Raidertum im russischen Businessumfeld

Kraft des Rechts oder Recht der Kraft?


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2010

34 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Raidertum - Eine Analyse
2.1 Definition
2.1.1 Allgemeine Begrifflichkeit
2.1.2 Raidertum in Russland
2.2 Erscheinungsformen
2.2.1 Arten des Raiderstums
2.2.2 Moderne Raider
2.3 Raidertum in der Welt

3 Ziele

4 Strategien der Raider / Mechanismen feindlicher Firmenübernahmen
4.1 Strategien der Raider
4.2 Organisation der Raider-Teams / Organisationsstrukturen
4.2.1 Selbstbildnis

5 Folgen

6 Ursachen: Der russische Rechtsstaat - Realität oder Fiktion?
6.1 Die Problematik der Korruption
6.2 Russische Gesetzgebung - Schutz und Waffe zugleich
6.2.1 Modernisierungen
6.3 Die Rolle des Staates

7 Case Study: Togliatti Azot

8 Schutzmaßnahmen gegen Raider

9 Russlands Raider. Zukunftsprognose

9.1 Handlungsvorschläge

10 Resümee

11 Quellenverzeichnis

Anhang.

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Definitionen von Fusionen und Übernahmen in Russland und im Ausland

Tabelle 2: Raidertum in der Welt. Einstellung der Gesellschaft und Verbreitung des Raidertums

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1:Schema der illegalen Kooperation von staatlichen, wirtschaftlichen und kriminellen Strukturen (Схема противозаконного взаимодействия государственных, экономических и криминальных структур (rus.)

1 Einleitung

In der jüngeren Vergangenheit gewannen Fusionen und Übernahmen, sogenannte Mergers & Acquisitions (M&A), in Russland immer mehr an Bedeutung; vor allem in den 90er Jahren ist die statistische Anzahl stark angestiegen. Was eigentlich der Wirtschaft zugutekommen sollte, hat hier oftmals einen negativen Ursprung. Die meisten Übernahmen resultieren aus mehr oder weniger friedlichen Übereinkommen. In Russland jedoch wird ein relativ großer Teil der M&As - rund 10 bis 17 Prozent- gewaltsam und über gesetzliche Regelungen hinweg abgeschlossen; dies bezeichnet man als Raidertum. Gegenstand dieser Arbeit sind die Eigenschaften und die be- stimmenden Faktoren des Raidertums in Russland; darüber hinaus wird erörtert, ob in Russland tatsächlich - statt der Gerechtigkeit - das Gesetz des Stärkeren regiert. „Das russische Volk ist von allen zivilisierten Völkern dasjenige, bei welchem das Rechtsgefühl am schwächsten und unklarsten ist“ (Astolphe Marquis de Custine). So beschrieb einst der französische Reiseschriftsteller sein Bild über Russland und wird mit dieser Bekundung sicher einige Anhänger gewonnen haben. Russland hat in der Tat ein nicht intaktes Rechtssystem, was sich auch oftmals im Verhalten und Denken in einem Teil der Bevölkerung widerspiegelt. So wirken zahlreiche unterschiedliche Einflüsse positiv auf das Raidertum ein und fördern diesen. Die Problematik dieses Faktums liegt klar auf der Hand: Raidertum schädigt das Wirtschaftsumfeld und nicht zuletzt das Individuum.

Die Auswahl der Quellen fand vor allem auf der Grundlage von journalistischen Recherchen und Reportagen, Gesetzesvorlagen, aber auch juristischen Kommentaren und Wirtschaftsberichten statt, die sich mit der Thematik der feindlichen Firmenübernahmen Russlands auseinandersetzten und die Beleuchtung der Materie aus diversen Blickwinkeln gewährleisteten.

Ziel dieser Arbeit ist, die untereinander wirkenden Prozesse des Raidertums in Russ- land aufzuzeigen, die Gesetzesgrundlagen darzustellen und das Phänomen anhand unterschiedlicher Kriterien zu analysieren. Das Augenmerk liegt hierbei hauptsächlich auf Russland, es werden jedoch auch Vergleiche zu anderen Ländern gezogen. Vor- weg wird der Begriff des Raidertums definiert, um eine fundierte Basis zu schaffen.

Der Fokus der Arbeit liegt demnach vor allem in der Erörterung der Frage ob in Russland, ausgehend von dem Phänomen des Raidertums, die Macht des Gesetzes ausschlaggeben ist oder das Recht der Kraft vorherrscht.

2 Raidertum - Eine Analyse

2.1 Definition

Der Ursprung des Begriffs Raidertum stammt aus dem englischen Wort „the raid“ - Angriff, unerwarteter Überfall. Selbständige Schiffe wurden in der Vergangenheit als Raider bezeichnet, die - im Unterschied zu den Piraten - der Regierung dienten und nur die Schiffe attackierten, die dem Gegner angehörten.

2.1.1 Allgemeine Begrifflichkeit

Raidertum im Businessumfeld unterscheidet sich von der geschichtlichen Bezeichnung. Zwar geht es weiterhin um die Angriffe, aber betroffen sind nicht mehr die Schiffe, sondern Unternehmen. Die heutigen Wirtschaftspiraten dienen nicht mehr dem Staat, sondern sich selbst.

Raidertum in der Wirtschaftswelt bezeichnet demnach eine feindliche Übernahme von Unternehmen, Grundstücken, sowie Eigentumsrechten, die aufgrund von Unvollständigkeit der rechtlichen Grundlagen und Korruption zustande kommt.

Der Begriff „feindliche Übernahme“ wird sowohl in der russischen, als auch in der Li- teratur anderer Länder teilweise stark voneinander abweichend definiert. Das liegt daran, dass Handlungen, die im Rahmen einer feindlichen Übernahme durchgeführt werden, unterschiedliche Aspekte (rechtliche, organisatorische, buchhalterische, psy- chologische Aspekte, etc.) berühren, und demensprechend aufgrund der unterschied- lichen Gesichtspunkte anders charakterisiert und definiert werden (vgl. Kas’janenko 2009, S.119). Zu beachten sei hier, dass nicht alle feindliche Übernahmen unter die- se Definition des Raidertums fallen. Feindliche Übernahmen liegen im Bereich des legalen: Man zahlt hierbei den vollständigen Preis, der dem Wert des übernommenen Unternehmens entspricht und verfolgt dabei meist das Ziel, dieses Unternehmen aus der Konkurrenten Liste zu streichen. Wird das Unternehmen durch Raider an sich gerissen, wird jedoch nur ein Bruchteil dessen gezahlt, was das Unternehmen tat- sächlich wert ist. In diesem Fall können Raider unterschiedliche Ziele verfolgen, diese werden im Kapitel 3 jedoch detaillierter beschrieben. Die Maßnahmen, mit denen Raider versuchen jene Ziele zu erreichen, sind nicht vergleichbar mit Maßnahmen der gewöhnlichen, feindlichen Übernahmen, selbst wenn diese auch bis an die Geset- zesgrenze stoßen.

2.1.2 Raidertum in Russland

Dieses Phänomen des Wirtschaftsraidertums existiert in Russland nicht seit allzu lan- ger Zeit. In der Geschichte des russischen Raidertums sind drei Wellen zu erkennen. Als den Beginn des Raidertums in Russland kann man den Zerfall der Sowjet Union mit der darauf folgenden Privatisierung des staatlichen Eigentums bezeichnen.

Die erste "Raidertum-Welle" in Russland geht in die erste Hälfte der 90er Jahre zu- rück. Schon damals, nach dem Zerfall der Sowjet Union, wurde von Raidern ein noch heute geltender Mechanismus mit Hauptversammlungen der Aktionäre und Neuwah- len des Unternehmensvorstands genutzt. (vgl. Politisches Zentrum von Technologien 2008, S.6)

Die zweite Welle fand in der zweiten Hälfte der 90er Jahre statt. Im Rahmen der (Massen-) Privatisierungen von staatlichen Unternehmen existierte Unternehmens- kontrolle als solche nicht. Feindliche Fusionen und Übernahmen wurden durch illega- le Methoden durchgeführt, meist handelte es sich um grobe Gesetzesverstöße. Viele haben ihren Reichtum durch den Erwerb von Grundstücken, Gebäuden und Fabriken während dieser Phase weiter vergrößern können. So stellte das Raidertum zu jener Zeit ein sehr profitables Business dar, mit Gewinnen von bis zu 1000 Prozent (vgl. Politisches Zentrum von Technologien 2008, S.6). In dieser Periode im Rahmen der Privatisierung hat man sich an Auktionen beteiligt und für äußerst niedrige Preise große Fabriken, Grundstücke und andere Anlagevermögen erworben. Diejenigen, die an diesen Auktionen nicht teilgenommen haben, machten sich anschließend auf ihre eigene Art und Weise - nämlich mit Gewalt - das bereits privatisierte Eigentum zu ihrem Besitz. Das waren die ersten „schwarzen“ Raider; jene Periode kann man als kriminellste Phase der Raider bezeichnen. .

Die dritte Welle hat ihren Ursprung noch nicht vor allzu langer Zeit. Zu Beginn des Jahres 2000 begann die für die ganze Welt bekannte Geschichte «Дело ЮКОСа» (rus.), die sogenannte JUKOS-Affäre (deu.). Diese Periode wird auch als „ das Ende des privaten Raidertums und den Anfang des staatlichen “ (Politisches Zentrum von Technologien 2008, S.6) bezeichnet. In diese Zeit fallen Konflikte mit in Russland bekannten Unternehmen wie «Истлайн» (Istlajn), «Арбат Престиж» (Arbat Prestizh), «Эльдорадо» (El‘dorado), «Тольяттиазот» (Togliattiasot) (rus.) (vgl. Politisches Zentrum von Technologien 2008, S.6).

2.2 Erscheinungsformen

Jede weitere Welle in der Geschichte des Raidertums verlief in anderen Formen, weniger mit Gewalt als mehr mit ausgeklügelten Taktiken. Mit der Entwicklung auf der Ebene der Gesetzgebung, entwickelten auch Raider ihre eigenen Methoden. Heutzutage passen sie ihr Vorgehen an die jeweilige Situation und den verfügbaren Ressourcen an. Anhand von diesen Handlungsunterschieden lässt sich Raidertum in drei verschiedenen Arten unterteilen.

2.2.1 Arten des Raiderstums

a. „Schwarzes“ Raidertum - dies stellt die kriminellste Form dieses Phänomens dar.

Alle von den „schwarzen“ Raider verwendeten Maßnahmen sind illegal und meist mit körperlicher Gewalt, Bestechung (diese kann alle möglichen Formen aufweisen, abhängig von dem Mechanismus, den die Wirtschaftspiraten nutzen), gewalttätigen Eintritten ins Unternehmen oder Fälschungen (z.B.: Aktionärsregister) verbunden. Nach Meinungen der Experten bildet sich diese Form des Raidertums jedoch zurück. (vgl. Politisches Zentrum von Technologien 2008, S. 13)

b. „Graues“ Raidertum - eine abgeschwächte Form des „schwarzen“ Raidertums; die

Handlungen der Wirtschaftspiraten können sowohl legal, als auch illegal sein. Um gesetzliche Entscheidungen zu beschleunigen, werden beispielsweise Richter besto- chen. In diesem Fall geht es um einen klaren Verstoß gegen das Gesetz. Die meisten Handlungen in dieser Form verstoßen allerdings nur indirekt dagegen.

c. „Weißes“ Raidertum - Unter Raider-Kreisen in Russland herrscht die Meinung vor, dass diese Form des Raidertums nicht rentabel sei. In der Tat, hier handeln Wirt- schaftspiraten im gesetzlichen Rahmen, wie der Organisation von Streiks oder diver- sen Kontrollen, die von speziellen Instanzen durchgeführt werden Dies ist oftmals sehr aufwendig und verspricht keinen sicheren Erfolg für die Raider. Eine andere Möglichkeit besteht darin, Lücken im Gesetz zu nutzen, aus diesem Grund sind „wei- ßen“ Raider meist hochqualifizierte Juristen (vgl. Politisches Zentrum von Technolo- gien 2008, S. 14).

2.2.2 Moderne Raider.

Wie bereits aufgeführt, spielen die verfügbaren Ressourcen der Raider ebenfalls eine wichtige Rolle bezüglich dessen, welche Art von Raidertum zustande kommt. Wenn indessen von verfügbaren Ressourcen die Rede ist, geht es hierbei nicht ausschließlich um finanzielle Mittel, sondern auch anderen, oftmals persönlichen Ressourcen, wie Charaktereigenschaften, Bildung oder Soziale Position.

„Die Neue Unternehmerklasse“1 ist gut organisiert, hat einen hohen Qualifikations- grad und verfügt über genügend Kapital zum Erreichen ihrer Ziele. Diese Art von Wirtschaftspiraten interessiert sich bei Unternehmensübernahmen fast ausschließlich für die Gewinnmaximierung. Das Unternehmen an sich liegt in der Regel nicht im In- teressensbereich dieser Kategorie Mensch (vgl. Politisches Zentrum von Technolo- gien 2008, S.35).

„Weiße Hemdkragen“ der kriminellen Gesellschaft2 sind die Raider, die die blutige Zeit der 90-er Jahre überlebt haben. In der Regel werden die übernommenen Unter- nehmen nicht mehr weiterverkauft, sondern von den Personen mit den „weißen Kra- gen“ geführt. Diese Bezeichnung aus dem Raiderjargon hat sich als Begriff eingebür- gert, da diese Personengruppe gebildet und - im Gegensatz zu dem Bild des typi- schen Kriminellen- Anzugträger ist. Sie wollen also im Unterschied zu der „neuen Un- ternehmerklasse“ diese Unternehmen besitzen und interessieren sich nicht nur rein für den Profit, der aus dem Weiterverkauf resultiert. Diese Menschen verfügen über Mechanismen um Einfluss auf die Legislative, Exekutive, sowie auf die Strafverfol- gungsbehörden auszuüben; nicht selten sind sie auch ehemalige Beamte jener Be- hörden (vgl. Politisches Zentrum von Technologien 2008, S.36). Diese Gruppe ist komplett abgeschottet und will in der Öffentlichkeit auch weiterhin unbekannt bleiben. Raider dieser Kategorie entwickeln ständig neue Strategien und waren bis dato dem Staat und den Anwälten der jeweiligen Unternehmen immer einen Schritt voraus, denn Letztere sind immerzu auf der Suche nach neuen Schutzmaßnahmen gegen Raider-Aktivitäten auf der Unternehmensebene.

Die staatlichen Beamten stellen den häufigsten Raider-Typus dar (vgl.Politisches Zentrum von Technologien 2008, S.38). Raider dieser Gruppierung besitzen die besten Voraussetzungen um sich im Raider-Geschäft zu etablieren, da sie über hohen Einfluss und Beziehungen verfügen.

Diese erwähnten drei Personengruppen des Raidertums treten heutzutage immer öfter als Auftraggeber auf. Sie wählen die für sich „interessanten“ Unternehmen aus, und entwerfen entweder eigene Übernahmetaktiken und lassen diese anschließend von Ausführern verwirklichen; oder sie geben nur das gewünschte Ziel an und lassen die Methoden, die diese Ausführer zur Erreichung dieses Ziels verwenden, frei wäh- len.

„Kriminelle Ausführer“, sogenannte Otmorozki,3 “ sind Personen, die aus den ländli- chen Regionen in große Städte wie Moskau und Sankt-Petersburg pilgern; ohne Geld und ohne jegliche Ausbildung, dafür aber meistens schon mit Erfahrungen in kriminel- len Handlungen. Diese sind bereit für $1000 bis $3000 alle Aufgaben des „Raider- Auftraggebers“ ohne weitere Fragen zu erfüllen; in manchen Fällen - wenn nötig - reichen diese sogar bis zum Mord (vgl. Politisches Zentrum von Technologien 2008, S.37).

„Professionelle Ausführer“ handeln sowohl innerhalb des gesetzlichen Rahmens, als auch außerhalb. Die Bezeichnung dieser Gruppe spricht für sich selbst: Diese Raider sind in der Lage ihr Vorgehen selbstständig zu planen und auszuführen, des Weiteren verfügen sie über eine Reihe unterschiedlicher Methoden, die sie je nach Situation zu verwenden wissen. Sie wissen exakt, wie hoch der benötigte Geldbetrag sein sollte, zu welchem Zeitpunkt und an welche Person man diesen übergeben muss und ob es gegebenenfalls nötig ist, Gewalt einzusetzen um zu dem gewünsch- ten Ergebnis zu gelangen. Diese Menschen besitzen die Fähigkeit illegale Handlun- gen durch scheinbar legale Praktiken zu verschleiern. Als Entlohnung erhält diese Gruppierung kein Fixum, sondern prozentuelle Anteile des Gewinns, der aus der Übernahme erfolgt (vgl. Politisches Zentrum von Technologien 2008, S.36).

2.3 Raidertum in der Welt

In diesem Abschnitt wird die Situation des Raidertums in den anderen Ländern im Vergleich zu Russland in Bezug auf Definition, Einstellung der Gesellschaft zu den Raidern und anderen Aspekten analysiert. Wie bereits erwähnt, befassen sich Raider mit feindlichen Firmenübernahmen; in dem folgenden Tabellenausschnitt4 wird der Begriff „feindlichen Übernahme“ anhand der russischen und ausländischen Theorie definiert und gegenübergestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Definitionen von Fusionen und Übernahmen in Russland und im Ausland Quelle: Kas’janenko 2009, S. 119

Aus dieser Gegenüberstellung der Definitionen lassen sich einige wichtige Unter- schiede erkennen. Während im Ausland feindliche Übernahmen durch Aufkäufe cha- rakterisiert sind, die lediglich ohne gegenseitige Vereinbarungen verlaufen, handelt es sich in Russland um das Erringen der vollen Kontrollübernahme durch Methoden, die das Ausnutzen von juristischer Macht, physischer Bedrohung und Gewalt mit ein- schließen.

Die ersten Assoziationen die man in Russland mit dem Raidertum in Verbindung setzt, sind Gesetzesverstöße und gesetzeswidrige Praktiken. Allerdings ist die Rai- der-Tätigkeit die aggressivste Form der Einmischung in die Unternehmenstätigkeit, mit Verstößen gegen Zivilrechte, Strafrechte sowie Verstöße auf der Ebene der Ge- setzgebung. Dieses Verhaltensmuster der Raider -Aktivitäten stellt jedoch keine In- ternationale Norm dar, sondern ist charakteristisch für die in Russland auftretende Form.

In der folgenden Tabelle werden die Verbreitung des Raidertums und Einstellung der Gesellschaft zu den Raidern in unterschiedlichen Ländern angezeigt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2:Raidertum in der Welt. Einstellung der Gesellschaft und Verbreitung des Raidertums. Quelle: Kas’janenko 2009, S. 121

Raider nehmen in den westlichen Ländern einen anderen Stellenwert ein: zwar gehen auch hier feindliche Übernahmen vonstatten, jedoch in einem völlig anderen Rahmen. Des Weiteren stärken diese meist die schwachen Unternehmen, aus diesem Grund werden Raider hier oftmals als Sanitäter der Wirtschaft betrachtet. In der Tat, das Ergebnis in der Tätigkeit der Wirtschaftspiraten liegt darin, dass die Firma von einem uneffektiven Unternehmenseigentümer in die Hand eines effektiven Eigentümers wechselt und dadurch meist restrukturiert und reorganisiert wird.

Zu Beginn des Raidertums in Russland galt auch hier das Image des Raiders als Sa- nitäter der Wirtschaft und wurde vor allem durch die Presse und die Raider selbst verbreitet. Jedoch lassen sich klare Handlungsunterschiede bei der Zielverwirklichung erkennen: selbst bei größten Konflikten zwischen Raidern und Aktienbesitzern war die Anzahl der Gesetzesverstöße von Raidern so minimal, dass es mit dem Raider- tum in Russland nicht vergleichbar ist. In der aktuellen Lage Russlands können Rai- der der Rolle des Sanitäters in keinster Weise gerecht werden, sondern stellen das Gegenteil dar. Nur ein äußerst geringer Teil der feindlichen Übernahmen in Russland hat für die Wirtschaft insgesamt tatsächlich positive Auswirkungen. Des Weiteren sind die amerikanischen und europäischen Gesetze diesbezüglich klar definiert und gut strukturiert, und beinhalten - im Gegensatz zur Rechtslage in Russland - weniger, oder gar keine Lücken.

3 Ziele

Bevor die Strategien der Raider im nächsten Kapitel erläutert werden, muss verstanden werden, wer hinter den Raiderattacken steht, wer die Drahtzieher sind und welche Ziele diese verfolgen.

Die Raider sind ehemalige Mitarbeiter oder Auftragnehmer ehemaliger OligarchenHoldings, die bis zum Jahr 2002/2003 „ deren Aktiva durch Ü bernahmen von kleineren oder weniger erfolgreichen Firmen vergr öß ert haben “ (Tschepurenko 2007, S.3). Heute liegt das Augenmerk vermehrt auf der Konsolidierung der Unternehmen, statt deren Expansion; hierfür sind Manager benötigt. Das Resultat hiervon ist, dass zahlreiche ehemalige Fachleute aus der Wirtschaft und der Rechtswissenschaften, die sich auf M&A spezialisierten, zu Raidern wurden. In den 90er Jahren haben die Oligarchen um die Vermehrung des Besitzes gekämpft, wohingegen die heutigen Raider Dienstleister sind (vgl. Tschepurenko 2007, S.3).

Die große Motivation, die hinter dem Phänomen Raidertum steckt, ist Profit- und Habgier. Wie oben bereits erwähnt, lässt sich durch die Ausbeutung von Unternehmen eine Menge- und vor allen Dingen - schnelles Geld verdienen. Meist haben es die „Onkelchen“- wie die Drahtzieher im Jargon bezeichnet werden- auf die Immobilie und das Grundstück abgesehen. Hintergrund ist, dass die Immobilienpreise in Russland stetig steigen - mit bis zu mehreren Dutzend Prozent jährlich bei gewerblichen Immobilien (vgl. Tschepurenko 2007, S.2). So kostet beispielsweise die Miete für eine Bürofläche in Moskau £ 1,250 pro Quadratmeter im Jahr- nach London West End die teuerste auf der ganzen Welt (vgl. Harding 2008, S.2).

In Ausnahmefällen sind die Raider tatsächlich daran interessiert, das Unternehmen weiterzuführen und nicht nur auszubeuten; dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn

„ durch die Ü bernahme keine spekulativen, sondern strategische Ziele realisiert wurden “ (Tschepurenko 2007, S.5). Man sollte jedoch davon ausgehen, dass dies nicht dem Regelfall entspricht. Jene Einzelfälle dienen den Raidern als gute PR-Kampagne um sich vor der Gesellschaft als Retter zu profilieren. Auf diese Thematik wird jedoch später noch näher eingegangen.

4 Strategien der Raider / Mechanismen feindlicher Firmenübernah- men

Von Einschüchterungsversuchen bis zu Anschlägen - die russischen Raider scheuen vor nichts zurück; manch einer schickt seiner „Zielperson“ gerne mal einen Sarg mit- samt Sterbeurkunde nach Hause. Einiges hat sich in der Taktik der Firmenüberneh- mer geändert: die russischen „Räuber“ tragen heute Anzug und Krawatte- und schei- nen oberflächlich gesehen wie zivilisierte Mitbürger. Die genauen Praktiken und Tak- tiken dieser feindlichen Firmenübernahmen werden in diesem Kapitel aufgezeigt.

4.1 Strategien der Raider

Eine typische Übernahme eines Unternehmens durch Raider lässt sich in mehrere Schritte gliedern. Zunächst wird versucht den Eigentümer bzw. den Manager durch Zureden und Verhandlungen zu beeinflussen und zu einer Einstimmung zu bekehren. Scheitert dieser Versuch, greifen die Raider zu drastischeren Maßnahmen: Durch die Tatsache, dass das russische Aktienregister nur in elektronischer Form vorherrscht, sind die Raider in der Lage, dieses zu verändern und ein neues, gefälschtes zu er- stellen. Es ist später unmöglich, die ursprüngliche Form wieder herzustellen. Um an die Computer der zu übernehmenden Firma zu gelangen, nützen die Angreifer 2 Möglichkeiten. Bewaffnete Truppen stürmen das Firmengebäude, beschlagnahmen die Computer und schüchtern mit diesem Überfall zugleich die Mitarbeiter und Leiter der Firma ein. Im russischen Raiderjargon bezeichnet man diese auch als „Lands- knechty“; sie werden aus Provinzstädten von Hintermännern zum Tatort transportiert (vgl. Klussmann, 2007). Oder- und dies verdeutlicht die hohe Korruption in Russland- es wird vorgegeben, dass das Unternehmen Steuer hinterzogen habe und sich nun einer Untersuchung unterziehen müsse; dabei wird der Inhaber häufig verhaftet.

[...]


1 „Новый предпринимательский класс“ (rus.) [Novij predprinimatel’skij klass]

2 „Белые воротнички криминального сообщества“ (rus.) [Belie vorotnichki kriminal’nogo soobsh‘estva]

3 Исполнители отморозки

4 In diesem Tabellenausschnitt werden nur Inhalte angezeigt, die im Zusammenhang mit der Definition der feindlichen Übernahmen relevant sind. Diese Tabelle wird allerdings im Anhang nochmal komplett angezeigt.

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Résumé des informations

Titre
Raidertum im russischen Businessumfeld
Sous-titre
Kraft des Rechts oder Recht der Kraft?
Université
Heilbronn University
Cours
Intercultural Management Eastern Europe
Note
1,3
Auteurs
Année
2010
Pages
34
N° de catalogue
V277715
ISBN (ebook)
9783656705185
ISBN (Livre)
9783656710585
Taille d'un fichier
1103 KB
Langue
allemand
Annotations
Mots clés
International Business, Osteuropa, Raider, Eastern Europe, Russland, Russian Business, Wirtschaft Russland, Intercultural, Intercultural Management, International Management, Rechtsstaat Russland, Korruption, Case Study, Togliatti
Citation du texte
Julia Anders (Auteur)Viktor Baschenow (Auteur), 2010, Raidertum im russischen Businessumfeld, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/277715

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