Sexueller Missbrauch – ein Thema im Unterricht? Keine leichte
Frage. Zur Beantwortung dieser heiklen Frage werde ich im
Folgenden zunächst Grundsätzliches zur Sexualerziehung in der
Schule sagen, um später die Begrifflichkeit des ‚sexuellen
Missbrauchs’ zu definieren um ihre Wichtigkeit im Unterricht zu
unterstreichen. Abschließend stelle ich in dieser Arbeit einen möglichen Ansatz für
die Präventionsarbeit im Primarstufenbereich vor. In der vorliegenden Arbeit nenne ich immer nur allgemein den
‚Primarstufenbereich’, meine damit aber selbstverständlich auch den
Primarstufenbereich einer Lernbehindertenschule! Warum schon im Primarstufenbereich Sexualerziehung? Früher galt das Prinzip ‚Im Elternhaus erfahren die Kinder den richtigen Umgang
mit Sexualität – im Sinne der Eltern. Außerdem ist Sexualität erst ab
der Pubertät relevant.’. Darin zeigt sich, dass Sexualität untrennbar
mit Fortpflanzung zusammenhing, woraus sich der Schluss ergeben
würde: Kinder sind asexuelle Wesen. Doch das Gegenteil ist der Fall: „Kinder sind vom ersten Tag ihres
Leben an sexuelle Wesen, wenn auch auf andere Weise als
Menschen ab der Pubertät.“1. ETSCHENBERG schreibt in >Sexualerziehung in der Grundschule<2,
das die Fortpflanzung zwar erst nach der Pubertät eine Rolle im
Leben eines jeden Menschen spielt, doch sie sagt auch, das die „Sexualität an sich (...) ein Thema [ist], das den Menschen ‚von der Wiege bis zur Bahre’ begleitet.“3 Teilt man diesen Standpunkt, so ergibt sich der logische Schluss, dass der Mensch sich auch „von der Wiege bis zur Bahre“ aktiv mit
seiner eigenen Sexualität auseinandersetzen sollte. Durch die allgegenwärtige Präsens von Sexualität in den Medien sind aber gerade SchülerInnen des Primarstufenbereichs mit Themen
konfrontiert, mit denen sie noch nicht alleine umgehen können. Das
heißt sie brauchen unterstützende Begleitung im Umgang mit ihrer
eigenen Sexualität, um die gesehen, gehörten und evtl. auch
erfahrenen Facetten der Sexualität verstehen zu können.
1 ETSCHENBERG (in Anlehnung an MÖNKEMEYER 1993 und NEUBAUER 1996) in: Sexualerziehung in der Grundschule, 2000, S. 9 2 2000 3 ebd. S. 9
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Sexualerziehung im Primarstufenbereich
2.1 Sexualerziehung – Warum?
2.2 Sexualerziehung und ihre Ziele
3. Sexueller Missbrauch – ein Thema in der Sexualerziehung?
3.1 Sexueller Missbrauch – Was ist das?
3.1.1 Sexueller Missbrauch – gesetzliche Definition
3.1.2 Definitionen einer Betroffenen
3.1.2.1 Der sanfte Missbrauch
3.1.2.2 Der gewaltsame Missbrauch
3.1.2.3 Der seelische Missbrauch
3.1.3 Sexueller Missbrauch ‚allgemein’
3.2 Begründungsversuch
4. Didaktische Aufbereitung des Themas ‚Sexueller Missbrauch’
4.1 Was ist Präventionsarbeit?
4.1.1 Sekundärprävention
4.1.2 Primärprävention
4.2 Was muss der Primärprävention vorangehen?
4.3 Möglichkeiten zur Umsetzung im Unterricht
5. Fazit
6. Anhang
6.1 Geschichte: ‚Lisa ist traurig’
6.2 Wie fühlst du dich?
6.3 Gefühlsbarometer
6.4 Körperumrisse
6.4.1 Umriss 1
6.4.2 Umriss 2
6.5 Miras Geheimnis
7. Literatur
1. Einleitung
Sexueller Missbrauch – ein Thema im Unterricht? Keine leichte Frage. Zur Beantwortung dieser heiklen Frage werde ich im Folgenden zunächst Grundsätzliches zur Sexualerziehung in der Schule sagen, um später die Begrifflichkeit des ‚sexuellen Missbrauchs’ zu definieren um ihre Wichtigkeit im Unterricht zu unterstreichen.
Abschließend stelle ich in dieser Arbeit einen möglichen Ansatz für die Präventionsarbeit im Primarstufenbereich vor.
In der vorliegenden Arbeit nenne ich immer nur allgemein den ‚Primarstufenbereich’, meine damit aber selbstverständlich auch den Primarstufenbereich einer Lernbehindertenschule!
2. Sexualerziehung im Primarstufenbereich
2.1 Sexualerziehung – Warum?
Warum schon im Primarstufenbereich Sexualerziehung? Früher galt das Prinzip ‚Im Elternhaus erfahren die Kinder den richtigen Umgang mit Sexualität – im Sinne der Eltern. Außerdem ist Sexualität erst ab der Pubertät relevant.’. Darin zeigt sich, dass Sexualität untrennbar mit Fortpflanzung zusammenhing, woraus sich der Schluss ergeben würde: Kinder sind asexuelle Wesen.
Doch das Gegenteil ist der Fall: „Kinder sind vom ersten Tag ihres Leben an sexuelle Wesen, wenn auch auf andere Weise als Menschen ab der Pubertät.“[1].
ETSCHENBERG schreibt in >Sexualerziehung in der Grundschule<[2], das die Fortpflanzung zwar erst nach der Pubertät eine Rolle im Leben eines jeden Menschen spielt, doch sie sagt auch, das die „Sexualität an sich (...) ein Thema [ist], das den Menschen ‚von der Wiege bis zur Bahre’ begleitet.“[3]
Teilt man diesen Standpunkt, so ergibt sich der logische Schluss, dass der Mensch sich auch „von der Wiege bis zur Bahre“ aktiv mit seiner eigenen Sexualität auseinandersetzen sollte.
Durch die allgegenwärtige Präsens von Sexualität in den Medien sind aber gerade SchülerInnen des Primarstufenbereichs mit Themen konfrontiert, mit denen sie noch nicht alleine umgehen können. Das heißt sie brauchen unterstützende Begleitung im Umgang mit ihrer eigenen Sexualität, um die gesehen, gehörten und evtl. auch erfahrenen Facetten der Sexualität verstehen zu können.
Ein weiterer Grund um mit der Sexualerziehung so früh wie möglich zu beginnen, nennt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in ‚Sexualerziehung die ankommt...’: „Kinder sind Wesen aus Fleisch und Blut, mit Wünschen und Ängsten, Erfahrungen und Empfindungen, die ihre Rolle als Schüler beeinflussen. (...) Kinder sind Wesen aus Fleisch und Blut. Sie geben weder ihr Geschlecht noch ihren Körper an der Schulgarderobe ab.“[4] So geht es in der Schule nicht alleine um das schulische Lernen, sondern die SchülerInnen werden tagtäglich auch mit neuen Erfahrungen in den Bereichen Freundschaft, Beliebtheit, Emotionalität und Körperkontakt konfrontiert. Den Umgang mit diesen neuen Erfahrungen müssen die SchülerInnen ebenso lernen wie den Umgang mit Mengen, Zahlen und Größen.
2.2 Sexualerziehung und ihre Ziele
Sexualität ist heutzutage in den Medien allgegenwärtig: in den Nachrichten wird über sexuellen Missbrauch berichtet, in Fernsehserien und Filmen werden Beziehungen und damit verbundene Beziehungskonflikte dargestellt, in Talkshows wird offen über bevorzugte Sexpraktiken u.ä. gesprochen, in der Werbung werden verstärkt nackte Menschen gezeigt Die Kinder im Grundschulalter erleben, neben den in den Medien dargestellten Facetten von Sexualität, auch verschiedenste Formen von Beziehungen und Sexualität innerhalb der Familie und des Bekanntenkreises.
Die Aufgabe der Sexualerziehung ist es deshalb den Kindern Werte zu vermitteln, um sich im ‚Dschungel der Sexualität’ zurecht zu finden. Die Sexualerziehung soll Ordnung bringen in die vielfältigen Eindrücke vom Zusammenleben der Geschlechter und in die vielfältigen Bilder von sexueller Lust[5]. Dabei soll die Sexualerziehung klare Zielvorstellungen vermitteln, welches Geschlechter- / Sexualverhalten gefördert bzw. nicht gefördert werden sollte.
Außerdem sollen die Kinder, laut den Richtlinien und Lehrplänen zur Sexualaufklärung NRW (zum 1. August 2000) grundsätzliches über ihren Körper, die Fortpflanzung, etc. lernen[6].
Im ersten Kapitel der Arbeitsmappe ‚Sexualerziehung die ankommt...’ schreibt die BZgA, dass Sexualerziehung in erster Linie ein „bejahendes, zärtliches Körpergefühl [unabhängig vom Geschlecht] vermitteln“[7] soll. Dabei will die Sexualerziehung als Sozialerziehung verstanden werden, bei der die SchülerInnen „zu einem toleranten, liebevollen und verantwortungsbereiten Umgang mit dem eigenen und dem anderen Geschlecht“[8] erzogen werden sollen. Durch Sexualerziehung werden u.a. folgende Werte vermittelt:
- „(...) Kenntnisse, die einen aufgeklärten (...) und angstfreien Umgang mit Sexualität und eine kritische Auseinandersetzung mit Erscheinungsformen von Sexualität in der Gesellschaft ermöglichen;
- Kompetenz und Motivation zur Übernahme von Verantwortung beim sexuellen Handeln und bzgl. der möglichen Zeugung eines Kindes;
- () Bereitschaft zum partnerschaftlichen Umgang der Geschlechter miteinander unter Verzicht auf jedwede Form von Gewalt und Ausbeutung und unter Beachtung des Rechts anderer auf körperliche und seelische Unversehrtheit ;
- Inanspruchnahme des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung unter Beachtung des Selbstbestimmungsrechts anderer und begründeter Schutzansprüche von Kindern und Jugendlichen;
- Toleranz Menschen gegenüber, die eine Art von Sexualität leben, die sich von der eigenen und gewohnten unterscheiden.“[9]
Formuliert man die o.g. Ziele ein wenig um, so könnten diese Ziele bzw. Werte auch für andere Verhaltensbereiche gelten.
Abschließend kann hier also gesagt werden, dass Sexualerziehung zumeist im Sinne von Sozialerziehung verstanden wird. Die Lehrenden sollten dabei darauf achten, dass allgemeingültige Werte vermittelt werden.
3. Sexueller Missbrauch – ein Thema in der Sexualerziehung?
Bevor ich näher darauf eingehe ob und wie man das Thema ‚Sexueller Missbrauch’ im Primarstufenbereich besprechen sollte, wird die Begrifflichkeit ‚Sexueller Missbrauch’ im Folgenden definiert.
3.1 Sexueller Missbrauch – Was ist das?
Bei meiner Suche nach einer Definition für die Begrifflichkeit ‚Sexueller Missbrauch’ musste ich feststellen, dass es – besonders im Internet – eine ganze Reihe von Definitionsversuchen gibt. Im Folgenden werde ich verschiedene Definitionen vorstellen, darunter die rechtliche, um einen Überblick zu geben.
3.1.1 Sexueller Missbrauch – gesetzliche Definition
Im Strafgesetzbuch (StGB) findet man verschiedene Paragraphen, die sich mit diesem Strafbestand beschäftigen. Dabei wird zum einen die Handlung an sich, aber auch das Verhältnis des Täters zum Opfer berücksichtigt. Insbesondere sind hier die Paragraphen
[...]
[1] ETSCHENBERG (in Anlehnung an MÖNKEMEYER 1993 und NEUBAUER 1996) in: Sexualerziehung in der Grundschule, 2000, S. 9
[2] 2000
[3] ebd. S. 9
[4] BZgA: Sexualerziehung die ankommt..., 1999: Kapitel 1 Basisinformationen, S. 10
[5] vgl. ETSCHENBERG in: Sexualerziehung in der Grundschule, 2000, S. 12
[6] vgl. BZgA: Sexualerziehung die ankommt, 1999: 3. Kapitel Richtlinien der Länder, S. 6
[7] ebd. S. 14
[8] ebd. S. 15
[9] ETSCHENBERG in: Sexualerziehung in der Grundschule, 2000, S. 26f.
- Arbeit zitieren
- Nina Krull (Autor:in), 2003, Sexueller Missbrauch - ein Thema für den Unterricht?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/27500
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