Bilingualität als Chance. Sprachförderung von Kindern mit Migrationshintergrund

Das Projekt KOALA


Hausarbeit (Hauptseminar), 2013

26 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis I

1. Einleitung

2. Bilingualität bei Kindern mit Migrationshintergrund
2.1 Definition Bilingualität
2.2 Arten der Bilingualität
2.3 Der Erwerb von Bilingualität
2.4 Zusammenhang zwischen Erst- und Zweitsprache

3. Sprachunterricht und Sprachförderung bei Kindern mit Migrationshintergrund in der Grundschule
3.1 Anforderungen an Grundschullehrer bezogen auf die Förderung des deutschsprachigen Unterrichts
3.2 Das Projekt KOALA

4. Schlussbemerkung

5. Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Schematische Darstellung von KOALA, S. 15

1. Einleitung

Spätestens seit dem ÅPISA-Schock“ im Jahre 2001 wissen wir, dass neben sozialschichtbedingten Gründen, besonders die Sprach- kompetenz für die Bildungslaufbahn von Kindern mit Migrations- hintergrund ausschlaggebend ist. So überschritten nur knapp 50 Prozent der jugendlichen Migranten die elementare Lesekompe- tenzstufe 1, obwohl über 70 Prozent von ihnen eine vollständige Schullaufbahn hinter sich haben (vgl. Deutsches Pisakonsortium 2001: 374ff.).

Nicht unerheblich verantwortlich für das schlechte Ergebnis bei Kindern mit Migrationshintergrund vergleichend mit der Gruppe ohne Migrationshintergrund, ist der Umgang mit dem Thema Mehrsprachigkeit und Heterogenität in unserem Bildungssystem. Hinsichtlich der nationalstaatlichen Entwicklung herrscht immer noch die Denkweise von einer monolingualen Homogenität in deutschen Schulen vor. Dieses Konstrukt gilt allerdings als längst überholt. Es genügt, sich nur einmal auf den Hof einer willkürlich gewählten Schule zu begeben, um von der Sprachenvielfalt- und dem unterschiedlichen Sprachenniveau der Schülerschaft über- wältigt zu werden (vgl. Geißler 1992: 67).

Mehrsprachigkeit wird nur zum Teil als gesellschaftlich, ökono- misch und politisch Wertvoll gesehen. Während Sprachen wie Englisch und Französisch als Garantie für eine Bildungskarriere ge- lten, gibt es für Migrantensprachen wie Türkisch oder Polnisch kaum Anerkennung. Paradoxerweise steigt die Nachfrage nach diesen minder wertgeschätzten Migrantensprachen in der Wirt- schaft. Und betrachtet man den demographischen Wandel in Deutschland, so bedeutet diese Nichtanerkennung letztendlich auch eine enorme Ressourcenverschwendung.

Vor diesem Hintergrund geht es im Folgenden allgemein darum, geeignete Maßnahmen zur Förderung und Verbesserung der Bil- dungschancen von Kindern mit Migrationshintergrund zu finden.

Wie sich herauskristallisiert hat, ist der Schlüssel zur Bildungskarriere die Sprachkompetenz. Besonders im Fokus steht daher auch das Projekt KOALA. Dem Ansatz zufolge wird die deutsche Sprach- kompetenz effektiver gefördert, sofern die Muttersprache mitbe- rücksichtigt und in den Unterricht eingebunden wird. Inwieweit das Förderprojekt erfolgsversprechend ist, soll hier unter anderem gezeigt werden.

Um den Umgang mit Zweisprachigkeit bei Kindern mit Migrations- hintergrund zu untersuchen, ist es Naheliegend, zunächst Bilingua- lität zu definieren und verschiedene Ansätze kennen zu lernen. Anschließend wird der Spracherwerbsprozess näher betrachtet, insbesondere der Zusammenhang zwischen dem Erst- und Zweit- spracherwerb (Teil eins). Anhand dieser grundlegenden Erkenn- tnisse, wird es im zweiten Teil um den deutschen Sprachunterricht in der Grundschule gehen. Es werden Anforderungen an Grund- schullehrer in Bezug auf die Förderung von deutschsprachigem Unterricht beschrieben und schließlich exemplarisch auf das so- genannte KOALA-Projekt für Kinder mit Migrationshintergrund ein- gegangen. Mit einem Fazit wird die Arbeit abgeschlossen.

Zur Vereinfachung beschränke ich mich im Folgenden ausschließlich auf bilingual, also zweisprachig aufwachsende Kinder. Weiterhin wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit nur die männliche Sprachformen benutzt. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten jedoch für beide Geschlechter.

2. Bilingualität bei Kindern mit Migrationshintergrund

2.1 Definition Bilingualität

Der Begriff Bilingualität stammt ursprünglich aus dem Lateinischen und bedeutet ‚Zweisprachigkeit„. Versucht man eine einheitliche Definition von Bilingualität in der wissenschaftlichen Forschung zu finden, so wird schnell klar, dass diese Aufgabe sich als äußerst Schwierig und schier unlösbar erweist. Es gibt keine Einigkeit darü- ber, wie die gegenseitigen Beziehungen der Sprachen sein müs- sen, damit man von Bilingualität sprechen kann. Noch komplizier- ter erweist sich eine allgemeingültige Definitionsfindung dadurch, dass sich zahlreiche Wissenschaften z.B. die Linguistik, Psychologie oder Pädagogik mit Bilingualität befassen und aus der jeweils ei- genen Perspektive heraus ein Verständnis von dem Begriff entwi- ckeln. Auch wird in der Fachliteratur Bilingualität, neben dem Be- griff ‚Zweisprachigkeit„ mit ‚Mehrsprachigkeit„ synonym verwen- det.

Je nach Autor kann Bilingualismus die muttersprachliche (oder perfekte) Beherrschung zweier Sprachen oder aber bereits eine sogar ungenügende Beherrschung mehrerer Sprachen umfassen, womit also bereits die Beherrschung von als Fremdsprachen er- lernten Sprachen als Zwei- oder Mehrsprachigkeit aufgefasst wird. So formulierte Leonard Bloomfield 1933 die wohl strikteste Definiti- on für Zweisprachigkeit eines Menschen. Er begrenzte die Zweisp- rachigkeit mit der Terminologie Ånative-like control of two lan- guages“. Bilingualität gelingt also dann, wenn beide sprachen auf dem Niveau der Muttersprache perfekt beherrscht werden (vgl. Hoffmann 1991: 15).

Urie Weinreichs Definition hingegen, macht keine Äußerung zum Kompetenzgrad der Sprachbeherrschung und versteht unter Bi- lingualismus lediglich den abwechselnden Gebrauch zweier Sprachen. ÅThe practice of alternately using two languages will be called bilingualism, and the person involved, bilingual”1 (Wei- nreich 1968: 1 nach Hoffmann 1991: 15).

Geht es nach Bloomfield, kann kaum jemand als zweisprachig bezeichnet werden, geht es nach der Definition von Weinreich so ist so gut wie jeder zweisprachig.

Eine meines Erachtens vernünftige, da zeitgemäße und nicht normative Position bezieht Els Oksaar 2003: 31 in ihrer Definition: ÅBilingualität ist die Fähigkeit des Individuums, hier und jetzt zwei oder mehr Sprachen als Kommunikationsmittel zu verwenden und ohne weiteres von der einen in die andere Sprache umzuschalten, wenn die Situation es erfordert“.

Zweisprachigkeit bedeutet also nicht ‚perfekte„ Mehrsprachigkeit respektive eine quasi-muttersprachliche Kompetenz in zwei oder mehr Sprachen, die als idealtypisch anzusehen ist. Man sollte eher von differenzierter Bilingualität sprechen.

Im Allgemeinen herrscht eine gewisse Arbeitsteilung zwischen den Sprachen in unterschiedlichen Domänen (oder in unterschiedli- chen sozialen Rollen) mit verschiedener kommunikativem Aus- maß, die sie wie folgt beschreibt: ÅIn der einen [Sprache] kann, je nach der Struktur des kommunikativen Aktes bedingt u.a. durch Situationen und Themen, ein restringierterer Code, also nicht stark differenzierter Code, in der anderen ein elaborierterer verwendet werden. Eine der Sprachen kann in gewissen Situationen oder Domänen durchaus dominant sein. Es handelt sich um eine va- riable kommunikative und interaktionale Kompetenz in mehr als einer Sprache“ (Oksaar 2003: 31).

Voraussetzung für Zweisprachigkeit ist somit, dass die Person in den meisten Situationen problemlos von der einen Sprache zur anderen hin- und herschalten kann, wenn es Notwendig ist. Das Verhältnis der Sprachen kann dabei durchaus unterschiedlich ausgeprägt sein. Je nach Situation oder Thema kann die Person in der einen Sprache über einen elaborierteren Kode verfügen als in der anderen.

2.2 Arten der Bilingualität

Aufgrund der beschleunigten Globalisierung und damit einher- gehenden Mobilität ist Zwei- oder auch Mehrsprachigkeit mittler- weile eine wichtige Ressource - nicht nur für die Einzelperson, sondern besonders auch für die Gesellschaft selbst - geworden. Erscheint uns Mitteleuropäern die Vorstellung eines mehrsprachig geführten Landes noch als eher befremdlich, ist dies in vielen Ländern der Welt längst Normalfall; so beispielsweise in den afri- kanischen Staaten. Neben der individuellen verfügen sie auch über eine territoriale und institutionelle Zwei- oder Mehrsprachig- keit. Dabei wird mit ‚territorial„ der Sprachgebrauch in mehrspra- chigen Staaten oder Regionen verstanden, während ‚institutio- nell„ die Verwendung mehrerer Arbeitssprachen im beruflichen und bürokratischen Kontext meint.

Auch in Deutschland besteht die Gesellschaft aus einer multinationalen und multisprachlichen Bevölkerung. Allerdings wurde diese Wirklichkeit aufgrund nationalstaatlicher Vorgaben im Bildungswesen lange Zeit bewusst verdrängt.

Schenkt man den Forschungsstatistiken glauben, so gibt es längst mehr zwei- oder auch mehrsprachige als einsprachige Menschen auf der Welt. Mehrsprachigkeit ist also die Regel und Einsprachigkeit die Ausnahme (geworden) (vgl. Lüdi et al. 1984:).

Der Zeitpunkt des Spracherwerbs spielt also beim Erwerben von zwei oder mehr Sprachen eine Schlüsselrolle. Im Fachjargon un- terscheidet man zwischen simultaner und sukzessiver Bilingualität. Simultane Bilingualität findet statt, wenn man zwei Sprachen von klein auf gleichzeitig lernt. Hierbei ist ausschlaggebend, ob in Fa- milien mit gemischtsprachlichen Eltern die Sprachen gemischt verwendet werden oder nach dem ‚eine Person - eine Sprache„

- Prinzip gelebt wird. Das Prinzip besagt, dass mit dem Kind nur mit der eigenen Muttersprache bzw. Erstsprache konsequent gesprochen werden soll; beispielsweise spricht die Mutter Deutsch und der Vater Türkisch. Dies ist von grundlegender Bedeutung für den Spracherwerb des Kindes, weil dadurch die Sprachen an bestimmte Personen gebunden werden und dem Kind eine Trennung der Sprachen vereinfacht wird. Auch wird dem Kind eine gewisse Solidarität gegenüber der eigenen Muttersprache ausgedrückt und stärkt das Prestige der Sprache.

Von sukzessiver Bilingualität ist dann die Rede, wenn das Kind die Erstsprache in der Familie und im engeren Umfeld erlernt und die Zweitsprache vor allem im öffentlichen Leben in Kindergarten und Schule, wie dies bei den meisten Kindern mit Migrationshintergrund der Fall ist.

An dieser Stelle kann die Problematik einer sogenannten ‚Doppelten Halbsprachigkeit„ auftreten.

Schafft das Kind die Zweitsprache zur Erstsprache hinzuzufügen, ohne dass die Ausdrucksfähigkeit in der Erstsprache beeinträchtigt wird, spricht man von einer additiven Bilingualität - die wünschenswerte, ideale Form von Zweisprachigkeit.

Nimmt aber beim Erlernen der Zweitsprache die Sprachfähigkeit in der Erstsprache ab, wird von subtraktiver Bilingualität gespro- chen.

Erreicht das Kind auch noch unzureichende Kompetenz in der Zweitsprache, verfügt es über eine doppelte Halbsprachigkeit, auch als Semilingualismus bezeichnet. Beide Sprachen werden folglich nur zum Teil beherrscht. Ein sprachliches Handicap entsteht, obwohl potenziell betrachtet eine viel höhere linguistische Kompetenz entwickelt werden könnte.

[...]


1 Deutsch: „Der abwechselnde Gebrauch von zwei Sprachen wird als Bilingualismus bezeichnet und die betreffende Person als bilingual.“

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Bilingualität als Chance. Sprachförderung von Kindern mit Migrationshintergrund
Untertitel
Das Projekt KOALA
Hochschule
Universität zu Köln
Veranstaltung
Deutsch lernen in mehrsprachigen Klassen
Note
1,3
Autor
Jahr
2013
Seiten
26
Katalognummer
V275528
ISBN (eBook)
9783656681694
ISBN (Buch)
9783656681670
Dateigröße
655 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bilingualität, Bilingual, Zweisprachig, Zweisprachigkeit, Sprachförderung, Kinder Migrationshintergrund, Projekt Koala, Koala, Migrationshintergrund, Erst- und Zweitsprache, Definition Bilingualität, Arten Bilingualität, Sprachunterricht, Migration, Mehrsprachigkeit, Förderprojekt, Muttersprache, Spracherwerbsprozess, Grundschule Spracherwerb, Grundschule, Förderung Kind, Förderunterricht, interkulturell, interkulturalität, Interkulturelle Bildung, Zweitspracherwerb, Sprachkompetenz, Herkunftssprache, Deutsch als Zweitsprache, Sprache Deutsch, Deutsch lernen, Deutsch, Deutschunterricht
Arbeit zitieren
Caroline Siwiecki (Autor:in), 2013, Bilingualität als Chance. Sprachförderung von Kindern mit Migrationshintergrund, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/275528

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