1. Einleitung
Die dritte Version des „Horla“ (1887) (1. Version: „Lettre d’un fou“(1885); 2. Version: „Le Horla“ (1886)), wird in Form eines Tagebuchs dargestellt, welches mit dem Eintrag vom 8. Mai beginnt und mit dem des 10. September endet. Beim anonymen Tagebuchschreiber handelt es sich um einen anfangs lebensfrohen Einzelgänger und Junggesellen, der keinem Beruf nachgeht und in seinem Haus an der Seine zwischen Rouen und Havre, einzig mit seinem Dienstpersonal in Ruhe und Abgeschiedenheit lebt. Eines Tages wird er ohne ersichtlichen Grund von merkwürdigen Angstgefühlen und Unbehagen ergriffen, welche ihn ab diesem Moment Tag für Tag umgeben und ihn zunächst glauben lassen, dass er bei Nacht nicht allein sei und von einem unsichtbaren Wesen verfolgt und dominiert werde. Nach einigen Tagen nimmt er schliesslich auch tagsüber, bei Spaziergängen und zu Hause, die angst-ergreifende Präsenz des Unsichtbaren wahr. Er versucht sich immer wieder von der Übermacht des Wesens zu befreien und sich abzulenken, indem er sich auf Reisen begibt; doch spätestens wenn er nach Hause kommt, überfällt ihn der Unsichtbare erneut. Anfänglich fragt er sich noch, ob er wohl verrückt geworden war, was er später durch verschiedene Experimente (anscheinend) erfolgreich widerlegt; überdies wird er von den gesammelten Erfahrungen bei Ausflügen zum Mont Saint-Michel und zu seiner Cousine nach Paris immer überzeugter, dass es übernatürliche Wesen geben muss, welche wir Menschen aber aufgrund unserer schlecht ausgebildeten Sehorgane nicht erkennen können. Nach immer wiederkehrenden sonderbaren Ereignissen ist der Protagonist schliesslich von der Existenz des unsichtbaren Wesens überzeugt und findet auch dessen Namen heraus: ‚Le Horla’. Erst nach dem Versuch den Horla zu ermorden, indem er ihn ins Haus einschloss und es abbrannte, beginnt der Erzähler daran zu zweifeln ob dieser überhaupt getötet werden kann; nach anfänglichem Grübeln zur Einsicht gekommen, dass der Horla unzerstörbar ist, stellt der Protagonist fest, dass es nur noch einen Ausweg gibt: den Selbstmord.
Wie kommt Maupassant dazu solch eine phantastische Erzählung zu schreiben? Was bewegte ihn dazu? Lassen sich in seinem Werk etwa autobiographische Züge erkennen?
In der folgenden Arbeit soll in einem ersten Teil Maupassants Krankengeschichte dargestellt werden, die gegebenenfalls Aspekte aufweist, welche bei der Erschliessung des Werks „Le Horla“ von Bedeutung sein werden. ...
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Nervenkrankheiten in und um „Le Horla“
- Guy de Maupassants Krankengeschichte
- Die Krankengeschichte des Erzählers: Ein Fall von Schizophrenie
- „Le Horla“: Ein Werk mit autobiographischen Zügen?
- Schlusswort
- Bibliographie
- Anhang
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht Guy de Maupassants „Le Horla“ mit dem Ziel, die mögliche Verbindung zwischen der Geschichte des Erzählers und Maupassants eigener Krankengeschichte aufzudecken. Der Fokus liegt dabei auf der Analyse der mentalen Verfassung des Erzählers und der Frage, ob seine Erfahrungen mit dem „Horla“ als Symptome einer psychischen Erkrankung interpretiert werden können.
- Die Rolle der Syphilis in Maupassants Leben und Werk
- Die Symptome und Merkmale von Schizophrenie
- Autobiographische Elemente in „Le Horla“
- Die Verbindung zwischen psychologischem Realismus und fantastischen Elementen in der Literatur
- Die Bedeutung des Tagebuchs als Form des psychoanalytischen Berichts
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel beleuchtet die Geschichte von Maupassants Krankheit und stellt die möglichen Auswirkungen der Syphilis auf sein Schaffen dar. Kapitel zwei konzentriert sich auf die Analyse der Krankengeschichte des Erzählers in „Le Horla“ und argumentiert, dass seine Erfahrungen mit dem „Horla“ als Symptome von Schizophrenie gedeutet werden können. Das dritte Kapitel untersucht die autobiographischen Züge in Maupassants „Le Horla“ und analysiert, wie die Geschichte Einblicke in Maupassants eigenes Leben und seine Psyche geben könnte.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den zentralen Begriffen und Konzepten wie Nervenkrankheiten, insbesondere Syphilis und Schizophrenie, autobiographischen Elementen, psychologischem Realismus, fantastischer Literatur und der Rolle des Tagebuchs als Form des psychoanalytischen Berichts im Kontext von Guy de Maupassants „Le Horla“.
- Quote paper
- Jelena Zagoricnik (Author), 2011, Guy de Maupassants „Le Horla“: Zwischen Erzählung und Wirklichkeit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/278379