Galicisch. Sprache oder Dialekt?


Dossier / Travail de Séminaire, 2010

16 Pages, Note: 1,7


Extrait


Einleitung

Das Galicische, das aus dem Vulgärlatein entstand, gilt als Mundart, die im Nordwesten Spaniens gesprochen wird. Aus dem Galicischen entstand durch die Reconquista das Portugiesische. Doch während das Portugiesische als eigenständige Sprache angesehen wird, gilt das Galicische bis heute, nach einer kurzen Blütezeit im Mittelalter, als ein Dialekt des Volkes neben dem Spanischen. Ein Grund dafür sei die Eingliederung des Territoriums in das vom Kastilischen dominierte Spanien.

Im Laufe der Zeit gab es zahlreiche Bemühungen, dem Galicischen eine eigene sprachliche Identität bzw. eine gemeinsprachliche Norm zu verleihen. Nur leider hat sich bis heute aufgrund der verschiedenen Theorien und Ansätze keine einheitliche Norm in der ganzen Sprachgemeinschaft durchsetzen können.

In der vorliegenden Arbeit geht es darum, zu zeigen welche Stationen das Galicische in seiner Entwicklung durchlaufen hat und warum es bis heute, im Vergleich zum Portugiesischen, das den Status einer Weltsprache erlangt hat, keine angesehene eigenständige Sprache ist und somit auch keine einheitliche Normierung besitzt.

Um das besser verstehen zu können, ist die Darstellung der wichtigsten geschichtlichen, sowie sprachlichen Etappen unumgänglich. Zuvor wird ein allgemeiner Überblick zum Galicischen gegeben.

1. Allgemeines

Das heutige Galicien umfasst den Nordwestzipfel der iberischen Halbinsel. Im Norden und Westen grenzt das Land mit dem Atlantik und im Süden an Portugal. Der Fluss Miño bildet in seinem Unterlauf die Grenze zwischen Galizien und Portugal. Knapp drei Millionen Einwohner sind alphabetisiert und sprechen mehrheitlich Kastilisch und Galegisch. Die eigene Sprache Galiciens ist das Galegische, wobei auch Kastilisch offiziell ist.[1]

Der linguistischen Klassifikation zufolge gehört das Galicische zu der indogermanische Sprachfamilie, die sich wiederum untergliedern lässt in die italischen Sprachen und weitergehend in die romanischen Sprachen.

Die galicische Sprache (Galicisch, galicisch galego, spanisch Gallego) wird in der spanischen autonomen Gemeinschaft Galicien gesprochen, genaugenommen in den Provinzen A Coruña, Lugo, Ourense und Pontevedra, und ist seit 1982 neben dem Spanischen auch Amtssprache in den genannten Regionen. Außerdem spricht man es im äußeren Westen von Asturien, León, Zamora und Lateinamerika. Insgesamt zählt man etwa 3,5 Millionen Sprecher.

Im Galicischen lassen sich drei Mundarten differenzieren: das Westgalicische, das Zentralgalicische und das Ostgalicische. Sprachliche Grenzen bilden im Osten das Kastilische und im Süden das Portugiesische.

Das Galicische kann als Brückensprache zwischen dem Portugiesischem und dem Kastilischen betrachtet werden, genau wie das Katalanische eine „Brücke“ zwischen Spanisch und Okzitanisch /Französisch ist.[2] Galicisch ist das Adjektiv zu Galicien oder auch die Gesamtheit der gelegoportugieschen Mundarten auf spanischem Territorium. Das Galego-Portugiesische ist das westiberische (westhispanische, atlantische) Romance bzw. die ausschließende mittelalterliche Sprache der Troubadourlyrik.

Zwischen den Flüssen Miño und Douro befindet sich ein Gebiet, welches geografisch, ethnisch und vor allem sprachlich immer mit Galicien zusammenhing. Das Gebiet südlich des Douro war vom 8. bis 12. Jh. arabisch und zu dem Zeitpunkt bildete sich zu den beiden Seiten des späteren Grenzflusses Miño die galegische Sprache heraus. Diese konnte man bereits galego-portugiesisch nennen und später wurde sie in den südlichen Raum getragen.[3]

Die Staatsgrenze war der Fluss Miño und so wurde das sprachlich zusammenhängende Gebiet zerrissen. Beiderseits des Flusses wurde und wird die gleiche Sprache gesprochen.[4]

Selbst am kastilischen Hof dichtete König Alfons der Weise (1221-1284) seine „Cantigas de Santa María“ in galego-portugiesisch, während er seine Prosa auf kastilisch schrieb.[5] Mit den ältesten portugiesischen Dialekten nördlich des Douro trug das Galicische wesentlich zur Herausbildung der portugiesischen Sprache bei. Dabei wird es noch heute viel in der Linguistik mit dem Portugiesischen unter dem Oberbegriff gallego-portugués zusammengefasst.

Nach der Phase der galicisch-portugiesischen Einheit der Sprache kann man ab dem 15. Jh. vom Galicischen und von Portugiesischen als zwei verschiedene Sprachen sprechen, bzw. eine Sprache und ein Dialekt.

2. Geschichtlicher Überblick

2.1 Entstehung Römer- und Germanenzeit

Ausgangspunkt der galicischen Sprache ist Latein beziehungsweise Vulgärlatein. Der Übergang vom Lateinischen zum Galicischen erfolgte sukzessiv. Ab dem 8. Jh. gab es zwei parallele Sprachsysteme: Latein und Galicisch.

Das Lateinische wurde als literarische und religiöse Sprache ohne Veränderungen beibehalten. Es war das Vehikel von Liturgie, Literatur sowie Gerichts- und Verwaltungsakten.

Schon in vorrömischer Zeit fand man erste Hinweise darauf, dass ein Kulturraum im Nordwesten der iberischen Halbinsel existierte. Seit etwa dem 5. Jh. v. Chr. besiedelten indoeuropäische Volksgruppen das Gebiet des heutigen Galiciens, Nordportugals und Westasturiens.

Von der kulturell entwickelten Provinz Baetica im Süden ging die Eroberung des Nordwestens durch die Römer aus. Die Callaici, die das Gebiet des heutigen Nordportugals bewohnten, kämpften lange gegen den Prokonsul Decimus Junius Brutus und fielen schließlich im Jahre 137 v. Chr. Seitdem wurde das Gebiet nördlich vom Fluss Douro als Callaecia und seine Einwohner – Callaeci.[6]

Seit 216 war dieses Gebiet eine eigene römische Provinz die den Namen Gallaecia trug. Provinzhauptstadt war Bracara Augusta, das heutige Braga. Dadurch fing der Sprachraum des Galicischen bzw. des Portugiesischen an sich zu gestalten.

Im Jahre 409 ließen sich die Sueben im Nordwesten der iberischen Halbinsel nieder und auf diesem Gebiet entstand das erste Germanenreich was sich auf römischem Territorium befand.[7]

Das suebische Reich währte bis zu Ankunft der Westgoten. Es erhielten sich vulgärlateinische Diphthonge wie zum bei Wort „Schmied“ = „ferrarius“ > „ferreiro“ im Gegensatz zum spanischen „herrero“ und dem katalanischem „ferrer“.

Die kulturelle und gesellschaftliche Organisation der Sueben und Westgoten war geringer als die der Römer, sie wurden später Christen als die früheren Bewohner der Gallaecia. Die Besetzung der iberischen Halbinsel durch die Westgoten dauerte insgesamt von 414-711. Obwohl die Westgoten stark romanisiert waren, als sie die Pyrenäen überschritten, kam es erst am Ende des 6. Jh.s zu einer Vermischung mit der romanisierten Bevölkerung. Bis dahin gab es Eheverbot. Deshalb ist auch der Einfluss des Westgotischen auf das Iberoamerikanische sehr gering. Es sind nur 28 Wörter bekannt, die mit Sicherheit gotischen Ursprunges sind. Dazu gehören etwa esquilar oder ganso.[8]

Bedingt durch die nordwestliche Randlage erreichten andere Kulturen Galicien hauptsächliche auf dem Landwege aus dem Süden und Osten. Für den Einfluss aus dem Süden stehen die im Jahre 711 eingedrungenen Araber, die allerdings nicht über Douro hinauskamen. Das hat den Prozess der Formierung einer romanischen Volkssprache auf der Basis des konservativen Lateins blockiert, obwohl „Die lange andauernde, provinzielle Selbständigkeit und die periphere Lage hatten dann allerdings zu Folge, dass mache lateinische Wörter nur im Nordwesten erbwörtlich weiterleben„.[9] Seit dem 8. Jh. unterschieden sich die lateinischen Texte von der klassischen Form und war ist eine Annäherung zu der gesprochenen Sprache merkbar. So waren die Voraussetzungen dafür gegeben, dass die primären Dialekte im Norden sprachhistorische Bedeutungen erlangen konnten.[10]

Aus dem Osten kamen etwa 100 Jahre später die ersten Pilger in Richtung Santiago de Compostela, da wo vermutlich die Gebeine des Apostels Jakob an der galicischen Küste gelandet sein sollten. Dadurch erreichten andere Kulturen Galicien. Sicher ist, dass der Apostel als Schutzheiliger der Reconquista und des sich bildenden Spaniens galt. Am Ende des 10. Jh.s ist das Pilgerziel Santiago de Compostela von den Arabern völlig zerstört worden.

[...]


[1] Freitag, R. S. 13

[2] Freitag, R. S. 17

[3] Freitag, R. S. 14

[4] Freitag, R. S. 15

[5] Dietrich/ Geckeler S. 28

[6] Bröcking, A. S. 48

[7] Bröcking, A. S. 49

[8] Freitag, R. S. 25

[9] Baldinger, K. S. 77

[10] Bröcking, A. S. 49

Fin de l'extrait de 16 pages

Résumé des informations

Titre
Galicisch. Sprache oder Dialekt?
Université
University of Potsdam  (Romanistik)
Cours
Nationalismus versus Regionalismus: Zur Soziolinguistik und Sprachpolitik in Spanien
Note
1,7
Auteur
Année
2010
Pages
16
N° de catalogue
V276401
ISBN (ebook)
9783656694236
ISBN (Livre)
9783656699736
Taille d'un fichier
418 KB
Langue
allemand
Mots clés
Spanien, Galicisch, Sprachwissenschaft, Romanistik, Sprache, Galicien, Dialekt, Sprachpolitik, Soziolingusitik
Citation du texte
Sofia Gogotishvili (Auteur), 2010, Galicisch. Sprache oder Dialekt?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/276401

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