Mohongo. Die Indianerin, die in Europa tanzte


Textbook, 2014

92 Pages


Excerpt


Vorwort

Sechs Osage in Europa

Vier indianische Krieger und zwei Frauen vom Stamm der Osage erregten 1827 mit exotischen Gesängen und Tänzen großes Aufsehen in Paris und anderswo in Frankreich. Der Stern jener sechs Osage sank, als das Interesse an ihnen nachließ und ihr Manager wegen seiner Schulden ins Gefängnis musste. Eine der sechs Osage war die Häuptlingsfrau Mohongo, auch „Sacred Sun“, zu deutsch „Heilige Sonne“, genannt. Ihr abenteuerliches Leben wird in dem Taschenbuch „Mohongo. Die Indianerin, die in Europa tanzte“ des Wiesbadener Autors Ernst Probst geschildert. Aus seiner Feder stammen die Taschenbücher „Malinche. Die Gefährtin des spanischen Eroberers“, „Pocahontas. Die Indianer-Prinzessin aus Virginia“, „Cockacoeske. Die Königin der Pamunkey“, „Katerí Tekakwitha. Die erste selige Indianerin in Nordamerika“, „Sacajawea. Die indianische Volksheldin“, „Mohongo. Die Indianerin, die in Europa tanzte“, „Lozen. Die tapfere Kriegerin der Apachen“, „Sieben berühmte Indianerinnen“ und „Superfrauen aus dem Wilden Westen“.

Mohongo

Die Indianerin, die in Europa tanzte

Mit umjubelten exotischen Auftritten als Tänzerin erregte die junge und attraktive Indianerin Mohongo (auch Myhangah, Mihonga oder „Sacred Sun“ genannt) ab 1827 in Frankreich und in anderen Ländern Europas großes Aufsehen. Sie war die Ehefrau des Anführers (Sachem) Kihegashugah („Little Chief“) der Osage, einer westlichen Gruppe der Sioux-Indianer. Wie Mohongo aussah, verraten zu Lebzeiten von ihr angefertigte Bilder, die heute noch existieren.

Als Sachem bezeichnete man einen vom Volk gewählten Anführer, der nach dem Willen der Mehrheit handeln musste. Solche Sachems anstelle von Häuptlingen gab es bei den politisch hochentwickelten Gesellschaften der Indianer des Nordostens und Südostens in Nordamerika. In populärwissenschaftlicher Literatur werden Sachems aber oft als Häuptlinge bezeichnet.

Ursprünglich bezeichneten sich die Osage als „Ni-U-Kon-Ska“ („Volk des mittleren Wassers“). Ab dem späten 17. Jahrhundert nannten sie sich „Wah-zah-zhe“ oder „Wa-sha-seh“ („Volk des Wassers“) nach dem Namen ihres dominanten Originalstammes. Später schlossen sich weitere sprachlich und kulturell verwandte Stämme den „Wah-zhe-zhe“ an und es entstanden die Osage.

Laut Online-Lexikon „Wikipedia“ entwickelte sich die heutige Stammesbezeichnung Osage durch fehlerhafte Aussprache und Orthografie früher französischer Siedler sowie falsche Übersetzung der Engländer. Die Franzosen sprachen von „Wa-Sa-gee“. Um den Laut des Buchstabens „W“ wiederzugeben, verwendeten sie die Buchstaben „Ou“, weswegen sie schließlich den Namen als „Ouasages“ schrieben. Engländer und Amerikaner sprachen dies als Osages aus.

Die Osage lebten im Gebiet von Kansas, Missouri und Illinois. Sie waren nomadisierende Jäger und wohnten zeitweise in Dörfern mit Langhäusern. Im April pflanzten sie in ihren Gärten, danach zogen sie in den Westen, jagten dort ab Juni Bisons und kehrten im August wieder zurück. Im September folgte die Jagd auf Hirsche. Um 1673 begegneten die Osage erstmals Weißen. Als die Amerikaner am 30. April 1803 für 15 Millionen US-Dollar von den Franzosen das westlich des Mississippi River liegende Louisiana-Territorium kauften, gelangte auch die Heimat der Osage in neuen Besitz.

Kurz bevor Mohongo geboren wurde, schloss der Indianer-Agent William Clark (1770–1838) am 10. November 1808 einen Vertrag mit den Osage („Treaty of Fort Clark“, „Treaty with the Osage“ oder „Osage Treaty“ genannt) , durch den die USA in den Besitz von knapp 30 Millionen Hektar Land gelangten. Als Gegenleistung versprach man den Indianern Schutz, Handelsrechte und jährliche Zahlungen von 1.500 US-Dollar. Clark prahlte später, wie billig man so viel Land für so wenig Geld bekam. Er war neben Meriwether Lewis (1774–1809), einer der beiden Anführer der berühmten „Lewis-und-Clark-Expedition“ (1804–1806) zum Pazifik gewesen. An den Vertragsverhandlungen von 1808 war der Dolmetscher Paul Loise (um 1755–1832) beteiligt, der zeitweise den Namen Paul Chouteau trug und ab 1827 bei der Reise von sechs Osage-Indianern nach Europe eine Rolle spielte.

Mohongo kam vermutlich 1809 in dem Indianerdorf Chouteau am Neosho-River (heute Oklahoma) zur Welt. Ihr Geburtsort lag in der Gegend des jetzigen Saline County. Wenn ihre Mutter zusammen mit anderen Frauen verschiedene Arbeiten ausführte, schnallte sie Mohongo in eine Kindertrage.

Bei den Osage führten Frauen ein Leben, das Weißen wie „halbe Sklaverei“ erschien. Sie mussten die schwersten Arbeiten erledigen, bebauten das Land, säten Korn und Kürbis, pflanzten Kartoffeln, ernteten Feldfrüchte, begleiteten ihre Männer zur Jagd und trugen dabei Geräte und die erlegten Tiere.

Den Männern der Osage war die Vielweiberei erlaubt. Verheiratete Männer hatten Rechte auf die jüngeren Schwestern ihrer Frauen. Sie durften sich so viele Geliebte nehmen, wie sie wollten. Alten Menschen brachte man großen Respekt entgegen. Gastfreundschaft gegenüber Fremden wurde bei den Osage groß geschrieben.

Vor dem erwähnten Wechsel des Louisiania-Territoriums an die USA hatten die Indianer mit französischen Händlern rege Tauschgeschäfte betrieben. Sie erhielten für Pelze mancherlei europäische Waren. Nach den Franzosen kamen amerikanische Jäger, Siedler und Soldaten und errichteten Häuser, Siedlungen und Forts. Die Franzosen waren in kleiner Zahl im Gebiet der Osage erschienen und ihnen freundlich gesonnen. Dagegen drangen die Amerikaner zu Hunderten ein und verdrängten immer mehr die Indianer. Die Osage bezeichneten die Amerikaner zunächst als „Long Knives“ („Langmesser“) und später als „Heavy Eyebrows“ („schwere Augenbrauen“).

Wenn die männlichen Osage-Indianer im Sommer und Herbst zur Jagd gingen, ließen sie ihre Dörfer meistens unbewacht zurück. Dieses Verhalten rächte sich im Oktober 1817 fürchterlich, als der Häuptling Claremore (Gra-mo’n oder „Arrow Going Home“) von den südlichen Osage mit den meisten seiner Männer zur Bisonjagd aufgebrochen war. Während der Abwesenheit von Claremore griffen rund 500 Cherokee sowie einige Choctaw, Chickasaw und Deleware unter Führung von Häuptling Too-an-tuh („Spring Frog“) das Osage-Dorf an. In der „Schlacht von Claremore Mound“ („Battle of Claremore Mound“) am Fuß des Hügels Claremore Mound wurden Häuser zerstört, 38 Frauen, Kinder und alte Männer getötet, 104 gefangengenommen und versklavt.

Bei Vertragsverhandlungen der Osage im Jahre 1818 diente der Pelzhändler Pierre Chouteau (1758–1849) als ihr Agent und Paul Loise, der zeitweise den Namen Paul Chouteau trug, wieder einmal als Dolmetscher. Die Herkunft von Loise (auch Loese oder Louise) ist umstritten. Mal war er – laut www.ancestry.com – der Sohn von Alexis und Elizabeth Loise, geborene Beaugenoux, mal der im „Fort Louis“ geborene Sohn eines Franzosen und einer Osage-Indianerin, mal der Sohn eines in Saint Louis lebenden Franzosen und einer Französin. Außerdem wird spekuliert, Loise sei der uneheliche Sohn von Auguste Choteau (um 1750–1825) oder seines Bruders Pierre Chouteau

(1758–1849) und einer Osage-Frau gewesen.

Der Osage-Stamm teilte sich nach der erwähnten Zusammenkunft von 1818 in zwei Gruppen. Eine davon lebte am Osage River, einem rechten Nebenfluss des Missouri-River im Missouri-Territorium, die andere zog nach Arkansas.

1821 überfielen Cherokee-Indianer ein Jagdlager der Osage, in das man auch alte Männer, Frauen und Kinder mitgenommen hatte. Bei dieser Attacke wurden ein Dutzend Krieger getötet, die das Lager bewacht hatten. Außerdem verloren 29 Frauen und Kinder ihr Leben, weitere 90 kamen in Gefangenschaft. Ein Missionar berichtete später, die Cherokee hätten eine junge Frau, deren Kind und ein junges Mädchen bestialisch ermordet und ihre Körper den Hunden vorgeworfen. Als dies geschah, war Mohongo etwa zwölf Jahre alt.

Nach ihrer Pubertät hat Mohongo – wie bei den Osage üblich – in einer feierlichen Zeremonie geheiratet. Ihr Ehemann wurde der um 1789 geborene Häuptling Kihegashugah (auch „Little Chief“ genannt), der rund 20 Jahre älter als sie war. Kihegashugah soll der Enkel eines bedeutenden Osage-Häuptlings gewesen sein, der rund ein Jahrhundert zuvor 1725 mit dem französischen Entdecker Étienne de Bourgmont (1679–1734) und anderen Indianerhäuptlingen nach Frankreich reiste. Der amerikanische Autor John Joseph Matthews (um 1894–1979) dagegen behauptete, der zweite Häuptling Washinka Sabe („Black Bird“) sei der Ehemann von Mohongo gewesen. Während ihrer Zeit als Ehefrau eines Indianers soll Mohongo die Geliebte eines Mitglieds oder Mitarbeiters der Pelzhändler-Familie Chouteau gewesen sein. Aus dieser Beziehung sei ein Mischlings-Mädchen namens Amelia hervorgegangen. Mutter und Kind seien in einem Vertrag vom 30. Dezember 1825 erwähnt.

Manche Osage hatten viel von Frankreich gehört, das bis zum Verkauf des Louisiana-Territoriums 1803 an die Amerikaner ihr Bundesgenosse gewesen war. Das 2,1 Millionen Quadratkilometer große Louisiana-Territorium erstreckte sich zwischen New Orleans im Süden und Kanada im Norden sowie zwischen dem Mississippi River im Osten und den Rocky Mountains im Westen.

Einige Osage hatten Lust, etwas Neues und Unbekanntes zu sehen und eine Reise über das „große Wasser“ nach Frankreich zu unternehmen. Mancher von ihnen hatte gehört, Franzosen, vor allem Pariser, würden gern Geld dafür zahlen, um einen Menschen, der eine Stirn, Augen, eine Nase, einen Mund, Arme und Beine wie ein Indianer hatte, dessen Haut nicht weiß oder gelb, sondern rot sei, zu betrachten. „Sind die Franzosen solche Narren, uns unsere Reisekosten zu zahlen und überdies noch einen ansehnlichen Gewinn zuwenden zu wollen“, fragten sich reiselustige Osage.

1827 kam der französische Abenteurer David Delaunay (auch De Launay) aus Saint Louis in das Dorf von Mohongo. Der unbekannte Autor des Werkes „Remarks About the Six Indians“ (1827) berichtete, Delaunay sei vor 1792 ein Offizier von König Ludwig XVI. von Frankreich (1754–1793) gewesen, der während der „Französischen Revolution“ (1789–1799) abgesetzt und enthauptet wurde. Bevor Delaunay 1800 nach Amerika kam, hatte er 1799 in Frankreich hohe Schulden von 9.000 Francs hinterlassen. Während der Herrschaft von Spanien über das Louisiana-Territorium, das 1800 an Frankreich und 1803 an die USA ging, erhielt er großen Landbesitz. Anschließend diente er in der Miliz. Manche Autoren bezeichneten ihn als Colonel Delaunay. Zeitweise besaß er eine Pension und ein Sägewerk bei „Fort Bellefontaine“, das vorfabrizierte Holzhäuser herstellte.

David Delaunay gehörte zu den „Gentlemen“, mit denen die Captains der „Lewis-und-Clark-Expedition“ am 21. Mai 1804 zu Beginn ihrer Forschungsreise an den Pazifik in Saint Charles am Missouri River speisten. An dem Essen hatten Kaufleute, ein französischer Wissenschaftler und zwei Richter teilgenommen. Einer der beiden Richter war Delaunay aus dem nahen Saint Louis und ein Bekannter des einflussreichen Pelzhändlers Auguste Chouteau. Es heißt zuweilen, Delaunay sei eine widerwärtige Person mit einer Vorliebe für Show und Titel gewesen.

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Details

Title
Mohongo. Die Indianerin, die in Europa tanzte
Author
Year
2014
Pages
92
Catalog Number
V274834
ISBN (eBook)
9783656670407
ISBN (Book)
9783656669777
File size
13309 KB
Language
German
Keywords
Mohongo, Sacred Sun, Indianerinnen, Osage, Osage-Indianer, Little Chief, Big Soldier, Black Spirit, Little Soldier, David Delaunay
Quote paper
Ernst Probst (Author), 2014, Mohongo. Die Indianerin, die in Europa tanzte, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/274834

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