Macht oder Ohnmacht? Bedingungen für den Erfolg des Europäischen Systems der Finanzaufsicht

Eine politikwissenschaftliche Analyse am Beispiel der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersvorsorge EIOPA


Tesis (Bachelor), 2013

71 Páginas, Calificación: 1,6


Extracto


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Thematische Einführung
1.2 Fragestellung und Aufbau der Arbeit
1.3 Relevanz des Themas
1.4 Stand der Forschung
1.5 Quellenlage
1.6 EIOPA: ein Überblick

2 Theorien und Hypothesen
2.1 Begriffsbestimmung
2.2 Theoretischer Bezugsrahmen
2.3 Hypothesen

3 Forschungsdesign
3.1 Untersuchungsinteresse und -methode
3.2 Fallauswahl
3.3 Untersuchungszeitraum
3.4 Variablen
3.5 Operationalisierung

4 Datenerhebung, Datenanalyse und -interpretation

5 Ergebnis

6 Schlussbetrachtung

7 Tabellen

8 Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Hintergrundgespräche: Frageleitfaden deutsch

Tab. 2: Hintergrundgespräche: Frageleitfaden englisch

Tab. 3: Rechtlicher Rahmen: Artikel der EIOPA - Verordnung,

welche die Arbeitsweise der Behörde betreffen

Tab. 4: Die Kompetenz von EIOPA, Regeln zu setzen

Tab. 5: Klassifikation zur Bestimmung der Homogenität

des Personals von EIOPA.

Tab. 6: Index „Formale Politisierung“

Tab. 7: Index „Rekrutierung der Managementebene“ von EIOPA

Tab. 8: Unabhängigkeit von EIOPA

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Überblick über das Europäische System für Finanzaufsicht

Abb. 2: Übersicht: Indikatoren, Variablen, Instrumente

Abb. 3: Auswertung: Indikatoren, Variablen, Bewertung

1 Einleitung

Die Arbeit mit dem Titel „Macht oder Ohnmacht? Bedingungen für den Erfolg des Europäischen Systems der Finanzaufsicht am Beispiel der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersvorsorge EIOPA. Eine politikwissenschaftliche Analyse“ wurde im Rahmen des Abschlusses „Bachelor of Arts“ im Bachelorstudiengang Politikwissenschaften, Verwaltungswissenschaften, Soziologie an der FernUniversität Hagen erstellt.

1.1 Thematische Einführung

Seit Mitte 2007 hält die globale Finanzkrise Wirtschaft und Politik weltweit in Atem. Ursprung dieser Finanzkrise war die Immobilienkrise in den USA, die sich schnell auf andere Länder und Branchen ausgebreitet hat. Durch die globale Sogwirkung der Krise wurden recht schnell Mängel in der internationalen und europäischen Finanzmarktregulierung deutlich (vgl. Kommission 2009 a: S. 5). Als Reaktion auf die Krise, die zu einer Rezession der Weltwirtschaft geführt hat (vgl. Kommission 2009 a: S. 9), hat die EU-Kommission im Oktober 2008 die „High-Level Group on Financial Supervision in the EU“ mit der Analyse der Ursachen der Finanzkrise beauftragt. Diese Expertengruppe unter der Leitung des ehemaligen Präsidenten der französischen Notenbank Jacques de Larosière sollte Empfehlungen zur künftigen Regulierung und Beaufsichtigung der europäischen Finanzmärkte aussprechen. Die Expertengruppe hob als eine der Ursachen der Krise die mangelnde Aufsicht relevanter Finanzdienstleistungsunternehmen in den USA hervor (vgl. de Larosière et al. 2009: S. 7). Aber auch in der EU führten die falsche Einschätzung des Risikos, eine unzureichende Infrastruktur, mangelnde Transparenz und mangelnde Bereitschaft zum Informationsaustausch auf europäischer und internationaler Ebene zu einer weiteren Verschlimmerung der Lage. Zudem zögerten nationale Aufseher aufgrund des starken internationalen Wettbewerbs zwischen den Finanzzentren, einseitige Maßnahmen umzusetzen (vgl. de Larosière et al. 2009: S. 11 ff.). Auch wenn die Mängel in der Finanzmarktaufsicht der EU nicht zu den Hauptursachen der Krise zählten (vgl. de Larosière et al. 2009: S. 44), misst die Expertengruppe einer effizienteren Aufsicht eine maßgebliche Bedeutung bei und schlägt eine neue Aufsichtsstruktur vor (vgl. de Larosière et al. 2009: S. 48, S. 53 f., S. 87).

Die EU-Kommission greift die Vorschläge der Expertengruppe auf und unterbreitet dem EU-Parlament und dem Ministerrat am 23. September 2009 legislative Vorschläge, welche die Aufgaben und Befugnisse von drei neuen europäischen Aufsichtsbehörden definieren. Diese drei Aufsichtsbehörden, EBA, EIOPA und ESMA, ergeben das Europäische System der Finanzaufsicht, ESFS, das gemeinsam mit den nationalen Aufsichtsbehörden die Aufsicht der europäischen Finanzmärkte übernehmen soll (vgl. Amtsblatt 2010: S. 12 ff.) . Die Verordnungen wurden vom EU-Parlament sowie dem Ministerrat am 24. November 2010 verabschiedet. Die neuen europäischen Finanzaufsichtsbehörden sollten gemäß der Expertengruppe als weitgehend autonome und supranationale Agenturen geschaffen werden, die unter anderem ein direktes Durchgriffsrecht auf die nationalen Märkte erhalten sollten. Diese Übertragung von Kompetenzen auf die supranationale Ebene ging einigen Mitgliedstaaten wohl zu weit und die Befugnisse der neuen Behörden wurden deutlich abgeschwächt (vgl. Friedrich 2010: S. 326; Massenberg 2010). Während die Kompetenzen der Aufsichtsbehörden auf der einen Seite als weitreichend und machtvoll bezeichnet wurden (vgl. Spiegel online 2009; Sanio 2011: S. B3), warnten andere vor der Schaffung eines „zahnlosen Tigers“ (vgl. Friedrich 2010: S. 326; Massenberg 2010).

1.2 Fragestellung und Aufbau der Arbeit

Diese Arbeit soll die Frage beantworten, ob EIOPA mit ausreichend Macht ausgestattet ist, um ihre Ziele zu erreichen. Nach dem einleitenden Kapitel, in dem ein Überblick über das Thema gegeben, der Forschungsstand sowie die Quellenlage dargestellt und EIOPA vorgestellt wird, wird in Kap. 2 die theoretische Grundlage zur Bearbeitung der Fragestellung erörtert. Das Kapitel beginnt mit einer Definition der zentralen Begriffe. Im Rahmen der theoretischen Auseinandersetzung wird als erste Teilfrage beantwortet, welche Funktionen Macht hat und welche dieser Funktionen in dieser Arbeit im Vordergrund stehen. Im Anschluss wird die Hypothese dieser Arbeit argumentativ begründet. Um eine kontroverse Diskussion der Fragestellung zu ermöglichen, ist die Hypothese in Form von These und Gegenthese formuliert worden. Der Annahme, dass EIOPA nicht mit genügend Macht ausgestattet ist, um die Vielzahl der Ziele zu erreichen, die in der Gründungsverordnung dieser Behörde festgelegt sind und von der Expertengruppe als notwendig erachtet werden, um besser auf künftige Krisen vorbereitet zu sein, stelle ich die Gegenthese gegenüber, dass sich das EU-Parlament und der Ministerrat der Wichtigkeit einer funktionierenden Finanzmarktaufsicht bewusst sind und EIOPA mit ausreichend Macht versehen haben.

In Kap. 3 wird mithilfe der Beschreibung des Untersuchungsinteresses und der Untersuchungsmethoden, der Fallauswahl und des Untersuchungszeitraums der Untersuchungsrahmen abgesteckt. Hier wird die zweite Teilfrage beantwortet, welche Faktoren die Macht einer Behörde ausmachen. Die in dieser Untersuchung interessierende abhängige Variable Macht als Fundament für den Erfolg von EIOPA wird durch die Faktoren Autorität, Effektivität, Einfluss und Kompetenz erklärt, welche die unabhängigen Variablen bilden. An dieser Stelle wird die dritte Teilfrage dieser Arbeit beantwortet, nämlich, wie diese Faktoren zur Erklärung von Macht gemessen werden können, was eine Beschreibung der Datengewinnung nach sich zieht.

Nach der intensiven Beschäftigung mit dem Forschungsdesign werden die Hypothesen in Kap. 4 im Rahmen einer Querschnittsanalyse nicht experimenteller Daten und Inhalte getestet. Für diese Untersuchung verwende ich Textmaterial. Weitere Informationen werden durch 21 anonyme Hintergrundgespräche mittels eines flexiblen, nicht standardisierten Frageleitfadens abgerufen (vgl. Tab. 1 und 2 im Anhang). Die Untersuchung gibt Aufschluss bezüglich der Frage, ob EIOPA über die Faktoren der Macht verfügt, die wesentlich für den Erfolg der Behörde und somit die Erreichung ihrer Ziele sind, was die vierte Teilfrage zur Beantwortung der übergeordneten Fragestellung darstellt. Die Ergebnisse der Datenerhebung werden in Kap. 5 präsentiert. Abschließend wird die Untersuchung in Kap. 6 zusammengefasst und die eingangs gestellte Forschungsfrage beantwortet. Zudem wird hierauf aufbauend eine Bewertung der Ergebnisse vorgenommen und es werden mögliche nächste Schritte im Hinblick auf die Ausrichtung von EIOPA sowie künftige Forschungsprojekte angeregt.

1.3 Relevanz des Themas

Die drei europäischen Aufsichtsbehörden, EBA, EIOPA und ESMA, haben am 1. Januar 2011 ihre Arbeit aufgenommen. Ihre Wirksamkeit soll alle drei Jahre überprüft werden (vgl. Amtsblatt 2010: S. 46 f., S. 83, S. 118 f.). Um die Ergebnisse dieser Überprüfung Anfang Januar 2014 vorlegen zu können, hat die EU-Kommission Mitte April 2013 alle interessierten Akteure, insbesondere aber nationale und internationale Behörden, Finanzdienstleistungsunternehmen und Universitäten, eingeladen, an der öffentlichen Konsultation zur Beurteilung des ESFS teilzunehmen und ihre Einschätzung zur Arbeit der drei europäischen Behörden abzugeben (vgl. European Commission 2013). Öffentliche Konsultationen können der EU-Kommission wertvolle Hinweise für die Überprüfung und Neuausrichtung der drei Behörden geben. Da die an der Konsultation teilnehmenden Akteure jedoch spezielle Interessen verfolgen dürften und zu vermuten ist, dass sie mit ihren Eingaben die Neuordnung der Behörden in eine spezielle Richtung beeinflussen möchten, ist eine wissenschaftlich neutrale Auseinandersetzung mit der Thematik sinnvoll. Die Auswirkungen der Finanzmarktkrise zeigen, dass eine funktionierende Aufsicht eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung hat. Somit ist – neben der Befriedigung wissenschaftlicher Neugier und Schließung einer Forschungslücke – eine eingehende Auseinandersetzung mit der Arbeit der europäischen Finanzaufsichtsbehörden angezeigt, wobei sich diese Untersuchung auf die Arbeit der EIOPA konzentriert. Die Wirkung der neuen Behörden ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch schwer einzuschätzen und diese Arbeit verfolgt das Ziel, die Faktoren, welche die Macht einer Behörde ausmachen, aus politikwissenschaftlicher Sicht zu formulieren und EIOPA dahin gehend zu analysieren. Diese Arbeit soll einen Beitrag zur Diskussion über die Überprüfung der Wirksamkeit des ESFS leisten.

1.4 Stand der Forschung

Soweit ersichtlich, ist die Zahl der Untersuchungen, die sich mit EBA, EIOPA, ESMA oder dem ESFS insgesamt auseinandersetzen, überschaubar. Am häufigsten finden sich juristische Bewertungen der neuen Finanzaufsichtsstruktur. Bei diesen Arbeiten geht es in erster Linie um den Rechtsrahmen, die Rechtswirkungen und die Struktur der Behörden aus juristischer Perspektive. Darüber hinaus wird das Versicherungs- oder Bankenaufsichtsrecht insgesamt untersucht und Richtlinienvorschläge, an denen die Behörden mitwirken, werden analysiert und bewertet.

Abgesehen von der juristischen Bewertung der Finanzaufsichtsstruktur sind im Zuge der Gründung des ESFS bzw. der drei europäischen Finanzaufsichtsbehörden zahlreiche deskriptive Beiträge von Wirtschaftsexperten veröffentlicht worden, welche die Struktur, Ziele, Aufgaben und Arbeitsweise der Behörden beleuchten. Ein weiteres, umfassendes Forschungsgebiet sind die regulatorischen Entwicklungen und Trends im Finanzmarktbereich. Mit diesen beschäftigen sich Wirtschaftsexperten, Wirtschaftswissenschaftler und Juristen jedoch nicht erst seit Ausbruch der Finanzmarktkrise in 2007. Schon die ökonomische Integration von Finanzmärkten auf europäischer und globaler Ebene, Strukturveränderungen auf internationalen Finanzmärkten sowie der technologische Wandel führten seit Mitte der 1970er-Jahre zu einer Zunahme der regulativen Politik (vgl. Czada et al. 2003: S. 245 ff.) und folglich deren Erforschung. In diese Kategorie fallen auch die Untersuchungen von Regulierungsstrukturen, das Thema Deregulierung der Versicherungsaufsicht oder die Frage nach Steuerungskonflikten.

Was politikwissenschaftliche Untersuchungen betrifft, hat das CEP bereits im Januar 2010 die Vor- und Nachteile der Gründung von EBA, EIOPA und ESMA beleuchtet und deren Struktur analysiert (2010 a, b, c). Darüber hinaus beschreibt das CEP den Stand der Entwicklung in Bezug auf die Entstehung der Behörden und die technischen Standards (2010 d). Des Weiteren hat eine portugiesische Denkfabrik im Februar 2011 die neue europäische Finanzaufsichtsstruktur analysiert (vgl. da Silva 2011) und im Juni 2012 hat die London School of Economics and Political Science eine Untersuchung über das ESFS veröffentlicht, die sich mit den drei EU-Agenturen vor dem Hintergrund eines technokratischen Regierungsansatzes beschäftigt (vgl. Everson 2012). Schließlich ist das Gutachten der Friedrich-Ebert-Stiftung zu erwähnen, das im Juni 2013 zum Thema „Finanzaufsicht und Finanzmarktwächter“ vorgelegt wurde. In diesem Gutachten geht es vorwiegend um den Anleger- und Verbraucherschutz innerhalb der europäischen Finanzmarktordnung (vgl. Keßler 2013). In Bezug auf EIOPA direkt gibt es eine politikwissenschaftliche Analyse von Julia Steinecker (2010), die sich in ihrer Diplomarbeit mit dem Einfluss deutscher Interessengruppen auf den Gründungsprozess von EIOPA beschäftigt hat. In der Politikwissenschaft ist die Frage der Machtausstattung bisher jedoch noch nicht untersucht worden. Mit dieser Arbeit hoffe ich, zur Schließung dieser Forschungslücke beizutragen.

1.5 Quellenlage

Für diese Untersuchung verwende ich Textmaterial, welches durch 21 anonyme Hintergrundgespräche mit Experten ergänzt wird. Bei den Experten handelt es sich um eine Gruppe von Schlüsselpersonen. Die qualitativen und fokussierten Gespräche konzentrieren sich auf den Untersuchungsbereich. Den Gesprächspartnern wurde zur Vorbereitung in der Regel zwei Tage vor dem Gespräch ein flexibler, nicht standardisierter Leitfaden mit Fragen zu den Aspekten Autorität, Effektivität, Einfluss und Kompetenz zur Verfügung gestellt (vgl. Tab. 1 und 2 im Anhang). Bei den Texten handelt es sich um Primär- und Sekundärmaterial wie Arbeitsprogramme, Berichte, Protokolle, Verordnungen sowie die Interpretation von Legislativtexten.

1.6 EIOPA: ein Überblick

Die Entstehung von EIOPA wird an dieser Stelle nur kurz skizziert. Einen umfassenden Überblick über die Entstehung der Behörde und des ESFS liefern die Diplomarbeit von Julia Steinecker (2010) und die Veröffentlichung von Aneta Spendzharova von der Universität Maastricht (2012) sowie der Bericht von Michelle Everson von der London School of Economics und Political Science (2012). Auch der Beitrag von Constantin Fabricius zum Transnationalen Wirtschaftsrecht (2013) und Dorothee Fischer-Appelts umfassende Arbeit zum Thema Agenturen der Europäischen Gemeinschaft (1999) liefern interessante Informationen über den rechtlichen Rahmen von EU-Agenturen im Allgemeinen und EIOPA im Besonderen.

Am 1. Januar 2011 hat EIOPA ihre Arbeit aufgenommen. Der Legislativvorschlag, der die Arbeit von EIOPA regelt, basiert vornehmlich auf den Empfehlungen der Expertengruppe um Jacques de Larosière, die nach Überprüfung der damals gültigen Regelungen und insbesondere der Zusammenarbeit innerhalb der sogenannten Stufe-3-Ausschüsse zu dem Ergebnis kam, dass „Struktur und Aufgaben der derzeitigen Ausschüsse nicht ausreichen, um in der EU und in all ihren Mitgliedstaaten Finanzmarktstabilität zu gewährleisten“ (de Larosière et al. 2009: S. 53). Als Rechtsnachfolgerin des sogenannten Stufe-3-Ausschusses CEIOPS hat EIOPA dessen Aufgaben übernommen (vgl. Amtsblatt 2010: S. 59, S. 82).

Das ESFS umfasst EBA, EIOPA und ESMA; gemeinsam mit den mitgliedstaatlichen Aufsichtsbehörden (in Deutschland BaFin) sind sie für die mikroprudenzielle Aufsicht verantwortlich, das heißt die Beaufsichtigung einzelner Finanzinstitute. Das ESRB überwacht die Risiken, die eine Bedrohung für die Finanzstabilität in den EU-Mitgliedstaaten darstellen können, und bildet somit die makroprudenzielle Aufsicht (vgl. Fabricius 2013: S. 11; Spendzharova 2012: S. 3 f.).

Abb. 1: Überblick über das Europäische System für Finanzaufsicht

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: EIOPA: European Insurance and Occupational Pensions Authority. Introduction, Pressekonferenz vom 10. Januar 2011, https://eiopa.europa.eu/press-room/press-conferences/2011/index.html, Background: EIOPA Introduction

Innerhalb der institutionellen Architektur der EU ist EIOPA auf der Tertiärebene der EU in die Reihe der mehr als 30 Agenturen einzuordnen. Diese dritte Ebene hat sich unterhalb der Ebene des Verwaltungs- und Beamtenapparates der Generaldirektionen und Dienste entwickelt. In diesen „Kompetenzräumen“ „wird auch das Fach-, Dienst- und Verfahrenswissen akkumuliert“ (Anter/Breuer 2007: S. 142 f.). „Der Begriff europäische Agentur bezeichnet dann relativ unabhängige Einrichtungen, die auf Dauer angelegt, mit speziellen, eigenständigen Aufgaben befaßt und als Einrichtungen des Gemeinschaftsrechts mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet sind“ (Fischer-Appelt 1998: S. 38). Diese werden im Wesentlichen in „Exekutivagenturen“ und „Regulierungsagenturen“ unterteilt. Während Exekutivagenturen reine Verwaltungsaufgaben ausführen (vgl. Fabricius 2013: S. 16), übernehmen Regulierungsagenturen „Aufgaben technischer, wissenschaftlicher oder verwaltungstechnischer Art und/oder Regulierungsaufgaben“ (Europäische Union 2013), bündeln Fach- und Expertenwissen und fördern so die Zusammenarbeit zwischen der EU sowie den Regierungen der Mitgliedstaaten. Regulierungsagenturen entlasten EU-Organe, insbesondere die EU-Kommission (vgl. Europäische Union 2013). Während die EU-Kommission Agenturen als unabhängig beschreibt (vgl. Europäische Union 2013), weist Fabricius in seiner juristischen Arbeit darauf hin, dass sie nicht als völlig unabhängig angesehen werden können (vgl. Fabricius 2013: S. 17). EIOPA entspricht zwar zunächst dem Typ einer Regulierungsagentur und, obwohl sie als Regulierungsagentur mit bloßer Unterstützungsfunktion tätig wird, so ist EIOPA aufgrund der sachlichen Weisungsfreiheit dem speziellen Agenturtyp Regulierungsagentur mit Entscheidungsbefugnis zuzuordnen (vgl. Fabricius 2013: S. 18 f.). Fabricius geht noch weiter und attestiert den drei europäischen Finanzaufsichtsbehörden, das Potenzial zu haben, um „einen vollkommen neuen Typus von EU-Agentur zu etablieren, weil sie eine wesentlich bedeutsamere Rolle spielen sollen, als dies bei jeder anderen, bislang existierenden Agentur der Fall ist“ (Fabricius 2013: S. 20). EIOPA besteht aus einem Rat der Aufseher, einem Verwaltungsrat, einem Vorsitzenden, einem Exekutivdirektor und einem Beschwerdeausschuss.

Die Errichtung von EIOPA basierte auf der Empfehlung des Expertenrates, der in seinem Bericht von 2009 hervorhob, dass die ordnungsgemäße Anwendung der für den Finanzsektor geltenden Regeln zur Erhaltung der Stabilität des Finanzsystems im Vordergrund steht. Auch die Krisenbewältigung wird als einer der wesentlichen Punkte hervorgehoben (vgl. de Larosière et al. 2009: S. 44). Die Ziele von EIOPA werden in der Verordnung zur Errichtung dieser Behörde wie folgt spezifiziert:

- Verbesserung des Funktionierens des Binnenmarkts durch eine solide, wirksame und kohärente Regulierung und Überwachung;
- Schutz von Versicherungsnehmern, Altersversorgungsanwärtern und sonstigen Begünstigten;
- Gewährleistung der Integrität, Transparenz, Effizienz und des ordnungsgemäßen Funktionierens der Finanzmärkte;
- Wahrung der Stabilität des Finanzsystems;
- Ausbau der internationalen Koordinierung der Aufsicht;
- Verhinderung von Aufsichtsarbitrage und Förderung gleicher Wettbewerbsbedingungen;
- Gewährleistung einer angemessenen Regulierung und Beaufsichtigung der Risiken, die Versicherungen, Rückversicherungen und betriebliche Altersversorgung im Rahmen ihrer Tätigkeit übernehmen;
- Verbesserung des Verbraucherschutzes (vgl. Amtsblatt 2010: S. 57 f.).

Aus diesen Zielen ergeben sich zahlreiche Aufgaben für EIOPA, welche die Behörde in Arbeitsprogrammen festlegt (vgl. CEIOPS 2010; EIOPA 2011a).

2 Theorien und Hypothesen

Diese Arbeit soll die Frage beantworten, ob EIOPA mit ausreichend Macht ausgestattet ist, um ihre Ziele zu erreichen. Zur grundlegenden Orientierung bei der Auswahl der relevanten politikwissenschaftlichen Theorie in Bezug auf die übergeordnete Forschungsfrage sind zwei Schwerpunkte hervorzuheben. Zentral für diese Untersuchung ist der Faktor Macht, für den sich, je nachdem, welcher Theorie man folgt, unterschiedliche Konzepte ergeben – und damit unterschiedliche Funktionen von Macht. Von Bedeutung für die Auswahl der relevanten Theorie ist auch die Einordnung von EIOPA in die Betrachtungsebene der Organisation, da verschiedene Organisationstypen unterschiedliche Eigenschaften aufweisen (vgl. Kieser/Kubicek 1992: S. 27). Zudem können die jeweiligen Organisationsstrukturen unterschiedlich auf die Entstehung und Ausübung von Macht wirken (vgl. Fischer 2004: S. 157 ff.).

2.1 Begriffsbestimmung

Macht ist ein zentraler Faktor im Rahmen dieser Untersuchung. Für diese Arbeit eignet sich die Definition von Max Weber, nach der Macht „jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht“, bedeutet (Weber 1980: S. 28). Die sozialen Beziehungen und Strukturen von EIOPA sind in ihrer Gründungsverordnung (EU) Nr. 1094/2010 festgeschrieben, was der Behörde „Macht per Gesetz“ verleiht. Derjenige, der gegen die Macht von EIOPA „widerstrebt“, verstößt demzufolge gegen das Gesetz. Man könnte dies als absolute Macht verstehen, denn „der Unterworfene kann opponieren, er kann den Machtausübenden hassen oder gegen ihn rebellieren – all das ändert nichts am Machtverhältnis. Dies kommt erst dann zum Erliegen, wenn die »Chance« auf die Durchsetzung des eigenen Willens nicht mehr gegeben ist“ (Anter 2012: S. 56). Macht bedarf nach diesem Verständnis keiner Legitimation. Jedoch agiert auch EIOPA nicht im luftleeren Raum und ihre Handlungen müssen den in der Gründungsverordnung definierten Zielen dienen. Zudem ist EIOPA gegenüber dem EU-Parlament und dem Ministerrat rechenschaftspflichtig (vgl. Amtsblatt 2010: S. 49, S. 58). Deshalb wird bei dieser Untersuchung der Begriff Herrschaft in den Vordergrund gestellt, den Max Weber als einen „Sonderfall von Macht“ bezeichnet (Weber 1980: S. 541; vgl. Neuenhaus 1997: S. 77; Schreyögg 2003: S. 33). „Herrschaft soll heißen die Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden“ (Weber 1980: S. 28).

Organisation soll als ein weiterer Grundbegriff dieser Arbeit eingegrenzt werden. Aus den zahlreichen Definitionen ziehe ich eine Definition von Kieser/Kubicek heran, die für diese Arbeit geeignet erscheint. Sie definieren Organisationen wie folgt: „soziale Gebilde, die – dauerhaft ein Ziel verfolgen und – eine formale Struktur aufweisen, mit deren Hilfe Aktivitäten der Mitglieder auf das verfolgte Ziel ausgerichtet werden sollen“ (Kieser/Kubicek 1992: S. 4). Innerhalb dieser sozialen Gebilde ist EIOPA als eine bürokratische Organisation einzuordnen. Bürokratische Organisation bzw. Bürokratie ist ein „idealtypischer Begriff für eine (staatliche oder nichtstaatliche) Verwaltung, die durch klare Befehlsgliederung von oben nach unten, Entscheidungen nach Gesetz und Vorschrift (Unpersönlichkeit), fest angestellte Funktionsträger, die fachlich ausgebildet sind und Laufbahnen folgen, Geplantheit und Genauigkeit der Handlungen und ihre Routinisiertheit, Schriftlichkeit und Überprüfbarkeit der „Vorgänge“ (Aktenführung) gekennzeichnet ist“ (Fuchs-Heinritz 2011: S. 108, S. 489). Dieser Definition entspricht die Struktur von EIOPA. Entscheidungen werden „nach Gesetz und Vorschrift“ gefällt, da die Aufgaben und Strukturen von EIOPA in der Verordnung (EU) Nr. 1094/2010 geregelt sind. Des Weiteren sind der Vorsitzende und Exekutivdirektor von EIOPA fest angestellte Funktionsträger (vgl. Amtsblatt 2010: S. 75), die ihre berufliche Karriere im Bereich der Versicherungsaufsicht und Regulierung vollzogen haben (vgl. EIOPA o. J. a, b).

Des Weiteren werden in dieser Arbeit die Begriffe Bürokratie und Behörde synonym verwendet, wobei die Wahl des Begriffes Behörde zur Bezeichnung einer bürokratischen Organisation bzw. Bürokratie willkürlich ist. Innerhalb der Organisationsstruktur der EU ist EIOPA als europäische Agentur einzuordnen und der Begriff Behörde ist eine von mehreren gängigen Bezeichnungen für europäische Agenturen (vgl. Herdegen 2010: S. 154 ff.; Fabricius 2013: S. 15). Somit wird der Begriff deskriptiv verwendet, was im Einklang mit der Gründungsverordnung steht, in der EIOPA als Behörde bezeichnet wird (vgl. Amtsblatt 2010: S. 49 ff.).

2.2 Theoretischer Bezugsrahmen

Diese Arbeit beschäftigt sich mit Macht als Faktor für den Erfolg von EIOPA, die als bürokratische Organisation einzuordnen ist. Folglich stehen die Themen Macht und Organisationen bei der Betrachtung des theoretischen Bezugsrahmens im Vordergrund.

Der Faktor Macht ist, wie erwähnt, ein zentraler Aspekt dieser Untersuchung. Die Literatur, die sich mit dem Thema Macht beschäftigt, ist umfassend. Macht ist ein weitgehend ungeklärter Begriff, unter dem jeder etwas anderes versteht. Die Definitionen und Theorien reichen „von Hobbes und Kant über Max Weber und Hannah Arendt bis hin zu Luhmann und Popitz“ (Anter 2012: S. 11). Einige Theoretiker sind sich zumindest darin einig, dass Macht und Machtgeflechte wesentliche Elemente der Gesellschaft, der sozialen und politischen Ordnung sind (vgl. Anter 2012: S. 12 f.; Imbusch 1998: S. 13) und ein handlungstheoretisches Konzept darstellen (vgl. Anter 2012: S. 134; Maurer 2004: S. 20; Sofsky/Paris 1991: S. 9 f.; Crozier/Friedberg 1979: S. 14). Intensiv mit dem Thema Macht hat sich der US-amerikanische Wirtschaftswissenschaftler und Sozialkritiker John Kenneth Galbraith beschäftigt. Seine Schrift „Anatomie der Macht“ (1987), in die Anregungen von Theoretikern wie Max Weber eingeflossen sind, beschäftigt sich mit der Komplexität des Begriffs sowie den Quellen und Instrumentarien der Macht. Einen guten Überblick über verschiedene Machtkonzepte und -theorien liefern darüber hinaus die Arbeiten von Andreas Anter (2012) und Jens Fischer (2004). Auch Peter Imbusch (1998) hat eine Sammlung von Aufsätzen herausgegeben, die sich mit Konzepten, Theorien und anderen Aspekten von Macht beschäftigt. Stellvertretend werden hier zwei Machtkonzepte genannt, um die Bandbreite der Entwürfe aufzuzeigen. So unterscheiden Michael Mann sowie Gianfranco Poggi zum Beispiel zwischen ökonomischer, ideologischer, militärischer und politischer Macht, während beispielsweise Hanna F. Pitkin, Keith Dowding und Gerhard Göhler in ihrem Konzept zwischen zwei Machtarten unterscheiden, nämlich der „power over“, das heißt der Macht über andere Personen, und der „power to“, als „von anderen Personen unabhängige Fähigkeit, irgendetwas zu tun“ (Anter 2012: S. 15; vgl. Imbusch 1998: S. 10 f.). Zur Analyse der Macht von EIOPA ziehe ich Max Webers Herrschaftskonzept, das sich aus seinem Machtbegriff ergibt, als theoretischen Rahmen heran. Weber bezeichnet Macht als „soziologisch amorph“, das heißt als Begriff ohne soziologische Bedeutung, da aus seiner Sicht jeder Mensch seinen Willen unter den richtigen Bedingungen durchsetzen kann (vgl. Weber 1980: S. 28 f.). Daher enthält seine Soziologie nur „eine knappe Definition der Macht“ (Neuenhaus 1997: S. 77) und er konzentriert sich dabei auf die Kategorie der Herrschaft (vgl. Anter 2012: S. 63; Fischer 2004: S. 22). Der wesentliche Unterschied zwischen Macht und Herrschaft bei Weber ist, dass der Begriff der Herrschaft mit dem Verhältnis zwischen Befehl und Gehorsam verbunden ist (vgl. Anter 2012: S. 63 ff.; Schreyögg 2003: S. 33; Maurer 2004: S. 41 f.). Der „befehlende Herrscher“ besteht auf Gehorsam, was sich zum Beispiel aus bestehendem Recht ergibt (vgl. Fischer 2004: S. 23 ff.). Charakteristisch ist auch, dass Macht an ihren Inhaber gebunden ist, während Herrschaft „Ämter und Funktionen schaffen [kann, Anm. d. Verf.], die von unterschiedlichen Personen wahrgenommen werden können“ (Pauen 1997: S. 29; vgl. Sofsky/Paris 1991: S. 35 f.) und eine politische Gemeinschaft umfassen kann (vgl. Anter 2012: S. 63 f.). In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass die Macht von EIOPA nicht an die Person des Vorsitzenden oder Exekutivdirektors gebunden ist, sondern mit Neuvergabe des Amtes weitergegeben wird und bei der gesamten Organisation in Verbindung mit den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten und der EU-Kommission liegt. Macht ist hierbei folglich an das Management gebunden, nicht aber an die „transitorische“ Person an der Spitze (vgl. Galbraith 1987: S. 221).

Die Funktionen von Macht variieren, je nachdem, welche Machttheorie man betrachtet. Macht dient zum Beispiel der Sicherung von knappen Gütern, wie ökonomischen oder kulturellen Gütern, als Grundlage der Herrschaft (vgl. Wayand 1998: S. 230). Macht wird auch ausgeübt, um Wissen zu generieren (vgl. Kneer 1998: S. 242 f.), Menschen eine Zusammenarbeit zu ermöglichen (vgl. Fischer 2004: S. 117), vor Willkür zu schützen (vgl. Fischer 2004: S. 141) oder Sicherheit zu garantieren. „Die beste Sicherheitsgarantie für einen Staat ist, mächtiger zu sein als die anderen Staaten (…)“ (Schimmelfennig 1998: S. 320). Darüber hinaus hat Legitimität die Aufgabe, den Machtanspruch zu sichern, zum Beispiel als Rechtfertigung für die staatliche Macht (vgl. Fischer 2004: S. 141; Imbusch 1998: S. 12). Im Rahmen von Max Webers Macht- und Herrschaftskonzept erfüllt Macht schließlich die Funktion der Erhöhung der Effizienz der Leistungserstellung (vgl. Fischer 2004: S. 117). Bei seinem Machtbegriff steht jedoch die Durchsetzung von Interessen im Vordergrund (Fischer 2004: S. 117), was als Machtfunktion auch in dieser Arbeit im Vordergrund stehen soll.

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Detalles

Título
Macht oder Ohnmacht? Bedingungen für den Erfolg des Europäischen Systems der Finanzaufsicht
Subtítulo
Eine politikwissenschaftliche Analyse am Beispiel der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersvorsorge EIOPA
Universidad
University of Hagen
Calificación
1,6
Autor
Año
2013
Páginas
71
No. de catálogo
V275331
ISBN (Ebook)
9783656676799
ISBN (Libro)
9783656676782
Tamaño de fichero
739 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
macht, ohnmacht, bedingungen, erfolg, europäischen, systems, finanzaufsicht, eine, analyse, beispiel, aufsichtsbehörde, versicherungswesen, altersvorsorge, eiopa
Citar trabajo
Sybille Reitz (Autor), 2013, Macht oder Ohnmacht? Bedingungen für den Erfolg des Europäischen Systems der Finanzaufsicht, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/275331

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