Ist "Der Zauberberg" von Thomas Mann ein Bildungsroman?


Term Paper, 2008

14 Pages, Grade: 2,0


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Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. Bildungsbegriff und Gattungsmerkmale

2.1 Kurzer Überblick zur Geschichte und Problematik des Bildungsbegriffes

2.2 Stilistische Merkmale des „gattungstypischen“ Bildungsromans

2.2.1 Formale und inhaltliche Aspekte

2.2.2 Konzeption des Protagonisten

3. Der Zauberberg – Ein Bildungsroman?

3.1 Untersuchung der inhaltlichen Konzeption in Hinblick auf die Fragestellung

3.2 Hans Castorp – ein typischer Protagonist eines Bildungsromans?

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis

1. Einführung

Der Zauberbergist, neben den ‚Buddenbrooks‘ (1901), wohl der bekannteste Roman von Thomas Mann. Er wird als Meisterwerk, ja gar als Jahrhundertwerk gefeiert und gehört zum deutschen Literaturerbe.

Der Zauberbergist, in seiner Rolle als Roman, Literatur und wird deshalb zu einem Medium der Wissenschaft, welches es einzuordnen gilt.

Kann aber denn ein episches Meisterwerk nicht für sich stehen? Muss, selbst in einer Kultur- und Literaturwissenschaft alles einer strengen Ordnung unterworfen werden, in Schubladen einsortiert und als „untersucht, eingestuft und abgelegt“ deklariert werden?

Ja, aber auch nein.

Die Gattungsbestimmung desZauberbergsjedenfalls ist ein schwieriges Unterfangen.

Die wissenschaftliche Untersuchung desZauberbergshinsichtlich der Gattung „Bildungsroman“, die bereits vielen Germanisten als Forschungsgrundlage diente[1], ist interessant, wenn auch nicht immer aufschlussreich und rechtfertigt eine nähere Betrachtung des Romans unter dem Gesichtspunkt der genannten Fragestellung.

Die Einleitung bietet einen allgemeinen Überblick zum Bildungsbegriff und zu der Gattung „Bildungsroman“ und deren Merkmalen.

Dieser Einstieg ist sinnvoll, um im Weiteren denZauberbergauf seine vorhandenen Gattungsmerkmale, aber auch seine klaren Abweichungen vom gattungstypischen Bildungsroman, zu überprüfen. Eine kurze Analyse des Protagonisten Hans Castorp scheint in diesem Zusammenhang ebenfalls angebracht, um eine mögliche Antwort auf die Frage: „Der Zauberberg – ein Bildungsroman?“ zu finden.

2. Bildungsbegriff und Gattungsmerkmale

2.1 Kurzer Überblick zur Geschichte und Problematik des Bildungsbegriffes

Im christlichen Mittelalter taucht erstmals der Begriff „Bildung“ auf (mhd.:bildunge) und bezieht sich in seiner Bedeutung auf ein göttliches Vorbild, nach welchem der (junge) Mensch ausgebildet und geprägt werden soll.[2]

„Medieval mystics and eighteenth-century Pietists conceived ofBildungas God’s active transformation of the passive Christian.“[3]

Mitte des 18 Jahrhunderts wird der Begriff „Bildung“ zu einem Synonym von Selbstbildung und Erziehung der individuellen Gestalt.[4]Die Individualität des Bildungssubjekts rückt also in den Vordergrund und ein humanitätsphilosophischer Bildungsbegriff etabliert sich.

Zum wichtigen Ziel des Bildungsprozesses wird die Herausbildung eines individuellen Charakters des Subjekts. Diese Herausbildung ist abhängig von inneren Anlagen und Einflüssen des äußeren Milieus[5], zu denen auch das Mitwirken des Zufalls gehört. Der Zufall ‚steuert’, unabhängig vom Schicksal oder menschlichen Handelns, den Bildungsgang und die Entwicklung und Ausgestaltung der im Individuum manifestierten Anlagen.[6]

Nach Wilhelm von Humboldt steht Bildung für eine Kombination von Entfaltung und Ausbildung, keinesfalls also für die Entstehung von etwas Neuem. Der Wandel des Bildungsbegriffs ist enorm und das Verständnis von Bildung stagniert bis zur heutigen Zeit nicht, unterliegt vielmehr ständiger Neuentdeckung und möglicherweise oftmaliger Verkennung, um es der heutigen Zeit anzupassen.[7]

„Die vorwiegend ästhetisch bestimmte Bildungskonzeption der Goethezeit ist heute durch die berechtigte Forderung nach Einbeziehung politisch-gesellschaftlicher Inhalte radikal in Frage gestellt.“[8]

Der Begriff ‚Bildung’ wird heutzutage wiederholt gleichgesetzt mit ‚Allgemeinwissen’ oder dem erreichten Schulabschluss. Selten geht es bei der Verwendung des Wortes noch um einen Selbstfindungsprozess, vielmehr um einen „Besitz, den man leichthin erwerben kann, der Privilegien und Prestige verschafft“.[9]

Die Begrifflichkeit ‚Bildung’ befindet sich also seit dem Mittelalter in einem ständigen Wandlungsprozess, was die Frage aufkommen lässt, ob die Gattungsbezeichnung ‚Bildungsroman’ überhaupt als solche sinnvoll ist.

2.2 Stilistische Merkmale des „gattungstypischen“ Bildungsromans

2.2.1 Formale und inhaltliche Aspekte

Das Problem literarischer Gattungen ist die Zuordnung von Texten unter Gesichtspunkten gemeinsamer Merkmale (etwa Übereinstimmungen von Stoff und Form) und die Frage des Wiedererkennens solcher Merkmale durch unterschiedliche Rezipienten.[10]

Der Bildungsroman orientiert sich an der Psychologie des Protagonisten. Er ist in der Regel so angelegt, dass der Fokus auf die innere Geschichte gelenkt wird und eben solche Begebenheiten in den Vordergrund der Beschreibung rücken, die auf die innere Geschichte der Hauptperson Einfluss nehmen. So kommen die Figuren Serlo und Wilhelm Meister bei Goethe nach einer Debatte über Drama und Roman zum richtigen Ergebnis, wenn sie wie folgt zusammenfassen:

Im Roman sollen vorzüglich Gesinnungen und Begebenheiten vorgestellt werden; im Drama Charaktere und Taten. Der Roman muß langsam gehen, und die Gesinnungen der Hauptfigur müssen, es sei auf welche Weise es wolle, das Vordringen des Ganzen zur Entwicklung aufhalten.[11]

Die erzählte Geschichte, die als künstlerische Darstellung von der Bildung eines Individuums berichtet, soll beim Leser moralische Empfindungen hervorrufen. Deshalb wird hauptsächlich szenisch und anschaulich geschildert.[12]

Der Leser hat es mit einem sehr ausführlichen Bericht zu tun. Diese Ausführlichkeit hilft Autor und Rezipienten dabei, die Entfaltung des Bildungsprozesses schrittweise nachzuvollziehen.

„Der Bildungsroman hat demnach nicht nur die Bildung eines Protagonisten zum Thema, sondern entfaltet diese Entwicklung durch spezifische, narrative Strategien.“[13]

Die Fragen ‚Was soll veranschaulicht und erzählt werden?’ und ‚Mit welchem Mittel wird es veranschaulicht?’ stehen im engen Zusammenhang zueinander. Möglich wäre sogar, dass sich die inhaltliche Darstellung durch die Art und Weise eben dieser Darstellung verändert.

Zu erwähnen ist des Weiteren, dass die Handlungsgegenwart eines Bildungsromans in der Regel chronologisch ist und die einzelnen Phasen in einer unveränderbaren Abfolge angeordnet sind.[14]

Bei hier behandelter Gattung liegen also, im Gegensatz zum Drama beispielsweise, keine ‚fertigen’ Charaktere oder ausführlich beschriebenen Taten vor. Vielmehr gibt es eine Vielzahl an Begebenheiten und Gesinnungen zu entdecken.[15]

Deshalb fungiert der auktoriale Erzähler, der eine tragende Rolle einnimmt, als Meister von logischen Abfolgen und Übersichtlichkeit. Dabei werden Hilfsmittel wie Überschriften, Vorreden und wertende Kommentare verwendet.[16]

2.2.2 Konzeption des Protagonisten

Agathon, Wilhelm Meister und Heinrich von Ofterdingen[17]sind bekannte Protagonisten aus Bildungsromanen. Ein Gesamtüberblick über die mögliche und „klassische“ Konzeption eines Protagonisten der Gattung ist schwierig. Eine kurze Zusammenfassung der spezifischen Merkmale einer gattungstypischen Hauptperson ist aber sinnvoll, um die Charakterstruktur Hans Castorps im Folgenden näher zu untersuchen.

[...]


[1]Vgl. hierzu die aufgeführte Literatur im vorliegendem Literaturverzeichnis.

[2]Vgl. R. Selbmann, Der deutsche Bildungsroman, Stuttgart 1994, S. 1.

[3]T. Kontje, The German Bildungsroman: History of a national Genre, Columbia 1993, S. 1.

[4]Vgl. R. Selbmann, Bildungsroman, S. 1.

[5]Vgl. G. Mayer, Der deutsche Bildungsroman – Von der Aufklärung bis zur Gegenwart, Stuttgart 1992, S. 1.

[6]Vgl. R. Selbmann, Bildungsroman, S. 2.

[7]Da der Begriff ‚Bildung‘ in diesem Zusammenhang nicht mit ‚Erziehung‘ gleichzustellen ist, erübrigt sich hier die nähere Betrachtung von aktuellen Forschungsergebnissen innerhalb der pädagogischen und didaktischen Wissenschaft.

[8]G. Mayer, Bildungsroman, S. 12.

[9]R. Selbmann, Bildungsroman, S. 5.

[10]Bei Verwendung der Begriffe ‚Leser‘ und ‚Rezipient‘ inkludiere ich immer beide Geschlechter; [10] W. Voßkamp, Gattungen, S. 253.

[11]J. W. von Goethe, Goethes Werke, Hamburger Ausgabe in 14 Bänden, Hamburg 1948, Band 7, S. 307-310.

[12]Vgl. hierzu auch Da Blanckenburg, Versuch über den Roman, 1774.

[13]O. Gutjahr, Einführung in den Bildungsroman, Darmstadt 2007, S. 41.

[14]Vgl. G. Mayer, Bildungsroman, S. 19f.

[15]Vgl. K. Morgenstern, Über das Wesen des Bildungsromans, 1820 In: Zur Geschichte des Deutschen Bildungsromans, hrsg. von R. Selbmann, Darmstadt 1988, S. 56.

[16]Vgl. G. Mayer, Bildungsroman, S. 19f.

[17]Vgl. C. M. Wieland, Geschichte des Agathon, 1764; J. W. von Goethe, Wilhelm Meisters Lehrjahre, 1795/96; Novalis, Heinrich von Ofterdingen, 1802.

Excerpt out of 14 pages

Details

Title
Ist "Der Zauberberg" von Thomas Mann ein Bildungsroman?
College
University of Cologne
Grade
2,0
Author
Year
2008
Pages
14
Catalog Number
V277545
ISBN (eBook)
9783656704744
ISBN (Book)
9783656709862
File size
422 KB
Language
German
Keywords
Zauberberg, Thomas Mann, Bildungsroman
Quote paper
Silke Hoss (Author), 2008, Ist "Der Zauberberg" von Thomas Mann ein Bildungsroman?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/277545

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