz, 2012, S. 2, S. 86, Boos, 2009, S. 26)

Kommunikation benötigt – und hierin stimmt ein Großteil der Definitionen überein – grundsätzlich einen Sender und einen Empfänger, die über einen Kommunikationskanal (Medium) Mitteilungen bzw. Informationen transportieren. Der Kommunikationskanal kann, ebenso wie die Mitteilung an sich, unterschiedliche Formen annehmen. Im Kommunikationsprozess bedarf es zudem der Fähigkeit der beteiligten Akteure zum Ver- und Entschlüsseln. (Röhner & Schütz, 2012, S. 4, Boos, 2009, S. 14) Nach Boos (2009, S. 14) benötigt Kommunikation die Interaktion mindestens zweier Lebewesen, die eine Absicht verfolgen. Ebenso sieht es Burkhart (2002, S. 61ff.), der Kommunikation als wechselseitig aufeinander gerichtetes soziales Handeln versteht, das intentional erfolgt und durch Medien vermittelt wird. An dieser Stelle könnten Dutzende weiterer Definitionen Nennung finden, die den Begriff, abhängig von der eingenommenen Perspektive, um verschiedenste Aspekte zu erweitern in der Lage wären. (vgl. Röhner & Schütz, 2012, S. 6) Um eine klare Arbeitsdefinition zu erhalten, soll sich an dieser Stelle allerdings auf die genannten elementaren Kennzeichen beschränkt und Kommunikation als intentionales, stets medienvermitteltes und wechselseitig aufeinander gerichtetes soziales Handeln verstanden werden.

2.2. Das Organonmodell von Karl Bühler

Nach Karl Bühler (1879 – 1963) ist Kommunikation „als ein sozialer Prozess aufzufassen, an dem mindestens zwei Menschen beteiligt sind, die mittels Zeichen, Medien und Sprache in ein wechselseitiges Mitteilungs- und Verständigungshandeln eintreten, um sich aktuell aneinander zu orientieren, etwas Bestimmtes zu erreichen oder gemeinsam auf ein zukünftiges Ziel hin tätig zu sein“. (Bühler, 1982, S. 35). Bühler befasste sich mit der Entwicklung und dem Ursprung der menschlichen Sprache und arbeitete in seinem 1934 erschienen Werk Sprachtheorie das Organonmodell heraus. (Krallmann & Ziemann, 2001, S. 47) Bühler sieht Sprache nicht als bloßes Instrument des Menschen, sondern in Anlehnung an Platon als Werkzeug der menschlichen Kommunikation. Sprache stellt für ihn das Organon, das sinnlich Wahrnehmbare dar. (Bühler, 1934, S. 32) Um die Sprache als konkretes Schallphänomen herum, befinden sich die grundlegenden Komponenten Sender (Zeichengeber), Empfänger (Zeichennehmer) sowie Dinge und Sachverhalte. Letztere sind es, über sich Sender und Empfänger austauschen wollen oder müssen. Der Austausch ist wiederum nur über die Sprache möglich, die er als „zweckbestimmtes, zweckhaft geformtes und formendes „Gerät““ sieht. (Hoffmann, 2012, S. 13) Nach Bühler (1965, S. 28) fungiert Sprache – als konkretes Schallereignis – mittels dreier Dimensionen als Zeichen. (Hoffmann, 2012, S. 13) Sprache bzw. Sprachzeichen sind Symbole, die Gegenständen und Sachverhalten zugeordnet werden können. Sie dienen dem Darstellen und Beschreiben eines Sachverhaltes und erfüllen so ihre Darstellungsfunktion. Das Sprachzeichen ist nach Bühler zudem Symptom, da es den Zustand des Sprechers (Gefühle, innere Befindlichkeiten des Senders) ausdrückt. Aufgrund des Kundgebens wird dem Zeichen eine Ausdrucksfunktion zugeordnet. Es fungiert darüber hinaus als Signal, in dem es einen Appell an das äußere oder innere Verhalten des Empfängers richtet und erfüllt hier seine Appellfunktion. (Reimann, 2011, S. 8, Hoffmann, 2012, S. 12ff.) Diese Funktionen sind in jeder Kommunikationssituation vorzufinden, variieren allerdings in ihrer Ausprägung, je nachdem, welche Bezugsgröße (Sender, Empfänger oder Gegenstand) in einer Kommunikationssituation dominant ist. (Bühler, 1934, S. 32)

Bühler verdeutlicht in seinem Modell drei wesentliche Punkte: (1) Kommunikation besitzt immer eine soziale Komponente bzw. eine soziale Rahmung, da mindestens ein Sprecher und ein Empfänger miteinander interagieren; (2) Kommunikation besitzt einen Prozesscharakter, der darin deutlich wird, dass die Beteiligten versuchen, sich gegenseitig zu beeinflussen, zu steuern und sich aneinander zu orientieren, mit dem Ziel „etwas Bestimmtes zu erreichen oder gemeinsam, auf ein zukünftiges Ziel hin, tätig zu sein“ (Bühler, 1982, S. 35) Bühler setzt ein angemessenes Verhalten der Gesprächspartner, eine vorhandene Verstehensabsicht und ein Handlungsziel voraus. (Hunscha, 2003, 6ff.) und (3) die Zeichenhaftigkeit der Sprache, die als vom Menschen erschaffendes Symbolsystem als Werkzeug des gegenseitigen Verstehens anzusehen ist. (Krallmann & Ziemann, 2001, S. 47ff., Bühler, 1934, S. 155, Klein, 1984, S. 123)

2.3. Das Stufenmodell der Kulturgeschichte von Vilém Flusser

„Der Zweck der menschlichen Kommunikation ist, uns den bedeutungslosen Kontext vergessen zu lassen, in dem wir vollständig einsam und incommunicado sind, nämlich jene Welt, in der wir in Einzelhaft und zum Tode verurteilt sitzen: die Welt der ,Natur’.“ (Flusser, 2003, S. 10)

Flusser versucht in seinem Stufenmodell der Kulturgeschichte mittels eines fünfstufigen Kulturmodell der Medien „die `Entfremdung´ des Menschen vom Konkreten zum Abstrakten zu erfassen". (Kook & Spahr, 2007, S. 78) Demnach verändern sich im Laufe der Evolution die vom Menschen genutzten Medien. Flusser stellt in seinem Modell einen direkten Zusammenhang zwischen der Entwicklung des Menschen zum Homo Sapiens und dem technischen Fortschritt her. Auf der ersten Stufe seines Modells sieht Flusser den Menschenaffen, der sich nicht von seiner unmittelbaren und direkten Umwelt abhebt – sich also noch nicht als Subjekt wahrnimmt. (Fallenbeck, 2006, S. 4) Flusser spricht von einer vierdimensionalen Raumzeit, die als Erlebniswelt zwar unmittelbar wirkt, aber nicht reproduziert werden kann. (Ströhl, 2010, S. 146) Diese erste Stufe als Stufe des konkreten Erlebens, stellt die einzige nicht medial geprägte in der Menschwerdungsgeschichte dar. (Kook & Spahr, 2007, S. 78) Die zweite Stufe ist durch das bewusste Anfassen dreidimensionaler Dinge geprägt, der Mensch entdeckt die Funktionalität der Hände, trennt sich erstmals als Subjekt vom Objekt und beginnt zwischen sich und seiner Umwelt zu unterscheiden. (Ströhl, 2010, S. 147, Kook & Spahr, 2007, S. 78, Heibach, 2000, S. 39) Auf diese Stufe folgt die Stufe der traditionellen Bilder, in der erste mediale Eindrücke vermittelt werden. Der Mensch ist in der Lage erste zweidimensionale Abbildungen seiner Umwelt anzufertigen und Elemente dieser Umwelt in Beziehung zu setzen. (Fallenbeck, 2006, S. 10, Heibach, 2000, S. 39, Ströhl, 2010, S. 147) Nach Flusser (2005, S. 26) entsteht mit der Erfindung linearer Codes (z.B. das Alphabet) ein historischen Bewusstseins. Die vierte Stufe kann als Stufe der Schriftkultur bezeichnet werden, deren Eindimensionalität noch heute die Kultur prägt. Bilder können nun mittels einer weiteren Abstraktion – der Schriftsprache – beschrieben werden. (Flusser, 2008, S. 29) Die letzte Stufe der Entwicklung stellt die Stufe der technischen Bilder dar. Diese Bilder sind nulldimensional und bestehen aus ,,komputierte[n] Punktelemente[n]” (Pixeln). (Flusser, 1991, S. 147). Sie unterscheiden sich von den zweidimensionalen Bildern, dass sie wie Texte gelesen werden müssen. Menschen nutzen auf dieser Stufe Apparate bzw. Medien (die sie in ihrer Funktionalität nicht verstehen) als Informationsträger. (Heibach, 2000, S. 39ff.) Zentral für dieses Stufenmodell ist, dass auf jeder Stufe eine weitere Abstraktionsebene auftritt und eine fortschreitende Konkretisierung ermöglicht. (Flusser, 2008, S. 29) Nach Flusser bauen die gesamte menschliche Gesellschaftsstruktur und die darin eingebettete Kultur auf einem Zusammenspiel von Diskurs und Dialog (die er beide weiter differenziert) auf. Mittels des Dialogs gelingt es, dass „Informationen, die in zwei oder mehreren Gedächtnissen gelagert sind, ausgetauscht werden, um zu neuen Informationen zu führen". (Flusser, 2008, S. 38ff.) Ohne Dialog entstehen keine neuen Informationen, es ist zudem vonnöten, dass die Informationen der Gesprächsteilnehmer nicht zu weit aus- noch zu nah beieinander liegen. Nach Ströhl (2010, S. 22) gelingt die Synthese neuer Informationen durch die dialogische Verknüpfung bereits erworbener Informationen. Die dabei verarbeiteten Informationen müssen hierzu in einem Speicher bzw. Gedächtnis (menschlich oder künstlich) vorhanden sein. Der Diskurs ist nach Flusser notwendig, damit die im Dialog ausgetauschten Informationen Verbreitung finden können. Hier wird deutlich, dass Kommunikation bei Flusser nur durch ein Zusammenspiel von Dialog und Diskurs funktionieren kann. (Flusser, 2008, S. 39, Flusser, 1990, S. 67) Beide – Diskurs wie Dialog – kommen meist in Mischform vor, so dass ein Diskurs zum Dialog werden kann. ( Flusser, 2003, S. 16f.)

Flusser unterscheidet in diskursive und dialogische Medien. Erstere vermitteln Informationen ausschließlich vom Sender zum Empfänger. Charakteristisch ist in diesem Zusammenhang, dass der Empfänger – will er selbst zum Sender der Information werden – zunächst ein anderes Medium wählen muss. (Flusser, 1998, S. 274) Dialogische Medien gewährleisten nach Flusser (1998, S. 286f.) einen Informationsaustausch zwischen den Beteiligten, von denen jeder jede Rolle (Sender bzw. Empfänger) übernehmen kann. Die Möglichkeit des Antwortenkönnens wird so zu einem wesentlichen Unterscheidungsmerkmals diskursiver und dialogischer Medien. (Flusser, 1998, S. 274)

2.4. Die Theorie des kommunikativen Handelns von Jürgen Habermas

Jürgen Habermas beschäftigt sich in seiner Theorie des kommunikativen Handelns mit der Frage, wie das soziale Zusammenleben von Menschen möglich ist. Die Antwort liegt für Habermas in der Vision eines herrschaftsfreien Diskurses, in dem ausschließlich der „zwanglose Zwang des besseren Arguments“ wirkt. (Habermas, 2009, S. 144, S. 211, vgl. Habermas, 1981) Nach Koller (2009, S. 339) und Celikates (2010, S. 272ff.) überzeugt die Kraft des besseren Argumentes den Hörer wahrhaftig von der Richtigkeit des Gesagten ohne (sprachliche) Gewalt auszuüben, zu manipulieren oder in anderer Form den Gegenüber rhetorisch zu überwältigen. Habermas unterscheidet mit dem kommunikativen Handeln und dem kommunikativen Diskurs zwei Formen der Kommunikation. (Habermas, 1971, S. 114)

Kommunikation kann nach Habermas zudem auf verschiedene Art und Weise erfolgen, sie kann verbal, non-verbal und leibgebunden sein. Unter non-verbaler Kommunikation werden Intentionen und Handlungen eines Menschen verstanden, während leibgebundene Kommunikation aus Mimik und Gestik etc. besteht. In der Alltagskommunikation erheben die handelnden Subjekte mit jeder Äußerung verschiedene (implizite) Geltungsansprüche, die dem Gesagten unterstellen, dass es wahr, normativ richtig und subjektiv wahrhaftig ist. (vgl. Habermas, 1984, Celikates, 2010, S. 274, Kempf, 2012, S. 26) Der Geltungsanspruch der Verständlichkeit wird mittlerweile als vorausgesetzt angesehen, da er die Grundlage dafür bildet, ob die übrigen Ansprüche überhaupt erhoben und ggf. auch wieder in Frage gestellt werden können. Nach Schneider (2009, S. 185, S. 196) und McCarthy (1989, S. 331) verlassen die Individuen die Ebene des kommunikativen Handelns erst dann, wenn einer oder mehrere Geltungsansprüche in Frage gestellt werden. An die Stelle des kommunikativen Handelns tritt nun der Diskurs. In diesem werden die problematisierten Geltungsansprüche auf ihre Einlösbarkeit geprüft. Am Ende des kommunikativen Diskurses steht für Habermas dann der Konsens – resultierend aus der Kraft des besseren Argumentes – „als ein zu erstrebendes Ideal“ der Kommunikation. (Boos, 2009, S. 70, Schneider, 2009, S. 198)

Kommunikation findet für Habermas vor dem Hintergrund einer Lebenswelt statt, die auch die Grundlage zur Erziehung von Konsens bildet, da über sie gemeinsame Situationsdefinitionen geschaffen, Geltungsansprüche begründet und Handlungsoptionen ausgewählt werden. (Schneider, 2009, S. 210, Steinlin, 1998, S. 9, Vester, 2010, S. 20) Habermas unterscheidet zwischen einer materiellen Grundlage der Lebenswelt und einer strukturellen Komponente. Unter der materiellen Grundlage sind die belebte und unbelebte Natur und die vom Menschen gestaltete Umwelt zu verstehen. Als strukturelle Komponenten der Lebenswelt versteht Habermas Kultur, Gesellschaft und Persönlichkeit. Unter Kultur versteht Habermas den gesellschaftlichen Wissensvorrat an Deutungsmustern und sozialen Typisierungen. (Schneider, 2009, S. 209) Gesellschaft umfasst die „legitimen Ordnungen, über die die Kommunikationsteilnehmer ihre Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen regeln und damit Solidarität sichern.“ (Habermas, 1981a, S. 209) Die Persönlichkeit bezieht sich auf jene Komponenten, welche die Sprach- und Handlungsfähigkeit eines Individuums gewährleisten und es ihm damit überhaupt erst ermöglichen an Verständigungsprozessen teilzunehmen. (Schneider, 2009, S. 212) Dadurch, dass die Kommunikationsteilnehmer aus diesem lebensweltlichen Wissensvorrat schöpfen können, werden sie überhaupt erst in die Lage versetzt, Geltungsansprüche anzuzweifeln, ebenso wie das Fundament des lebensweltlichen Hintergrundwissens es ihnen erst möglich macht, nicht jeden Geltungsanspruch anzuzweifeln und im Normalfall eine Verständigung zustande kommen zu lassen. Ist es möglich zu zeigen, dass die Geltungsansprüche aus gemeinsam unterstellten Wissensgrundlagen ableitbar sind, kann die Prüfung umstrittener Geltungsansprüche beendet werden. (Steinlin, 1998, S. 19, Schneider, 2009, S. 209)

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Details

Title
Bühler, Flusser, Habermas und die Besonderheiten der virtuellen Kommunikation
Subtitle
Kollektive Gruppenarbeiten im Zeitalter des Internets
College
University of Hagen  (Kultur- und Sozialwissenschaften)
Course
(Bildungswissenschaftliche) Voraussetzungen für den Einsatz von neuen Lehr-Lernformen (Modul 2)
Grade
1,3
Author
Year
2014
Pages
33
Catalog Number
V273989
ISBN (eBook)
9783656664284
ISBN (Book)
9783656664819
File size
466 KB
Language
German
Keywords
Kollektive Gruppenarbeit, Habermas, Flusser, Bühler, Virtuelle Kommunikation
Quote paper
Jan Sydow (Author), 2014, Bühler, Flusser, Habermas und die Besonderheiten der virtuellen Kommunikation, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/273989

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