Zusammenprall disparater Kulturen im 'melting pot' Tanger im Roman 'La orilla africana' von Rodrigo Rey Rosa


Trabajo, 2014

21 Páginas, Calificación: 1,7


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1.0 Einleitung

2.0 Historischer Abriss der Stadt Tanger
2.1 Kulturgeschichtliche Bedeutung Tangers
2.2 Rodrigo Rey Rosa in Tanger

3.0 Rodrigo Rey Rosa – La orilla africana
3.1 Struktur und Aufbau des Inhalts
3.2 Inhalt des Romans
3.3 Die Stadt Tanger als Protagonist im Roman

4.0 Fazit

5.0 Quellenverzeichnis: Literatur
5.1 Quellenverzeichnis: Internet

1.0 Einleitung

In der vorliegenden Hauptarbeit analysiere ich den Roman "La orilla africana" des guatemal­tekischen Autors Rodrigo Rey Rosa. Da dieser in Tanger spielt und auch Tanger sozusagen als Protagonist in "La orilla africana" fungiert, werde ich als erstes einen knappen Abriss über die Historie der Stadts bereitstellen. Neben zwei Gründungslegenden, literaturhistorisch von Interesse, werde ich aus Platzgründen nur kurz die aktuellere Geschichte darstellen und zeigen, dass Tanger als melting pot immer schon von Migration geprägt war. Durch dieses Konglomerat unter­schiedlicher Kulturen, Religionen, Nationalitäten und Ideologien war die Stadt vor allem für Künstler und Schriftsteller interessant (und ist es teilweise noch). Punkt 2.1 ist von daher eine kurze Beschreibung dieser kulturellen Bedeutung. Danach wird, ebenfalls in aller Kürze, die Biographie Rey Rosas in Tanger beleuchtet, die auch die Überleitung zum zweiten, dem Hauptteil der Arbeit, ist.

Dieser Hauptteil beschäftigt sich mit dem Roman "La orilla africana". Dabei werde ich Aufbau des Romans und Erzählperspektiven in 3.1 beleuchten und danach den Inhalt ausführlich wiedergeben und analysieren, vor allem in Hinsicht auf die kulturellen Differenzen und Vorurteile, die im Roman oft scheinbar beiläufig erwähnt werden. Der letzte Punkt beschäftigt sich mit der Darstellung der Stadt Tangers in "La orilla africana". Ich werde anhand von Zitaten belegen, welche Wichtigkeit Tanger hat und wie Rey Rosa durch seinen präzisen Stil die Atmosphäre der Stadt ausmalt. Als letztes folgt das Fazit, in dem ich die gewonnen Erkenntnisse summarisch zusammenfasse.

2.0 Historischer Abriss der Stadt Tanger

Insgesamt erscheint Tanger [...] als pulsierendes Zentrum an der Peripherie, in dem mehrere kulturelle Identitäten spannungsreich koexistieren und sich weltweit mit vielen Ecken und Enden kurzschliessen, als unendliche Projektionen freisetzender Ort der Mutation, Trans­mission und Konterbande, als geheimnisumwitterter Spiegel, der alle Durchreisenden überscharf hier, verschwommen dort zu reflektieren scheint und manch einen schon verschluckt hat; ein abgründiger Ort der Sehnsuchtsvertiefung, eine Furt zwischen Fiktion und Realität, ein Exil zwischen Ursprung und Zivilisation.[1]

Auf diese salbungsvolle Art leiten die Schweizer Autoren und Literaturwissenschaftler Florian Vetsch und Boris Kerenski ihre Anthologie über Tanger ein. Auch wenn die Formulierung etwas pathetisch ist, drückt sie dennoch aus, was für eine Bedeutung die Stadt Tanger hat. Der maro­kkanische Schriftsteller Mohamed Choukri, der den Großteil seines Lebens in Tanger verbrachte, bezeichnete seine Wahlheimat als mythenstiftend: "Darin ist diese Stadt Athen, Jerusalem oder Alexandria, dem modernen Paris, London oder New York vergleichbar."[2] Viele andere Intellektuelle äußerten sich ähnlich über die Stadt, die als Tor zwischen Afrika und Europa gilt und eine ganz eigene, auch von Marokko unabhängige Geschichte hat.

Tanger ist historisch gesehen oft von Fremdmächten besetzt und beherrscht gewesen und war dadurch von einer starken kulturellen Durchmischung geprägt[3]. Schon immer gab es hier ver­schiedene Formen des culture clash, besonders von afrikanisch/islamischen Gesinnungen, die auf europäisch/christliche trafen[4].

Anekdotisch werde ich kurz zwei Legenden, die angeblich zur Gründung und Namensgebung beitrugen, nennen. Die eine stammt aus der griechischen Mythologie, die anderen aus dem Alten Testament. Der griechischen Sage nach traf Herkules, der sich in der Region aufhielt, auf eine junge Frau mit dem Namen Tenga oder Tangerah, die mit dem Riesen Antaeus verheiratet war. Zwischen Herkules und dem Riesen kam es zum Kampf um ihre Gunst. Da Antaeus' Mutter die Göttin der Erde war, bekam er, sobald er den Boden berührte, immer wieder neue Kräfte und konnte nicht besiegt werden. Als Herkules das bemerkte, hob er seinen Kontrahenten in die Luft und kämpfte gegen ihn, ohne dass Antaeus Kontakt zu Mutter Erde hatte und besiegte ihn dadurch. In der Nähe des Grabes von Antaeus etablierte Herkules eine Siedlung, die nach der Frau benannt wurde[5].

Die biblische Geschichte der Gründung Tangers erzählt, dass Noah mit seiner Arche ziellos auf wilden Gewässern hin- und hertrieb. Noah fragte sich, ob die Flut je zurückgehen würde und schickte eine Taube als Boten los, die kurz darauf mit Erde am Schnabel zurückkam. "Der Schlamm ist da!", soll er daraufhin ausgerufen haben, oder in seiner Sprache eben "Tin jda!" – also wurde der Ort, an dem die Arche Noah endlich auf Land traf, danach benannt[6].

Tangers Geschichte, so betonen viele (ehemalige) Bewohner und Intellektuelle der Stadt, spielte schon immer eine Sonderrolle. Im Jahre 1923 wurde die Stadt zur "Internationalen Zone von Tanger" erklärt, von gleich neun Staaten regiert (England, Spanien, Belgien, Vereinigte Staaten von Amerika, Holland, Portugal, Sowjetunion, Frankreich und später Italien[7] ), war dadurch aber politisch neutral[8]. Durch ihren wirtschaftlichen Sonderstatus, bei dem weder auf Einkommen noch Vermögen Steuern zu entrichten waren, gelang sie einerseits zu Reichtum, wurde andererseits auch Umschlagplatz für Geldwäsche, Schmuggel und Drogenhandel[9]. Andere Sonderstellungen bestan­den darin, dass weder Militärdienst zu verichten war, alle Banken sämtliche Währungen zu eigenem Kurs wechseln durften und keine Sozialabgaben gemacht werden mussten[10], auch Homosexualität wurde geduldet. 1956 wurde die "Interzone" aufgehoben.

Diese subversive, exotische Atmosphäre trug zu der Faszination für Freidenker, Künstler und Deserteure bei.

2.1 Kulturgeschichtliche Bedeutung Tangers

Die in Punkt 2.0 beschriebene Atmosphäre Tangers lockte viele Schriftsteller, Künstler und Intellektuelle an. Das Autorenpaar Paul und Jane Bowles verbrachten den Großteil ihres Lebens in der Stadt. Im Jahre 1931 hatte der damals 20jährige Paul Bowles zum ersten Mal die Stadt besucht und war überwältigt von den Sinneseindrücken, die auf ihn einprasselten[11]. 1947 zog er endgültig nach Tanger, um dort seinen ersten Roman mit dem namen "The Sheltering Sky" zu verfassen, Jane folgte ihm etwas widerwillig. Paul Bowles hatte in der Stadt ein endgültiges Zuhause gefunden und verbrachte sein ganzes Leben dort, bis er im November 1999 in Tanger verstarb[12].

Mitte der 1950er zog Tanger mit der besonderen Geschichte und dem liberalen Flair auch anderere Literaten, Verrückte und vor allem Amerikaner, die vor McCarthy und dem Korea-Krieg flohen, an:

[...] die in jenen Jahren mit lautstarkem Getöse nach Tanger einfallende Gruppierung zorniger junger Männer, eine Invasion von Dichtern und Aussteigern, die sich vehement ein zünftiges Anti-Establishment und das gründliche Ausprobieren alternativer Lebensformen auf die Fahnen geschrieben hatten [...].[13]

Unter diesen Außenseitern befanden sich viele (damals größtenteils noch unbekannte) Autoren wie William S. Burroughs, Allen Ginsberg oder Jack Kerouac, die alle mit dem Ehepaar Bowles be­freundet waren. Burroughs verfasste seinen legendären Roman "Naked Lunch" im Drogenrausch in Tanger. Viele andere namenhafte Schriftsteller verewigten ihre Impressionen Tangers in Romanen, Kurzgeschichten, Essays und Gedichten: Truman Capote, Jörg Fauser, Gertrude Stein, Tennessee Williams, Juan Goytisolo...[14] Über viele Jahrzehnte hinweg war die Stadt Magnet für die Bohème und Treffpunkt einer künstlerischen und intellektuellen Elite[15].

Paul Bowles selbst förderte viele Talente. Vor allem Mohamed Choukri, dessen bekanntestes Werk seine Autobiographie "Das nackte Brot" ist und der bis zu seinem zwanzigsten Lebensjahr An­alphabet war, wurde von Bowles entdeckt und unterstützt[16]. Auch Rodrigo Rey Rosa profitierte von dieser Freundschaft, da Bowles viele seiner Texte ins Englische übersetzte.

2.2 Rodrigo Rey Rosa in Tanger

Rodrigo Rey Rosa, geboren 1958 in Guatemala-Stadt, verbrachte mehrere Jahre seines Lebens in Tanger. Zwei Romane sind inhaltlich eine Hommage an die Stadt: "El cojo bueno" und "La orilla africana". Im Jahre 2004 wurde er mit dem guatemaltekischen Literaturpreis "Premo Nacional de la Literatura Miguel Ángel Asturias" ausgezeichnet. Er ist außerdem Regisseur des Films "Lo que soñó Sebastián".

Nach Tanger kam Rey Rosa im Alter von 21 Jahren, um an einem creative writing -Kurs von Paul Bowles teilzunehmen. Seine ersten Texte verfasste er auf Englisch, bis Bowles ihm dazu riet, auf Spanisch zu schreiben. Bowles zeigte sich beeindruckt von der Art Rey Rosas, mit wenigen Worten atmosphärische Prosa zu verfassen. Als er über zwanzig Kurzgeschichten geschrieben hatte, bat Rey Rosa seinen Mentor, diese zu übersetzen. Paul Bowles, der fließend Spanisch sprach, kam der Bitte gerne nach und half seinem Protegée dabei, international veröffentlicht und bekannt zu werden. 1985 wurde seine erste Textanthologie bei City Lights Books unter dem Namen "The Beggar's Knife" publiziert[17]. Paul Bowles übersetze auch weitere Werke Rey Rosas ins Englisch. Dieser brach dennoch den creative writing -Kurs ab[18].

Rey Rosa verbrachte mehrere Jahre in Tanger und besucht die Stadt heutzutage noch oft. Um "La orilla africana" zu verfassen, zog er Ende der 1990er Jahre für mehrere Monate wieder zurück nach Tanger[19].

Nach dem Tod von Bowles im November 1999 wurde sein Freund Rey Rosa zum Nachlass­verwalter seiner literarischen Werke[20].

3.0 Rodrigo Rey Rosa – La orilla africana

"La orilla africana" wurde auf Spanisch zuerst 1999 im Verlag Seix Barral, Barcelona ver­öffentlicht[21]. Die deutsche Übersetzung stammt von Arno Gimber, einem deutschen Professor, der an der Universidad Complutense de Madrid doziert[22], und erschien im Jahre 2002 im Zürcher Rot­punktverlag[23]. Gimber entschied, den Titel in "Tanger" zu ändern, anstatt ihn wortwörtlich zu übersetzen, und evozierte somit eine geringfügige semantische Verschiebung. "Tanger" grenzt die territorialen Gegebenheiten konkret ab, während "Das afrikanische Ufer" mehr Raum für Interpretationen und geographisch Ausdehnung lässt oder auch als Metapher zum Übergang von Europa zu Afrika gesehen werden kann. Da der Roman nicht nur in Tanger, sondern auch im Umkreis wie beipielsweise Agla spielt und in ein paar Kapiteln am Ende die Handlung sogar in Melilla, was geographisch zwar Nordafrika, politisch gesehen aber Spanien ist, wirkt "La orilla africana" als passenderer Name den Roman. Im Kapitel XVI wird der Name ein einziges Mal erwähnt: "[...] desde donde podía verse, en la lejanía, el Djebel Musa, la pálida columna de Hércules derrumbada sobre la orilla africana [...]"[24]. Auch dieser mystische Zusammenhang mit der in Abschnitt 2.0 erläuterten Herkules-Sage macht den Titel "Das afrikanische Ufer" zu einer plausibleren Wahl[25].

3.1 Struktur und Aufbau des Inhalts

Der sehr kurze Roman "La orilla africana" ist mehrfach unterteilt: Er beinhaltet drei Teile, die nummeriert sind. "Primera parte" und "Tercera parte" sind jeweils nur rund zwanzig Seiten lang[26], während der Mittelteil "Segunda parte" den Großteil des Buches, rund hundert Seiten, ausmacht. Der erste Teil ist in zwei Überkapitel gegliedert, "El frío" und "Los ojos de la lechuza". Beide Überkapitel sind erneut unterteilt in sechs und drei Kapitel, die größtenteils nicht viel mehr als eine Seite umfassen. Auch der Mittelteil besteht aus zwei Überkapiteln, die "Calaveras" und "Collar" heißen. "Calaveras", so erfahren wir im Text, bedeutet in dem Fall nicht "Totenkopf", sondern ist auf das (untreue) Verhalten von Männern bezogen: "Como decían las mujeres, los hombres eran calaveras."[27] Hier ist also die Übersetzung "Luftikus" oder "Leichtkopf" gemeint. Auch diese beiden Überkapitel sind in fortgehend nummerierte Abschnitte unterteilt. "Calaveras" verknüpft die Kapitel X bis XLIII, während "Collar" aus sieben Briefen (beziehungsweise Faxen) besteht. Der dritte Teil, "Fuga", hat fünf Kapitel.

[...]


[1] Vetsch, Kerenski – Das TANGER TELEGRAMM, S. 15

[2] Zitiert nach ebd., S. 16

[3] Vgl. Vaidon – Tangier, S. 1

[4] Vgl. Hibbard – Tangier at the Crossroads, S. 1

[5] Vgl. Rosteck – Jane und Paul Bowles, S. 400, Vaidon – Tangier, S. 1f.

[6] Vgl. ebd., S. 2f., Rosteck – Jane und Paul Bowles, S. 400

[7] visitetanger.com/es/descubra-la-region-tanger-tetuan/a-proposito-de-tanger/tanger...-linternationale.html

[8] Vgl. Amine, Hussey – A Preface, S. IX

[9] Vgl. Rosteck – Jane und Paul Bowles, S. 401

[10] Vgl. zeit.de/1956/27/versinkendes-paradies, Vaidon – Tangier, S. 280

[11] Vgl. Rosteck – Jane und Paul Bowles, S. 220f.

[12] Vgl. Ebd., S. 635

[13] Ebd., S. 453

[14] Vgl. Vetsch, Kerenski – Das TANGER TELEGRAMM

[15] Vgl. Hibbard – Tangier at the Crossroads, S. 1, Rosteck – Jane und Paul Bowles, S. 7f.

[16] paulbowles.org/booksbest2.html

[17] Vgl. Carr – Paul Bowles, S. 305, paulbowles.org/rodrigoreyrosa.html

[18] ncsu.edu/project/acontracorriente/winter_07/Gray.pdf

[19] Ebd.

[20] Vgl. Carr – Paul Bowles, S. XI

[21] Rey Rosa – La orilla africana, Klappentext

[22] arnogimber.com

[23] Rey Rosa – Tanger, Paratext

[24] Rey Rosa – La orilla africana, S. 61

[25] Die englisch- und französischsprachigen Übersetzungen bleiben dem Original treu: "The African Shore" bzw. "La rive africaine"

[26] In der guatemaltekischen Edition; in anderen Ausgaben werden die Relationen dennoch ähnlich sein

[27] Rey Rosa – La orilla africana, S. 98

Final del extracto de 21 páginas

Detalles

Título
Zusammenprall disparater Kulturen im 'melting pot' Tanger im Roman 'La orilla africana' von Rodrigo Rey Rosa
Universidad
University of Frankfurt (Main)
Calificación
1,7
Autor
Año
2014
Páginas
21
No. de catálogo
V275639
ISBN (Ebook)
9783656686484
ISBN (Libro)
9783656686491
Tamaño de fichero
421 KB
Idioma
Alemán
Notas
Palabras clave
zusammenprall, kulturen im, tanger, roman, rodrigo, rosa
Citar trabajo
Isabella Caldart (Autor), 2014, Zusammenprall disparater Kulturen im 'melting pot' Tanger im Roman 'La orilla africana' von Rodrigo Rey Rosa, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/275639

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