Plattdeutsch. Eine Varietät der deutschen Sprache


Dossier / Travail de Séminaire, 2014

29 Pages, Note: 1.3


Extrait


Inhalt

1. Einleitung

2. Die Geschichte des Niederdeutschen

3. Die Grammatik des Plattdeutschen
3.1 Schwache Verben
3.2 Zweite Lautverschiebung
3.3 Phonologische Ähnlichkeiten
3.4 Vokale
3.5 Kasusflexion -Adjektive und Artikel (Determinierer)
3.6 Zwischenbetrachtung
3.7 Fremdwörter

4. Soziokulturelle Aspekte des Niederdeutschen
4.1 Vorstellung der Studie
4.2 Rückblich auf die GETAS- Studie
4.3 Die Verbreitung des Plattdeutschen
4.4 Die Verwendung des Plattdeutschen

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

7. Anhang

1. Einleitung

Das Niederdeutsche bzw. Plattdeutsche ist die Sprache des deutschen Nordens. Soweit die geschichtliche Kenntnis zurückreicht, haben sich die Menschen in Norddeutschland dieser Sprache bedient; Form und Funktion haben sich jedoch seither gewandelt. Sprachhistorisch gesehen ist kaum eine andere Sprache den politischen, ökonomischen und soziokulturellen Bewegungen sprachlicher Expansion und Rezession so ausgeliefert, wie das Niederdeutsche. Die wechselvolle Geschichte des Niederdeutschen ist geprägt von der allmählichen „Eindeutschung“ der altniederdeutschen Sachsensprache, der Einführung der norddeutschen Schriftsprache in Norddeutschland sowie die andauernde Konkurrenz des Hochdeutschen als Standardsprache mit dem niederdeutschen Mundarten, dem Plattdeutsch.

War das Niederdeutsche in früherer Zeit nur die Sprache des germanischen Stammes der Sachsen, so weitete sich sein Geltungsbereich in der Folgezeit territorial und funktional aus. Bis zum Ende des Mittelalters kannte der deutsche Norden neben Latein nur das Niederdeutsche. Im alltäglichen Umgang, in den Lebensbereichen Handel, Recht, Politik, Religion und Kultur, konnte man sich in den jeweils angemessenen Varianten, mündlich oder schriftlich, ausdrücken. Die sozialen Prozesse der vergangenen Jahrhunderte, die Industrialisierung, Urbanisierung und schließlich der Übergang zum Hochdeutschen als Gemeinschaftssprache, führten dazu, dass die „Überlebenschancen“ des Niederdeutschen immer stärker bedroht wurden. Trotz dieser Entwicklung hat sich eine Minderheit für die Aufrechterhaltung des Niederdeutschen eingesetzt, welche bis in die Gegenwart reicht. Die niederdeutsche Sprache und die u.a. dadurch geprägte Kultur hat im öffentlichen Leben, im Kulturleben und im Bildungswesen weiterhin nur eine Randposition.

In der folgenden Arbeit wird zunächst ein historischer Überblick über die Geschichte und Entwicklung des Niederdeutschen aufgezeigt. Wie eingangs erwähnt, ist das Niederdeutsche geprägt von vielen sprachlichen Expansionen und Rezessionen, auf die näher eingegangen werden. Im zweiten Teil der Arbeit werden die grammatikalischen Besonderheiten des Niederdeutschen erläutert und anhand von zahlreichen Beispielen deutlich gemacht. Abschließend wird das Niederdeutsche im soziokulturellen Kontext untersucht.

Dabei liegt ein Hauptaugenmerk auf der Frage, wer in heutiger Zeit noch Niederdeutsch redet und in welchen sozialen- und kulturellen Kontexten dies geschieht.

2. Die Geschichte des Niederdeutschen

Die Darstellung der Verbreitung und Geschichte des Niederdeutsch ist die Aufgabe der Sprachwissenschaft. In der Wissenschaft gelten als sprachliche Existenzformen die Standardsprache, die Dialekte sowie die Sondersprachen. Grundsätzlich ist jede dieser Sprachform mündlich und schriftlich einsetzbar, d.h. es existieren immer zwei sprachliche Realisationsformen. Der folgende Abschnitt behandelt zunächst die Geschichte und Verbreitung des Niederdeutschen. In weiten Bevölkerungskreisen Norddeutschlands bezeichnet der Begriff „Plattdeutsch“ die dortige Volkssprache. Doch Plattdeutsch bezeichnet lediglich örtliche und landschaftliche Mundarten, welche sich untereinander auch unterscheiden können. Der sprachwissenschaftlich gültige Fachausdruck für die Volkssprache ist Niederdeutsch. Im Laufe der Zeit ergaben sich drei traditionelle Sprachperioden des Niederdeutschen; Altniederdeutsch, Mittelniederdeutsch und Neuniederdeutsch. Die genannten Begriffe sind keine konkreten Sprachbenennungen, sondern terminologische Konstrukte der Sprachwissenschaft, die lediglich einer systematischen Periodisierung dienen.1 Durch historisch- politische Entwicklungen wurde die Sprache der Sachsen, das Altniederdeutsche, durch ihre Selbstständigkeit und Eigenart zum Vorreiter des Deutschen. Das Mittelniederdeutsche zählt mehr als amtlich aufgesetzte Schreibsprache, welche beim Übergang zum Hochdeutschen schnell unterging. In heutiger Zeit hat sich Hochdeutsch als Standardsprache neben den niederdeutschen Mundarten als Varianten desselben Sprachsystems durchgesetzt; beide Sprachverwendungen konkurrierten miteinander, wobei sich das Hochdeutsche letztlich durchsetzte und das Niederdeutsche nur eine Randposition einnahm; eine Entwicklung, die bis heute anhält.2

Das Altniederdeutsche (oder auch „Altsächsische“) beruht auf den Stamm der Sachsen. Die Sachsen waren ein westgermanischer Stamm, der sich im 2. und 3. Jahrhundert an der Nordseeküste bis zum Niederrhein ausdehnte. Mit Beginn des 5. Jahrhunderts wanderte ein Teil der Sachsen nach Britannien aus. In den folgenden Jahrhunderten gab es immer wieder kriegerische Auseinandersetzungen der Altsachsen mit den Franken. Während der Sachsenkriege im 8. Jahrhundert wurden die Sachsen von den Franken unterworfen, infolgedessen wurden die Sachsen missioniert. Das Altniederdeutsche bzw. Altsächsische ist die älteste Form des Niederdeutschen. Diese Vorstufe des Altniederdeutschen gehört mit Altenglisch und Altfriesisch zur nordseegermanischen Gruppe der indogermanischen Sprachen. Als Beleg für das Einsetzen des Altniederdeutschen gelten die alten Schriftdenkmäler seit Beginn des 8. Jahrhunderts. Die „Epoche“ des Altniederdeutschen reicht etwa bis ins 12. Jahrhundert; Überlieferungen in den Folgejahren blieben aus, sodass die Wissenschaft davon ausgeht, dass während einer Zeitspanne von ca. 150 Jahren in Norddeutschland lateinisch gesprochen wurde.3

Nach 1200 beginnt der Übergang vom Altniederdeutschen zum Mittelniederdeutschen. Zeitlich umfasst das Mittelniederdeutsche vom 13. bis zum 16./17. Jahrhundert eine Sprachperiode des Niederdeutschen. Im Mittelalter war Plattdeutsch die „Weltsprache“ des hansischen Wirtschaftsraumes; es setzte sich eine bürgerliche Schriftlichkeit durch, Recht und Gesetz wurden auf Niederdeutsch festgehalten und durch die Buchdruckerei konnten Bücher in niederdeutsch gedruckt werden.

In der Zeit von 1350 bis 1550 war die Hanse die wirtschaftlich und politisch vorherrschende Macht in Nordeuropa. Dies hatte zur Folge das Mittelniederdeutsch die Handelssprache des Nord- und Ostseeraums. Mittelniederdeutsch entwickelte sich zur „Sprache des Rechts, des Handels und der Diplomatie, und […] erreichte den Status einer Kultursprache von Weltrang“.4 Der mittelniederdeutsche Sprachraum hat sich erheblich ausgedehnt, besonders im Osten, Norden und Nordwesten Deutschlands. An den dialektalen Eigenarten in den überlieferten Quellen kann man ablesen, wo Mittelniederdeutsch gesprochen wurde; in den Niederlanden, in West- und Ostfalen, in Niedersachsen und Holstein. Nach Norden dehnte sich das Gebiet bis zum Friesland aus. Zeitweise gehörte das Niederdeutsche auch zur vorherrschenden Sprache des dänischen und schwedischen Handels. Im Osten grenzte es an das Slawische. Nach Westen hin, zum Mittelniederländischen, gab es keine eindeutige Grenze. Insgesamt hat sich der Geltungsbereich des Mittelniederdeutschen in dieser Zeit nach Norden, Osten und Nordwesten stark gegenüber dem Altniederdeutsch erweitert, allerdings nicht nach Südwesten und Südosten.

Das Spektrum an überlieferten Texten aus dieser Zeit ist ziemlich breit. Das Mittelniederdeutsche übernahm schriftsprachliche Funktionen vor allem in der Prosa. Im 13. Jahrhundert gab es die ersten elementaren mittelniederdeutschen Schriften wie zum Beispiel der Sachsenspiegel, das älteste und bedeutendste Rechtsbuch des Mittelalters, welches in mittelniederdeutsch von Eike von Repgow verfasst wurde. Erstmals für den Sachsenspiegel musste eine Orthografie sowie ein Prosastil des Mittelniederdeutschen entwickelt werden. Außerdem entstand auf mittelniederdeutsch die erste historische Prosa, die Sächsische Weltchronik, und zahlreiche religiöse Prosatexte.

Den Schwerpunkt der mittelniederdeutschen Überlieferung bildeten das weltliche und geistliche Gebrauchsschrifttum. Die niederdeutsche Literatur hat einige Werke von Rang zu nennen, darunter der „Reynke de Vos“, ein niederdeutsches Tierepos. Der Lübecker Totentanz von 1489 sowie das Narrenschiff von 1497 sind zwei der bekanntesten niederdeutschen Werke aus Hans von Ghetelens5 Mohnkopf- Druckerei.

Im 14. Jahrhundert setzte sich das Mittelniederdeutsche auch im Urkundenwesen durch. Das Aufkommen einer bürgerlichen Schriftlichkeit sorgte für eine überregionale Reichweite des Mittelniederdeutschen. Die Sprache war in Ihrer Blütezeit angekommen. Allerdings war die niederdeutsche Sprache nicht so homogen wie fälschlicherweise angenommen. Unter Mittelniederdeutsch verstand man nicht nur die Schriftsprache, sondern auch die vielfältigen Dialekte der damaligen Zeit. Die gesprochene Volkssprache wich enorm von der Schriftsprache ab. Außerdem gab es in den unterschiedlichen Regionen verschiedene Formen des Niederdeutschen, die, je weiter vom Norden Deutschlands weg, desto unterschiedlicher ausgeprägt waren.6

Zu Zeiten der Reformation im 16. Jahrhundert war es eher zu einer Festigung des Niederdeutschen gekommen, die Entwicklung des Buchdrucks hingegen führte vermehrt zum Wechsel vom Nieder- zum Hochdeutschen, vor allem in der Zeit zwischen 1540 und 1560.7 Weiterhin büßte das Mittelniederdeutsche im Laufe des 16. Jahrhunderts seinen Schriftsprachenstatus ein. Der vermehrte Wechsel zum Hochdeutschen lässt sich auf den Niedergang der Hanse, das Erstarken der Territorialfürsten und das zunehmende politische, ökonomische sowie kulturelle Übergewicht des hochdeutschsprachigen Raumes zurückführen. Des Weiteren sorgten die Orientierung am römischen Recht und die Auswirkungen des Humanismus dafür, dass der Rückgang des Mittelniederdeutsch unaufhaltsam war.8 Eines der letzten literarischen Werke des Mittelniederdeutschen ist das von Johann Lauremberg 1634 verfasste Gedicht „Veer Schertz Gedichten“.9 Damit endet jedoch die Ära der mittelniederdeutschen Literatur.

Im 17. und 18. Jahrhundert setzte der Verfall der Niederdeutschen Sprache ein. In allen wichtigen gesellschaftlichen Bereichen übernahm das Hochdeutsche als Schriftsprache die Oberhand. Zunächst im gesamten Bildungssektor, in Universitäten, danach in Kanzleien und zuletzt auch in der Kirche. Im öffentlichen Bereich gab es somit keine niederdeutsche Schriftlichkeit mehr. Im Zuge des Aufbaus zu einer modernen Gesellschaft, durch die Industrialisierung und Urbanisierung, wurde der Gebrauch des nunmehr mundartlichen Niederdeutschen immer weiter eingeschränkt.

In der Literatur wurde Mittelniederdeutsch weiterhin von Hochdeutsch abgelöst. Lediglich in hochdeutschen Dramen traten die einfachen Gestalten des Helden mit plattdeutscher Mundart auf. Das Niederdeutsche tauchte allenfalls noch in familiären Texten wie Hochzeitsgedichten oder publizistischen Schmähschriften auf. Daraus entwickelte sich auch das weit verbreitete Vorurteil, Niederdeutsch sei nur für grob- humoristische Zwecke geeignet.10 In ländlichen Gegenden, in deren Familien und im Arbeitsumfeld, wurde weiterhin noch Niederdeutsch gesprochen. Aufgrund der Notwendigkeit, sich überregional einheitlich verständigen zu können, entwickelte sich ein hochdeutscher Standard; der Handel und die wirtschaftlichen Verflechtungen spielten dabei eine große Rolle. Die hochdeutsche Standardsprache setzte sich zuerst bei der Oberschicht durch, später dann auch in der mittleren Schicht und im Verwaltungswesen. Als Umgangssprache hat sich Plattdeutsch in den unteren sozialen Schichten gehalten, allerdings wurde es über Jahrzehnte hinweg nicht mehr geschrieben.11

Eine Renaissance des Niederdeutschen kam vor allem im 19. und 20. Jahrhundert wieder auf. Nachdem die niederdeutsche Schreibkultur zugunsten des Hochdeutschen gewichen ist und der Wechsel der gesprochenen Sprache weiter anhielt, ging mit dem Sprachwechsel auch ein neuerlicher Aufstieg des Niederdeutschen zur Kultursprache einher. Zu der Zeit sollte dem von den Bürgern empfundene Zusammenbruch von Kultur und Sprache etwas entgegengehalten werden; das Niederdeutsch sollte neben der hochdeutschen Sprache gestellt werden. Die Kritik an der Moderne erfolgte auf Niederdeutsch. Mit Romanen von dem Autor Fritz Reuter12 erreichte die niederdeutsche Literatur einen neuen Höhenpunkt. Von da an entwickelte sich das Niederdeutsche zu einer anspruchsvollen Kultursprache.13

Von einer wirklichen Wissenschaft des Niederdeutschen lässt sich erst seit dem Ende des 19. Jahrhunderts sprechen. Einige Philologen norddeutscher Universitäten sammelten alte niederdeutsche Texte und Wortgut, an der Universität von Rostock wurde 1920 eine Professur für niederdeutsche Philologie eingerichtet; die akademische Forschung und Lehre hat sich dafür eingesetzt, dass sich das Fach bis heute als germanistische Disziplin an norddeutschen Hochschulen etabliert. Die Entwicklung der niederdeutschen Philologie verlief in ihren Teilgebieten Mittelalterforschung, Sprachwissenschaft und Literaturwissenschaft relativ ungleichmäßig.

[...]


1 Vgl. Sanders, Willy, Sachsensprache, Hansesprache, Plattdeutsch. Sprachgeschichtliche Grundzüge des Niederdeutschen, Göttingen 1982, S. 20.

2 Vgl. Stellmacher, Dieter, Niederdeutsche Sprache. Eine Einführung, Bern 1990, S. 15.

3 Vgl. Sanders, Plattdeutsch, S. 22.

4 Vgl. Bargstedt, Stefan, Wo und wie Plattdeutsch ist, 2. überarbeitete Auflage, Bremen 2009, S. 127.

5 Hans von Ghetelen (* vor 1480, ‚ 1528), Buchdrucker in Lübeck, Besitzer der Mohnkopf- Druckerei, als Druckerzeichen dienen drei Mohnköpfe.

6 Vgl. Bargstedt, Plattdeutsch, S. 128.

7 Vgl. Bargstedt, S. 132.

8 Vgl. Bargstedt, S. 133.

9 Johann Lauremberg, Niederdeutsche Scherzgedichte, Halle 1879 (Erstdruck 1652), aus: Bargstedt, Plattdeutsch, S. 134.

10 Vgl. Bargstedt, Plattdeutsch, S. 135.

11 Vgl. Sanders, Plattdeutsch, S. 84.

12 Fritz Reuter (*1810 in Stavenhagen, ‚ 1874 in Eisenach), einer der bedeutendsten deutschen Dichter der niederdeutschen Sprache.

13 Vgl. Bargstedt, Plattdeutsch, S. 137.

Fin de l'extrait de 29 pages

Résumé des informations

Titre
Plattdeutsch. Eine Varietät der deutschen Sprache
Université
Bielefeld University
Cours
Varietäten der deutschen Sprache
Note
1.3
Auteur
Année
2014
Pages
29
N° de catalogue
V275047
ISBN (ebook)
9783656679585
ISBN (Livre)
9783656679578
Taille d'un fichier
720 KB
Langue
allemand
Mots clés
plattdeutsch, eine, varietät, sprache
Citation du texte
Thomas Post (Auteur), 2014, Plattdeutsch. Eine Varietät der deutschen Sprache, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/275047

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