"Dieser Mann ist als Künstler und Mensch gleich merkwürdig. […] Er kniff sich, er schnitt Grimassen vor dem Spiegel, und glaubte die bewunderungswürdigsten Wirkungen von seiner Herrschaft über die Geister zu erfahren. Er freuete sich seines Systems, und beschloß, es durch Abbildungen dieser grimassierenden Verhältnisse festzusetzen und auf die Nachwelt zu bringen."
Mit diesen Worten beschreibt Friedrich Nicolai, ein deutscher Schriftsteller der Aufklärung, den Bildhauer Franz Xaver Messerschmidt und dessen Arbeitsmethode, dem er im Jahr 1785 einen Besuch abstattete. Nicht nur der Prozess, der zur Herstellung der sogenannten „Charakterköpfe“ führte, wird darin beleuchtet, sondern es kommt auch zum Ausdruck, dass es sich bei den Büsten um ein „System“ handele.
Die Arbeit an den „Charakterköpfen“ wurde Messerschmidt ab 1770 zur vordergründigen Aufgabe seines künstlerischen Schaffens und sollte ihn bis zu seinem Tod im Jahr 1783 beschäftigen. Von den 69 entstandenen Büsten sind 53 erhalten, die allesamt den menschlichen Gesichtsausdruck von „Natur gemäßen Köpfen“ bis zu grotesken Verzerrungen (vgl. Abb. 1 und 2) präsentieren. Die Köpfe werden zum „Träger wechselnder mimischer Konstellationen“ , die sich trotz verschiedener Kopftypen auf das Bildnis des Künstlers zurückführen lassen.
Als eine „Reihe gleichartiger, zueinander passender Dinge“ , wird der Seriencharakter der Köpfe deutlich. Die Serie wird jedoch erst Ende des 19. Jhd. mit den „Getreideschobern“ und den „Kathedralen“ Monets zu einem festgelegten Werkbegriff mit Gesetzmäßigkeiten (siehe 4.1.). Inwiefern man bei den grimassierenden Köpfen trotzdem von einer Serie sprechen kann, wird im Folgenden erörtert werden.
Anhand ausgewählter Beispiele soll gezeigt werden, was man unter serieller Kunst versteht, indem spezifische Merkmale der Kunstgattung, in Abgrenzung zu ähnlichen Werkbegriffen, herausgearbeitet werden. Dabei sollen Möglichkeiten und Grenzen diskutiert werden, sowie die Entwicklung der Serie in der Geschichte der Kunst skizziert werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Vorbilder Messerschmidts: Prinzipien der Serie in der Kunst des Mittelalters bis zum 18. Jhd.
- Die Königsgalerie der Kathedrale Notre-Dame de Paris
- Andreas Schlüter „Sterbender Krieger“ (1696/97)
- William Hogarth „Marriage A-la-Mode“ (1743)
- Franz Xaver Messerschmidt „Charakterköpfe“ (1770 – 1783)
- Nachfolger Messerschmidts: Der Durchbruch serieller Verfahren als Phänomen der Moderne bis in die Kunst der Gegenwart
- Claude Monet „Getreideschober“ (1890/91)
- Andy Warhol „Self-Portraits“ (1967)
- On Kawara „Today Series“ (ab 1966)
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht den seriellen Charakter der „Charakterköpfe“ von Franz Xaver Messerschmidt im Kontext der Kunstgeschichte. Ziel ist es, die Einordnung der „Charakterköpfe“ als Serie im Vergleich zu anderen, etablierten seriellen Werken zu beleuchten und die spezifischen Merkmale dieser Kunstgattung herauszuarbeiten. Die Grenzen und Möglichkeiten des Serienbegriffes werden diskutiert.
- Serielle Kunst als Kunstgattung
- Analyse der „Charakterköpfe“ als Serie
- Vergleich mit Vorbildern aus der Kunstgeschichte
- Entwicklung des Serienbegriffs in der Kunst
- Additive und narrative Kompositionsprinzipien in der Serie
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Der Text beginnt mit einer Beschreibung Messerschmidts und seiner Arbeitsweise anhand eines Zitats von Friedrich Nicolai. Er stellt die „Charakterköpfe“ als ein künstlerisches „System“ dar und führt in die Thematik der seriellen Kunst ein, wobei die Frage gestellt wird, inwiefern die „Charakterköpfe“ als Serie betrachtet werden können. Die Einleitung betont den Seriencharakter der Köpfe und kündigt die Untersuchung anhand ausgewählter Beispiele an.
Vorbilder Messerschmidts: Prinzipien der Serie in der Kunst des Mittelalters bis zum 18. Jhd.: Dieses Kapitel analysiert drei Beispiele aus der Kunstgeschichte, die das Prinzip der Serie vorwegnehmen: Die Königsgalerie von Notre-Dame de Paris zeigt ein additives Kompositionsprinzip durch die Wiederholung ähnlicher Figuren. Andreas Schlüters „Sterbende Krieger“ bilden eine Serie, die durch die gemeinsame Grundidee des gewaltsamen Todes zusammengehalten wird. William Hogarths „Marriage A-la-Mode“ repräsentiert das narrative Prinzip, wobei die einzelnen Bilder eine Geschichte erzählen und aufeinander aufbauen. Das Kapitel vergleicht diese verschiedenen Ansätze und legt den Grundstein für das Verständnis des Serienbegriffs.
Franz Xaver Messerschmidt „Charakterköpfe“ (1770 – 1783): Dieses Kapitel konzentriert sich auf Messerschmidts „Charakterköpfe“. Es wird die Anzahl der Köpfe diskutiert, sowie die Aussage Nicolais und Seipps, welche die Köpfe als ein Studium des Gesichtsausdrucks beschreiben. Das Kapitel betont den systematischen Ansatz Messerschmidts und legt nahe, dass hinter den Büsten mehr als nur ein abstraktes System steht. Die Ausführungen untermauern die Interpretation der "Charakterköpfe" als Serie.
Schlüsselwörter
Serielle Kunst, Franz Xaver Messerschmidt, Charakterköpfe, additive Komposition, narrative Komposition, Kunstgeschichte, Bildhauerei, Serie, System, Gesichtsausdruck, Wiederholung, Variation.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Franz Xaver Messerschmidts "Charakterköpfe" - Eine serielle Betrachtung
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht den seriellen Charakter der „Charakterköpfe“ von Franz Xaver Messerschmidt im Kontext der Kunstgeschichte. Sie vergleicht die „Charakterköpfe“ mit anderen seriellen Werken und analysiert die spezifischen Merkmale dieser Kunstgattung. Die Grenzen und Möglichkeiten des Serienbegriffes werden diskutiert.
Welche Ziele werden verfolgt?
Das Ziel ist die Einordnung der „Charakterköpfe“ als Serie im Vergleich zu anderen etablierten seriellen Werken. Die Arbeit will die spezifischen Merkmale der seriellen Kunst herausarbeiten und den Serienbegriff in der Kunst diskutieren.
Welche Themenschwerpunkte werden behandelt?
Die Arbeit behandelt serielle Kunst als Kunstgattung, analysiert die „Charakterköpfe“ als Serie, vergleicht sie mit Vorbildern aus der Kunstgeschichte, untersucht die Entwicklung des Serienbegriffs in der Kunst und betrachtet additive und narrative Kompositionsprinzipien in Serien.
Welche Beispiele aus der Kunstgeschichte werden herangezogen?
Als Vorbilder für Messerschmidts serielle Arbeitsweise werden die Königsgalerie der Kathedrale Notre-Dame de Paris (additives Prinzip), Andreas Schlüters „Sterbender Krieger“ (gemeinsame Grundidee), und William Hogarths „Marriage A-la-Mode“ (narratives Prinzip) analysiert.
Wie werden Messerschmidts „Charakterköpfe“ in der Arbeit betrachtet?
Die Arbeit interpretiert die „Charakterköpfe“ als eine Serie, die durch einen systematischen Ansatz und eine gemeinsame Idee (Studium des Gesichtsausdrucks) gekennzeichnet ist. Die Anzahl der Köpfe und die Aussagen von Nicolai und Seipp werden diskutiert, um diese Interpretation zu stützen.
Welche Künstler der Moderne und Gegenwart werden im Vergleich zu Messerschmidt genannt?
Die Arbeit zieht Parallelen zu Claude Monets „Getreideschober“, Andy Warhols „Self-Portraits“ und On Kawaras „Today Series“, um den Durchbruch serieller Verfahren in der Moderne und Gegenwart zu beleuchten.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Serielle Kunst, Franz Xaver Messerschmidt, Charakterköpfe, additive Komposition, narrative Komposition, Kunstgeschichte, Bildhauerei, Serie, System, Gesichtsausdruck, Wiederholung, Variation.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit enthält eine Einleitung, ein Kapitel zu den Vorbildern Messerschmidts, ein Kapitel zu den „Charakterköpfen“ selbst und ein Fazit. Jedes Kapitel bietet eine detaillierte Analyse der jeweiligen Aspekte.
- Arbeit zitieren
- Corinna Gronau (Autor:in), 2010, Charakterköpfe in der seriellen Kunst. Die Serie als System der Köpfe, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/277879