Die Thematisierung von (Homo-)Sexualität im Literaturunterricht. Der Roman „tschick“ von Wolfgang Herrndorf


Dossier / Travail, 2014

32 Pages, Note: 2,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Vorwort

2. Einleitung

3. „tschick“ - Ein unterhaltsamer Jugendroman hält Einzug ins Klassenzimmer

4. Didaktische Vorüberlegungen zum Einsatz des Romans im Deutschunterricht
4.1 Bedingungsanalyse
4.2 Didaktische Analyse
4.3 Methodische Analyse

5. Konfrontation der besonderen Art - Beispiele zur Thematisierung von (Homo-)Sexualität in der Unterrichtspraxis
5.1 Unterrichtssequenz I: Ein Vergleich der Hauptfiguren in „Tschick“ und „Crazy“
5.2 Unterrichtssequenz II: Analyse des geschlechtsspezifischen Rollenverständnisses unserer Gesellschaft
5.3 Unterrichtssequenz III: Über die Funktion und den Gebrauch des Adjektivs „schwul“
5.4 Unterrichtssequenz IV: Tschicks Outing und Maiks Reaktion
5.5 Unterrichtssequenz V: Internetrecherche zur Aktualität des Themas Homosexualität

6. Portfolio und Leitungsbewertung

7. Abschließende Reflexion

8. Anhang

9. Literaturverzeichnis

1. Vorwort

„Outing von Ex-Fußballprofi!“ (Ulrich 2014: URL) , „Homosexualität: Als das Tabu in der Politik fiel!“ (Schlieben 2014: URL), „Lebenspartnerschaften: Kabinett erweitert Adoptionsrecht für Homosexuelle“ (Roßmann 2014: URL) ...

All das sind Beispiele von Schlagzeilen aktueller Zeitungs- und Presseartikel. Denn: Das Thema Homosexualität spielt in der Öffentlichkeit eine immer größere Rolle und hat mehr Präsenz denn je. Noch nie wurde so offen mit Homosexualität in den Medien umgegangen wie heute. Doch wie sieht es in den Schulen Deutschlands aus? Werden im Unterricht jene Themen ebenso angesprochen? Und warum ist es überhaupt wichtig, sexuelle Aufklärung im Unterricht zu behandeln?

Eine individuelle Sexualerziehung gehört zwar in erster Linie zu den natürlichen Erziehungsrechten der Eltern, der Staat ist jedoch auf Grund seines Erziehungs- und Bildungsauftrages berechtigt, sexuelle Aufklärung fächerübergreifend in der Schule durch- zuführen. Auf der einen Seite gelten Schulen zu den wichtigsten Begegnungsorten der Schülerinnen und Schüler: Hier verbringen Mädchen und Jungen die meiste Zeit miteinander, knüpfen und pflegen soziale Kontakte und machen erste Erfahrungen mit Flirts und Liebesbeziehungen. Auf der anderen Seite werden Themen wie Homosexualität oder sexuelle Aufklärung in den Rahmenrichtlinien Sachsen-Anhalts für das Fach Deutsch nicht explizit angegeben und sind somit weder im Lehrplan vorgesehen, noch werden sie indirekt benannt. Auch Lehrerinnen und Lehrer werden im Land Sachsen-Anhalt nur unzureichend auf die Thematisierung von Sexualität im Unterricht vorbereitet, da das entsprechende Angebot an Hochschulen fehlt. Daher ist es wenig verwunderlich, wenn ein Großteil der Lehrerschaft der Behandlung jener Themen im Unterricht aus dem Weg zu gehen versucht.

2. Einleitung

Um den Ansprüchen unserer heutigen, immer offener und komplexer werdenden Gesellschaft gerecht zu werden, ist es wichtig das Thema (Homo-)Sexualität, welches immer wieder tabuisiert und angefochten wird1, auch in der Institution Schule klar anzusprechen und im Klassenverband zu diskutieren. Ziel dieser Thematisierung soll es sein, mehr Offenheit

gegenüber Andersdenkenden und -Fühlenden zu entwickeln und den Schülerinnen und Schülern zu helfen, diesbezüglich eigene Standpunkte zu vertreten. Besonders der Deutschunterricht kann in diesem Sachverhalt zahlreiche Gesprächsanlässe bieten und für alle Beteiligten gewinnbringend sein, insofern die Unterrichtsgestaltung gut durchdacht und die Arbeitsweisen, Methoden und Materialen vorab gut von der Lehrkraft überlegt worden sind.

Ein geeignetes Beispiel für die Auseinandersetzung mit dem Thema (Homo-)Sexualität im Deutschunterricht stellt der, 2010 von Wolfgang Herrndorf veröffentlichte, Jugendroman „tschick“ dar (Herrndorf 20133 ). „tschick“ begeistert vor allem durch seine leichte und witzige Erzählweise, seine abenteuerlichen Geschichten, aber auch durch Themen2, die Teil der Erfahrungswelt der Schülerinnen und Schüler sind und - in Hinblick auf den Deutschunterricht - zu einer lohnenswerten inhaltlichen Auseinandersetzung herausfordern. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, Möglichkeiten aufzuzeigen, wie die Auseinandersetzung mit dem Thema (Homo-)Sexualität während der Romanbehandlung von „tschick“ gewinnbringend in den Deutschunterricht mit eingebracht werden kann. Sie soll aber auch Vorschläge für handlungs- und produktionsorientierte Methoden in der Praxis geben, mit denen auf motivierende Weise jene Themen am Lektüretext behandelt und gleichzeitig Bezüge zur Lebenswelt der Lernenden hergestellt werden können.

3. „tschick“ - Ein unterhaltsamer Jugendroman hält Einzug ins Klassenzimmer

„Auch in fünfzig Jahren wird dies noch ein Roman sein, den wir lesen wollen. Aber besser, man fängt gleich damit an.“ (Lovenberg 2010) „tschick“ ist ein 2010 im Rowohlt Verlag erschienener Jugendroman des im letzten Jahr verstorbenen Autors, Wolfgang Herrndorf, und wurde 2011 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet (Herrndorf 2013³: Klappentext). Aufgrund seiner Authentizität ist es nicht verwunderlich, dass Herrndorfs Roman seit seiner Veröffentlichung gern zur Behandlung als Schullektüre ausgewählt wird.

Der Roman erzählt von der Freundschaft und den Erlebnissen des 14-jährigen Jungen, Maik Klingenberg, und seines russischen Klassenkameraden, Andrej Tschichatschow (kurz Tschick), die sich in den Sommerferien mit einem gestohlenen Lada auf eine abenteuerlustige und turbulente Reise durch die ostdeutsche Provinz begeben. Beide stammen aus zerrütteten Familienverhältnissen: Während Maiks Mutter alkoholkrank ist, sein Vater kurz vor dem Bankrott steht und mit seiner Sekretärin fremdgeht, gilt Tschick als ein verwahrloster russischer Spätaussiedler, der mit seinem Bruder nach Deutschland gekommen ist. Beide teilen die Erfahrung, keinen familiären Rückhalt zu haben und Außenseiter in ihrer Klasse zu sein. Noch dazu ist Maik unsterblich in seine Mitschülerin Tatjana verliebt, die ihn nicht einmal beachtet. Auf ihrer Reise durch Ostdeutschland begehen Maik und Tschick eine Reihe von Straftaten und werden von der Polizei verfolgt, begegnen aber auch zahlreichen, skurrilen Personen, die ihnen eine neue Sichtweise auf das Leben geben. Als den beiden Jugendlichen das Benzin ausgeht und sie sich nicht trauen, vor den Augen der Öffentlichkeit zu tanken, lernen die beiden auf einer nahegelegenen Müllkippe Isa Schmidt kennen, die ihnen hilft, Benzin aus einem anderen Auto zu klauen. Isa fällt vor allem durch ihre vulgäre Ausdrucksweise auf, zeigt sich den beiden Jungen gegenüber aber sehr hilfsbereit. An einem See versucht sich Isa Maik sexuell anzunähern, was den unerfahrenen Maik in große Verlegenheit bringt. Ob es zu einer Liebesbeziehung kommt, bleibt offen, allerdings gesteht Maik am Ende des Romans, sich während der Reise in Isa verliebt zu haben. Auch die Freundschaft zwischen Maik und Tschick wächst im Laufe der Zeit immer stärker zusammen, was sich darin zeigt, dass Tschick Maik seine Homosexualität gesteht und ihm dadurch viel Vertrauen entgegenbringt.

All diese Erfahrungen, die die beiden auf ihrer chaotischen Reise gemacht haben, wie das Gefühl von Freiheit, Grenzenlosigkeit und Autonomie, erste Berührungen mit Sexualität und das Erleben einer innigen Freundschaft, lassen die beiden Jugendlichen reifer und verändert in ihr Alltagsleben zurückkehren.

4. Didaktische Vorüberlegungen zum Einsatz des Romans im Deutschunterricht

4.1 Bedingungsanalyse

Die Schülerinnen und Schüler nehmen während des Lesens an den Erlebnissen und Gefühlen der beiden Achtklässler, Maik und Tschick, teil und stoßen auf alterstypische Probleme. Der Wunsch nach eigener Autorität und dem Erwachsensein; die Sehnsucht nach Liebe und Aufmerksamkeit von den Eltern und/oder Gleichaltrigen; Fragen nach der eigenen Identität, der sexuellen Ausprägung und der sozialen Stellung im Klassenverband - all das sind Probleme, mit denen sich nicht nur Maik und Tschick, sondern auch die Schülerinnen und Schülern während der Pubertät auseinandersetzen. Daher wird „tschick“ als Schullektüre für die Schuljahrgänge 8/9 bis 10 (Einführungsphase) empfohlen. Die Figuren, Maik und Tschick, verwenden darüber hinaus zahlreiche jugend- und umgangssprachliche Ausdrücke und weisen einen Sprachstil, der dem alterstypischen Sprachstil der Schülerinnen und Schülern ähnelt, auf. Für seine jugendlichen Leser bietet der Roman also mit seiner Thematik und seiner Sprache ein hohes Identifikationspotential, sodass eine entsprechend hohe Lesebereitschaft erwartet werden kann, was eine gute Voraussetzung für dessen weitere Unterrichtsbehandlung darstellt.

Bei der Thematisierung von (Homo-)Sexualität im Unterricht ist zu beachten, dass es eines der wohl spannungsgeladensten Themen während der Romanbehandlung von „tschick“ darstellt. Bei der Unterrichtsvorbereitung sollte vor allem beachtet werden, dass Schülerinnen und Schüler den Einflüssen von Medien, Gleichaltrigen und Peer-Groups sowie dem Elternhaus unterliegen und - auf der einen Seite - eventuell noch keine Erfahrungen mit Sexualität hatten und - auf der anderen Seite - allerhand Vorurteile gegenüber Homosexuellen besitzen können. Außerdem sollte die Lehrperson stets damit rechnen, dass innerhalb des Klassenverbandes neben hetero- auch homosexuelle Orientierungen vertreten sein können. (Valtl 1998: 151)

Neben den Interessen, Vorkenntnissen und möglichen Vorurteilen der Schülerinnen und Schüler spielen darüber hinaus noch weitere innerschulische Bedingungen (wie Klassengröße, Sitzordnung, Anteil der Mädchen, Jungen sowie der Nichtmuttersprachler, Migrationshintergründe und andere kulturelle Einstellungen, Raumbedingungen, mögliche Störquellen etc.) eine wichtige Rolle, die es während der Unterrichtsplanung zu berücksichtigen gilt.

4.2 Didaktische Analyse

Der Begriff der didaktischen Analyse stammt in seiner ursprünglichen Bedeutung vom deutschen Erziehungswissenschaftler, Wolfgang Klafki3, und bezeichnet ein Modell der Unterrichtsvorbereitung aus der bildungstheoretischen Didaktik (Klafki 1962: 14-18). Nach den von Klafki formulierten fünf Leitlinien sind solche Unterrichtsinhalte auszuwählen, die auf Grund ihrer Gegenwartsbedeutung (1.), ihrer Zukunftsbedeutung (2.), ihrer exemplarischen Bedeutung (3.) und ihrer Struktur (4.) sowie Zugänglichkeit (5.) für das Leben der Schülerinnen und Schüler von Bedeutung sind (Janke / Meyer 1991: 205 f.). Mithilfe der didaktischen Analyse soll nachfolgend der allgemeine Bildungsgehalt des Themas „(Homo-)Sexualität“ untersucht werden.

(1) Zur Gegenwartsbedeutung für die Jugendlichen:

Das Thema Sexualität spielt vor allem im pubertären Alter der Schülerinnen und Schüler eine wesentliche Rolle. Es umfasst allerdings nicht nur den Wunsch nach sexuellen Erlebnissen, sondern in erster Linie das Interesse zum anderen und/oder gleichen Geschlecht. Experten gehen davon aus, dass „5 bis 10 Prozent der Bevölkerung homosexuell veranlagt sind“ (Ministerium für Arbeit, Soziales Frauen und Familie des Landes Brandenburg 2008: URL). Bei einer Klassengröße von 25 Lernenden kann also damit gerechnet werden, dass sich darunter 1-2 Schülerinnen und/oder Schüler befinden, die sich zum gleichen Geschlecht hingezogen fühlen, sich ihren Gefühlen vielleicht aber noch nicht bewusst sind oder sich, wie Tschick anfangs, noch nicht geoutet haben.

Viele Jugendliche kennen Homosexuelle allerdings nur aus den Medien, wie beispielsweise aus den Daily Soaps wie „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“ oder „Alles was zählt“. Auch berühmte homosexuelle Persönlichkeiten (wie der bereits verstorbene Dirk Bach, der Komödiant Hape Kerkeling, die Sänger Elton John und Ricky Martin, der Ex-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger oder der ehemalige Außenminister Guido Westerwelle) sollten für die Schülerinnen und Schüler ein Begriff sein. Die Lernenden wachsen also durchaus in einer Welt auf, in der gleichgeschlechtliche Liebe auftritt.

(2) Zur Zukunftsbedeutung für die Jugendlichen:

Die Schülerinnen und Schüler sollen lernen, dass Sexualität aber auch Homosexualität zum individuellen und gesellschaftlichen Leben gehört und offen besprochen werden kann. Auch in Zukunft werden die Jugendlichen immer wieder mit jenen Themen konfrontiert. Die Anzahl der homosexuellen Personen, auf die die Lernenden im Laufe ihres Lebens treffen - ob im Beruf- oder im Privatleben - wird stetig ansteigen.

Im Sinne eines friedlichen und vorurteilsfreien gesellschaftlichen Zusammenlebens ist es allerdings auch wichtig, dass das durch die Medien verfälschte, stereotypisierte Bild von Frauen, Männern aber auch Homosexuellen im Unterricht relativiert wird. Nur so kann dazu beigetragen werden, dass bestimmte Personengruppen nicht gegen ihren Willen auf bestimmte Merkmale reduziert oder auch diskriminiert, sondern als gleichwertige Menschen wahrgenommen und behandelt werden.

(3) Zur exemplarischen Bedeutung des Themas:

„tschick“ stellt dahingehend ein geeignetes Beispiel für die Thematisierung von (Homo-) Sexualität dar, dass an der Charakterisierung der Jungen, Maik und Tschick, sowie der Mädchen, Isa und Tatjana, geschlechtsspezifische Rollenbilder im Unterricht diskutiert werden können (siehe auch S. 12-14). Außerdem können umgangssprachliche und vulgäre Ausdrücke und Schimpfwörter, wie zum Beispiel „[schwul]“ (Herrndorf 2013 3 : 77, 82) oder „Russenschwuchtel“ (ebenda: 151) u.a., die Tschick und Isa im Laufe der Handlung benutzen, im Deutschunterricht thematisiert werden. Hier bietet es sich an, das Verhältnis von Sprache und Sexualität zu reflektieren4, um den Lernenden bewusst zu machen, wie schnell und unkontrolliert über den Sprachgebrauch Wertungen und Diskriminierungen verbreitet werden können (Valtl 1998: 133).

Außerdem sollte nicht vergessen werden, dass Maik und Tschick den Schülerinnen und Schülern ein Beispiel für eine innige, durch tiefes Vertrauen, Fürsorge und Solidarität geprägte Freundschaft vorleben. Auch das Outing Tschicks gegenüber Maik und dessen Thematisierung im Unterricht soll homosexuellen Jugendlichen helfen, keine Angst davor zu haben, sich offen zu seinen Gefühlen zu bekennen. Den Schülerinnen und Schülern soll gezeigt werden, dass Homosexuelle kein wesentlich anderes Verhalten zeigen und sie einen genauso guten Freund / eine gute Freundin darstellen können. Ihnen soll auch bewusst gemacht werden, dass die sexuelle Orientierung die Charaktereigenschaften eines Menschen nicht negativ beeinflusst.

(4) Zur Struktur des Inhalts:

Wie bereits erwähnt wurde, sieht der Lehrplan im Fach Deutsch für die gymnasiale Unterstufe in Sachsen-Anhalt weder die Behandlung des Themas „Sexualität“ noch „Homosexualität“ vor, allerdings können Bezüge zu anderen Fächern hergestellt werden. Laut der Rahmenrichtlinien im Fach Biologie soll in den Schuljahrgängen 7/8 der „Themenbereich 9: Entwicklung und Sexualität“ (Kultusministerium Sachen-Anhalt 2003b: 74-75) behandelt und u.a. auf „Fragen [und] Probleme menschlicher Sexualität“ z.B. auf „geschlechtsspezifisches Verhalten und Partnerbeziehungen/Homosexualität“ eingegangen werden (ebenda: 75). In den Schuljahrgängen 9 und 10 sieht es der Lehrplan im Fach Geschichte vor, während der Thematisierung des „Nationalsozialismus und Zweite[n] Weltkrieg[es]“ (Kultusministerium Sachen-Anhalt 2003c: 92 f.), vor allem folgende inhaltliche Aspekte zu behandeln: „die Durchsetzung des Führerprinzips, des Rassismus und Antisemitismus in allen Lebensbereichen“, „[der] Umgang der Nationalsozialisten mit Minderheiten und Andersdenkenden“, „Einschüchterung und Terror“ (ebenda 2003c). Neben der „Diskriminierung der Juden“ schlagen die Verantwortlichen der Rahmenrichtlinien ebenso den „Umgang mit Homosexuellen“ vor. Im Sinne eines fächerübergreifenden Unterrichts ist es somit sinnvoll, das unterrichtliche Vorgehen in Bezug auf das Thema „Homosexualität“ mit anderen Lehrkräften abzusprechen, es im besten Fall zeitnah oder parallel in mehreren Fächern zu behandeln, sodass die Schülerinnen und Schüler über ein fundiertes Basiswissen zum Thema (Homo-)Sexualität verfügen und dessen Umgang in der Gesellschaft (im Vergleich früher und heute) ethisch korrekt bewerten können.

Für die Thematisierung von (Homo-)Sexualität, während der Romanbehandlung von „tschick“, sollten in etwa 6-10 Unterrichtsstunden eingeplant werden.

(5) Zur Zugänglichkeit und Darstellbarkeit des Themas:

Das bereits mehrfach beschriebene Thema kann den Lernenden auf vielfältige Art und Weise zugänglich gemacht werden. Die nachfolgenden unterrichtspraktischen Beispiele (siehe ab S. 11) stützen sich nicht nur auf den Inhalt des Romans „tschick“, sondern ziehen auch Textpassagen aus Benjamin Leberts Roman „Crazy“ heran. Außerdem dient das Internet als eine weitere mögliche Informationsquelle.

4.3 Methodische Analyse

Bei der Lektürebehandlung im Unterricht bietet es sich an, neben reinen diskurs-analytischen auch handlungs- und produktionsorientierte5 Verfahren anzuwenden (konkrete Beispiele siehe ab S. 11), um Schülerinnen und Schülern vielfältigere Zugänge zur Literatur zu geben und einen produktiven und kreativen Umgang am literarischen Text zu ermöglichen. Außerdem ist es sinnvoll, durch kooperatives Lernen, in Partner- und Gruppenarbeiten, alle Schülerinnen und Schüler mit in das Unterrichtsgeschehen einzubeziehen. Möglicherweise fällt es einigen Lernenden leichter, gerade bei der Behandlung jener Themen, sich mit Gleichaltrigen auszutauschen, anstatt sich im Lehrer-Schüler-Gespräch zu äußern. Partner- und Gruppenarbeiten eignen sich gut, um personale Kompetenzen in der Klasse zu fördern. Die Schülerinnen und Schüler lernen so, mit anderen zusammenzuarbeiten, Toleranz gegenüber anderen Meinungen zu entwickeln etc. und erlangen darüber hinaus auch die Fähigkeit, eigenverantwortlich am Lern- und Arbeitsprozess mitzuwirken. Im Sinne eines schülerorientierten Deutschunterrichts ist es außerdem möglich, die Lernenden „als mitgestaltende, mitentscheidende und mitverantwortende Akteure in das Unterrichtskonzept einzubeziehen“ (Klingberg 1990: 78) und sie auf der Suche nach der geeigneten Unterrichtsmethode mitentscheiden zu lassen, da es auch immer wieder Schülerinnen und Schüler gibt, die beispielsweise nicht gerne in Gruppenarbeit zusammenarbeiten, da das Risiko einer ungleichen Arbeitsverteilung innerhalb der Gruppen besteht. Doch bevor die Entscheidung für eine bestimmte Arbeits- und Sozialform fällt, sollte sich die Lehrkraft während der Unterrichtsvorbereitung stets die Fragen stellen, ob die Lernenden die für die Stunde erforderlichen Arbeitstechniken beherrschen (oder ob einige davon neu eingeführt und geübt werden müssen), ob die Schülerinnen und Schüler sich an die vereinbarten Gesprächsregeln6 halten oder nicht und ob sie tolerant und höflich oder aggressiv und gemein zueinander sind (weitere Beispiele siehe Meyer 2009: 144).

[...]


1 Ein Beispiel hierfür ist die aktuelle Debatte in Baden-Württemberg, bei der das Kultusministerium mit seinem Vorhaben, künftig auch auf die Behandlung „sexueller Vielfalt“ im Unterricht in den neuen Lehrplänen zu verankern, auf heftige Kritik - vor allem seitens der Kirche - stößt. (Sadigh 2014: 1-2)

2 Der Roman bietet eine Reihe von - zum Teil problematischen - Themen, wie die Beziehung zwischen Kindern und ihren Eltern, Freundschaft, die erste Liebe sowie das Thema Jugendstraffälligkeit, Außenseiterproblematik und der Umgang mit Schuld. Hauptaugenmerk der vorliegenden Arbeit bleibt allerdings die Auseinandersetzung mit dem Thema (Homo-)Sexualität.

3 geboren 1927

4 in Bezug zum Aufgabenbereich „Reflexion über Sprache und Sprachgebrauch“ der Rahmenrichtlinien Sachsen-Anhalts für das Fach Deutsch (Kultusministerium Sachsen-Anhalt [Deutsch] 2003: S. 12)

5 Das Konzept des handlungs- und produktionsorientierten Deutschunterrichts stammt u.a. aus den 80er-Jahren von dem deutschen Didaktiker, Gerhard Haas (1984), und ergänzt die „traditionellen analytischen Verfahren durch Umgestalten, Ergänzen oder Umsetzen von Texten in andere Medien“ (Studienseminar Koblenz 2009 : 1).

6 Mögliche Regeln der Gesprächsführung im Unterricht, die von den Lernenden eingehalten werden müssen, könnten sein: genaues Zuhören, in Sätzen reden und Standardsprache verwenden, zur Gruppe/zum Einzelnen sprechen, nicht vom Gesprächsthema abschweifen, Gesprächsbeiträge von MitschülerInnen akzeptieren, andere ausreden lassen, stets höfliche Umgangsformen wählen u.Ä.

Fin de l'extrait de 32 pages

Résumé des informations

Titre
Die Thematisierung von (Homo-)Sexualität im Literaturunterricht. Der Roman „tschick“ von Wolfgang Herrndorf
Université
Martin Luther University  (Institut für Germanistik)
Note
2,0
Auteur
Année
2014
Pages
32
N° de catalogue
V277469
ISBN (ebook)
9783656711674
ISBN (Livre)
9783656713432
Taille d'un fichier
2496 KB
Langue
allemand
Mots clés
thematisierung, homo-, sexualität, literaturunterricht, roman, wolfgang, herrndorf
Citation du texte
Anika Strelow (Auteur), 2014, Die Thematisierung von (Homo-)Sexualität im Literaturunterricht. Der Roman „tschick“ von Wolfgang Herrndorf, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/277469

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