Die juristische Legitimation der französischen Réunionen unter Ludwig XIV. anhand der Reunionskammer zu Metz (1679-1688)

Wie rechtfertigte die Kammer die Réunionen und inwieweit hatte sie die Legitimation?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2013

19 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.Einleitung

2.Vorgeschichte

3.Außenpolitik und Kriege Ludwigs XIV

4.Die Reunionskammer zu Metz
4.1. Zur Legitimation der Reunionsansprüche
4.2. Die Ziele der Reunionspolitik
4.3. Die Arbeit der Reunionskammer
4.4. Folgen der Reunionspolitik

5.Fazit

6.Quellen-, und Literaturverzeichnis

Einleitung

Die deutsche Westgrenze und die französische Ostgrenze existieren seit sehr langer Zeit. Nach der Spaltung des Fränkischen Reiches, und seit dem Vertrag von Meerssen aus dem Jahr 870, gab es eine gemeinsame Grenze zwischen dem Ostfränkischen Reich und dem Westfränkischen Reich.1 Auch die nachfolgenden französischen sowie deutschen Staaten und Staatenverbunde behielten die gemeinsame Grenze bei. Dieser Grenzverlauf unterlag in mehr als 1000 Jahren einer kontinuierlichen Veränderung. Die letzte faktische Veränderung der Grenze ereignete sich am 1. Januar 1957, als das spätere Bundesland Saarland ein Teil der Bundesrepublik Deutschland wurde.2

Natürlich gab es verschiedene Ursachen des Zustandekommens solcher Grenzveränderungen. Es gab Verträge, die eine friedliche Umsetzung der Veränderungen herbeiführten. Aber auch Kriege wie die Koalitionskriege von 1792 bis 1815, der Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 und natürlich der Ersten und der Zweiten Weltkrieg, um nur einen Teil der Auseinandersetzungen zwischen Frankreich und Deutschland zu nennen. Diese Arbeit wird sich aber auf eine Phase beziehen, welche etwa 100 Jahre vor der Französischen Revolution liegt. Genauer gesagt geht es um die Zeit der Kriege Ludwigs XIV. und der sogenannten Reunionen.

Reunionen, beziehungsweise Reunionspolitik, nennt man die Angliederungen, oder wie der französische Begriff nahelegt, die Vereinigungen deutscher Gebiete mit dem französischen Mutterland. Dabei bezogen sich die Franzosen auf alte Vertragswerke und vor allem auf die Gebiete die durch den Westfälischen Frieden im Jahre 1648 und den späteren Verträgen von Nimwegen aus den Jahren 1678/79 unter die Lehnsherrschaft Frankreichs gelangten.3 Ein wichtiger Teil der Reunionspolitik waren, neben den Reunionskriegen, die Reunionskammern, welche den Angliederungen der deutschen Gebiete an Frankreich eine juristische Legitimation geben sollten. Hier stellt sich nun die Frage, ob die Reunion von Reichsterritorium wirklich ein korrekter Vorgang war oder ob hier lediglich ein Scheinprozess unter französischer Feder stattfand.

Die Reunionspolitik fand ihren erfolgreichen Abschluss im Frieden von Rijswijk aus dem Jahre 1697, der zugleich das Ende des Pfälzischen Erbfolgekrieges bildete. Hier musste das Heilige Römische Reich die linksrheinischen Gebietsabtretungen an Frankreich, und den damit verbundenen Verlust des Elsass und Lothringens, endgültig anerkennen. Im Gegenzug gab der französische König die eroberten Rechtsrheinischen Gebiete an den römisch- deutschen Kaiser zurück.

Die Reunionen bilden einen Sonderfall in der Geschichte. Einerseits wurden sie durch Kriege vorangetrieben, andererseits wurde versucht, eine juristische Legitimation durch verschiedene Vertragswerke zu erreichen. In den Städten Metz, Breisach, Torunai und Besançon wurden die Reunionskammern eingerichtet, um die Angliederung der Gebiete zu rechtfertigen. Dagegen steht die Reichsstadt Straßburg. Die Stadt ist, ohne in einer der Reunionskammern verhandelt worden zu sein, einfach annektiert worden. In diesem Fall wich Ludwig XIV. also von seinem üblichen legitimistischen Kurs ab. Doch wurden die Reunionen am Ende überwiegend anerkannt.

Zeitgenossen waren, sofern sie sich überhaupt für Politik interessierten, kritisch gegenüber der Außenpolitik Ludwigs XIV. In späteren Zeiten wurde die Politik Ludwigs XIV. sehr unterschiedlich gewertet. In der Zeit Napoleons wurde Ludwig XIV., trotzdem er natürlich für das alte Regime stand, für seine Erfolge im außenpolitischen Bereich anerkannt.

Im Deutschen Kaiserreich und auch zur Zeit des Nationalsozialistischen Deutschlands herrschte eine Anti-Französische Einstellung. Dies erkennt man alleine an solchen Titeln wie „Entfestigungen und Zerstörungen im Rheingebiet während des 17. Jahrhunderts als Mittel der französischen Rheinpolitik“, von Franz Textor4 aus dem Jahre 1937 oder von nationalistischem Denken beeinflusste Abhandlungen von Hermann Aubin5 (1931) oder Ernst Anrich6 (1939). Gerade in jener Zeit finden sich relativ viele Werke, die sich mit der gemeinsamen Geschichte Frankreichs und Deutschlands, sowie der gemeinsamen Grenze, befassen. Dabei sieht man auf deutscher Seite ganz klar die französische Seite als Aggressor während der Reunionszeit.

Heute jedoch sind französische wie deutsche Historiker der Ansicht, dass die Reunionskammern heutzutage rechtlichen Überprüfungen nicht standhalten könnten. Dabei kommt es einerseits zu einer Verherrlichung Ludwigs und seiner Politik durch Ernest Babelon, aber auch zu Verurteilungen Ludwigs durch die Historiker Steinbach, Herold und Niessen.7 Dennoch gibt es wenige Abhandlungen und Beiträge in der jüngsten Vergangenheit, also seit den neunziger Jahren, die diese Auffassung genauer zeigen und analysieren.

Die Quelle, die dieser Arbeit zugrunde liegt, ist eine 313 Seiten umfassende Dissertation von Hermann Kaufmann aus dem Jahre 1889, die er in Straßburg abfasste, und den Namen „Die Reunionskammer zu Metz“ trägt. Hieraus werden Auszüge entnommen, um die Argumente und Methoden der Reunionskammer zu Metz zu analysieren.8

Vorgeschichte der Reunionen

Um die Reunionen, und damit die Außenpolitik Ludwigs XIV., zu verstehen, muss man einige Jahre vorher ansetzten. Der Dreißigjährige Krieg von 1618 bis 1648, der als Religionskrieg beginnt, aber im Endeffekt zu einem großeuropäischen Machtkampf auf deutschem Boden wird, und seine Folgen, bilden einen der Grundsteine der späteren Reunionspolitik. Die Auseinandersetzung zwischen der Katholische Liga und der Protestantischen Union war vor allem auch ein Konflikt zwischen Frankreich und Habsburg, aber auch zwischen den deutschen Reichsfürsten und dem römisch deutschen Kaiser.

Hier zeigt sich die Kontinuität der Auseinandersetzungen zwischen Frankreich, beziehungsweise dem französischen König, und dem Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nationen. Die Bourbonen versuchten stets ihre Position in Frankreich zu stärken. Die Politik, seit dem ersten Bourbonen Heinrich IV., wurde anfangs stark von Kardinal Richelieu beeinflusst. Aber auch zuvor gab es, zum Beispiel zwischen Kaiser Karl V. und dem französischen König Franz I., immer wieder Konflikte zwischen den deutschen und französischen Herrschern.9 Der Dreißigjährige Krieg wurde mit dem Westfälischen Frieden von 1648 in Osnabrück und Münster beendet. In Münster wurden die Verhandlungen zwischen dem Reich und Frankreich geführt.

In dem damals schwedisch besetzten Osnabrück kam es dagegen zwischen dem Reich und Schweden zum Friedensschluss. Daneben waren aber auch Portugal, Spanien, die italienischen Einzelstaaten und die, nach dem Frieden völlig unabhängigen, Vereinigten Niederlanden an beiden Friedensverträgen beteiligt.10

Neben dem konfessionellen und verfassungsrechtlichen Ausgleich, kam es auch zu einschneidenden territorialen Veränderung im Herzen Europas. Schweden erhielt einige Gebiete im Nordosten, unter anderem Vorpommern und die Insel Rügen. Dennoch blieben diese Gebiete Reichslehen und Schweden durfte an Reichstagen teilnehmen.

Innerhalb der deutschen Gebiete gab es ebenfalls einige Veränderungen, und die Niederlande wurden als Vereinigte Niederlande unabhängig. Auch die schweizerischen Eidgenossenschaften und Teile Norditaliens schieden aus dem Reich aus. Wichtig sind jedoch die Gebiete, welche an Frankreich gingen. Es erhielt den Sundgau, die Bistümer Metz, Toul, Verdun und die Vogtei über zehn elsässische Reichsstädte. Somit gelangte es an die Rheingrenze, welche durch die Brückenköpfe Breisach und Phillipsburg gesichert wurde.

Damit wurde die Bedrohung einer habsburgischen Hegemonie gebrochen und Frankreich stieg endgültig als Großmacht in Europa auf. Interessanterweise waren die drei Städte Metz, Toul, und Verdun de facto seit 1522 französisch. Sie wurden in diesem Jahr vom französischen König Heinrich II. besetzt, und standen seitdem unter französischer Kontrolle. Aber erst mit dem Westfälischen Frieden wurden sie somit auch de jure ein Teil Frankreichs. Man kann dies sogar als erste Reunion ansehen.

Einen weiteren Aspekt in der Vorgeschichte der Reunionen spielt der Friede von Nimwegen, der mehrere Friedensverträge beinhaltete. Diese wurden 1678 und 1679 in der niederländischen Stadt zwischen den sechs Parteien Frankreich, Schweden, Spanien, dem Heiligen Römischen Reich, den Vereinigten Niederlanden, Münster geschlossen. Damit wurde vor allem der Französisch-Niederländische Krieg (1672-78) beendet. Frankreich erhielt als wichtigsten Gewinn die Freigrafschaft Burgund (oder auch Franche-Comté), und Gebiete der Spanischen Niederlande von Spanien. In Flandern kam es zu kleinen Grenzveränderungen. Ihre besetzten Gebiete in den Niederlanden gaben die Franzosen unter der Bedingung zurück, dass die Vereinigten Niederlanden gegenüber Frankreich und Schweden in Zukunft neutral blieben.

[...]


1 Vgl. Mieck, Ilja: Deutschlands Westgrenze; in: Demandt, Alexander (Hrsg.): Deutschlands Grenzen in der Geschichte, München 1990, S. 194-197.

2 Vgl. Pleticha, Heinrich (Hrsg.): Deutsche Geschichte - Geteiltes Deutschland (nach 1945), Gütersloh 1984, S. 120.

3 Vgl. Schmidt, Georg: Der Dreißigjährige Krieg, München 2006, S. 96 ff. 3

4 Vgl. Textor, Franz: Entfestigungen und Zerstörungen im Rheingebiet während des 17. Jahrhunderts als Mittel der französischen Rheinpolitik, Bonn 1937.

5 Vgl. Aubin, Hermann: Staat und Nation an der deutschen Westgrenze, in: Pohl, Heinrich/Wenzel, Max (Hrsg.): Völkerrechtsfragen - Eine Sammlung von Vorträgen und Studien, Berlin 1931.

6 Vgl. Anrich, Ernst: Die Geschichte der deutschen Westgrenze - Darstellung und ausgewählter Quellenbeleg; in: Kesting, H.: Bausteine für Geschichtsunterricht und nationalpolitische Schulung, Leipzig 1939

7 Vgl. Hoppstädter, Kurt/Herrmann, Hans-Walter: Geschichtliche Landeskunde des Saarlandes - Von der

fränkischen Landnahme bis zum Ausbruch der Französischen Revolution, in: Zeitschrift für die Geschichte der Saargegend (Historischer Verein für die Saargegend), Band 2, Saarbrücken 1977, S. 447.

8 Vgl. Kaufmann, Herman: Die Reunionskammer in Metz; in: Jahrbuch der Gesellschaft für lothringsche Geschichte und Altertumskunde 11 (1899), S. 1-313.

9 Vgl. Kohler, Alfred: Karl V., Kaiser; in: Neue Deutsche Biographie 11, München 1977, S. 201 . 5

10 Vgl. Holborn Hajo: Deutsche Geschichte in der Neuzeit, Band 1: Das Zeitalter der Reformation und des Absolutismus (bis 1790), München 1970, S. 338-346.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Die juristische Legitimation der französischen Réunionen unter Ludwig XIV. anhand der Reunionskammer zu Metz (1679-1688)
Untertitel
Wie rechtfertigte die Kammer die Réunionen und inwieweit hatte sie die Legitimation?
Hochschule
Universität Trier  (Fachbereich III - Geschichtliche Landeskunde)
Veranstaltung
Deutschlands Westen - Frankreichs Osten. Grenzkonflikte und -diskurse in der Frühen Neuzeit und die Folgen
Note
2,3
Autor
Jahr
2013
Seiten
19
Katalognummer
V275305
ISBN (eBook)
9783656680116
ISBN (Buch)
9783656680161
Dateigröße
650 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
legitimation, réunionen, ludwig, reunionskammer, metz, kammer
Arbeit zitieren
Marcel K. Schwertel (Autor:in), 2013, Die juristische Legitimation der französischen Réunionen unter Ludwig XIV. anhand der Reunionskammer zu Metz (1679-1688), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/275305

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