Die Maske als kulturelles Phänomen und ihre Verwendung in Stanley Kubricks "Eyes Wide Shut" und Arthur Schnitzlers "Traumnovelle"


Hausarbeit (Hauptseminar), 2003

27 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Kulturgeschichtliche Einordnung der Maske als kulturelles Phänomen

3 Die Verwendung von Masken in Stanley Kubricks „Eyes Wide Shut“
3.1 Der Hofstaat der Masken
3.2 Geheimbund und Initiation
3.3 Orgie , Ritual und Opfer

4 Vergleich der Maskenszenen in Stanley Kubricks „Eyes Wide Shut“ und Arthur Schnitzlers „Traumnovelle“

5 Abschließender Kommentar

6 Bibliographie

Einleitung

In der vorliegenden Hausarbeit soll zunächst die Maske als kulturelles Phänomen vorgestellt und kulturgeschichtlich eingeordnet werden. Von ihrem erstmaligen Erscheinen zu Beginn der frühen Menschheitsgeschichte, bis hin zu ihrer Funktion im Theater und den verschiedenen Epochen, wird schließlich auf ihre spezielle Bedeutung und Verwendung in Stanley Kubricks „Eyes Wide Shut“ Bezug genommen.

Bei der Analyse des Maskenthemas im Film werden bevorzugt die Szenen in „Der Landsitz“[1] untersucht. Ebenso wird die Orgie und das Ritual einbezogen und in Zusammenhang mit theatralischer Darstellung im Film gebracht.

Abschließend soll die literarische Vorlage des Films, Arthur Schnitzlers „Traumnovelle“ herangezogen werden, um die Besonderheiten und Unterschiede zwischen den Maskenszenen in der literarischen und der filmischen Version herauszuarbeiten.

2 Kulturgeschichtliche Einordnung der Maske als kulturelles Phänomen

Die Maske ist nach Wahrigs deutschem Wörterbuch definiert als

„künstl., hohle Gesichtsform (bei den Naturvölkern) als Zauber- u. Beschwörungsmittel, (bei den antiken Schauspielern zur Kennzeichnung ihrer Rolle (heute) das durch Schminke u. Perücke veränderte Gesicht des Schauspielers.“[2]

In Brauneck und Schneilins Theaterlexikon heißt es:

„Die Maske ist ein theatralisches Mittel zur Verstärkung des mimischen Ausdrucks und zur Unterstützung der imaginativen Darstellungsmöglichkeiten.“[3]

Die Verwendung der Maske geschah ursprünglich im Kult, welcher als

„öffentlich geregelter Gottesdienst oder verehrungsvolle, übertrieben sorgfältige Behandlung von lat. cultus: Pflege, Bildung, Verehrung (einer Gottheit)“ zu charakterisieren ist.[4]

Die Ursprünge des Maskengebrauchs sind erstmals dokumentiert in Form von Höhlenmalereien. Zu den vergleichsweise späteren Darstellungen von maskentragenden Menschen gehört das „Bild des Zauberers in Stierverkleidung“ und der „Kriegstanz“[5], welche beide aus Spanien stammen und in der Mittelsteinzeit, etwa 10000 vor Christus entstanden sind. Im Theaterlexikon von Brauneck und Schneilin erfolgt ein Verweis auf den Zusammenhang zwischen Maske und der Assoziation des Todes:

„Das Gesicht des Toten ist starr, ohne Mimik; dies ist die erste und tiefverwurzelte Maskenerfahrung der Menschheit. Vor mehr als 20000 Jahren erkannten Jäger die täuschende Wirkung der Maskerade mit Tierfellen und Schädelknochen, die Tarnmaske. Erste Maskentänze und schamanistische Rituale sind aus dieser Zeit durch Höhlenzeichnungen bekannt.“[6]

Seit es Menschen gibt, existiert die Maske, das Spiel mit Identität, Verhüllung und Enthüllung der eigenen Person. Hierzu habe ich versucht die wichtigsten Maskentypen in die nachfolgende Tabelle einzuordnen, welche im Laufe der Arbeit an einigen Stellen herangezogen wird, um sich die Funktion der verschiedenen Masken zu verdeutlichen.

Verschiedene Maskentypen und ihre Funktion

A Rituelle Maske magische Riten, Initiation, Dämonen,-Naturbeschwörung,

Maskenträger wird von göttlichen Kräften erfasst, Fähigkeiten des dargestellten Wesens gehen auf ihn über

B Schandmaske/Scharfrichtermaske als Erkennungszeichen, Strafe und Sühne, Teil der Rechtssprechung des Mittelalters.Der Scharfrichter wird durch Maskentragen von seiner Schuld befreit.

C Theatralische Maske verabredetes Rollenspiel, Film, Theater, Darstellung, Die Maske als Hohlform oder Schminkmaske dient dazu eine andere Gestalt besser darstellen und imaginieren zu können.

D Repräsentative Maske Barocke Herrscherrepräsentation

(Bsp. Sonnenkönig), oder die Maske als Stammeswappen und Zugehörigkeitssymbolik

E Verhüllende Maske Karneval, verabredete Maskierungsspiele. Maske zur Unterstreichung oder Verhüllung der eigenen Person, ermöglicht eine andere Rolle spielen zu können. Lust am Spiel und der Verkleidung, an unerkannter Agitation, Gesellschaftliches Triebventil

F Soziale Maske Mode, Frisur, Sprechart, Körpersprache, Statussymbole, Beruf. Die Maske wird nicht als solche ausgewiesen, man gibt mit der sozialen Maske vor, man selbst zu sein.

Anhand der Masken und ihrer Funktion in den verschiedenen Epochen der Menschheit, ließe sich die Kulturgeschichte selbst erläutern. Hierzu zitiere ich Gehard Kubik einen Ethnologen und Afrika-Forscher:

„Die Idee sich zu maskieren, drückt in verschiedenen Gesellschaften oft ganz unterschiedliche Bedürfnisse und Anliegen aus. Man maskiert sich jedoch immer, um vorübergehend seine Identität zu verbergen, um vor der größeren Gemeinschaft eine andere Identität zur Schau zu stellen, mit der man mehr oder weniger verschmilzt; oder man maskiert sich einfach, um einer Entdeckung zu entgehen und in diesem Zusammenhang auch; um gegenüber der Gemeinschaft oder einzelnen Angehörigen derselben, Handlungen auszuführen, die man als erkennbare Person nicht ausführen würde oder könnte.“

Diese Verwendung von Maske trifft auf Typ E der Tabelle zu, die verhüllende Maske, Der Begriff ist etwas irreführend, da im Grunde jede Maske verhüllt, aber als Unterscheidung zu den anderen Masken liegt der Schwerpunkt von Typ E tatsächlich in der Verhüllungsfunktion.

Der Gebrauch von Masken stellt eines der ersten Zeichen für die Anfänge von Kultur dar. Die Menschen leben in einem Verband, zunächst als Sammler und Jäger in einer kulturellen Gemeinschaft. Die Entdeckung der Maske als Mittel sich bei der Jagd besser tarnen zu können wird zum zentralen Objekt eines Kultes um das Jagdgeschehen. Zu den Merkmalen einer Kultur zählt in erster Linie Kommunikation: Den zu Hause Gebliebenen wird vom Jagdgeschehen theatralisch erzählt und vorgespielt oder vorgetanzt. Die Bedingung ist das Vorhandensein eines Kollektivs, das Veranstaltungen wahrnimmt und die Verbindlichkeit, die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gemeinschaft empfindet. Das Handwerk ist ein weiterer zentraler Teil der Kultur, wie zum Beispiel die Herstellung von Masken und Fellen nach bestimmten Gestaltungsregeln. Ebenso die

abstrakte Darstellung eines Jagdvorgangs, die Wiederholbarkeit im Spiel als schamanische Vorbereitung, magische Praktiken zur Erlangung von Jagdglück und Schutz. Der Ursprung der Religion als Kulturträger liegt in der kollektiven Verehrung, der Anbetung von Natur und Dämonen und deren Vergegenwärtigung unter anderem durch Masken. Eine bestimmte Form der Tänze, Masken und Art zu Jagen schafft spezifische kulturelle Identität, die eine Gemeinschaft von der anderen abhebt. Demnach hat die Maske auch die Funktion Gruppenzugehörigkeit anzuzeigen.

Reflektion über das Dargestellte wird durch das Maskenspiel möglich: Nichtvorhandene Sprache und Schrift kann durch theatralische Darstellung und Zeichnung ersetzt werden. Kulturtechniken, wie zum Beispiel die Jagd auf bestimmte Tiere werden vermittelbar und tradierbar für nachfolgende Generationen, durch die zeichnerische Dokumentation der Maskentänze.

Der Anfang der Kultur besteht nicht in der bloßen primitiven Verfolgung und Negation von Tieren, die Art wie dies geschieht, mit welchen Kulturtechniken, ist Ausdruck der Entwicklungsstufe einer Kultur. Heinrich Lützeler formuliert den Ursprung der Kultur folgendermaßen:

„So unscheinbar diese ersten vorkünstlerischen Zeugnisse des Menschen aussehen, es steckt doch schon der ganze Mensch darin, und auch die genialen Schöpfungen eines Grünewald oder Michelangelo wurzeln im gleichen antropologischen Grunde der Überwindung bloßer Triebhaftigkeit, der Loslösung von der fixierenden einengenden Lebensangst, des zielfindenden Nachdenkens und des zielgerichteten Entschlusses. Wie vorher schon durch das bearbeitete Werkzeug, fügte der Mensch auch durch solche Muster der Welt etwas hinzu, was sie nicht ursprünglich besaß; d.h. er begann Kultur zu schaffen. Ist das Tier in seine >>Umwelt<< gebannt, die es weder verändern noch gar bereichern kann, so lebt der Mensch in einer >>Welt<<, die er sich allmählich aufbaut.“[7]

Im Kulturraum Afrika sind jene, für Europäer oft sehr archaisch wirkende Maskentraditionen noch immer lebendig. Die afrikanische Königs- oder Ahnenmaske eines Stammes im banthu-sprachigen Afrika erzählt alljährlich vor der Dorfgemeinschaft eine Geschichte, von der Reise aus der Geisterwelt in die Welt der Lebenden. Doch auch hier ist schon ironische Distanz zum Dargestellten vorhanden. Die Erwachsenen wissen, wer die Maske spielt und dass dem Träger der Maske ein Verhalten erlaubt ist, dass er im alltäglichen Leben nicht zeigen könnte, ohne dass es sanktioniert oder verlacht würde. Aus Lust am Spiel und Liebe zur Tradition machen die Menschen hier scheinbar keinen Unterschied zwischen Maske und Träger, man tut so, als glaube man, dass der Geist tatsächlich erscheint oder aus dem Medium spricht. Allerdings sind die Grenzen zwischen dem Abbilden eines Dämons, oder eines Verstorbenen und dem So-tun-als-ob fließend, wenn man beispielsweise an Voodoopraktiken denkt. In solchen Fällen ist der Maskenträger mit dem Dämon quasi identisch. Die Maske hat oft mit Machtgewinn zu tun, sie hilft dem Menschen aus seiner Ohnmacht: er meint nun über den Dämon Gewalt zu haben oder hält sich als Träger der Maske selbst für einen Gott. Diese bisher beschriebenen Masken und ihr Gebrauch entsprechen Typ A aus der Tabelle.

[...]


[1] DVD-Szenenindex Nr. 16 „Der Landsitz“ aus: Eyes Wide Shut. Mit Tom Cruise und Nicole Kidman. Regie: Stanley Kubrick. DVD, Warner Home Video GmbH, 2001.

[2] Wahrig, Gerhard et al.: Deutsches Wörterbuch. Hrsg. von Renate Wahrig-Burfeind. Gütersloh/München: Bertelsmann, 2000, S. 853.

[3] Theaterlexikon: Begriffe und Epochen, Bühnen und Ensembles. M. Brauneck/G. Schneilin (Hg.). Hamburg 1992, S. 584.

[4] Wahrig: Deutsches Wörterbuch (2000), S. 787.

[5] Siehe Abbildung in: Lützeler, Heinrich: Weltgeschichte der Kunst. Hrsg. v. Lexikon-Institut Bertelsmann, Gütersloh 1960/ 1966, S. 45.

[6] Brauneck/Schneilin: Theaterlexikon (1992), S. 580.

[7] Lützeler, Heinrich: Weltgeschichte der Kunst .Hrsg. v. Lexikon-Institut Bertelsmann, Gütersloh 1960, 1966. S. 46.

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Die Maske als kulturelles Phänomen und ihre Verwendung in Stanley Kubricks "Eyes Wide Shut" und Arthur Schnitzlers "Traumnovelle"
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main  (Institut für Theater-, Film und Medienwissenschaft)
Veranstaltung
Filmisches Theater- Theatralischer Film
Note
1,3
Autor
Jahr
2003
Seiten
27
Katalognummer
V27424
ISBN (eBook)
9783638294782
ISBN (Buch)
9783638682084
Dateigröße
558 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Maske, Phänomen, Verwendung, Stanley, Kubricks, Eyes, Wide, Shut, Arthur, Schnitzlers, Traumnovelle, Filmisches, Theater-, Theatralischer, Film
Arbeit zitieren
Magistra artium Yvonne Rudolph (Autor:in), 2003, Die Maske als kulturelles Phänomen und ihre Verwendung in Stanley Kubricks "Eyes Wide Shut" und Arthur Schnitzlers "Traumnovelle", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/27424

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