End-of-Life Care aus der NutzerInnenperspektive. Eine Literaturanalyse


Akademische Arbeit, 2006

23 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Begriffsbestimmungen und Forschungsstand
2.1 NutzerInnenperspektive und NutzerInnenzufriedenheit
2.1.1 NutzerInnenperspektive
2.1.2 NutzerInnenzufriedenheit
2.2 Zur Situation sterbender Kinder und ihrer Familien
2.2.1 Epidemiologische und statistische Daten
2.2.1.1 Todesursachen im Kindesalter
2.2.1.2 Lebenslimitierende Erkrankungen im Kindesalter
2.2.2. Auswirkung der lebenslimitierenden Erkrankung eines Kindes auf die Familie
2.3 End-of-Life Care und Palliative Care
2.3.1 End-of-Life Care
2.3.2 Palliative Care
2.3.3 Palliative Care im Kindesalter
2.4 Das ambulante Versorgungssystem für sterbende Kinder
2.4.1 Stationäre Versorgung sterbender Kinder und Jugendlicher
2.5 Beratung in der Pflege

3. Literatur (inklusive weiterführender Literatur)

1. Einleitung

Aufgrund aktueller Entwicklungen im Gesundheits- und Sozialsystem der Bundesrepublik Deutschland vollziehen sich unterschiedliche Wandlungen in der Versorgung gesunder, kranker, pflegebedürftiger und auch sterbender Menschen (Statistisches Bundesamt 1998).

Vor allem das Prinzip "Ambulant vor Stationär" bewirkt in der Gesundheitsversorgung nachhaltige Veränderungen für NutzerInnen und PraktikerInnen. Es verschieben sich die Bedingungen der Dienstleistungen und damit auch ihre Anforderungen und Möglichkeiten. Für die PraktikerInnen heißt dies u.a., zunehmend die Orientierung an den Wünschen der NutzerInnen auszurichten und für die NutzerInnen bedeutet dies, mehr Mitspracherecht und Wahlmöglichkeiten zu haben. Daher werden Aspekte wie z.B. Beratung und neue Handlungsbedarfe aber auch Versorgungsdefizite zukünftig von besonderer Wichtigkeit für alle Beteiligten (Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen 2000/2001).

In dieser Arbeit werden die Ergebnisse einer themenbezogenen Literaturanalyse zum Thema dargestellt.

Die Literaturanalyse dient der theoretischen Sensibilisierung, um von einer Idee zu einer Untersuchung mit entsprechenden Ergebnissen zu gelangen. Hier werden ausgewählte Aspekte als grober Überblick beschrieben. Hierzu werden zugleich einerseits der Problemhintergrund, der Forschungsstand und die Relevanz für Pflegewissenschaft und Public Health beleuchtet und andererseits spezifische für die Fragestellung wesentliche Aspekte hervorgehoben und kurz analysiert.

2. Begriffsbestimmungen und Forschungsstand

2.1 NutzerInnenperspektive und NutzerInnenzufriedenheit

2.1.1 NutzerInnenperspektive

Als NutzerIn des Gesundheitswesens wird jede Person betrachtet, die Zugang zum System der gesundheitlichen Versorgung hat, unabhängig davon, ob dieser Zugang aktuell in Anspruch genommen wird oder nur fakultativ besteht (Sachverständigenrat für Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (SVR) 2000/2001). Die Rolle der NutzerInnen gesundheitsbezogener Dienstleistungen stellt sich auf unterschiedlichen Ebenen dar. Akut oder chronisch erkrankte Personen, welche bedarfsgerechte und wirksame Behandlungen in Anspruch nehmen, stellen die NutzerInnen auf der Mikroebene dar. Personen, die sich gegen das Risiko Krankheit absichern und gegen dadurch entstehende Kosten absichern möchte, sind NutzerInnen auf der Mesoebene. Auf der Makroebene agieren Personen als BürgerInnnen, die funktionierende Versorgungsstrukturen, gesundheitsförderliche Lebensbedingungen sowie Partizipation an Entscheidungen einfordern. Um die Positionen der PatientInnen, BürgerInnen und Versicherten zusammenfassend zu benennen hat der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen den Begriff des Nutzers/der Nutzerin eingeführt (SVR 2003; Dierks/Schwartz 2003). Findet er in der internationalen Diskussion schon seit den 1990er Jahren Anwendung (user), beginnt sich der Begriff NutzerIn zunehmend, zusätzlich bedingt durch die Gesundheitsreform der Krankenkassen im Jahr 2000, auch in Deutschland durchzusetzen (Schaeffer 2004).

Die Sichtweise der NutzerInnen wird für die Dienstleistungen im Gesundheitswesen und einer bedarfs- und bedürfnisgerechten Versorgung immer wichtiger, da sie als Grundlage von Versorgungsqualität angesehen wird (SVR 2003; Müller/Thielhorn 2000).

Ist es in vielen Ländern längst selbstverständlich die PatientInnen- bzw. die NutzerInnenperspektive in das Versorgungsgeschehen einzubeziehen, wird in Deutschland seit Jahren die Ermangelung dessen kritisiert (Schaeffer 2004), obwohl auf die Bedeutung der Sicht der PatientInnen für die Qualität im Gesundheitswesen seit längerem und in zunehmendem Maße hingewiesen wird (Straub 1993, Köck/Ebner 1996, Ovretveit 1992).

Der Sachverständigenrat für Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen spricht sich schon in seinem Gutachten von 2000/2001 für mehr PatientInnenenorientierung aus. Gleichwohl wird auf politischer Ebene gefordert den ‚Patienten in den Mittelpunkt’ (SVR 2003, 39) zu stellen. Im Rahmen der Gesundheitsreform der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Gesundheitsreform) wurde erstmalig im Jahre 2000 der Versuch unternommen die Eigenverantwortung und Kompetenz der PatientInnen (und Versicherten) zu stärken. Ziel ist es PatientInnen weniger als passive LeistungsempfängerInnen, sondern als Ko-ProduzentInnen der Leistungserbringung zu sehen (Donabedian 1992; Trummer at al. 2002; Schaeffer (2004). Gerade um das individuelle Erleben von Krankheit und Versorgung, das subjektive Wohlbefinden und die persönliche Krankheitsbewältigung zu erfahren, sei es, nach Estorf-Klee (1998), unerlässlich die Sicht der PatientInnen/NutzerInnen miteinzubeziehen. Da sie die Leistungen am eigenen Leib erfahren und über großes Erfahrungswissen über sich und ihre Krankheit verfügen, können sie selbst am besten Lösungen entwickeln, welche sich an ihren Bedürfnissen orientieren (Estorf-Klee 1998).

2.1.2 NutzerInnenzufriedenheit

Knop (2002) konstatiert, dass es zunehmend wichtiger wird, die Bedürfnisse der PatientInnen zu erkennen, welche die Zufriedenheit der PatientInnen mit einschließt. Laut Müller und Thielhorn (2000) wird die Zufriedenheit der PatientInnen zum Ziel gesundheits- und personenbezogener Dienstleistungen.

Blum (1998) führt an, dass gerade vor dem Hintergrund eines verschärften Wettbewerbs und eines umfassenden Qualitätsmanagements die KundInnenorientierung[1] zusehends an Bedeutung gewinnt, jedoch weiterhin ein expertInnenzentrierter und statischer Qualitätsbegriff vorherrsche. Qualität wird jedoch im Sinne von KundInnenzufriedenheit bestimmt. Qualität besteht, seines Erachtens, in der Erfüllung von PatientInnenanforderungen, welche ermittelt werden müssen, indem die Erwartungen, Ansprüche und Relevanzen der PatientInnen identifiziert und/oder ihre Erfahrungen bzw. Zufriedenheit mit dem Versorgungsprozess erhoben und vorhandene Verbesserungsvorschläge einbezogen werden (vgl. Blum 1998).

NutzerInnenzufriedenheit ergibt sich unter anderem als Situationseinschätzung aus der Erfüllung ihrer Erwartungen und Interessen im Vergleich zu den Erfahrungen, Erleben und Wahrnehmungen eines Dienstleistungsservices. Sie ist in diesem Zusammenhang als subjektiver Abgleich von Erwartungen und Erfahrungen der NutzerInnen mit Dienstleistungsangeboten zu verstehen. Erwartungen sind als Produkt prozesshafter Entwicklungen zu betrachten und sind Folge der bewussten oder unbewussten Reflexion von Erfahrungen. Vor diesem Hintergrund können Erwartungen von DienstleistungsnutzerInnen nicht als isoliertes oder feststehendes Geschehen betrachtet werden, was bedeutet, dass Aussagen zu Erwartungen an Dienstleistungen nur im Kontext der Erfahrungen der NutzerInnen aussagekräftig reflektiert werden können. Gegenüber gesundheitsbezogener Dienstleistungen sind auch die Überzeugungen der NutzerInnen im Zusammenhang zu ihrer gesundheitlichen Versorgung relevant (Müller/Thielhorn 2000; Wingenfeld 2003).

Die NutzerInnenperspektive und –zufriedenheit gewinnt aufgrund der Importanz für das gesundheitsbezogene Versorgungsnetz auch in der Forschung zunehmend an Relevanz. Dabei sind, nach Aust (1994), Detailfragen und konkrete Erfragung von Kriterien der Zufriedenheit allgemein wesentliche Aspekte, um aussagefähige und nutzbare Antworten in NutzerInnenbefragungen zu erhalten. Dies bedeutet, dass konkret nach Zufriedenheit mit der Dienstleistung gefragt und eine ebenso konkrete Antwort zugelassen werden muss. Daher ist es wichtig, dass Fragen nicht zu allgemein formuliert werden, damit der/die Untersuchende erfahren kann, was mit der Zufriedenheitsäußerung gemeint ist und weshalb die Befragten zu dieser Einschätzung kamen (Wingenfeld 2003).

Für die Forschung ist es relevant, dass Erwartungen das Ergebnis verarbeiteter Erfahrungen sind, welche abhängig vom Verarbeitungs- und Bewältigungsprozess sind. Im Rahmen des Entwicklungsverlaufes verändern sich Charakter und Voraussetzungen der Erwartungen (Wingenfeld 2003). Dies impliziert, dass die Messung von unbeeinflussten Erwartungen nicht möglich ist, da diese schon durch unterschiedliche Wahrnehmungen geprägt wurden. Erwartungen entwickeln sich prozesshaft in Auseinandersetzung mit der gegebenen Situation weiter.

Auch in der aktuellen Forschung bleiben die NutzerInnen dieser Dienstleistungen, im Gegensatz zu den AkteurInnen des Versorgungswesens, trotz der oben angeführten Reformimpulsen im Gesundheitswesen nach mehr PatientInnen- oder KundInnenorientierung, weitgehend unberücksichtigt (Schaeffer 2000). Es gibt einige wenige Studien zur Zufriedenheit mit in Anspruch genommenen Dienstleistungen, welche lediglich eine begrenzte Aussagekraft besitzen, da sie sich nur mit Teilaspekten der Versorgungsnutzung auseinandersetzen (vgl. Schaeffer 2000). Laut Schaeffer (2000) bleiben dadurch die weitergehende Problemsicht, das Erleben des Versorgungsgeschehens und die Qualitätsbeurteilung der NutzerInnen gänzlich unbekannt.

Zur NutzerInnenperspektive sowie Konzeptentwicklung in der Versorgung sterbender Kinder gibt es in Deutschland bisher wenig Literatur (Wingenfeld/Mikula 2002; Wamsler et al. 2005), wohingegen es bezüglich der allgemeinen Versorgung sterbender oder schwer kranker erwachsener Menschen weitaus mehr Untersuchungen und Erkenntnisse vorliegen (Feldmann 1997, Lademann 2000, Ewers/Schaeffer 2003, Schaeffer/Günnewig/Ewers 2003).

International gibt es einige wenige Studien, die sich, allerdings in der stationären und nicht ambulanten Versorgung, mit der Einbeziehung der Eltern befassen (Holm/Patterson/Gurney 2003; Martinson/Yee 2003).

2.2 Zur Situation sterbender Kinder und ihrer Familien

2.2.1 Epidemiologische und statistische Daten

2.2.1.1 Todesursachen im Kindesalter

Nach Student und Student (2004) macht der Tod von Kindern knapp 1 Prozent aller Todesfälle in westlichen Industriestaaten aus, wobei es in Deutschland ca. 7000 Kinder sind, die jährlich sterben. Im Jahr 2001 starben, Angaben des Statistischen Bundesamt (2003) zufolge, in Deutschland 5.054 Kinder im Alter unter 15 Jahren, was bezogen auf die Bevölkerung dieser Altersgruppe 40 Kindern je 100.000 Einwohner entspricht. Starben fast zwei Drittel aller Kinder im Säuglingsalter (Statistisches Bundesamt 2003) stellen jenseits des ersten Lebensjahres, tödliche Unfälle und onkologische Erkrankungen die häufigsten Todesursachen dar, gefolgt von kardiovaskulären, neuromuskulären und genetisch bedingten Erkrankungen (Friedrichsdorf/Zernikow 2005; Student 2004).

2.2.1.2 Lebenslimitierende Erkrankungen im Kindesalter

Gegenwärtig leben in Deutschland mehr als 22.000 Kinder und Jugendliche mit einer lebenslimitierenden oder terminalen Erkrankung, bei denen es keine realistische Hoffnung auf Heilung gibt und betroffene Kinder und Jugendliche mutmaßlich vor Erreichen des Erwachsenenalters sterben werden (Friedrichsdorf/Zernikow (2005). Jedes Jahr sterben 1500-3000 von ihnen, 540 davon an den Folgen von Krebserkrankungen. Genauere statistische Angaben sind nicht verfügbar, da zum einen an Krebs erkrankte Kinder und Jugendliche in einem gesonderten Register (Kinderkrebsregister) aufgenommen werden und zum anderen keine allgemein akzeptierte Definition der lebenslimitierenden Erkrankung im Kindesalter jenseits von Krebserkrankungen vorhanden ist (vgl. Friedrichsdorf/Zernikow (2005), Statistisches Bundesamt, OECD). Zudem bietet die nach Krankheitsgruppen gegliederte Todesursachenstatistik diesbezüglich nur grobe Anhaltspunkte (Schwartz et al. 1998).

2.2.2. Auswirkung der lebenslimitierenden Erkrankung eines Kindes auf die Familie

Die Betreuung eines schwerkranken, sterbenden Kindes bringt für die gesamte Familie oftmals schwerwiegende Veränderungen mit sich (Henkel et al. 2005) und stellt eine große Belastung für alle Familienmitglieder dar.

Erkrankt ein Kind schwer stellt dies insbesondere für die Familienangehörigen eine starke emotionale Belastung dar und löst unter anderem Gefühle der Verzweiflung, Auflehnung, Angst und Resignation aus (Iskenius-Emmler 1988).

Die Trauer beginnt für Eltern eines tödlich erkrankten Kindes mit Mitteilung der Diagnose. Für Eltern eines beginnt der Trauervorgang (Bowlby 1983; Iskenius-Emmler 1988). Die Eltern sind vor die Aufgabe gestellt dem schwer erkrankten Kind und seine Geschwistern emotionale Unterstützung im Trauerprozess zu gewähren und sich zudem mit der eigenen Trauer auseinandersetzen. Darüber hinaus empfinden sie Wut und Schuldgefühle bei der Erkenntnis das Schicksal ihres Kindes nicht steuern zu können (vgl. Bürgin 1984, in Iskenius-Emmler 1988). Iskenius-Emmler (1988) schätzt insbesondere die eigene Ohnmacht und Hilflosigkeit angesichts der schweren Erkrankung ihres Kindes als die größte Belastung im Prozess der Trauerarbeit ein.

Sind Kinder und Jugendliche sterbenskrank, wird dies als besonders sinnlos und tragisch empfunden, was häufig eine soziale Isolation der betroffenen Familie zu Folge hat. Freunde, Bekannte ziehen sich oft aus Angst vor der Auseinandersetzung mit der eigenen Endlichkeit und Unsicherheit im Umgang mit der Familie zurück (Henkel et al. 2005; Iskenius-Emmler 1988).

Die Eltern sind zudem vielfach finanziellen Nöten ausgesetzt. Sind oftmals beide Elternteile berufstätig oder ein Elternteil alleinerziehend, besteht die Problematik ob und wie im Weiteren die Berufstätigkeit und die erforderliche Betreuung des Kindes in Einklang zu bringen sein werden (Henkel et al. 2005).

Die erkrankten Kinder und Geschwister sind zudem, in Relation zu ihrem Alter und ihrer Entwicklung, großen Belastungen ausgesetzt. Diese hier darzustellen, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, ist zudem nicht Hauptaspekt dieser Arbeit und kann bei Interesse nachgelesen werden (vgl. Mikula/Wingenfeld 2002; Wingenfeld/Mikula 2002).

[...]


[1] Die Grundsatzdebatte, ob PatientInnen KlientInnen oder KundInnen darstellen, soll hier nicht aufgegriffen werden, vergleiche hierzu Schaeffer (2004).

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
End-of-Life Care aus der NutzerInnenperspektive. Eine Literaturanalyse
Hochschule
Universität Bremen
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
23
Katalognummer
V275381
ISBN (eBook)
9783656676362
ISBN (Buch)
9783656676911
Dateigröße
480 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
end-of-life, care, nutzerinnenperspektive, eine, literaturanalyse
Arbeit zitieren
Diplom-Berufspädagogin für Pflegewissenschaft Katja Burkhardt (Autor:in), 2006, End-of-Life Care aus der NutzerInnenperspektive. Eine Literaturanalyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/275381

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