Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Definition Kinder- und Jugendhilfe
2.1 Rahmenbedingungen
2.2 Grenzen der Kinder- und Jugendhilfe
3. Definition Konfrontative Pädagogik (KP)
3.1 Ziele
3.2 Zielgruppe
3.3 Methoden
3.3.1 Ein Beispiel: Das Anti-Aggressivitäts-Training ®
4. Evaluierung der Methodik mit Rückblick auf die Fragestellung
5. Fazit
Literaturverzeichnis
Quellenverzeichnis
Eidesstattliche Erklärung
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: IJAB - Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland e.V. 2008
Abbildung 2: Ohlemacher 2001
1. Einleitung
“Wenn die Regeln der Gewaltfreiheit überschritten werden, ist konfrontative Pädagogik gefragt. Die Grenzen müssen klar sein. Schon wer verbale Gewalt ausübt, muss in die Schranken gewiesen werden, und zwar von allen (…) und zwar durchaus in einem konstruktiven Sinn mit der Botschaft: Wir setzen uns mit dir auseinander, weil du uns wichtig bist. In differenzierender Weise ein klares Nein zur Gewalt, aber auch ein Ja zur Person.“
Das vorangestellte Zitat von Dieter Rössner (Kriminologe an der Phillips Universität Marburg) verdeutlicht sehr gut, was der zentrale Gegenstand der vorliegenden Hausarbeit ist. Es wird ein sehr umstrittenes Gebiet der Kinder- und Jugendhilfe behandelt: Die konfrontative Pädagogik.
Diese Art von Erziehung setzt da an, wo herkömmliche Methoden versagen. Dies liegt unter anderem an den persönlichen Grenzen der handelnden Sozialarbeiter. Anfänglich wird zur Veranschaulichung der Problematik auf das Gebiet der Kinder- und Jugendhilfe eingegangen. Im Weiteren werden entsprechende allgemeine Dinge, wie beispielsweise der grundsätzliche Aufbau der staatlichen Hilfe, geklärt. Dieser kurze Einblick soll ein besseres Verständnis beim Leser hervorrufen und eventuelle Unklarheiten im Voraus zu beseitigen. Dieser kann somit trotz geringer Kenntnisse, jegliche Schritte nachvollziehen und seine persönliche Meinung über diese Problematik bilden.
Was dieses Thema relevant und interessant macht, sind die Vorbehalte, die oft mit dieser speziellen Handlungsstrategie einhergehen. Es besteht die allgemeine Meinung, dass gewalttätige Mehrfachauffällige nicht bereit sind sich zu ändern, sodass das Gefängnis die einzige Möglichkeit ist, sich und die Gesellschaft schützen zu können. Ein weiterer Grund für bestehende Kritik ist der Vorwurf, dass diese sozialarbeiterische Vorgehensweise eine „ Wiederbelebung autoritärer Strukturen in einem neuen terminologischen Gewand “ (Weidner 2010, S. 13) darstellt.
Auf der anderen Seite besteht ebenfalls Kritik an dieser neuen Methodik. Entgegen des durch die Medien verbreiteten Erfolges des „heißen Stuhls“ oder der Hinter-dem-Rücken-Technik[1], belegen gewisse Studien, dass eine Verhaltensveränderung beim Probanden nach der Therapie nicht zwingend folgen muss. Die Rückfallrate, wie auch die Rückfallgeschwindigkeit sind fast identisch.[2] Böse Zungen gehen sogar soweit und behaupten, dass diese Trainingsform außergewöhnlich mediengeeignet ist. Nicht ohne Grund bestehe ein so großer Hype um diese Behandlungsform. (vgl. Hoenig 2008, S.93). Die daraus resultierende Beliebtheit sei lediglich Produkt der enormen Medienpräsenz, jedoch völlig unbegründet (vgl. ebd.).
Ziel dieser Arbeit ist es nun, durch unterschiedliche Quellen die Problematik zu differenzieren und abschließend zu einer empirischen Antwort auf die Fragestellung zu gelangen. Ist die Konfrontative Pädagogik das ultima ratio in der Kinder- und Jugendhilfe? Aufgrund dessen, wird in einem ersten Schritt zunächst das Programm der Kinder- und Jugendhilfe definiert. Bereits hier machen sich erste Grenzen bemerkbar.
Diese zentrale Thematik soll dann in einem nächsten Schritt erläutert werden, um auf den eigentlichen Gegenstand dieser Ausarbeitung überzuleiten. Ziele, Zielgruppen und Methoden werden soweit dargelegt, dass der Leser im Ansatz einen Überblick über diese konfrontative Methodik bekommt. Abschließend wird die gesamte Problematik bewertet und es wird in einem letzten Schritt ein adäquates Fazit entwickelt.
Am Ende wird dann die Meinung der Verfasserin zu dieser Thematik erläutert. Ist es überhaupt möglich eine grundlegende Verhaltensänderung bei jugendlichen Mehrfachtätern zu erreichen?
2. Definition Kinder- und Jugendhilfe
Prinzipiell geht man in der heutigen Rechtslage von einer grundsätzlichen Selbstversorgung und Eigenverantwortlichkeit jedes Menschen aus (vgl. Falterbaum 2009, S.12). Dies impliziert das Wissen über gewisse Pflichten, die mit der Gründung einer Familie einhergehen.
Zum einen ist es Aufgabe der Erziehungsberechtigten die eigene Nachkommenschaft derart zu sozialisieren, dass eine individuelle Persönlichkeit entstehen kann. Ähnlich wie die Eltern selbst, soll sie sich durch Mündigkeit und Gemeinschaftsfähigkeit auszeichnen und somit einen festen Platz in der Gesellschaft einnehmen (vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2010, S.3). Des Weiteren steht im Kinder- und Jugendhilfegesetz, dass jede sich entwickelnde Persönlichkeit mit Beginn des Menschseins das „ Recht auf Förderung der individuellen Entwicklung “ hat (§1, Satz 1). Dies meint unter Anderem den Abbau sozialer Benachteiligungen, damit einer positiven und erfolgreichen Zukunft nichts im Wege steht.
Manchmal ist es jedoch so, dass Eltern ihrer Pflicht nicht nachkommen; häufig in sozial minderbemittelten Schichten. Infolgedessen ist es Aufgabe des Staates mit vielfältigen Leistungen und Angeboten den fehlenden, elterlichen Beitrag zu kompensieren (vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2010, S.3). Durch Unterstützung und Hilfestellung wird das Kind vor Gefahren bewahrt, die sein eigenes Wohl beeinträchtigen könnten (vgl. ebd.). Diese Intervention wird allgemein als Kinder-und Jugendhilfe bezeichnet und fungiert neben Familie und Schule als weitere Sozialisationsinstanz (vgl. ebd., S.8) Ziel ist die Schaffung von Lebensbedingungen, mit denen Kinder und Jugendliche, aber auch Eltern einen neuen, erfüllteren Lebensabschnitt beginnen können.
2.1 Rahmenbedingungen
Mit den Jahren ist in der Bundesrepublik Deutschland ein hoch entwickeltes System in Bildung und Erziehung entstanden, welches durch eine Vielzahl unterschiedlicher Träger und Formen organisiert wird (vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2010, S.7)
Man unterscheidet zwischen öffentlichen und freien Trägern (siehe Abbildung). „ Öffentliche Träger umfassen die „Praxis- und Arbeitsfelder des Bundes, des Landes, der Kommunen bzw. der Kreise.“ (Limbrunner 2004, S.9). Sie arrangieren sich nach öffentlichem Verwaltungsrecht und werden hauptsächlich durch Steuermittel finanziert (vgl. ebd.) Die freien Träger hingegen, zeichnen sich durch eine höhere Flexibilität aus. Sie können durch größere Spielräume und mehrfache Möglichkeiten auf unterschiedliche Zielgruppen besser eingehen und adäquat auf neue Entwicklungen und Probleme der Gesellschaft reagieren (vgl. ebd., S.10). Sie finanzieren sich durch Spenden und Zuschüsse unterschiedlicher Vereine und Einrichtungen, wie zum Beispiel der Kirche (vgl. ebd.).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: IJAB - Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland e.V., 2008
Solche (Jugend-)Hilfen fungieren auch immer als erster Ansprechpartner, wenn Eltern mit einem delinquenten Kind überfordert sind. Als Rechtsgrundlage dient in solchen Fällen das Achte Sozialgesetzbuch (SGB VIII). Dort steht geschrieben, dass sozial auffällige Jugendliche ein Recht auf Hilfe haben. Die Wahl der Einrichtungen und deren Dienste liegen auf freiwilliger Basis in der Hand der Betroffenen und es können sogar Wünsche bei der Gestaltung der Angebote geäußert werden (vgl. Tischner 2012, S.189).
Doch nicht immer ist das in Anspruch nehmen der eben genannten Hilfe freiwillig. Werden Heranwachsenden aufgrund von sich wiederholenden „ verbale[n] und körperliche[n] Provokation[en] “ (Jetter-Schröder 2010, S.247) Ordnungs-und Erziehungsmaßnahmen verordnet, wird von Seiten der Justiz bzw. der Polizei das Jugendamt eingeschaltet.
Teil dieser Hilfen sind auch die Programme der Konfrontativen Pädagogik (vgl. Kapitel 3.3). Wichtig ist jedoch, dass Konfrontationen nicht ausufern und stets demokratiefähig bleiben, damit die Finanzierung durch die verschiedenen Träger garantiert wird (vgl. Maes 2004).
2.2 Grenzen der Kinder- und Jugendhilfe
In der Berufslaufbahn jedes Sozialarbeiters gibt es Klientel, das die persönliche Grenze überschreitet. Wenn die bisherigen Schritte nicht fruchten konnten und die so wichtige Beziehung zum Adressaten nicht vorhanden ist, stellt sich die Frage, ob man sein gestecktes Ziel verfehlt hat und den aktuellen Fall aufgeben sollte (vgl. Kapitel 3.2).
Im Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) steht aber geschrieben, dass „ jeder junge Mensch […] ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit [hat] “ (vgl. Kapitel 2.). Es ist festzuhalten, dass hiermit auch solche Jugendliche gemeint sind, die mehrfach mit aggressivem und gewalttätigem Verhalten aufgefallen sind. „ Und dieses Recht kann man nicht verwirken, selbst nicht mit schlimmsten Taten! “ (Krafeld 2009, S.4)
Fachkräfte dürfen nicht den Fehler machen und die unreflektierte Grundstimmung übernehmen, die sich häufig bei der Arbeit mit dem Klienten einstellt. Diesen Prozess bezeichnet man als „seelische Vereinnahmung“ und meint das Nachempfinden der Gefühle und Launen der AdressatInnen (vgl. Bodenmüller 2001, S.4f). Vielmehr sollte man sich über seine persönlichen Grenzen im Klaren sein und sich bewusst machen, dass das Setzen dieser nicht das Ende bedeutet. Wenn die üblichen Maßnahmen nichts nützen, heißt das nur, dass die Handlungsweise die falsche ist (vgl. Krafeld 2009, S.2).
An genau diesem Punkt kommt die konfrontative Pädagogik zum Tragen. Sie setzt da an, wo man den Betroffenen längst keine Chance mehr zugesteht. Sie sieht ihre Schüler nicht als unveränderbar schlecht an, sondern begleitet sie mit Würde, Respekt und Sympathie zu einer positiven Persönlichkeit.
Im Folgenden wird dieses Handlungskonzept konkreter erläutert, um zu zeigen, dass hinter Grenzen auch immer etwas Neues beginnen kann.
3. Definition Konfrontative Pädagogik (KP)
Die konfrontative Methodik in der Pädagogik ist im Gerichtsverfahren meist das ultima ratio eines Heranwachsenden. Leistet er sich noch einen Fehltritt, ist die Konsequenz eine lange Haftstrafe. „ Körperverletzung, Vandalismus, Mobbing, Sachbeschädigung, Schulschwänzerei “ (Weidner/Kilb 2010, S.7) – all das sind Dinge, die bisher den Alltag eines jugendlichen Mehrfachauffälligen gestalteten. Ein Gefühl von Reue oder gar Mitleid ist oft nicht vorhanden.
Um solchen Menschen zu helfen, ist es wichtig, dass das richtige Maß an Einfühlsamkeit, Verständnis und Empathie, aber auch Konsequenz, Durchsetzungsvermögen und harter Kritik gefunden wird (vgl. Weidner/Kilb 2006, S.9f). Dies hat den Zweck, dass die jungen Täter sich ernst genommen fühlen und sich in der Beziehungsarbeit den Professionellen ganz und gar öffnen können. Wichtige Grundlage ist die Vermittlung eines positiven und optimistischen Bildes des Einzelnen (vgl. ebd.). So lautet das erste Leitmotiv der konfrontativen Pädagogik: „ Abweichendes Verhalten verstehen, aber nicht damit einverstanden sein “ (Weidner 2003, S.4).
Mit der Zeit hat sich herausgestellt, dass Sozialarbeiter am effektivsten zusammen mit Polizei und Gerichtswesen arbeiten können. Jugendliche, die oft noch Schüler sind, messen der schwierigen Lage, in der sie sich befinden, nun mehr Bedeutung bei (vgl. Jetter-Schröder 2010, S.247). Es wird eine Ernsthaftigkeit vermittelt, die aus der drohenden forensischen Konsequenz resultiert. Darüber hinaus wird den Betroffenen ermöglicht, die Situation aus mehreren Perspektiven zu betrachten, als lediglich aus der eigenen (vgl. ebd.). Ergebnis ist die Entstehung eines Willens zur eigenen Veränderung und der ist oft die wichtigste Grundlage, um dauerhaft etwas zu erreichen.
[...]
[1] Beide Methodiken vgl. Kapitel 3.3.1
[2] Vgl. Kapitel 4