Die Aufgabenstellung dieser Klausur lautet: Beschreiben Sie die Auswirkungen einer schweren Spastik auf das Lernen!
Beschreiben Sie die Auswirkungen einer schweren Spastik auf das Lernen!
Abkürzungen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Zu Beginn dieser Arbeit möchte ich aufzeigen, was unter dem Begriff der Spastik zu verstehen ist (Kapitel 2). Da die Spastik die häufigste Erscheinungsform der zerebralen Bewegungsstörungen (im Folgenden: ZB) darstellt, möchte ich auf diese Form der Behinderung sowohl aus medizinischer Sicht als auch von einer pädagogischen Betrachtungsweise aus genauer eingehen (Kapitel 3). Anschließend stelle ich die Heterogenität des Personenkreises von Menschen mit ZB dar und klassifiziere die ZB medizinisch nach Ursachen (Kapitel 4) und Erscheinungsformen (Kapitel 5). Dort möchte ich deutlich machen, was unter einer schweren Spastik (im Folgenden: schw. S zu verstehen ist. In Kapitel 6 beschreibe ich die Auswirkungen und Begleiterscheinungen einer schw. S in den verschiedenen Entwicklungsbereichen, bevor ich den Begriff des Lernens näher beleuchte (Kapitel 7) und anschließend auf die jeweiligen Auswirkungen einer schw. S auf das Lernen zu sprechen komme (Kapitel 8). In Kapitel 9 möchte ich meine Arbeit mit einem Fazit beenden.
2. Spastik
Der Begriff „Spastik“ kommt von dem griechischen Wort „spasmos“ und bedeutet Krampf: eine sehr gute Beschreibung der größten Auswirkung dieser Körperbehinderung (Def. nach OSKAMP und HAUPT: Die Bewegungsfähigkeit ist aufgrund einer Schädigung des Stütz- und Bewegungsapparates oder einer anderen organischen Schädigung nicht nur vorübergehend beeinträchtigt.). Die Spastik wird durch eine Schädigung des 1. motorischen Neurons (Pyramidenbahn zwischen Pyramidenzelle im Gehirn und Vorderhornzelle im Rückenmark) und einem Mitbefall extrapyramidaler Fasern verursacht (vgl. NIETHARD/PFEIL, 1997); z.B. durch Hirninfarkt oder Trauma im Bereich des Gehirns oder Rückenmarks. Das pyramidale System wirkt normalerweise hemmend auf die Regulation des Muskeltonus und ist verantwortlich für die Willkürmotorik. Aufgrund der Störung dieses pyramidalen Systems ist die Spastik gekennzeichnet durch eine Hypertonie, welche zu einer eingeschränkten Willkürmotorik führt, weil bei jeder Bewegungsabsicht eine pathologische Co-Kontraktion von Agonisten und Antagonisten stattfindet. Die Bewegungen sind verkrampft, stockend und langsam bis hin zur Bewegungsunfähigkeit. Zudem können die Haltungsanomalien zu Muskelverkürzungen und Gelenkversteifungen führen.
Mit ca. 75 % ist die Spastik die weitaus häufigste Erscheinungsform zerebraler Bewegungsstörungen (im Folgenden: ZB). Was darunter zu verstehen ist, wie sie verursacht werden und welche Erscheinungsformen es gibt, möchte ich in Kapitel 3 bis 5 beschreiben.
3. Zerebrale Bewegungsstörungen
Der Begriff „zerebrale Bewegungsstörungen“ wird heute häufig statt des Begriffs „Zerebralparese“ verwendet, um die missverständliche Nutzung des Begriffs der „Parese“ (Erschlaffung; unvollständige Lähmung) zu vermeiden.
Bei den ZB handelt es sich um die häufigste Form der Körperbehinderung, die nach der medizinischen Klassifikation der Großgruppe der Gehirn- und Rückenmarksschädigungen (ZNS) zugeordnet werden kann (vgl. LEYENDECKER, 2000: 18). Um die sehr heterogenen Hirnschädigungen zu kategorisieren, werden folgende Einteilungen vorgenommen:
- Ätiologie 50 % idiopathisch
- Topographie Erscheinungsformen (Spastik, Dyskinesen, Ataxie) abhängig vom anatomischen Ort der Hirnschädigung
(vgl. LEYENDECKER, 2000: 18)
Auf die einzelnen Gliederungspunkte möchte ich in Kapitel 4 ausführlicher eingehen.
Nach KALLENBACH (2000) lässt sich die ZP „als eine Bewegungsstörung definieren, die durch bleibende, nicht weiter fortschreitende Schädigungen, Veränderungen oder Fehlentwicklungen der zentralen bewegungssteuernden Systeme Gehirn und Rückenmark [. . .] entstanden ist“. Sie führt im Wesentlichen zu sensomotorischen Störungen und einem abnormen Muskeltonus, der die Bewegungsplanung, -innervation, -steuerung und -kontrolle beeinträchtigt und damit die Haltungs- und Bewegungsfähigkeit und die Gleichgewichtsreaktionen erschwert. Viele stereotype und primitive Bewegungsmuster aus dem Baby- und Kleinkindalter bleiben erhalten und werden nicht wie in der normalen Entwicklung durch übergeordnete Hirnstrukturen überlagert. Beispiele für diese persistierenden Reflexe sind: der Moro-Reflex, die tonischen Reflexe oder der Greifreflex. Neben primären Funktionsausfällen bzw. -störungen der Bewegungsfähigkeit kann es auch zu Folgeerscheinungen kommen: Epilepsien, vegetative Störungen, Skoliose, Hüftdysplasie.
Die hier praktizierte Art der medizinisch-defektorientierten Betrachtung ist gängig. Wird jedoch von der Schädigung linear auf den Komplex der Behinderung geschlossen, so ist dies durchaus kritisch und als unzureichend zu betrachten. Schädigung und Behinderung stehen zwar in einem Grund-Folge-Verhältnis, aber nicht in einem Kausalzusammenhang (vgl. WELLMITZ, 1993). In den Kapiteln 2 bis 5 bewege ich mich jedoch bewusst auf den Ebenen der Schädigung. Diese begrenzte Sichtweise wurde gewählt, um die Themenstellung der Klausur in einem angemessenen Rahmen bewältigen zu können. Jedoch soll weder die Eingebundenheit einer jeden Persönlichkeit in den vielschichtigen sozialen Kontext (ökosystemischer Ansatz: Berücksichtigung der Umweltfaktoren), noch die prinzipielle Ganzheit eines Jeden bestritten werden. Die Auswirkungen einer ZP auf die einzelnen Entwicklungsbereiche werden in Kapitel 6 aufgeführt.
4. Ursachen zerebraler Bewegungsstörungen
Die ZB können in zwei große Gebiete eingeteilt werden:
4.1 Die infantile Zerebralparese (ICP): Folgezustände frühkindlicher Hirnschäden (Beginn der Schwangerschaft bis zum Ende des zweiten Lebensjahres)
50 % der ICP sind idiopathisch, die übrigen Ursachen werden wie folgt unterteilt:
- pränatal (vor der Geburt im Mutterleib): Fehlen oder Unterentwicklung von Gehirnabschnitten, Sauerstoffmangelzustände, Infektionen (z.B. Röteln, Herpes, Syphilis und Toxoplasmose), toxische Einwirkungen (z.B. Medikamenteneinnahme, Alkoholabusus oder Drogenabhängigkeit der Mutter), Erbkrankheiten, Fehlbildungen des Mutterkuchens, Verletzungen, Blutungen, Blutgruppenunverträglichkeit, Schwangerschaftskomplikationen.
- perinatal (während der Geburt): Asphyxie (Atemstillstand), Hypoxie (Sauerstoffmangel im Blut), mechanische Schäden, Nabelschnur-komplikationen, Hirnblutungen bei komplizierter Geburt, Früh- und Risikogeburten.
- postnatal (nach der Geburt – Neugeborenenalter bis ca. zwei Jahre): Kernikterus, Infektionskrankheiten, Entzündungen (Meningitis, Enzephalitis), Krampfanfälle, respiratorische Störungen, Sauerstoffmangel, schwere Kopfverletzungen (Gehirnerschütterung oder -prellung).
(vgl. erste Einteilung: KUNERT, 1979; KALLENBACH, 2000)
Meist ist nicht nur eine Ursache für die Hirnschädigung verantwortlich, sondern eine ganze Kette. Hauptursache ist der Sauerstoffmangel. Zwischen 1 bis 5 pro 1000 Neugeborene sind von einer ICP betroffen (vgl. NIETHARD/PFEIL), davon sind 60 % Jungen (vgl. KALLENBACH, 2000).
4.2 Später erworbene Zerebralschäden:
- Hirnverletzungen durch Unfall, Schlaganfall, Schuss oder Sturz (z.B. Schädel-Hirn-Trauma, Gehirnerschütterung oder -prellung)
- Sauerstoffmangel durch Vergiftungen oder bei Schwimmunfällen
- Meningitis und Enzephalitis
- Hirntumoren und Folgen von chirurgischen Eingriffen beim Entfernen
(vgl. KUNERT, 1979; STADLER, 1998)
5. Erscheinungsformen zerebraler Bewegungsstörungen
Zwei Menschen mit einer ZP weisen nie die exakt gleichen Symptome auf. Die ZP lässt sich zwar in Gruppen einteilen, aber da eine ZP fast nie als Reinform zu sehen ist, gibt es Tausende von Mischformen.
5.1 Topographischer Aspekt
Die Anomalien lassen sich vor allem in den Extremitäten erkennen. Daher erachte ich es als sinnvoll, die verschiedenen Kombinationen der betroffenen Extremitäten aufzulisten, bevor ich die einzelnen funktionellen Veränderungen genauer beschreibe.
Tetra- oder Quadriparese: alle vier Gliedmaßen einschließlich Rumpf, Hals und Kopf
Diparese: alle vier Gliedmaßen mit stärkerer Beteiligung der Beine
Paraparese: beide Beine ohne nennenswerte Beteiligung der Arme
Hemiparese: die Gliedmaßen einer Körperhälfte
Monoparese: eine Extremität: Arm oder Bein (sehr selten)
Triparese: drei Extremitäten: beide Arme und ein Bein oder umgekehrt (eher selten)
(vgl. NIETHARD/PFEIL, 1997)
5.2 Funktioneller Aspekt
Hier wird zwischen der Spastik, den Dyskinesen und der Ataxie unterschieden. Die Spastik habe ich bereits in Kapitel 2 beschrieben und auf die beiden anderen Formen möchte ich nur ganz kurz zum Zweck der Abgrenzung eingehen, bevor ich erkläre, was ich unter einer schw. S verstehe.
5.2.1 Dyskinesen (extrapyramidales Syndrom): ca. 10 % aller Betroffenen
Dyskinesen werden in Athetose und Chorea unterschieden:
Bei der Athetose führt der ständig wechselnde Muskeltonus bei einem eher schlaffen Grundtonus zu einer Beeinträchtigung der Körperhaltung und der gesamten unwillkürlichen Bewegungsabläufe. Folgen: Bewegungsunruhe und Dysmetrie
Treten plötzlich einschießende, unwillkürliche, unphysiologische, arhythmische und ruckhafte Muskelkontraktionen in fast allen Körperregionen auf, handelt es sich um Chorea.
5.2.2 Ataxie (cerebellares Syndrom): ca. 15 % aller Betroffenen
Ataxien zeigen sich durch Dysmetrie, Koordinations- und Gleichgewichtsstörungen. Es kommt zu zittrigen, verwackelten und über das Ziel hinausschießenden Bewegungen mit Intentionstremor bei einem eher schlaffen Grundtonus.
(vgl. KALLENBACH, 2000)
5.2.3 Schwere Spastik
Offen blieb bisher noch die Definition einer schweren Spastik (im Folgenden: schw. S). Dabei handelt es sich um eine spastische Tetraparese, die im typischen Fall zu einem Erscheinungsmuster mit Spitzfuß, Knie- und Hüftbeugekontraktur und Innenrotation der Beine und Arme führt. Die ausgeprägten und therapeutisch nur schwer angehbaren Kontrakturen sind das Hauptproblem und verhindern die Vertikalisierung, führen zu Wachstumsstörungen und schmerzhaften Gelenkveränderungen. Die Prognose ist insgesamt ungünstig. Die besonders schwer betroffenen Menschen erreichen weder Sitz- noch Stehfähigkeit. Eine schw. S ist in den meisten Fällen auch mit anderen Störungen kombiniert: Intelligenzminderung (oftmals hochgradig geistige Behinderung), Epilepsie, Teilleistungsschwächen, schwere Sprachstörung, Schluckstörung, Wahrnehmungsstörungen, Verhaltensauffälligkeiten, Einschränkung der sozialen Kontaktaufnahme etc. Eine schw. S ist eine Mehrfachbehinderung (vgl. KALLENBACH). Darunter versteht man zwei oder mehrere Behinderungen, die zusammentreffen – entweder unabhängig voneinander oder als Sekundär- bzw. Folgebehinderungen. Die Anzahl von Personen mit einer schw. S nimmt aufgrund der Fortschritte in der Neonatologie zu: Kinder mit einer schw. S wären früher gestorben, heute jedoch überleben sie und so finden sich in den Sonderschulen immer mehr schwerst mehrfachbehinderte Kinder.
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