Umran. Ein zentraler Begriff bei Ibn Khaldūn


Seminararbeit, 2012

15 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der Begriff Umran

3. Beweggründe für die Etablierung der Wissenschaft „‘ilm al-ʿumrān“

4. Schlussbemerkungen

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

“Die Vergangenheit ist der Zukunft ähnlicher als das Wasser dem Wasser.“ (Ibn Khaldūn)

Im Qur‘an gibt es den Vers, der alle Menschen betrifft und die Lebensaufgabe der Menschheit vorgibt: „[…] Er hat euch aus der Erde entstehen lassen und sie euch zur Besiedelung (zum Aufbauen) (’imar) gegeben […]“(Quran, 11: 61).

So nahmen viele islamische Gelehrte diesen bedeutsamen Vers als Anlass für ihre philosophischen Gedanken. Nach Farabî hat jedes Individium die Pflicht etwas aufzubauen, ein „Erbauer“ zu sein. Davor muss aber zunächst das Herz des Menschen in Ordnung gebracht werden damit auch ein Ort, eine Stadt auf einem festen Fundament aufgebaut werden kann. Genau diesen Aspekt greift Ibn Khaldūn auf und wünscht sich eine Zivilisation gemäß eines Umran, bei der die Menschheit gleichsam mit der Natur aufgebaut wird. Denn nach seiner Ansicht sind die Menschen auf die Welt gekommen mit der Verantwortung, dieses Umran zu erfüllen. Der Mensch soll die Erde gestalten und sie nicht vernichten.[1]

Der in Tunis geborene und in Kairo verstorbene Ibn Khaldūn (1332 – 1406) ist gewiss einer der größten islamischen Philosophen. Sein vollständiger Name lautet Abū Zayd ‘Abdur-Rahmān bin Muhammed bin Khaldūn Al-Hadrami. Da er ursprünglich aus Hadramut (Yemen) entstammt, hängte er seinem Namen das Al-Hadrami an. Sein Großvater Muhammed Becija war politisch als Wächter des Khalifen tätig, sein Vater Muhammed beschäftigte sich nur mit Bildung und Erziehung. Ibn Khaldūn studierte anfangs bei seinem Vater, später nahm er Unterricht von Muhammed bin Sa’d bin Burrâl al-Ansârî, der ihn in der Wissenschaft des Rezitierens unterrichtete und bei dem er den Qur’an auswendig lernte. Er wurde auch in der arabischen Sprache und Literatur von seinem Vater und einigen anderen Gelehrten unterrichtet. Er lernte dabei viele Gedichte bekannter Poeten auswendig. Ausserdem las er bei Wâdîâschî Ausschnitte aus der „Kutub-i Sitte” (Hadithsammlungen von 6 Gelehrten) und studierte Fiqh (Rechtswissenschaft) bei Muhammed bin Abdullah al-Dscheyyanî, Ibn Abdussalam al-Hawwârî und Muhammed al-Kathîr.[2]

Ibn Khaldūn verbrachte die ersten zwanzig Jahre seines Lebens in Tunis, die nächsten 26 Jahre in Algerien, Marokko und Andalusien, weitere vier Jahre wieder in Tunis und die letzten vierundzwanzig Jahre in Kairo (Ägypten). Seit seiner Kindheit genoss er eine sehr gute Ausbildung, aber der Anziehungs-kraft der Politik konnte er dennoch nicht widerstehen. Sein Willen, an der Spitze der politischen Macht zu sein, endetete oft mit Exil oder einem Gefängnissaufenthalt. Doch im Allgemeinen verbrachte er sein Leben bequem in Sarails und anderen Herbergen. Er besaß bei einigen Dynastien eine wirkungsvolle Stellung. Auch verbrachte er einige Zeit damit, um von Stamm zu Stamm zu gehen um das Nomadenleben aus der Nähe zu forschen. Er war auch ein bedeutender Gelehrter, der etlichen Studenten unterricht in verschiedensten Disziplinen erteilte. Sein Hauptwerk Muqaddima schrieb er aus dieser Erfahrung heraus. Vom tunesischen Hayruddin Pascha wurde am 22. Dezember 1896 ein Kulturzentrum eröffnet, welches nach dem großen Gelehrten Ibn Khaldūn benannt wurde. Der Name des Zentrums war „Al-Dschem’iyyat-ul-Khaldūniyya“.[3]

In der Geschichte der Geisteswissenschaften ist seine Stellung ganz oben aufzuführen. „Das Denken von Ibn Khaldūn widmete sich der Frage, wie Zivilisationen entstehen, gedeihen und dann untergehen. Der sonst sich so zurückhaltende Oxford-Welthistoriker Arnold Toynbee ließ sich zu Superlativen verleiten, als er Ibn Khaldūn mit den Worten ehrte, er sei, „der brillanteste und scharfsinnigste Geist, den die Menschheit je hervorbrachte“.[4] Zu Ibn Khaldūns Lebenszeit hatte die islamische Zivilisation längst ihre Blütezeit erreicht und war in den Anfängen des Abstiegs. Ganz gravierend war auch die Abflauen der errungenen Wissenschaftstradition. [5]

Ibn Khaldūn untersucht in seinem mehrbändigen Werk Muqaddima verschiedene Themen über Geschichte, Gesellschaft, Wirtschaft und Politik. In vielen Bereichen nimmt er eine kritische Haltung ein und gibt rationale Verbesserungsvorschläge. Er erklärt in der Muqaddima den Aufstieg und Niedergang der islamischen Zivilisation. Um aber diese Geschichte richtig verstehen zu können, entwickelte er eine eigenständige Wissenschaft "‘Ilm al-Umran / Wissenschaft der Zivilisation".

„Vor Ibn Khaldūn haben Philosophen wie al-Kundi, al-Farabi, Ibn Sina, Ibn Ruschd, Ibn Tufayl und viele andere Werke ähnlichen Kalibers vorgelegt. Doch Ibn Khaldūn war der letzte Muslim dieser Größe.“[6]

Ibn Khaldūns Meinung und Gedanken beruhen auf seine neue Interpretation bzw. neue Definition von alten Begriffen, wie Umran, ‚Ilm-al umran, individuelle-gesellschaftliche Hadara, Badawiyya u.a.

Wenn man Ibn Khaldūn richtig begreifen will, muss man seine Definition dieser Begriffe verstehen.

2. Der Begriff Umran

„Der Begriff "al-Umran" wird vom arabischen Verb "amara" abgeleitet und hat folgende Bedeutungen: "lange leben, gedeihen, blühen, bewohnt sein, kultiviert sein, bewohnen, bauen, errichten". Ibn Khaldūn verbindet den Begriff Umran mit dem Stadtleben, und zwar je größer die Stadt ist - als Beispiele gibt er Bagdad, Cordoba, Kayrawan, Basra und Kufah an – umso mehr entwickeln sich dort die verschiedenen Wissenschaften und Künste.“[7] Die Antonyme für den Begriff Umran sind, „zerstört, verwüstet, verfallen, öde, einsam, leeres Ort“.

Wenn aus irgendeinem Grund in einem Ort eine Stadt gegründet wird, und diese sozial, ökonomisch, wissenschaftlich, kulturell und politisch belebt wird, dann spricht man von der Bildung und Entwicklung eines Umran. Anders herum, wenn solche Aktivitäten immer weniger werden bzw. gänzlich aufhören, spricht man von Rückgang, Stagnation und Zusammenbruch des Umran. Falls solche Aktivitäten global betrachtet werden, spricht man von „Umran al-Âlam“ (Globaler Umran) oder „Umran al-Baschar“ (Zivilisation des Menschen). Diese Definitionen von verschiedenen Umran -Begriffen werden in der Muqaddima von Ibn Khaldūn ausführlich erörtert. Für ihn existieren viele Gründe sowohl bei der Entwicklung eines Umran in einer Ortschaft als auch bei dessen Zerfall. Er etabilierte daher die Wissenschaft vom Umran („‘ilm al-ʿumrān“) nachdem er auch selbst mit seinen eigenen Augen die Ruinen des alten Umran in Andalusien, Nordafrika, Ägypten, Palastina und Syrien gesehen hatte.[8]

[...]


[1] vgl. Görmez, Juli 2011, S. 4

[2] vgl. İslam Ansiklopedisi, Schlagwort: İbn Haldûn, 1999, S. 538

[3] vgl. ebd. S. 541

[4] Tibi, 19.10.2006

[5] vgl. ebd.

[6] ebd.

[7] Kortantamer, Der Begriff "Zivilisation" im Arabischen zur Zeit des klassischen Islams

[8] vgl. Ibn Haldun, 1988, S. 143

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Umran. Ein zentraler Begriff bei Ibn Khaldūn
Hochschule
Universität Wien  (Institut für Bildungswissenschaft)
Veranstaltung
Religionssoziologie und Religionspsychologie – Islam als soziales Phänomen
Note
1
Autor
Jahr
2012
Seiten
15
Katalognummer
V274827
ISBN (eBook)
9783656678373
ISBN (Buch)
9783656700432
Dateigröße
584 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Umran, Ibn Khaldun, Soziologie
Arbeit zitieren
Erkan Erdemir (Autor:in), 2012, Umran. Ein zentraler Begriff bei Ibn Khaldūn, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/274827

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