Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Einordnung in den Forschungsstand
2.1 Was ist unter ausländischen Direktinvestitionen zu verstehen?
2.2 Ausgewählte-Theorie der ausländischen Direktinvestitionen
2.3 Direktinvestitionszuflüsse nach SSA 2001-2011
2.4 Untersuchungen bezüglich des Agrarsektors in den Entwicklungsländern
3 Das „Landnahmen-Phänomen“ in SSA
3.1 Was ist unter Landnahmen zu verstehen
3.2 Die Akteure
3.3 Die Motive
3.4 Überblick über das Ausmaß der Landnahmen in SSA
4 Ernährungsunsicherheit
4.1 Konzept der Ernährungssicherheit
4.2 Formen der Ernährungsunsicherheit
4.2.1 Chronische Ernährungsunsicherheit
4.2.2 Temporäre Ernährungsunsicherheit
5 Landnahme und Ernährungssicherheit
5.1 Effekte auf die Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln
5.2 Effekte auf den Zugang zu Nahrungsmitteln
5.3 Effekte auf die Stabilität und die Nutzbarkeit von Nahrungsmitteln
6 Fazit
7 Literaturverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Die 10 Hauptempfänger von Agrarinvestitionen in SSA.
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: FAO Nahrungsmittelpreisindex 1990-2012
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Das Streben nach Kapital und damit verbunden nach ausländischen Direktinvestitionen hat weltweit stark an Bedeutung gewonnen. Die noch herrschende globale Wirtschafts- und Finanzkrise hat das Werben um grenzüberschreitendes Kapital erheblich erschwert. Zudem führte die Liberalisierung der Güter- und Dienstleistungsbranche, inklusive des Finanzmarktes, zu hohen Volatilitäten auf den Finanzmärkten. Dieses Phänomen – die Liberalisierung des Kapitalverkehrs und des Handels der letzten Jahre, insbesondere in SSA – hat dazu geführt, dass Investoren ihr Kapital unabhängig von der Lage in einem bestimmten Land umschichten konnten: sowohl in Ländern wie der Demokratischen Republik (DR) Kongo, welche als politisch unsicher gelten, aber hohe Ertragsaussichten aus dem Agrarsektor aufweisen, als auch in Ländern, die trotz einer niedrigeren Rendite als sicher angesehen werden. Traditionsbedingt werden jedoch bis heute noch politische Entscheidungen und Maßnahmen umgesetzt, die zur Anlockung ausländischer Direktinvestitionen in den industriellen Branchen und beim Abbau von Rohstoffen und seit einiger Zeit von Nahrungsmitteln für den Export dienen. Diese Trendbeschreibung stellt eine Eigenschaft dar, die durchaus charakteristisch für den Agrarsektor in den Entwicklungsländern in Subsahara-Afrika ist. Dennoch haben sich in den letzten Jahren neue Trends herauskristallisiert bzw. entwickelt. Der Wettbewerb zwischen Investoren um Agrarflächen in Entwicklungsländern, vor allem in Subsahara-Afrika (SSA), beschreibt die neuen Trends des 20. Jahrhunderts ausländischer Direktinvestitionen. Ausschlaggebend für diese Investitionen sind unter anderem die neusten Preisanstiege für Nahrungsmittel im Jahr 2008 und die Produktion von Rohstoffen, wie z. B. Korn bzw. Mais und der Jatrophapflanze für die Herstellung von Biokraftstoff angesichts der hohen, fossilen Kraftstoffpreise.
Die Veranlassung zur Themenwahl ist vor allem dadurch begründet, dass Länder wie Äthiopien, DR Kongo, Mali, Niger, Burkina Faso und zum Teil auch der Senegal keine adäquaten, vorsorgenden Maßnahmen entwickeln, um einer drohenden Hungersnot in diesen Ländern vorzubeugen. In diesen Ländern bestehen chronische Ernährungsprobleme. Jedes Jahr erfolgt ein Appell an die internationale Gemeinschaft sowohl Geld als auch Nahrungsmittel für diese Regionen zu spenden. Allerdings scheinen die drohenden Hungersnöte nicht der entscheidende Grund für die Investitionsentscheidung der Investoren und der verantwortlichen Regierungen in diesen Ländern zu sein. Einerseits verfolgen die Investoren vielmehr klassische Profit-Motive. Seit einigen Jahren sind die eigenen Ernährungssicherungsmotive der Geldgeber-Länder immer wichtiger geworden und treten immer in den Vordergrund. Andererseits jedoch unternehmen die Empfängerländer mit ihrer „Moral-Hazard-Haltung“ trotz schwerer Ernährungsunsicherheitsphasen wenig, um künftige Nahrungsmittelknappheitsphasen zu vermeiden. Verantwortlich dafür ist die Gleichstellung von Ernährungsproblemen insbesondere in Entwicklungsländern als ein globales Problem und wird als solches behandelt. Zu den primären Zielen des UNO-Millennium Development Goals zählt die Bekämpfung des Hungers. Dennoch werden die Entwicklungsländer aufgefordert, Handelsschranken und Subventionen für ihre Bauern abzubauen. Die Konsequenzen solcher Maßnahmen umfassen unter anderem auch den Rückgang der Einnahmen in diesen Ländern. Eine weitere Problematik ist das Bemächtigen fruchtbarer Flächen von Kleinbauern mit wenig oder gar keiner Kompensation aufgrund der durchaus unklaren Besitzverhältnisse. Außerdem sind die Anpassungsfähigkeiten von ausländischen Direktinvestitionen auf dem Agrarsektor und ihre Auswirkung auf die Entwicklungsländer während Krisenzeiten erfolgversprechend.
Bei der Ausarbeitung wurde keine empirische Untersuchung vorgenommen. Vielmehr wurde eine Analyse von Literatur und Daten von sowohl akademischen Wissenschaftlern und Nichtregierungsorganisationen als auch von Berichten aus den Medien über diese Thematik vorgenommen.
Das Ziel der vorliegenden Arbeit besteht darin, zu untersuchen, inwieweit die neuen Trends der ausländischen Agrarinvestitionen die Ernährungssicherheit angesichts wiederkehrender Nahrungsmittelknappheit in Subsahara-Afrika fördern. Dabei werden die Agrarinvestitionen als eine traditionelle ausländische Direktinvestition gleichgestellt, um die Effekte bezüglich der Ernährungssicherheit in SSA zu betrachten.
Bei der Ausarbeitung wird nach der Einleitung im zweiten Kapitel zunächst die Einordnung in dem Forschungsstand sowohl das Phänomen Landnahme und die Notwendigkeit von ausländischen Agrarinvestitionen als auch ein theoretischer Gesichtspunkt von ausländischen Direktinvestitionen in SSA dargestellt. Im dritten Kapitel erfolgt neben einer Darstellung des Ausmaßes der Landnahmen eine ökonomische und eine sozio-politische Analyse des Phänomens Landnahme. Darüber hinaus wird auf die verschiedenen, treibenden Kräfte und Motivationen der ausländischen Agrarinvestitionen in SSA eingegangen. Im vierten Kapitel werden das Ausmaß und Dimensionen der Ernährungssicherheit beleuchtet. Im Kapitel fünf erfolgt eine Gegenüberstellung von Landnahmen und Ernährungssicherheit. Abschließend wird im Kapitel sechs ein Fazit gezogen und auf Empfehlungen eingegangen, die zu möglichen Lösungen der immer wiederkehrenden Nahrungsmittelknappheit in diesen Regionen beitragen können.
2 Einordnung in den Forschungsstand
In diesem Kapitel wird auf den Forschungsstand von ausländischen Direktinvestitionen in Entwicklungsländer eingegangen. Dabei wird das Hauptaugenmerk auf SSA gelegt. Des Weiteren erfolgt eine Darstellung von Untersuchungen bezüglich des Agrarsektors in Entwicklungsländern.
2.1 Was ist unter ausländischen Direktinvestitionen zu verstehen?
Der Begriff „ausländische Direktinvestitionen“ wird nicht nur in den Medien oder bei verschiedenen Institutionen unterschiedlich angewandt; es gibt keine allgemein akzeptierte Definition. Ein Phänomen, das bei allen Definitionen oder Erklärungsansätzen beschrieben oder zumindest angedeutet wird, ist die grenzüberschreitende Bewegung von Kapital. Die US-amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler Paul R. Krugman und Maurice Obstfeld definierte ausländische Direktinvestitionen als: „…internationale Kapitalströme, bei denen ein Unternehmen in einem Land, in dem es nicht ansässig ist, eine Niederlassung gründet oder erweitert“ (Krugman & Obstfeld 2009, S. 229). Meistens werden diese Formen der Kapitalbewegungen von sogenannten multinationalen Unternehmen getätigt. Ein multinationales Unternehmen ist ein in einem Land niedergelassenes Unternehmen, an dem ein ausländisches Unternehmen einen bestimmten Mindestanteil besitzt. In den USA und in den anderen Mitgliedsländern der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) muss ein Mindestanteil von zehn Prozent vorliegen. Diese zehnprozentigen Quoten entsprechen durchaus der internationalen Norm, weil sie der Muttergesellschaft die Kontrolle über das neue gegründete oder gekaufte Unternehmen sichert (Vgl. Krugman & Obstfeld 2009, S. 229-230; Vgl. Groht 2005, S. 60-61).
2.2 Ausgewählte-Theorie der ausländischen Direktinvestitionen
Die als Ownership, Location and Internalization (OLI)-Paradigma bekannt gewordene Theorie, ist der Versuch, bei John Dunnings Arbeitsproduktivitätsunterschiede auf staatlicher Ebene zwischen Multinationale Unternehmen (MNEs) in den USA, US-MNEs in Großbritannien auf der einen Seite und britische Unternehmen auf der anderen Seite zu erklären. Nach Dunnings Auffassung werden grenzüberstreitende Produktionen bei MNEs, die von ausländischen Direktinvestitionen (ADI) finanziert sind, nur getätigt, wenn folgende drei unterschiedliche, aber zusammenwirkende Faktoren in den Gastländern für die Investoren vorhanden sind: wie
- Eigentumsrecht,
- standortgebundene und
- internalisierte Vorteile.
Die Vorteile ermöglichen eine erfolgsversprechende Produktion, den Verkauf im Gastland und den Export auf anderen Märkten (Vgl. Dunning 2000, S. 122-126; Vgl. Dvornik 2008, S. 16). Dabei ist jeder Standortwechsel mit Kosten verbunden. Das heißt, wenn ein Land Unternehmen die Möglichkeit anbietet, ihren Besitzvorteil sogar monopolistisch einzusetzen, greifen die Unternehmen zu, weil sie darin die Chance zu einer Profit-Steigerung erblicken. Standortvorteile im Sinne von günstigen Arbeitskosten, niedrigeren Tarifen bis hin zu sicheren sozio-kulturellen Vorzügen und einer Internalisierung sind mit der Garantie oder Beanspruchung von maximalem Nutzen der eigenen Besitzvorteile stark verbunden. Der Internalisierungsvorteil bedeutet, dass der Besitzvorteil und auch der Standortvorteil zusammen die Erzielung eines möglichst hohen Gewinns für das Unternehmen hervorruft (Vgl. Dunning 2000, S. 126; Vgl. Denisia 2010, S. 56-57). Die Tatsache, dass Dunning sein OLI-Paradigma nicht als statisches Modell darstellt und stattdessen seit Jahren versucht, das Modell auf andere Ebenen zu übertragen, spricht für dessen Flexibilität. Es liefert zudem den Grund für die Auswahl der oben erklärten Theorie, um die neuen Trends der Agrarinvestitionen in SSA in Zusammenhang zu bringen, da die Kaufverträge zwischen den Investoren und den Empfängerländern Besitzrechte, standortgebundene und damit auch internalisierte Vorteile für den Investoren sichern (Vgl. Dunning 2000, S. 127-130). Darüber hinaus belegen empirische Studien, dass außerhalb der theoretischen Betrachtungsweise, speziell auf Entwicklungsländer bezogene Determinanten von ausländischen Direktinvestitionen, unter anderem die Existenz von Rechtssicherheit und ökonomischer Stabilität in den Empfängerländern umfassen. Die Faktoren Rechtssicherheit und Stabilität sind zwei der wichtigsten Antriebsfaktoren für Investoren, um Produktionsstätten in das Ausland zu verlagern. Klare gesetzliche Vorschriften, die nicht nur das Privateigentum schützen und die Ausfuhr von möglichen Gewinnen garantieren, sondern auch die Beschäftigungsverhältnisse in den Aufnahmeländern regeln, sollten vorhanden sein (Vgl. Büthe & Milner 2008, S. 743; Vgl. Haederle, 2005, S. 47). Die Gesetze allein sind in manchen Fällen nicht ausreichend. Deshalb sind Länder, insbesondere Entwicklungsländer, bemüht, bilaterale Handelsabkommen außerhalb der Welthandelsorganisation (WTO)-Rahmens mit anderen Ländern abzuschließen oder überregionalen Organisationen beizutreten. Die Mitgliedschaft in solchen Organisationen dient als Sicherheit für investiertes Kapital, weil Investoren die Möglichkeit haben, bei den vereinbarten Konflikt-Resolutionsmechanismen diese Institutionen für den Fall eines Kapitalverlustes durch einen Regierungswechsel oder eine Gesetzesänderung anzugreifen. Letzteres sind typische Merkmale für die Länder in SSA. Mit dem Beitritt in bilaterale Organisationen war die Schaffung von Rechtssicherheit für die Investoren verbunden. Die Konfliktresolutionsmechanismen dieser Institutionen zerstreuen die Befürchtungen der Investoren in Bezug auf die Sicherheit ihrer Investitionen vor Nationalisierungsversuchen (Vgl. Büthe & Milner 2008, S. 744-745).
Des Weiteren sind die neuesten Markt- und Handelsliberalisierungen in den Subsahara-Ländern, die zu einem Abbau von Zöllen und der Gewährung von Subventionen für ausländische Unternehmen führen, anreizgebende Faktoren für ausländische Direktinvestitionen in den Entwicklungsländern (Vgl. Büthe & Milner 2008, S. 744; Vgl. Bende-Nabende 2002, S. 2). Dennoch verursachen die Subventionen und der Verzicht auf Einnahmen in Form von Zöllen Finanzierungslücken in den Budgets dieser Länder, wenn die Investitionen sich nicht amortisieren, die Investoren nach kurzer Zeit ihre Investitionen zurückziehen und Profit nicht reinvestiert, sondern repatriiert wird (Vgl. Haederle 2005, S. 46-47). Nach Bende-Nabende (2002) stellt die Handelsliberalisierung der letzten Jahre einen Grund für den positiven Anstieg der ausländischen Direktinvestitionen in Afrika dar. Vor der Liberalisierung in den 1980er Jahren ist, bedingt durch die Ölkrise von 1974, die Mehrzahl der ausländischen Direktinvestitionen in Länder mit Ölreserven geflossen. Die Marktöffnungen während der 1980er Jahre führten dazu, dass Investoren, sowohl aus den sogenannten OECD-Ländern als auch aus Südostasien, die SSA als eine gute Investitionsdestination ansahen, wo Renditen erwirtschaftet werden konnten. Die Handelsliberalisierungen eröffneten nicht nur die Möglichkeit, in die Rohstoffgewinnung zu investieren, sondern auch den Aufbau von neuen Vertriebsanlagen und Produktionsstätten (Vgl. Bende-Nabende 2002, S. 1-2).
Eine weitere Determinante für ausländische Direktinvestition ist die Möglichkeit, für Unternehmen oder Investoren, vor allem aber für exportorientierte Unternehmen, zu vergleichbar niedrigeren Kosten zu produzieren. Vor dem Hintergrund, dass das Kapital dorthin fließt, wo mögliche Gewinne auf Sachinvestitionen und Rendite auf Anlagen wie Portfolioinvestitionen am höchsten sind, suchen Investoren Produktionsstandorte aus, wo die Produktionskosten in Bezug auf Transport, Löhne und Kapitalkosten usw. am günstigsten sind (Vgl. Haederle 2005, S. 46-47). Der Faktor Produktionskosten beeinflusst nicht nur die Entscheidung, Produktionsstätten an einen anderen Standort zu verlagern, sondern beispielsweise auch Entscheidungen über den Kauf von Rohstoffen, halbfertigen und fertigen Erzeugnissen für die weitere Verarbeitung. In einer Studie von über 155 ausländischen Unternehmen fanden Javorcik und Spatareanu (2005) heraus, dass:
- niedrigere Preise,
- die Nähe zum Produktionsstandort,
- die Ersparnisse bei den Transportkosten und
- niedrigere Einfuhrzölle
unter anderem die wichtigsten Gründe für die Wahl eines Lieferanten bei ausländischen Unternehmen in Tschechien darstellten. Es war zu erkennen, dass die meisten dieser Unternehmen Tochtergesellschaften der multinationalen Unternehmen sind. Das heißt, die Anfertigung der Produkte erfolgt nach bestimmten Spezifikationen und Standards. Die Muttergesellschaft exportiert diese Produkte oder fragt diese nach (Vgl. Javorcik & Spatareanu 2005, S. 60-61).
Eine weitere Determinante, die sich in der Studie von Bende-Nabende speziell auf Afrika bezieht, ist die auf den Export ausgerichtete Politik in diesen Ländern. Das heißt, vor allem arbeitsintensive Produktionsstätten werden in diesen Ländern etwa aufgrund steigender Stückkosten, gegenüber den Heimatländern vergleichsweise günstigeren Transportkosten, verlagert und veranlassen Investoren, in Ländern von SSA zu produzieren. Allerdings beklagt Bende-Nabende die nicht ausreichende Verfügbarkeit von Daten mancher Länder für seine Analyse. Dennoch ist er überzeugt, dass die eben aufgeführten Faktoren für ausländische Investoren für die Wahl von Standorten in SSA entscheidend sind (Vgl. Bende-Nabende 2002, S. 3; S. 6).
Darüber hinaus spielt das Motiv der Erschließung neuer Märkte aus Sicht eines Unternehmens auch eine wichtige Rolle bei der Suche nach einem neuem Produktionsstandort. In manchen Fällen installierten manche Unternehmen sowohl die Produktion als auch den Vertrieb in einem Land. Meistens wird die Produktionsstätte in einem Land angesiedelt, wo es günstiger ist zu produzieren. Dennoch wird der Vertrieb in einem anderen Land aufgebaut. Dabei ist das Ziel, so nah wie möglich an dem potenziellen Konsumenten zu sein und das Produkt preisgünstiger anzubieten (Vgl. Haederle 2005, S. 47). Bende-Nabende (2002) fand in seiner Kointegrationsanalyse heraus, dass das potenzielle Wachstum der Märkte in SSA ein bestimmender Faktor für die Wahl dieser Länder ist. Daraus ist abzuleiten, dass sich die Investoren aufgrund der Sättigung der einheimischen Märkte sowohl mit einheimischen als auch mit importierten Gütern um die Erschließung neuer Märkte für den Vertrieb ihrer Güter bemühen. Diese Möglichkeit bietet den Subsahara-Ländern, die über eine wachsende Mittelschicht verfügen, deren Bedürfnisse zu befriedigen (Vgl. Bende-Nabende 2002, S. 1-2).
Das Vorhandensein einer Infrastruktur von qualifizierten humanen Ressourcen, bis hin zu der Bereitstellung von guten Transport- und Kommunikationsinfrastrukturen, spielt bei der Entscheidung eines Investors, im Ausland zu investieren, eine bedeutende Rolle. Die Bereitstellung einer Basis-Infrastruktur, wenn sie von den Investoren selbst übernommen wird, hat das Potential, den Gewinn vor Steuern und Zinsen zu verringern. Ein auf Gewinnmaximierung ausgerichtetes multinationales Unternehmen, das im Wettbewerb und unter Druck der Aktionäre steht, berücksichtigt deshalb alle kostensparenden Alternativen bei der Standortwahl. Aus diesem Grund werden Standorte ausgesucht, bei denen eine vergleichbare Infrastruktur und Ressourcen (wie beim heimischen Standort) vorhanden sind. Darüber hinaus öffnete die Globalisierung für die MNEs die Möglichkeit, ihre Standorte frei zu wählen und in kurzer Zeit wieder zu ändern, wenn im Laufe der Zeit, die Infrastruktur des Gastlandes nicht mehr dem gewünschten unternehmerischen Niveau entspricht oder neue Standorte mit vorteilhaften Infrastrukturen auf den Markt kommen. Das heißt, nicht nur die Unternehmen stehen im Wettbewerb mit den Konkurrenten, sondern auch die Standorte konkurrieren um den Erwerb von ausländischen Direktinvestitionen. Typischerweise führt der Wettbewerbsdruck auf das ausländische Direktinvestitionen suchende Land (meistens Entwicklungsländer) zu Zugeständnissen wie der Einrichtung von Freihandelszonen und der Finanzierung sowie der Bereitstellung von Infrastrukturen innerhalb der Zonen (Vgl. Haederle 2005, S. 46).
2.3 Direktinvestitionszuflüsse nach SSA 2001-2011
Nach United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD) Schätzungen sind die ADI-Zuflüsse nach SSA zwischen 2001 und 2011 gestiegen. Der Anteil ausländischer Direktinvestitionen nach Subsahara-Ländern betrug ca. 1,8% im Jahr 2001 der weltweiten Direktinvestitionen. Dabei floss der der größte Anteil von dem insgesamt US$ 15,182 Millionen an Investitionen nach Südafrika (ca. 44,7%), Angola (ca. 14,1%) und Nigeria (ca. 8,4%). Unter den Ländern mit den wenigsten (bis zu 1%) ausländischen Direktinvestitionen im Jahr 2001 befinden sich unter anderem Somalia und die DR Kongo. Dieses Bild hat sich auch 2011, also zehn Jahre später, nicht verändert. Der größte Verlierer laut dieser Statistik ist aber Angola mit sogar einem negativen Saldo von US$5,586 Millionen im Jahr 2011, im Vergleich zum Jahr 2001. Ein deutlicher Gewinner zwischen 2001 und 2011 ist Nigeria mit ca. US$8,915 Million (ca. 24%). Keine Veränderung sind für Äthiopien und Somalia bekannt (UNCTADStat 2012).
Die Gründe für die unterschiedliche Streuung der ausländischen Direktinvestitionen sind sowohl politisch als auch ökonomisch erklärbar. Die politische und wirtschaftliche Stabilität in Ländern wie Südafrika ist verantwortlich für die relativ hohen ausländischen Direktinvestitionen. Trotz politischer und wirtschaftlicher Instabilität empfingen die beiden Länder Nigeria und Angola ausländische Direktinvestitionen zwischen 2001 und 2011, die überdurchschnittlich hoch im Vergleich zu den Investitionen in Ländern wie Mali, Äthiopien und Burkina Faso waren. Der vermutliche Grund hierfür ist, dass diese Länder über Ölreserven verfügen (Vgl. Bende-Nabende 2002, S. 1-2).
2.4 Untersuchungen bezüglich des Agrarsektors in den Entwicklungsländern
Nicht weniger bedeutend ist die Landwirtschaft im Kampf gegen die Armut, weil die Mehrzahl der Pflanzen- und Tierproduktion sowohl für den Konsum, als auch als Einkommensquelle bestimmt ist. Nach Peter Timmer sind staatliche Investitionen unter anderem für die ländliche Infrastruktur und Preisanreize für Agrarprodukte notwendig, um die Agrarproduktivität zu verbessern. Nach seiner Ansicht kann Nahrungsmittelsicherheit nur mit einer holistischen Strategie erreicht und auf Dauer gesichert werden:
- indem die Agrarwirtschaft entwickelt und
- dabei unmittelbar Wirtschaftswachstum erzeugt,
- Armut bekämpft und
- Stabilitäten garantiert werden
(Vgl. Timmer 1997, S. 7). Dadurch wird dem Staat eine wichtige Rolle zugesprochen. Das Problem besteht jedoch darin, dass staatliche Investitionen in ländlichen Regionen und in dem Agrarsektor in der SSA in den letzten Jahren stagnierten oder sogar abnahmen. Der Anteil der öffentlichen Ausgaben für den Agrarsektor als Teil ihres nationalen Budgets der letzten Jahren betrug lediglich zwischen ca. 4 und 7% (Vgl. Mogues & Benin 2012, S. 1), obwohl Studien zufolge ein Wachstum von 1 % im Agrarsektor sogar zu einem Anstieg des Einkommens des ärmsten Bevölkerungsfünftels von ca. 1,6 % führen könnte (Vgl. Zeller & Johannsen 2005, S. 373).
Eine weitere, von Irz et al. durchgeführte Studie (2001) kam zu dem Ergebnis, dass ein „…10%-ger Anstieg der Erträge im Pflanzenbau je nach Bedeutung des Agrarsektors für die Beschäftigung der Armen[…]“ (Zeller & Johannsen 2005, S. 373) zu einer 9%-gen Senkung der Zahl der absolut Armen in Afrika führen kann. Die beiden Studien zeigen, wie stark eine Produktivitätssteigerung im Agrarsektor und die Ernährungssicherheit miteinander verknüpft sind. Die eben genannte Tatsache beschreibt den Selbstversorgungscharakter der Landwirtschaft in SSA. Dabei werden überwiegend Grundnahrungsmittel wie Cassava, Mais, Sorghum und Hirse angebaut. Interessanterweise machen Cassava, Mais usw. ca. 70 % der gesamten Ausgaben für Lebensmittel eines Haushaltes aus (Vgl. ebd. S. 373). Ein weiteres typisches Merkmal dieser Art der Landwirtschaft in diesen Ländern ist der Einsatz von rudimentären Werkzeugen und Familienarbeitskräften, im Gegensatz zu den Industrieländern, wo aufgrund des technologischen Fortschritts der letzten Jahrhunderte überwiegend Traktoren und Erntemaschinen zum Einsatz kommen. In Mali erfolgt die Produktion von Nahrungsmitteln z. B. auf Feldern, die so aufgeteilt sind, dass die Familienzugehörigkeit und Stellung eine bedeutende Rolle einnimmt. Dies bedeutet, dass die zur Verfügung stehenden Felder klein sind und die Familienangehörigen die Arbeitskräfte (zum Teil auch Frauen und Kinder) stellen. Die Ernte wird von Großfamilien, und bei Bedarf, insbesondere bei arbeitsintensiven Anbauten, auch von saisonalen Arbeitskräften durchgeführt (Vgl. Löchl 2002, S. 94).
Weitere Untersuchungen, speziell auf das Phänomen der Landnahme und deren Auswirkungen auf die Länder in der SSA bezogen, beschreiben, wie beispielsweise Genetic Resources Action International (GRAIN) ein ausbeuterisches Verhalten der Investoren zeigt (GRAIN 2012a), da in der Mehrzahl der Fälle nicht nur Agrarflächen kleiner Bauern enteignet werden, sondern auch deren Wasserquellen (GRAIN 2012b).
Die Ausarbeitung stützt sich weiterhin auf Untersuchungen des Global Land Project Reports (2010) und empirische Studien von Forschungsinstituten wie das Lebniz-Institut für Globale und Regionale Studien (GIGA). Einerseits verweist die Literatur auf die Möglichkeit von „Spill-Over Effekten“ von Landnahmen, wenn bestimmte Maßstäbe eingehalten werden. Und dies angesichts einer hohen Ernährungsunsicherheit in der Region von SSA, obwohl dort enorm große Ackerflächen für die Nahrungsmittelproduktion vorhanden sind und nicht ausreichend genutzt werden. Auf der anderen Seite vertreten vor allem Nichtregierungsorganisation NGOs die Ansicht, dass die neuen Trends in ausländischen Agrarinvestitionen ausbeuterisch sind und eine Gefahr für die Ernährungssicherung von Millionen von kleinen Bauern darstellen. Die negative Folge der Investitionen wird damit begründet, dass in der Mehrzahl der Fälle kapitalintensive statt arbeitsintensive Methoden zur Anwendung kommen.
3 Das „Landnahmen-Phänomen“ in SSA
Im folgenden Kapitel wird auf den Begriff „Landnahmen“ in SSA eingegangen. Danach folgt eine Darstellung der Akteure und ihrer Motive. Dabei ist das Ziel, Landnahmen als eine Form der ausländischen Agrarinvestitionen verständlicher zu machen.
3.1 Was ist unter Landnahmen zu verstehen
Für die neuen Trends der ausländischen Agrarinvestitionen in SSA werden unterschiedliche Adjektive sowohl bei der medialen Darstellung, als auch bei Wissenschaftlern verwendet, um das Phänomen zu benennen. Jedoch beschreiben alle diese Erklärungen und Definitionen dasselbe Phänomen, zumindest was den Erwerb und die Nutzung insbesondere von Ackerflächen in SSA anbelangt. Eine Nichtregierungsorganisation – (GRAIN) – bezeichnete das Phänomen als „Land Grabbing“ (Vgl. Kress 2012, S. 21-22). Daniel & Mittal (2009) beschreiben den Begriff „Land grab“ als:
“The purchase or lease of vast tracts of land by wealthier food-insecure nations and private investors from mostly poor, developing countries in order to produce crops for export” (Daniel & Mittal 2009, S. 6.).
Die oben zitierte Definition beschreibt den Kauf von Ackerflächen in den Entwicklungsländern durch vermögende Länder (die aber über keine gesicherte Nahrungsmittelversorgung verfügen) und private Investoren für die Produktion von Nahrungsmitteln für den Export. Auslöser für den neuen Trend oder die steigende Nachfrage nach Ackerflächen in SSA sind unter anderem die steigenden Nahrungsmittelpreise während der Jahre 2007 und 2008. Die Preissteigerung verschärfte nicht nur die globale Knappheit, sondern ebnete auch für Länder wie China und Katar den Weg, die einerseits wachsende Bevölkerungszahlen aufweisen aber andererseits weniger Ackerflächen für den Anbau von Nahrungsmittel besitzen, um nach alternativen Nahrungsmittelquellen zu suchen (Vgl. ebd. S. 7-8).
Darüber hinaus beschreibt das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ 2012) das Phänomen der Landnahme in den Entwicklungsländern als eine aktive Beteiligung, sowohl von staatlicher Akteure als auch von privater Investoren in Form einer ausländischen Direktinvestition aus Industrie- und Schwellenländern beim Kauf von großflächigen Agrarflächen in den Entwicklungsländern (BMZ 2012, S.5, S.14).
Die zum Teil nicht ausreichend genutzten, aber meist fruchtbaren und dünn besiedelten Anbauflächen, werden für mittel- bis langfristige Pachten an die ausländischen Investoren abgetreten. Das Ministerium identifizierte zwei wesentliche Motive bei dieser Form der ausländischen Direktinvestitionen. Erstens bieten die Investitionen aus Sicht der privaten Investoren neue Renditemöglichkeiten, ausgelöst durch die jüngste Nachfrage- und Preissteigerung für Nahrungsmittel oder Energiepflanzen im Jahre 2007 und 2008. Zweitens besteht das Ziel, in Bezug auf die staatlichen Akteure, darin, eine ungehinderte Nahrungsmittel- und Energieversorgung für ihre Bevölkerung zu sichern. Dennoch ist dieses Phänomen in Bezug auf ausländische Agrarinvestitionen in SSA nicht neu. Während der Kolonialzeit wurden Ackerflächen für den Export von den Kolonialmächten, ihren Vertretern oder aber auch privaten Investoren enteignet, unter anderem für den Anbau von Zuckerrohr, Bananen und Palmen auf großen Plantagen (Vgl. Lay & Nolte 2012, S. 3). Der Unterschied zur Landnahme aus der Gegenwartsperspektive ist der Wettlauf neuer Akteure, vor allem zwischen entwickelten Staaten und Schwellenländer, aber auch Institutionen wie Universitäten (indirekt beteiligt durch Hedgefonds), die den wahllosen Verkauf von fruchtbaren Flächen ohne Rücksicht auf traditionelle Besitzrechte der Einheimischen durch ihre Volksvertreter betreiben (Vgl. Vidal & Provost 2011).
3.2 Die Akteure
Die primären ausländischen Agrarinvestoren in SSA übertreffen Unternehmen aus kolonialen Zeiten und umfassen auch Unternehmen aus Asien, dort insbesondere aus den Golfstaaten. Hier werden nicht nur fertige oder halbfertige Erzeugnisse getauscht, sondern auch Produktionsfaktoren – das Kapital der kapitalbesitzenden Länder durch ihre sog. staatlichen Anlagefonds – gegen Boden und Arbeit aus den afrikanischen Ländern der Subsahara, die genügend wenig genutzte Agrarflächen besitzen. Zum Beispiel gingen Smaller & Mann (2009) weiter und charakterisierten die neue Nachfrage nach Ackerflächen in SSA nicht als „Markt bedingt oder abhängig“. Die Nachfrage erfüllt auch nicht die klassische komparative Vorteilssuche der Unternehmen, was die Produktion für den globalen Markt anbelangt, sondern es ist der Versuch, Land- und Wasser-Ressourcen für die Produktion von Nahrung und Energie für die eigene Bevölkerung zu sichern (Vgl. Smaller & Mann 2009, S. 7). Der Golfstaat Saudi-Arabien stellt beispielsweise eine finanzielle Unterstützung für einheimische Unternehmen beim Kauf von Ackerflächen in Ländern wie dem Sudan bereit. Dabei sind folgende Merkmale der Investitionen der Golfstaaten erkennbar.
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