Mehrsprachige Paare


Hausarbeit, 2013

18 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theoretische Grundlagen
2.1. Sprache und Identität
2.2. Sprache und Identitätsverständnis bei Paaren
2.3. Theoretische Kategorisierung ethnischer Fusionen bei Haarmann

3. Empirische Untersuchung
3.1. Methoden und Daten
3.2. Analyse der Interviews

4. Kultureller Zusammenwachs im Zeitalter der Globalisierung - Nationale/ sprachliche/ ethnische Vermischung der Menschen?

5. Fazit

Literatur

Anhang

1. Einleitung

Paare stellen eine der wichtigsten und intensivsten Beziehungen dar, die der Mensch hervorbringen kann (vgl. Leisi, 7). Da die Intimität der Verbindung von Partnern einer besonderen Sprache bedarf, bildet das Paar nicht nur in soziologischer, sondern auch in linguistischer Hinsicht einen interessanten Untersuchungsgegenstand.

In der vorliegenden Arbeit soll die spezifische Kommunikationssituation von zwei- oder mehrsprachigen Paaren untersucht werden. Dabei soll besonderes Augenmerk darauf gelegt werden, inwieweit sich im sprachlichen Verhalten der jeweiligen Partner ethnische Zugehörigkeit ausdrückt, ob die sprachliche Diversität in der Beziehung zu Problemen führen kann und welche Auswirkungen die mehrsprachige Situation im Paaralltag auf das Identitätsverständnis der Partner hat. Weiterhin sollen daraus mögliche Schlussfolgerungen auf die Situation sprachlichen und ethnischen Kontakts in Zeiten der Globalisierung gezogen werden.

Im ersten, theoretischen Teil soll zunächst ein Einblick in die Forschung um Sprache und Identität gegeben werden als Grundlage für die folgenden Überlegungen zu der Identitätskonstruktion über Sprache bei mehrsprachigen Paaren. Weiterhin werfen wir einen Blick auf die Paarkommunikation im Allgemeinen in Anlehnung an eine einschlägige Arbeit von Leisi (1983). Die Überlegungen zum Ausdruck von Ethnizität und sprachlichem und ethnischem Zusammenwachs soll an eine Theorie von Haarmann (1986) zu ethnischer Fusion und Fission anknüpfen, die an dritter Stelle vorgestellt und gemäß des sprachlichen Themas modifiziert wird.

Es folgt eine empirische Untersuchung und Auswertung dreier mehrsprachiger Paare, sowie ein abschließender Blick auf die allgemeine Situation ethnischen und sprachlichen Zusammenwachses.

2. Theoretische Grundlagen

2.1. Sprache und Identität

Sprachliche Identitätsbildung ist untrennbar mit Ethnizität verbunden, da Sprache nicht nur Träger von kulturellem Gut, sondern auch selbst Teil des Kulturerbes ist, das eine der drei Komponenten des Ethnizitätskonzepts nach Fishman darstellt (Appel/Muysken 13). Nicht nur Appel/Muysken (1987), sondern auch Haarmann (1986) stellen ihren Darstellungen von Sprache und Identität jeweils Fishmans Kriterienkomplex zur Ethnizität voran: Fishman teilt Ethnizität hierbei in 3 Konstituenten auf: 1: Abstammung 2: Kulturerbe 3: Phänomenologie. Dieses Schema setzt also zunächst eine biologisch gegebene ethnische Zugehörigkeit voraus, die weiterhin durch die kulturelle Umgebung in der Erziehung und zuletzt durch die auf akuten situativen Umständen basierende Selbst- und Fremdwahrnehmung geformt wird.

Wenn nun die Sprache in diesen Identitätsapparat integriert ist, kann auch für die Sprachzugehörigkeit eine ähnliche Aufteilung angenommen werden: Auch hier gibt es zumindest für einen Großteil der Sprecher zunächst eine bestimmte von der biologischen Abstammung gegebene Sprachzugehörigkeit. Weiterhin definiert sich das sprachliche Repertoire durch die individuelle Bildungsbiographie, während der „letzte Schliff“ zum persönlichen Sprachprofil durch die höchst veränderliche situative Umgebung geschieht, die der eigenen und der äußeren Sprachwahrnehmung stetig andere Nuancen verleiht.

Ein etwas weniger genetisch gebundenes Konzept von Sprache und Identität vertritt Busch (2013). Sie betont, dass Ethnizität und Sprache nicht statisch miteinander verbunden seien (Busch, 59), sondern dass Ethnizität in hohem Maße sozial gesteuert und die Bekennung zu national konstruierten Ethnizitäten ein autonomer, selbstbestimmender Identifikationsakt des einzelnen Individuums sei. Hier beruht Identifikation also vor allem auf bewusster Sprachverwendung als Zugehörigkeitsmarker zu bestimmten Gruppen. Dass Sprachen soziale, beziehungsweise ethnische Konnotationen transportieren, die wichtig für die individuelle Identifikationsbildung, sowie die Bewertung von außen ist, räumen Appel/Muysken allerdings auch ein. (Appel/Muysken, 12).

Die Wichtigkeit und Brisanz von Sprache als Ausdruck nationaler und persönlicher Identität wird besonders in der Sprachpolitik deutlich, wie Roche betont (vgl. Roche, 20): Von politischer Autorität auferlegte Sprachnormierungen oder Grenzziehungen haben stets zu heftigen Reaktionen der Bevölkerung geführt, was zeigt, dass Sprache ein höchst emotiosbehaftetes und nach Selbstbestimmung trachtendes Element des Identitätsverständnisses ist.

Die Alltagssprache eines Individuums ist Roche zufolge immer eine einzigartige Zusammensetzung aus Teilen des internationalen, genormten Repertoires und individuell relevanten Einflüssen der akuten Umgebung (vgl. Roche, 38). Roche weist außerdem darauf hin, dass das sprachliche Repertoire eines Individuums immer dynamisch ist, das heißt, dass auch monolinguale Sprecher über verschiedene Codes oder auch Varietäten verfügen, die bestimmten Rollen verschiedener Lebensbereiche zugeschrieben sind und zwischen denen der Sprecher durch die Anwendung des entsprechenden Codes und je nach Kontext wechseln kann. Für dieses Varietätenrepertoire monolingualer Sprecher hat Wandruszka den Begriff der „inneren Mehrsprachigkeit“ geprägt (Roche, 186). In dieser Hinsicht ist Mehrsprachigkeit also ein Kontinuum, an dem alle Sprecher mehr oder minder intensiv teilhaben. Weiterhin kann in diesem Zusammenhang festgehalten werden, dass alle Sprecher durch die stärkere oder schwächere Diversität ihres Varietätenrepertoires Erfahrungen mit den jeweiligen Konnotationen von außen, also von der Gesellschaft, machen und somit ähnlichen, mehr oder weniger konfliktreichen Umständen von Identitätsbildung gegenüberstehen. Jeder Sprecher, ganz gleich ob er nach der gängigen Kategorisierung mono- oder multilingual ist, verfügt also auch über eine gewisse individuelle Diglossie. Die Untersuchung des funktionalen Sprachverhaltens kann wiederum den Grad der kommunikativen Mobilität einer Gruppe (Haarmann, S. 119) freilegen, was für die Untersuchung von Paaren bedeutsam ist.

2.2. Sprache und Identitätsverständnis bei Paaren

In diesem Kapitel werde ich mich auf die Ausführungen Leisis stützen, der die sehr spärliche Literatur über Paarkommunikation um seinen Band „Paar und Sprache“ bereichert hat. Wie eingangs schon erwähnt, stellen Paare eine sehr wichtige und einzigartige Komponente der Gesellschaft dar. Leisi weist darauf hin, dass Paare in soziolinguistischer Hinsicht zu Sprachgruppen gezählt werden müssen. Der Zusammenhalt durch Abgrenzung zu anderen, spezifische Verhaltensweisen und Gebräuche können die Sprache einer Partnerschaft zweier Menschen in der Tat ebenso auszeichnen, wie die Varietäten größerer Sprachgruppen im „klassischen“ Sinne, wie Jugend- oder bestimmte Berufssprachen.

Die Kommunikationsforschung hat sich bisher wenig mit speziellen Sprecher-Hörer-Beziehungen beschäftigt - bei jener von Paaren muss demnach fachübergreifend, vor allem mit der Psychologie gearbeitet werden.

Die spezifische Sprache, die Paare unter sich verwenden, bezeichnet Leisi als den kleinsten „MiniSoziolekt“ (Leisi, 36), innerhalb dessen ein individueller Privatcode (Leisi, S. 8) geschaffen wird. Paare entwickeln unter sich eine eigene Varietät, die mehr oder weniger kreative Ausmaße annehmen kann und in der gemeinsame Ausdrucksweisen für Dinge und Sachverhalte geschöpft werden. Leisi sieht einen solchen Privatcode sogar als essentielle Bedingung für eine funktionierende Beziehung an und stellt zur Debatte, ob es ein proportionales Verhältnis zwischen der Intensität des Privatcodes und dem Zusammenhalt des Paares geben kann (Leisi, 13). Dies ist meiner Meinung nach individuell zu beurteilen, jedoch erscheint die Vermutung plausibel, wenn man seine weitere Beobachtung heranzieht, dass die Schöpfung einer eigenen Sprache in der Partnerschaft, die Konventioniertheit und soziale Bedingtheit weitgehend ausklammert, als ein Vordringen zu purer geistiger Verbundenheit wirkt (vgl. Leisi, 15).

Bei der konkreten Beschreibung eines Privatcodes von Paaren beginnt Leisi bei der Schöpfung von Kosenamen: Hier finden sich viele Diminutive, Metaphorisches und emotional Behaftetes, was nach Leisi auf den sprachschöpferischen Impuls zurückzuführen ist, den eine Paarbeziehung ausmacht (Leisi, 23), andererseits auf den Wunsch nach Abhebung von Alltäglichkeit. Weiterhin ist der Privatcode oft geprägt vom Sprachspiel, also von Sprache, die über ihre Funktion als reines Kommunikationsmittel hinausgeht und als spontane, anregende Aktivität funktioniert. Die Umbenennungen, Neuschöpfungen und Formeln können bei manchen Paaren begrenzt ausfallen, bei anderen wiederum wird der Privatcode nahezu zu einem eigenen Dialekt ausgebaut (Leisi, 34). Das Paar erschließt gleichsam durch seine gemeinsame Sprache eine eigene Welt, die es für sich neu benennt.

Seinen Wortschatz kann ein Paarcode einerseits aus eigenen kreativen Schöpfungen, andererseits aus importiertem Vokabular, zum Beispiel aus den Familien der Partner. Während aber zum Beispiel Jugendsprachen auch morphologische und syntaktische Veränderungen in ihre Gruppensprache einbauen, beschränkt sich die Paarsprache bei ihrer Spezifizierung vornehmlich auf die Lexik. Worin sie sich hingegen nicht von anderen sozialen Subvarietäten unterscheidet, ist ihr Zweck des Zusammenhalts der „Gruppe“, bedingt auch ihrer Abgrenzung zum Umfeld. Ein weiterer wichtiger Aspekt des Paarcodes ist die Geheimhaltung. Die privaten Wendungen und Wörter, insbesondere diejenigen, die ein besonders starkes Verschlüsselungspotential emotionaler Intimität besitzen, werden vor Dritten nur mit gewisser Vorsicht oder gar nicht verwendet. Der Privatcode eines Paares kann insofern zu einem Reservat innerhalb einer zweckgebundenen Welt werden (vgl. Leisi, 50).

Zu Partnerschaften, zwischen denen eine Fremdsprachlichkeit steht, sagt Leisi, dass sie durch ihr zwangsläufiges Zurückstecken des rein informativen Kommunikationsmodells einen besonderen Reiz beinhalten. Hier konzentriere sich Kommunikation auf ihre Komponente von „tiefem, innerlichen Verständnis“ (111), während ihre erste, objektive Komponente von bloßer Informationsübermittlung zweitrangig wird. Allerdings erwähnt er auch im Kapitel „Störungen“, dass unterschiedliche Sprachprägungen der Partner zu Missverständnissen führen können: Wenn die Partner aus verschiedenen Regionen stammen, können Code-Elemente unterschiedlich konnotiert sein und somit gleiche Wörter gemäß ihrer jeweiligen Regionalvarianten unterschiedlich verstanden werden.

2.3. Theoretische Kategorisierung ethnischer Fusionen bei Haarmann

Zwecks einer theoretischen und terminologischen Grundlage, auf der die folgende Auswertung der empirischen Untersuchung mehrsprachiger Paare erfolgen soll, beziehe ich mich auf ein Modell für ethnische Fusion und Fission nach Haarmann (1986). Haarmann klassifiziert darin verbindende und aufspaltende Phänomene von Ethnienbewegungen, wobei er sich hauptsächlich auf den europäischen Raum bezieht, wo sprachliche und ethnische Grenzen weitgehend übereinstimmen. Es werden jeweils drei Unterkategorien von Ethnienzusammenwachs, also von Fusion, und - aufspaltung, also Fission, aufgestellt. Die Fusionsarten nennt Haarmann 1. Amalgamierung, 2.

Inkorporation und 3. Konglomeration, die Fissionsarten 1. Profilierung, 2. Separation und 3. Profileration. Da es in dieser Arbeit jedoch um Sprach zusammenwachs geht, konzentriere ich mich auf den ersten Teil des Modells, der Fusion.

Die Fusionsform der Amalgamierung ist nach Haarmann ein (historisch) eher seltenes Phänomen, da hierbei die fusionierenden Ethnien gleichstark sein müssen und keine über die andere dominieren darf. Schematisch stellt Haarmann die Amalgamierung durch die Formel A + B > C dar. Es handelt sich also um zwei Ethnien, die zunächst völlig unabhängige Identitäten besitzen und aus politischen oder ethnologischen Gründen eine „demokratische“ Verbindung erfahren, in der beide Ethnien mit ihren sprachlichen und kulturellen Komponenten gleichwertig vertreten sind. Als Beispiel nennt Haarmann die Fusion der Angeln und Sachsen zur englischen Ethnie.

Bei der Inkorporation ist eine ethnische Gruppe dominanter als die andere und verleibt sich diese im Fusionsprozess ein. Die Formel nach dem bekannten Schema lautet demnach A + B > A. Dieses Phänomen, so Haarmann, ist in europäischen Ethnienverbindungsprozessen am häufigsten zu beobachten. Ein Beispiel für Inkorporation seien die slavischen Völker, die in der Küstenregion zwischen Elbe und Oder siedelten und bis zum späten Mittelalter von der deutschen Sprache und Kultur vereinnahmt wurden. (vgl. Haarmann, 44). Die Sprache spiele bei der Inkorporation eine herausragende Rolle, da diejenige der dominanten Ethnie diejenige der unterlegenen auf akuter, situativer Ebene stetig zurückdrängt und verschluckt. Die Allgegenwärtigkeit und Medialität von Sprache in allen Lebensbereichen treibt hier also besonders augenfällig die Verbindung zweier Ethnien voran.

Die Konglomeration bezeichnet eine partielle Ethnienverbindung, bei der lediglich einige Elemente von einer in die andere ethnische Gruppe übertreten, sodass sich eine modifizierte Variante der übernehmenden Ethnie ergibt, schematisch folgendermaßen dargestellt: A + B > A + Ba. Haarmann sieht in dieser dritten Fusionsart ein besonderes Phänomen der Multidimensionalität von Ethnizität. In der Tat muss eine Ethnie als bestehend aus vielerlei Schichten gesehen werden, die unabhängig voneinander über Grenzen treten können. Als Beispiel für Konglomeration führt Haarmann die im Kaukasus ansässigen Juden an, deren ethnische Identität sich je nach geographischer Lage mit der Sprache der jeweils dominanten Völkergruppe speist. So spricht der in Armenien lebende Teil der Gruppe Armenisch, der in Georgien lebende Teil Georgisch etc. Sprache zeigt sich auch hier als fundamentaler Faktor für Ethnienkontakt und -verbindung.

[...]

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Mehrsprachige Paare
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Germanistik)
Veranstaltung
Mehrsprachigkeit
Note
1,3
Autor
Jahr
2013
Seiten
18
Katalognummer
V276199
ISBN (eBook)
9783656702351
ISBN (Buch)
9783656703624
Dateigröße
444 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mehrsprachigkeit, Paare, Beziehungen, International*
Arbeit zitieren
Caroline Strauss (Autor:in), 2013, Mehrsprachige Paare, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/276199

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