Heroisches und Höfisches Erzählen im Nibelungenlied


Hausarbeit, 2014

13 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung in die Thematik

2. Das Nibelungenlied zwischen höfischer und heroischer Erzähltradition
2.1 Höfische Elemente
2.2 Heroische Elemente

3. Charaktere im Nibelungenlied zwischen höfischen und heroischen Tendenzen
3.1 Siegfried
3.2 Hagen
3.3 Gunther

4. Erklärungsansätze und Schlussbemerkung

Literaturverzeichnis

1. Einführung in die Thematik

Im Nibelungenlied verbinden sich heroische Traditionen mit den höfisch-gesell- schaftlichen Vorstellungen der Zeit um 1200.1

So finden sich auf der einen Seite die Strengen Normen und Gepflogenheiten der hövescheit. Die Personen sind hier stets auf korrektes und zuvorkommendes Verhalten bedacht, man hat stets die eigene Vorbildlichkeit untere Beweis zu stellen, sei es im Bezug auf „Kleidung, in der Rede, im Verhalten gegenüber Frauen in den Tischsitten und selbst bei den einfachsten alltäglichen Handlungen.“2 Sollte man sich hier eine Verfehlung leisten, wirkt sich das negativ auf die persönliche êre, das Anse- hen, aus.

Auf der anderen Seite stehen heroische Ideale. Nach deren Ansicht begründet sich die êre und auch der Machtanspruch einer Person nicht nur auf fehlerfreiem Verhalten, sondern auf persönlicher Stärke und Leistung.3 Diese kann der Held durch das Bestehen von Herausforderungen und Vollbringen von Heldentaten, wie bei- spielsweise das Erlegen eines Drachen oder Ähnliches, unter Beweis stellen.4 Die höfischen Ideale befinden sich stets in einem „Zustand der Gefährdung“ durch alternative, „unhöfische“ Handlungsmotive wie eben das Heroische.5 Von Inter-esse ist hier nicht nur der reine Gegensatz beider Sichtweisen, sondern vielmehr das „Durchdringen des Höfischen mit dem Nichthöfischen.“6

Mit diesem Thema beschäftigt sich auch die folgende Arbeit. Inwiefern wirken im Nibelungenlied sowohl höfische als auch heroische Motive? Ist eine der beiden Seiten dominanter als die andere? Sind bei verschiedenen Personen in der Ge- schichte verschiedene Tendenzen hin zum Höfischen oder eher Heroischen zu er- kennen? Und aus welchem Grund werden die beiden Erzähltraditionen miteinander vermischt? Diese Fragen sollen in den folgenden Ausführungen näher erläutert wer- den.

2. Das Nibelungenlied zwischen höfischer und heroischer Erzähltradition

Zunächst soll aufgezeigt werden, an welchen Stellen und in welchem Umfang im Nibelungenlied sowohl höfische als auch heroische Elemente zu finden sind und wie sich diese ausprägen.

2.1 Höfische Elemente

Schon gleich zu Beginn des Werkes lassen sich höfische Elemente feststellen, und zwar als Kriemhild und Siegfried innerhalb einer doppelten Exposition den Lesern beziehungsweise Zuhörern vorgestellt werden.

Ez wuohs in Burgonden ein vil edel magedîn, daz in allen landen niht sch œ ners mohte sîn, Kriemhilt geheizen; si wart ein sch œ ne wîp. dar umbe muosen degene vil verliesen den lîp. 7

Kriemhild wird hier nach dem höfischen Ideal als edel und schöner als alle anderen beschrieben. Sowohl syntaktisch als auch inhaltlich parallel wird sogleich auch Siegfried vorgestellt.

D ô wuohs in Niderlanden eins vil edelen kuneges kint, des vater der hiez Sigemunt, sîn muoter Sigelint, in einer rîchen b ü rge, wîten wol bekannt,nidene bîdem Rîne:diu was ze Santen genant. 8

Auch Siegfried ist edel dargestellt, außerdem ist er ein vorbildlicher höfischer Ritter, kampfgewandt und mutig.9 Beide Figuren sind außerdem von hoher Abstam- mung. „Die Höfe von Worms und Xanten (...) sind Zentren eines wenigstens auf der Oberfläche vorbildlichen höfischen Lebens, von materieller Pracht, Festen und Tur- niere, von höfischem Benehmen und Zeremoniell.“10 Sowohl Kriemhild als auch Sieg- fried entsprechen also dem Idealtyp einer höfischen Dame beziehungsweise eines Ritters.

Hilkert Weddige stellte fest, dass die Figuren im Nibelungenlied insgesamt „hö- fisch gezeichnet [sind], selbst Etzel und die Hunnen sind Ritter, sogar die Kampfmaid Brünhild ist eine Königin und höfische Dame.“11 Außerdem ist das Leben bei Hofe be- stimmt von „ritualisierte[n] Vollzugsformen ritterlich-höfischen Handelns“12 wie Festen und Hochzeiten, Turnieren Jagdausflügen und Minne. Auch die detaillierte Beschrei- bung von prachtvollen Kleidern und Edelsteinen13 ist typisch für höfische Erzählun- gen.

Die Brautwerbung, auf die sich Siegfried in der 3. Aventiure begibt, ist ein weiteres bekanntes höfisches Element.

Des weiteren typisch in der höfischen Kultur ist der förmliche und zuvorkom- mende Empfang von Ankömmlingen am Hof. Ein korrekter höfischer Empfang be- ginnt damit, dass man den Gästen entgegengeht. Grund hierfür ist, Anerkennung auszurücken für den weiten Weg, den die Ankommenden auf sich genommen haben, und diese Mühe zumindest symbolisch zu erwidern.14 Genau auf diese Weise wird auch Siegfried mit seinem Gefolge am Wormser Hof empfangen, Gunthers Leute giengen zuo den herrn, daz was michel reht. 15 Weiterhin von Bedeutung bei Empfän- gen am Hof ist der Gruß. „Er bedeutet Aufmerksamkeit, Hinwendung und schließlich Anerkennung und Zuwendung. Er ist eine Gabe, um die man wirbt und die man schenkt. (…) Wo der Gruß missachtet oder verweigert wird dort liegt allemal eine Verletzung höfischer Umgangsformen statt.“16 Dies geschieht bei Siegfrieds Empfang in Worms natürlich nicht, er wird von Gunther und seinen Recken so begrüßt, daz in an ir z ü hten vil w ê nec iht gebrast 17 woraufhin Siegfried begund in nîgen [ … ] daz si in heten gr ü ezen s ô rehte sch ô ne get â n. 18 Beide Seiten verhalten sich also streng nach

[...]


[1] Vgl. Haug, W. (1989): Strukturen als Schl ü ssel zur Welt: kleine Schriften zur Erz ä hlliteratur des Mittelalters. Tübingen: Niemeyer. (295).

[2] Wenzel, H. (1986): Ze hove und ze holze - offenlîch und tougen. Zur Darstellung und Deutung des Unhöfischen in der höfischen Epik und im Nibelungenlied. In: Kaiser, G. & Müller, J.-D. (Hrsg.). Höfische Literatur, Hofgesellschaft, höfische Lebensformen um 1200. Düsseldorf: Droste. (286).

[3] Vgl. Weddige, H. (2001): Einf ü hrung in die germanische Medi ä vistik. München: Beck. (230).

[4] Vgl. Classen, A. (1998): Sing ich dien liuten mîniu liet. Das heroische Element im Nibelungenlied - Ideal oder Fluch? In: Tuczay C. u. A. (1998): Ir sult sprechen willlekomen: grenzenlose Mediävistik; Festschrift für Helmut Birkhan zum 60. Geburtstag. Bern: Europäischer Verlag der Wissenschaften. (S. 673 - 692, hier 673).

[5] Vgl. Kaiser, G. & Müller, J.-D. (1986): Höfische Literatur, Hofgesellschaft, höfische Lebensformen um 1200. Düsseldorf: Droste. (11).

[6] Ebd.

[7] Grosse, S. (2011): Das Nibelungenlied. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Nach der Handschrift B herausgegeben von Ursula Schulze. Ins Neuhochdeutsche übersetzt und kommentiert von Siegfried Grosse. Stuttgart: Reclam. (1).

[8] NL 18.

[9] Vgl. NL 19,1 und 2.

[10] Hoffmann, W. (1974). Mittelhochdeutsche Heldendichtung. Berlin: Erich Schmidt Verlag. (76f).

[11] Weddige (2001). (231).

[12] Ebd. (231f).

[13] Vgl. zum Beispiel NL 28, 4 bis 29,2.

[14] Vgl. Haferland, H. (1988). Höfische Interaktion. Interpretationen zur höfischen Epik und Didaktik um 1200. München: Wilhelm Fink Verlag. (145).

[15] NL 73,2.

[16] Haferland (1988). (139f).

[17] NL 103,2.

[18] NL 103,3 und 4.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Heroisches und Höfisches Erzählen im Nibelungenlied
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Deutsche Philologie)
Veranstaltung
Proseminar "Das Nibelungenlied"
Note
2,3
Autor
Jahr
2014
Seiten
13
Katalognummer
V277533
ISBN (eBook)
9783656704683
ISBN (Buch)
9783656706922
Dateigröße
500 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Germanistik, Mediävistik, Nibelungenlied, Heroisch, Höfisch
Arbeit zitieren
Romana Bauer (Autor:in), 2014, Heroisches und Höfisches Erzählen im Nibelungenlied, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/277533

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