Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Schillers Frauenbild
3. Die Königinnen: Maria und Elisabeth
3.1 Beginn: Schuld und Macht
3.1.1 Maria
3.1.2 Elisabeth
3.2 Maria vs. Elisabeth - der dritte Akt
3.3 Der Tod der Königin
4. Schluss
5. Quellverzeichnis
1. Einleitung
Maria und Elisabeth – sind sie in ihrem Charakter absolut gegensätzlich?
Ich möchte aufzeigen, dass in den beiden Hauptfiguren, die beide als Frau ein politisches Amt ausübten, zwei völlig verschiedene Frauenbilder aufgezeigt wurden.
Auch dass sich die Charaktere der Frauen im Laufe des Dramas ändern, möchte ich am Text darlegen. Maria, die anfangs einsam und ohnmächtig ist, wird am Ende zumindest in moralischer Hinsicht über Elisabeth siegen. Die zu Beginn festgelegte Schuld wird sich immer weiter relativieren, sodass sie am Ende mit einer reinen Seele stirbt - so meine These.
Ebenso kontrastreich wie die Frauen selbst stehen beide auch konträr zu dem üblichen Frauenbild, das Schiller vertrat. Dies gilt in der folgenden Arbeit zu untersuchen.
2. Schillers Frauenbild
Nach meiner aufgestellten These, beschreibt Schiller in seinem Trauerspiel „Maria Stuart“ ein Frauenbild, das er sonst in diesem Sinne nicht vertrat. Deshalb möchte ich zunächst die markantsten Punkte seiner Einstellung aufzeigen.
In den meisten Schriften Schillers steht die Frau zunächst im Gegensatz zum Mann.[1] Ihr werden die Eigenschaften von Häuslichkeit, bürgerlicher Tugendhaftigkeit, Milde und Zärtlichkeit zugeschrieben. Vollkommene Liebe, Hingebung dem Ehemann gegenüber und politische Passivität sollen die Rolle der Frau beinhalten.[2] Der Mann hingegen ist stark, in der politischen Gesellschaft engagiert und muss mutig, stolz, kühl allen Gefahren gegenübertreten.[3] Die Frau soll ihrer Bestimmung als Ehefrau, Hausfrau und Mutter folgen, sonst steht sie gegen ihre eigene Natürlichkeit. Schiller geht sogar so weit, dass er bereits gebildete und erfolgreiche Frauen als unfähig sieht, sich in ihrer natürlichen Rolle wiederzufinden und sie so die weibliche Schönheit in sich nicht manifestieren können. Der Frau muss immer bewusst sein, dass sie dem Mann zwar unterworfen sein wird, sich Ihre Stärke jedoch darin zeigt, ihn nach seinen anstrengenden und manchmal sogar feindseligen Taten zu besänftigen, ihm Ruhe zu geben und alles in einen harmonischen Zusammenklang zu bringen. Der Mann hingegen schenkt der Frau einen „Halte- Und Orientierungspunkt auf dem Weg durch das Leben“[4]. So stehen Mann und Frau im totalen Gegensatz und auch in einer perfekten Symbiose zueinander.
Die Frau soll also ihre weibliche Schönheit ausleben; doch was ist diese weibliche Schönheit, von der Schiller unentwegt in diesem Zusammenhang spricht? „Der Charakter der Frau ist von Natur festgelegt. Sie ist bereits Symbol der Einheit von Natur und Sinnlichkeit…Die weibliche Schönheit ist die höchste menschliche Schönheit dadurch, dass die Frau im Stillen wirkt.“[5] Schiller entwirft dazu ein Ideal der „schönen Seele“. Diese kann nur durch eine Frau erreicht werden. In einer solchen „schönen Seele“ vereinen sich „Schönheit, Grazie, Anmut und Würde“[6]. Nicht die einzelnen Taten einer Frau, sondern ihr ganzer Charakter ist durch perfekte sittliche Empfindungen so gestärkt, dass sie nicht mehr abwägen und nachdenken muss, um richtig zu handeln, sondern sich ganz auf ihre Intuition verlassen kann. Sogar affektgetriebene Handlungen sind so immer moralisch und sittlich richtig.
Die Frau als ruhiges, liebevolles und intuitives Wesen, die ihre Lebensaufgabe in einer Familie wiederfindet und sich in politisch-gesellschaftlichen Diskursen passiv verhält, - dieses Bild wird in Schillers Maria Stuart gebrochen. Hier sind zwei Frauen in politischen Verhältnisse Verwickelt. Beide sind Königinnen. Hat Schiller in seinem Drama ein völlig anderes Konzept der Frau entworfen? Können Frauen ihre Weiblichkeit auch in einem politischen Amt ausleben? Ich möchte nun die beiden Frauenbilder im Laufe des Dramas näher betrachten und Veränderungen in den Charakteren aufzeigen.
3. Die Königinnen- Maria und Elisabeth: Metamorphose?
Metamorphose: wird meist assoziiert mit der Verwandlung von der Raupe zu einem Schmetterling.
In der Kunst vielmehr die Darstellung einer Charaktere in verschiedenen Varianten.
Bedient sich Schiller bei seiner Darstellung der beiden Protagonistinnen diesem Schema der Umwandlung? Wandelt sich die anfänglich ohnmächtige Maria, schuldig gesprochen, die ihre Strafe einsam in den Kerkern Englands verbüßt zu einer Märtyrerin mit einer „reinen Seele“?
Und hat Elisabeth, die Königin von England, alle Fäden in der Hand, letztendlich Schuld an dem Tod einer Schwester? Besonders die Schuldfrage macht den Kontrast der Königinnen deutlich. Ist die schuldig gesprochene Maria unschuldig und trägt die unschuldig scheinende Elisabeth die eigentliche Schuld?[7]
Werkschronologisch werde ich diesen Fragen nachgehen, dabei beleuchten welches Frauenbild die Königinnen vermitteln und wie dies explizit im Drama dargestellt wird.
3.1 Beginn – Schuld und Macht
3.1.1 Maria
In den ersten beiden Szenen des ersten Aktes übermittelt Schiller direkt das eindeutige Bild einer verlassenen, eingesperrten Frau, die die Hoffnung jedoch noch nicht aufgegeben hat und die man nicht unterschätzen darf.
Zu Beginn durchsucht der Hüter von Maria im Kerker ihr letztes privates Gut, um möglichen Schmuck zu beseitigen. Über Maria bemerkt er in einem Gespräch mit Marias Amme Kennedy: „In müß´ger Weile schafft der böse Geist (Z.13)….Solange sie noch besitzt, kann sie noch schaden, / Denn alles wird Gewehr in ihrer Hand.“ (Z.22f).
Er sieht Maria, trotz dass sie im Kerker eingesperrt ist, eine intrigante und gefährliche Frau, die auch die letzten Chancen nutzt, um alles zu ihren Gunsten zu drehen. Auch ist er von ihrer Schuld überzeugt „Und das wird nimmer enden, bis sie selbst, / Die Schuldigste, darauf geopfert ist. (Z. 81f) /…/ Sie kam ins Land als eine Mörderin“ (Z. 98).
So wird eine vermeintliche Schuld der Maria bereits am Anfang teilweise sichtbar gemacht.
Verteidigt wird Maria unentwegt von ihrer Amme, die ihr absolute Solidarität schenkt und an das Weiche im Menschen appelliert. Sie sieht Maria nicht als Täterin, sondern als Opfer ungünstiger Verstrickungen. „O schimpfliche Gewalt, die wir erleiden (Z.22) / … / Seid gütig, Sir. Nehmt nicht den letzten Schmuck (Z. 24) / …denn alles andre habt ihr uns entrissen“ (Z.27). „Als eine Hilfeflehende, Vertriebene/ Bei der Verwandten Schutz zu suchen kam, / Sich wider Völkerrecht und Königswürde / Gefangen sieht, in enger Kerkerhaft (Z.88-91) / … / Die hier lebendig eingemauert lebt (Z.118) / …/ Die längst kein Menschenangesicht mehr schaute.“ (Z.121).
[...]
[1] Vgl. Scholz, Hannelore: Widersprüche im bürgerlichen Frauenbild, S.142.
[2] Vgl. Fuhrmann, Helmut: Revision des Parsurteils.
[3] Vgl. Scholz, Hannelore: Widersprüche im bürgerlichen Frauenbild, S.142.
[4] Scholz, Hannelore: Widersprüche im bürgerlichen FrauenbildS.150.
[5] Ebd. S.147.
[6] Ebd. S.145.
[7] Vgl. Immer, Nikolas: Die schuldig – unschuldigen Königinnen. Zur Kontrastiven Gestaltung von Maria und Elisabeth in Schillers Maria Stuart, S.130.