Das Frauenbild in deutschen und beninischen Märchen am Beispiel von Grimms und Maxi-Märchen


Mémoire (de fin d'études), 2010

154 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltverzeichnis

I-Vorwort………………………………………………………………………………I

1. Einleitung……………………………………………………………………….........1

1.1 Bedeutung des Begriffs „Maxi“………………………………………………........…3

1.2 Die Geschichte der Maxi…………………………………………...……...................7

1.3 Siedlungsgebiete und Beschäftigungen der Maxi………………...............................12

1.4 Glauben und Religionen der Maxi……………...…………………………………...13

1.5 Die Maxi-Sprache……………………………………………………........................15

1.5.1 Sprachzugehörigkeit der Maxi………………………………...………………….....15

1.5.2 Alphabet der Maxi-Sprache…………………………………….................................16

1.5.2.1 Vokale…………………….…………………………………………………….........17

1.5.2.2 Konsonanten………………………………………..………………………………..17

1.5.2.3 Digraphen…………..……………………………………………………………......18

1.5.2.4 Weitere Besonderheiten…………….…………………………………………..……18

2. Die Märchenkultur der Maxi………………………..………………………..…...20

2.1 Bedeutung des Begriffs „Maxi-Märchen“……………………...……………….…...20

2.2 Schwierigkeiten bei der Märchensammlung…………………………………...........21

2.3 Probleme bei der Transkription und Übersetzung der gesammelten Märchen..…….23

2.4 Zum Stand der Erforschung der Maxi-Märchen in Benin……………………..…….24

2.5 Darstellung der aufgezeichneten Maxi-Märchen und ihre Transkription und Übersetzung ins Deutsche……………………………………….……….…...…….25

2.5.1 Märchen Nr. 1: Das Waisenmädchen und seine Stiefmutter………….………….….25

2.5.2 Märchen Nr. 2: Das hartnäckige Mädchen……..…………...……………………….35

2.5.3 Märchen Nr. 3: Die drei Prinzessinnen…………………...………………………....42

2.5.4 Märchen Nr. 4: Der Jäger und die Büffelkuh………………...…………………..….47

2.5.5 Märchen Nr. 5: Das kinderlose Ehepaar…………………..……….……………...…50

2.5.6 Märchen Nr. 6: Der Jäger und seine zwei Frauen……………...……………….…...57

2.5.7 Märchen Nr. 7: Adjado, der Leprakranke und seine Frau …………..……...……….60

2.5.8 Märchen Nr. 8: Die jüngste Königin und ihre Mitfrauen…………...…………..…...63

2.5.9 Märchen Nr. 9: Die Hexe und ihre Mitfrau…………...………………………..……68

2.5.10 Märchen Nr.10: Der gewissenhafte Mann und seine Frau………………...………...71

2.6 Zu den gesammelten Märchen……………………………………..……...…………77

2.6.1 Erzähltechnik bei den Maxi……………...……………………...……………..…….77

2.6.2 Erzählstruktur in den Maxi-Märchen………………...…………………...…………79

2.6.3 Typologie der Maxi-Märchen…………………………………..……………………81

2.6.4 Funktionen der Maxi-Märchen……………………………………………….……...83

3. Das deutsche Märchen…………………………………..………………….……...89

3.1 Definition des Begriffs „Märchen“………………………..……………..………….89

3.2 Das Märchen und die anderen Genres der Oralität………………………………….91

4. Die weibliche Linie in den Maxi-Märchen mit Parallelen und Unterschiede zu den Grimmschen Märchen……………………...………………………………....93

4.1 Das Waisenmädchen..……………………………………………………...………..93

4.2 Die Tochter der Stiefmutter………………………………………..………………..98

4.3 Das Mädchen……………………………………………….……….…………...…100

4.4 Die Prinzessin.……………………………..…………………………...…………..105

4.5 Die Ehefrau………...………………………………………………..….…………..107

4.6 Die Stiefmutter…………………………………………………..…………………114

4.7 Die Königin…………………..…………………………………………………….118

4.8 Die alte Frau…………………………..……………………………………………119

4.9 Die Schwiegermutter……………..………………………………………………...122

4.10 Die Hexe……………………………………………………………………………123

5. Auswertung…………………………………..………………………...…….........125

5.1 Synthetischer Rückblick…………………………………………………................125

5.2 Typisches Frauenbild in den Maxi-Märchen: die böse Mitfrau……………………131

5.3 Typisches Frauenbild in den Märchen der Brüder Grimm: die Spinnerin…………132

6. Schlussfolgerung……………………………………………………………..........135

7. Literaturverzeichnis…………………………………………………………........138

8. Anhang………………………………………………………………….................145

I Vorwort

In einer Vorlesung über Erzählliteratur am Anfang des dritten Studienjahres meines Germanistikstudiums an der Universität Abomey-Calavi in Benin begegnete mir ein Märchen mit folgendem Titel: Das Waisenmädchen und seine Stiefmutter[1]. Das Frauenbild, wie es in diesem Märchen durch das Motiv der Stiefmutter karikiert wurde, hat mich sehr beschäftigt.

Dieses Märchen berichtet von einer Notlage: Eine Vollwaise wird von ihrer eifersüchtigen, unbarmherzigen und bösen Stiefmutter unmenschlich behandelt. Ohne jede berechtigte Grundlage wird das Waisenmädchen von der Stiefmutter hinausgeworfen. Es soll daraufhin zu einem ihm unbekannten Fluss gehen, wo es einen rabenschwarzen Stoff so lange waschen muss, bis er weiß wie Kaolin[2] wird. Aber mithilfe seiner Charakterstärke und seiner Seelengröße besteht das Mädchen alle Aufgaben.

Die Verhaltensweise der Stiefmutter schockiert und entsetzt. Das in diesem Märchen geschilderte Frauenbild hat sich mir so tief eingeprägt, dass es mein Interesse für andere Märchen geweckt hat und ich andere beninische Märchen las, um die Frauenrollen dort zu untersuchen.

Zu meiner großen Überraschung entdeckte ich nun aber in diesen Märchen vielfältige kontrastreiche Frauenbilder, die das negative Bild der Frau entweder bestätigten oder ihm widersprachen. So erzählen weitere Märchen von Untugenden der Frau wie z. B. dem Neid, der Bosheit oder der Indiskretion (vgl.Der Jäger und der Löwe[3], Der Jäger und seine Frauen [4], Die Frau und ihre Söhne[5]) oder von der Sittsamkeit der Frauengestalten im Märchen, z. B. der Liebe, der Wohltat oder der Gutherzigkeit (Vgl. Die Frau und die Panthermutter [6], Ein reicher Mann[7]). Zusätzlich beziehen sich viele Märchen auf die Charaktereigenschaften junger Mädchen und alter Frauen.

Nun stellte sich mir die Frage, ob es ähnlich auffallende und packende Unterschiede bezüglich des Frauenbildes auch in den Märchen anderer Kulturen gibt. So hat mich mein Interesse an interkultureller Märchenforschung dazu gebracht, mir einige deutsche Märchen durchzulesen. Und schon nach einer ersten Analyse habe ich feststellen können, dass eine vergleichende Studie des Frauenbilds in deutschen und beninischen Märchen sehr interessant und vielversprechend wäre. Sowohl in den deutschen als auch in den beninischen Märchen taucht die Frau mit diversen Charaktereigenschaften auf. Beispielsweise kann die Gestalt der Stiefmutter in den Grimmschen Märchen wie z. B. Hänsel und Gretel[8], Frau Holle[9], Aschenputtel[10], Schneewittchen[11],Brüderchen und Schwesterchen[12] als echtes Pendant zur Stiefmutter in den beninischen Märchen Das Waisenmädchen und seine Stiefmutter[13] oder Assiba, das Waisenkind [14] gesehen werden.

Ein anderer Grund, welcher der Festlegung des Themas der nun vorliegenden Arbeit zugrunde lag, war mein erster Aufenthalt in Deutschland. Als ich im Sommer 2007 nach Eichstätt kam, um an einem vom DAAD organisierten Sommerkurs teilzunehmen, nahm ich glücklicherweise neben meinem Sprachkurs an einem Literaturkurs mit dem Titel Frauenfiguren in der deutschsprachigen Literatur teil. Dieser Kurs hat meinen Horizont erweitert. Einen endgültigen Grund bildete schließlich eine Mut machende Mail von meinem beninischen Betreuer, dem Wissenschaftler und Märchenforscher Dr. Mensah Wekenon Tokponto, die er mir während meines Deutschlandaufenthaltes zugesandt hat. In dieser Mail hat er mir auf meine Bitte hin eine Reihe von Themen für meine Magisterarbeit vorgeschlagen, darunter auch das Frauenbild im Märchen. All diese Umstände bestätigten mich in meiner Entscheidung, mich im Rahmen meiner Magisterarbeit mit dem Frauenbild im Märchen näher zu befassen. Und kurz nach meiner Rückkehr nach Benin im Juli 2007 fing ich auf den Rat meines Betreuers hin an, eine Reihe von Reisen zu den Maxi-Dörfern zu unternehmen, um Märchen mit meinem Tonbandgerät aufzunehmen.

Mein Interesse an den Maxi-Märchen erklärt sich in der Tat dadurch, dass es sich um Erzählungen meines Heimatgebietes handelt, in dem ich geboren und aufgewachsen bin. Hinzu kommt, dass ich als Kind an regelmäßigen Märchenabenden in meinem Familienkreis im Dorf Covè-Naogon teilnahm, wobei die Erzähler, darunter meine Großmutter väterlicherseits Kèssèdjo, abends das Publikum auf dem Hof des Familienkreises fesselten, mit den Märchen existentielle Fragen aufgriffen und Antwortversuche gaben. So entdeckte ich die Vielfältigkeit der mündlich überlieferten Traditionen, im vorliegenden Fall der Märchen, die es vermögen, die gesamte Weltanschauung eines Volkes widerzuspiegeln. Außerdem möchte ich einen Beitrag gegen das Vergessen und Verschwinden des Kulturgutes meines Volkes leisten, da die Märchen in Benin wie anderswo in Afrika über Generationen hinweg mündlich überliefert wurden. In der Tat werden die Märchen gemäß ihrer Bedeutung in Maxi-Sprache von alten Menschen erzählt, da die Alten in Afrika dank ihrer Erfahrung und Weisheit als Garanten der Tradition gelten. Aber der Tod eines alten Menschen in einer solchen schriftlosen Kultur bedeutet zugleich das Verschwinden der Sitten, Gebräuche und der traditionellen Gesetze. Zu einer ähnlichen Feststellung gelangt auch der afrikanische Schriftsteller und Ethnologe aus Mali, Amadou Hampaté Bâ: “Mit jedem Greis, der in Afrika stirbt, verbrennt eine Bibliothek”[15]. Deshalb soll die afrikanische Oraltradition durch die Schrift gerettet werden. Dies stimmt mit diesem berühmten afrikanischen Sprichwort überein, das besagt: “Die Worte fliegen weg, aber die Schriften bestehen weiter.” So soll die vorliegende Arbeit als ein Beitrag zur Bewahrung beninischer Märchen bzw. Maxi-Märchen vor dem Aussterben und sogar als ein Glied der langen Kette der jüngeren afrikanischen Erzählforschung verstanden werden. Erst in den letzten Jahrzehnten haben afrikanische, aber auch ausländische Erzählforscher begonnen, die afrikanischen Volksmärchen schriftlich zu bewahren, so zum Beispiel Birago Diop aus Sénégal mit Les contes d´Amadou Koumba, Bernard B. Dadié aus Côte d’Ivoire mit seinem Werk Le pagne noir, François Beney mit Contes de Côte d´Ivoire en pays baoulé, Yves–Emmanuel Dogbé mit seiner Sammlung Contes et légendes du Togo, der ehemalige südafrikanische Präsident Nelson Mandela mit seiner Sammlung Nelson Mandela’s favourite stories for children, Colardelle Diarrasouba mit ihrer wissenschaftlichen Arbeit Le lièvre et l’araignée dans les contes de l’Ouest africain, sowie Denise Paulme mitLa mère dévorante. Auch beninische Schriftsteller wie Paul Hazoumè mit seinem Werk Le pacte du sang au Dahomey, Julien Alapini mitLes noix sacrées, Jean Pliya mit seinem Märchenbuch La Fille têtue, Dominique Aguessy mit ihrem Märchenbuch La Maison aux sept portes. Contes et légendes du Bénin, Christine Gnimagnon Adjahi mit ihrem Buch Le forgeron magicien und Togoun Servais Acogny mit Les récits d’Aloopho trugen zur Verschriftung bei. Hier aber ist zu beachten, dass sich fast alle oben erwähnten Autoren in ihren Werken nur auf die Sammlung und Darstellung der Volksmärchen beschränken, wie der Märchenforscher Mensah Wekenon Tokponto schon bemerkt hat: „[…] Die wenigen Forscher, die sich damit befasst haben, begnügten sich nur mit ihrer Sammlung, ohne auf sie wissenschaftlich und analytisch einzugehen“ [16]. Jedoch allein die Märchensammlung ohne deren Analyse und Interpretation genügt nicht, denn sie kann den beim Leser geweckten Wissensdrang nicht völlig befriedigen. Daher finde ich es hier sehr wichtig, dass die Maxi-Märchen nicht nur gesammelt und schriftlich fixiert werden, sondern auch interpretiert und analysiert werden sollen, damit durch sie dem Leser ein Teil der Kultur eines Volkes näher gebracht wird.

Schwerpunkt der Analyse hier ist das Bild der Frau. Seitens der deutschen Märchenforschung gibt es tatsächlich schon viele wissenschaftliche Arbeiten über die Frau im Märchen. Hier das Beispiel u. a. von Elisabeth Müller mit ihrem Buch Das Bild der Frau im Märchen: Analysen und erzieherische Betrachtungen[17], Elke Feustel mit Rätselprinzessinnen und schlafende Schönheiten: Typologie und Funktionen der weiblichen Figuren in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm [18] sowie Sigrid Früh und Rainer Wehse mit Die Frau im Märchen[19]. Das Frauenbild in deutschen Märchen wäre hier also nichts ganz Neues; das Neue hier liegt in der kulturanthropologischen Studie der Maxi, und mehr noch in der kontrastiven Analyse der weiblichen Linie in den Maxi-Märchen und in den Märchen der Brüder Grimm.

Die Schwierigkeit liegt in der Tatsache, dass beim Lesen oder Hören von Märchen eine falsche Vorstellung von den Frauenrollen in einer bestimmten Kultur entstehen kann. So hat sich diese Arbeit auch zum Ziel gesetzt, das Bild der Frau in der deutschen und beninischen Volksdichtung zu untersuchen. Man beginnt z. B. festzustellen, dass sich gewisse entwürdigende Sichtweisen der Frau in den Märchen auch in einer Gesellschaft bemerken lassen. Indem wir gewisse Frauenbilder in den Märchen anprangern oder gutheißen, können wir auch gewisse soziale Tatsachen bezüglich der Frauenstellung oder -rolle in der Gesellschaft verurteilen oder befürworten. Denn auch wenn in gewissen Gesellschaften eine andere Stellung der Frau wünschenswert wäre, muss eine Befreiung von überholten Frauenbildern behutsam erfolgen. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass die Gesellschaft auseinanderbricht.

Die vorliegende wissenschaftliche Arbeit ist das Resultat monatelanger Forschungen. Hier will ich meine Dankbarkeit all denjenigen zum Ausdruck bringen, die mich in vielerlei Hinsicht unterstützt haben.

An erster Stelle möchte ich mich bei meinen Betreuern Professor Dr. Michael Neumann von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und Dr. Mensah Wekenon Tokponto an der Université d’Abomey-Calavi in Benin für ihre Anregungen und Ratschläge bedanken. Mein herzlicher Dank geht insbesondere an den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) für das Forschungsstipendium und die Beihilfe zur Fertigstellung dieser Arbeit. Einen ganz besonderen Dank richte ich an alle Dozenten der Deutschabteilung der Université d’Abomey-Calavi für die langjährige Ausbildung und ihre Geduld mit mir. Ganz herzlich bedanke ich mich bei meinen Eltern Béatrice Gnansounnou und Pascal Agléwé, besonders meiner Mutter für ihre beständige Unterstützung.

Mein besonderer Dank gilt Herrn Jean Pliya für seine Unterstützung in den unterschiedlichsten Phasen meines Lebens und Studiums sowie für sein Vertrauen. Mein Dank geht ebenfalls an Onkel Nicolas Assogba, auch an meinen Onkel Georges Fanou und seine Frau Nathalie Somavo sowie die Pfarrer Gildas Vigan, Hyacinthe Nassi, Nazaire Kossou und Barnabé Zomakpé für ihren Beistand.

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Familie Beate Schurath und Matthias Kunert, Frau Andrea Heidenhain und meinen Freunden Elena Francesca Sala, Sonia Perez Romero, Jana Hodysova, Alvaro Vergara Zurro, Robert Mᶒżyk und Christian Danielsen für ihre vielfältige Unterstützung und ihr Vertrauen. Bei meinen Freunden Jürgen Wesp und Jochen Schmitt, Tatjana Matveeva, Jana Schuhmann, Maria Geidel, Mélanie Skiba, Steffi Pollithy und Tina Wünschmann bedanke ich mich für ihre Anregungen und Korrekturlesen dieses Manuskripts.

Ich möchte mich bei den Märchenerzählern und Informanten Janvier Kanmadozo, Pascal und Antoinette Agléwé, Joseph Déguénon, Paulin Dah Houawé, Cyriaque Boko, Montcho Michel Adovoékpé, Victor und Joseph Hounsossou, Bernard Tokponho, Constant Allagbé, Dr. Isidore Adéandjou, Boniface Ayéna, Roger Ayinoulè, Nathalie Somavo bedanken, die mir Maxi-Märchen und weitere Auskünfte überliefert haben. Hierbei bedanke ich mich bei meinem Freund Kangnikoé Adama, der mich bei meiner letzten Märchensammlung bei den Maxi begleitet hat.

Schließlich bedanke ich mich bei allen, die mir bei der Verwirklichung dieser Arbeit auf die eine oder andere Weise geholfen haben. Möge der liebe Gott Euch alle segnen!

1. Einleitung

Die Frau gilt als einer der Grundsteine, auf denen die Gesellschaft gegründet ist. Seit Menschengedenken sind ihr Reiz, ihr Mut, ihre Schönheit, ihre Anmut, ihre Eleganz, ihre Tugenden, aber auch ihre Fehler und Unvollkommenheiten in allen Völkern und Kulturen verherrlicht und verurteilt worden. Sowohl schriftliche als auch mündliche Überlieferungen übermitteln verschiedenste Frauenbilder. Romane, Theaterstücke, Gedichte, Novellen sowie Sagen, Mythen, Fabeln, Sprichwörter, Volkslieder und Märchen berichten auf unterschiedlichste Weise von der Frau, ihrer gesellschaftlichen Stellung und Rolle. Aus all diesen Informationsquellen gilt das Märchen als jene, für die sich die vorliegende Arbeit ganz besonders interessiert.

Ziel dieser Magisterarbeit ist, das Bild der Frau in deutschen und beninischen Märchen zu untersuchen. Es geht anders gesagt darum, von je einem begrenzten Korpus Grimmscher Märchen und beninischer Märchen auszugehen - durchaus mit dem Fokus auf dem jeweiligen Frauenbild -, diese beiden Korpora zu vergleichen und dann mit aller gebotenen Vorsicht, nach Gründen für die Unterschiede zu fragen. Bei letzterem Punkt sind auch soziologische Aspekte zu berücksichtigen. Um dieses Ziel zu erreichen, sind u. a. Grimmsche Märchen und zusammengetragene Maxi-Märchen sowie Literatur zum Frauenbild in deutschen und beninischen Märchen zu untersuchen, und einige, die sich auf die Stellung und Rollen der Frau in der Gesellschaft beziehen.

Die Wahl der Maxi-Märchen hängt einerseits mit der Sprachbarriere zusammen. Benin zählt tatsächlich über 55 verschiedene Volksgruppen, die über vielfältige verschiedene Märchenschätze verfügen. Ich selbst jedoch stamme aus der Volksgruppe der Maxi, beherrsche daher deren Sprache sehr gut und bin mit deren Bräuchen vertraut. Zudem ist eine Eingrenzung nötig, um dem zeitlichen Rahmen der Arbeit gerecht zu werden. Andererseits lässt sich diese Wahl durch das geringe Interesse rechtfertigen, das die Wissenschaftler bisher der Maxi-Sprache entgegengebracht haben. In der französischen Fassung seiner Dissertation schreibt Dr. Flavien Gbéto zu Beginn der Einleitung Folgendes: „ […] Malgré les richesses de sa morphologie, le Maxi a bénéficié de très peu d’attention de la part des linguistes africains ou africanistes.“[20] Daraus könnte sich ergeben, dass die afrikanischen Linguisten und die Afrikanisten bisher wenig Interesse an der Maxi-Sprache gezeigt haben, trotz ihrer vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten.

Auf Seiten der deutsch-beninischen Märchenforschung sind die Untersuchungen erst in den letzten Jahren begonnen worden. Eine hervorragende wissenschaftliche Arbeit leistete Dr. Mensah WEKENON TOKPONTO in seiner Dissertation über die Märchen der beninischen Volksgruppe Fɔn im Vergleich mit jenen der Brüder GRIMM, die sich zum Ziel gesetzt hat, „die phonetische Transkription, Studie und Darstellung der Hauptfiguren und Themenvergleich“ [21] zu bewerkstelligen. In einem Teil seiner Arbeit stellt er die Frauengestalten in Fɔn-Märchen, wie zum Beispiel die alte Frau, die Schwiegermutter und die Stiefmutter dar[22]. Märchenbücher aus Benin sind auch ihm zuzuschreiben. Eine vergleichende Analyse zwischen Grimms- und Aizɔ-Märchen lieferte auch Sinseingnon Germain SAGBO. [23] Aber im Vergleich zum vielfältigen Interesse an den Hauptfiguren in der beninischen Oralliteratur ist speziell dem Frauenbild in Maxi-Märchen noch kaum Beachtung geschenkt worden. Wissenschaftliche Arbeiten über Frauengestalten existieren nur in der schriftlichen Literatur, wie z. B. in der Magisterarbeit von Herrn Dr. Simplice AGOSSAVI[24], deren Thema ist: „Frauengestalten in Franz Kafkas Hauptwerken „Der Prozeß“ und „Das Schloß“ und in jener von Frau Sandrine OKOU [25] über das Bild der modernen Frau im Spiegel des Romans „Amanda herzlos“ von Jurek Becker. Bisher gibt es jedoch noch keine vollständige wissenschaftliche Arbeit über die Frau in traditionellen Märchen.

Die Beschränkung im deutschen Textkorpus auf die Grimmsche Sammlung liegt einerseits, neben dem Zeitfaktor, in der Vielfalt des Materials begründet und erlaubt mir außerdem, mich auf Märchen aus einem bestimmten Zeitraum zu beschränken. Andererseits liegt sie in der unbestreitbaren Represäntativität der Grimms Märchen für die deutsche Märchenliteratur begründet. In der Tat haben die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm durch ihre Sammlung der deutschen Volksmärchen einen wichtigen Bestandteil der deutschen Kultur und Zivilisation vor der Gefahr des Verschwindens gerettet. Die Berühmtheit des deutschen Brüderpaars geht weit über die deutschen Grenzen hinaus, und sie sind in Deutschland selbst eine Referenz von erstem Rang in dem Märchenbereich. Diese Tatsache hat auch Ruth Michaelis–Jena festgestellt: “Their extraordinary complementary talents were to exercise a strong influence, far beyond their own country and their own time.”[26] Quirin Gerstl drückt es zusammengefasst so aus:

Neben den Grimmschen Kinder– und Hausmärchen gibt es wohl kein anderes Werk der Jugendliteratur, das sich seit dem Erscheinen (1812) einer so unveränderten Beliebtheit erfreut. Es ist zur Weltliteratur im wahren Sinne geworden. Trotz des steten Wandels im literarischen Geschmack blieb ihr Rang ungeschmälert. [27]

Grimms Märchen, gemessen an dem Thema der vorliegenden Arbeit, werden also hier den Maxi-Märchen gegenübergestellt. Drei Aufenthalte in den Forschungsgebieten haben mir erlaubt, verschiedene Maxi-Märchen über Frauenfiguren mit meinem Aufnahmegerät zusammenzutragen. Ich hatte mich zuerst im September 2008 in Covè, Zagnanado und Ouinhi aufgehalten. Im Dezember 2008 war ich bei einigen Maxi, die in und um Cotonou wohnen. Im März 2009 bin ich nach Savalou und Umgebung gefahren. Dank diesen Feldforschungsreisen hatte ich die Gelegenheit, bei Gewährsleuten, besonders den Alten, die in der vorliegenden Arbeit behandelten Märchen zu sammeln.

1.1 Bedeutung des Begriffs „Maxi“

Die Definition des Begriffs „Maxi“ oder „Mahi“[28] ist eine weitgehend umstrittene Frage, so umstritten, dass die Bevölkerung selbst, die diesen Namen trägt, sich nicht einig über dessen Bestimmung ist. Bei allen Erklärungsversuchen wurde jedoch festgestellt, dass die Definition des Wortes untrennbar mit der Geschichte der Menschen verbunden ist, die es als Ethnonym tragen. Die Definitionen des Begriffs, die mir meine verschiedenen Informanten aus Maxi-Dörfern im Rahmen meiner Feldforschungen gaben, weichen stark von dem ab, was in den Büchern geschrieben wird. In der Hoffnung, dass die ethnologischen Forschungen vielleicht eines Tages dazu führen, im Licht der Geschichte, eine einheitliche Definition des Wortes, noch historisch fundierter und zuverlässiger zu formulieren, möchte ich hier neben den bisherigen Erklärungsversuchen eine kurze Zusammenfassung der verschiedenen Begriffsbestimmungen aus meinen Feldforschungen vorstellen.

Vor der Entstehung des Begriffs „maxi“ waren die betroffenen Menschen unter dem pejorativen Begriff „Só kanmέnu“[29] bekannt.

Dem Historiker Sylvain C. Anignikin[30] zufolge wurde der Begriff „maxi“ erst später von den Herrschern des Königreichs Danxomè[31] erfunden, um diese Bevölkerungen als jene zu benennen, die der königlichen Macht immer widerstanden. Der Begriff „maxi“ stammte etymologisch ursprünglich aus dem folgenden Satz in der Fɔn-Sprache: „mɛ é nɔ má áxi lɛ“ und bedeutet wörtlich "diejenigen (mɛ), die (é nɔ) den Markt (áxi) teilen/ spalten (má). Diese Version weist auf ein Auseinandersprengen bzw. eine gewaltsame Auflösung (má) des Markts (áxi) hin, und betont die Kampflust dieser Menschen. Eine ähnliche Definition des Begriffs liefert das Buch „Doguicimi“ von Paul Hazounmè, der die Hauptursache für dieses Ethnonym mit noch beleidigenderen Schimpfwörtern darstellt, die von den Königen von Abomey zur Charakterisierung des Volks Maxi benutzten. Eine andere Möglichkeit ist, den Begriff auf den Zustand, wütend und verärgert zu sein, zurückzuführen. So sagt man auf Fɔn: „mὲ é nɔ jè ma lέ“, was bedeutet, "diejenigen(mὲ), die (é nɔ) sich auflehnen, rasend vor Wut werden (jὲ ma)“, d. h. anders gesagt diejenigen, die sich empört haben, oder die noch wütender geworden sind. Dieser letzte Satz weist besonders auf die Gewohnheit hin, wütend oder jähzornig zu sein. Sagt man auf Fɔn: „mὲ é nɔ yi ma xi“, dann bedeutet das: diejenigen(mὲ), die (é nɔ) auf den Markt (xi) der Tollwut/ des Wahnsinns/ der Leidenschaft/ des Aufstands (ma) gehen (yi)“. Die beiden Varianten stimmen grundsätzlich überein und drücken den starken Willen aus zu erledigen, zu kämpfen, was eigentlich ein aufständisches Volk kennzeichnet. Darüber hinaus bezieht sich der Ausdruck „maxi“ (mit der Bedeutung: Markt der Tollwut), im Sinne einer ständigen Neigung zur Wut, nicht nur auf eine Haltung, ein Prinzip, sondern auch ein Mittel, eine Methode, eine Praxis, nämlich „oma“. Die „oma “ ist in der Tat eine von den Gun[32] im Königreich von Hogbonou [33] zum Schutz der Institutionen entwickelte Mobilisierungstrategie. Die „oma“ ist ein soziales Phänomen, das durch einen Gruppen- oder Volksaufstand gegen gefährliche Missstände oder Situationen auftritt, um die gesellschaftliche Ordnung zu schützen und zu erhalten. Obwohl das Ritual des „oma“ in dem Königreich Hogbonou elaboriert wurde, ist es dem Historiker Sylvain C. Anignikin zufolge kein Wunder, dass es auch den Maxi bekannt war, die tatsächlich den gleichen Ursprung wie die Ouémènou, Verwandten und Nachbarn der Gun haben. Obwohl es schwierig zu bestimmen ist, zu welchem Zeitpunkt der Begriff „maxi“ gebildet wurde, ist er für jeden Historiker von Bedeutung, um die Geschichte dieser zentralen Region Benins näher zu verstehen. Denn anstatt eine Zufluchtsstätte und eine Oase des Friedens für die Menschen zu sein, die vor der Herrschsucht der Königreiche Oyo und Danxomè flohen, ist letztendlich das Zentrum Benins damals leider eine Falle geworden. Als bevorzugte Jagdrevierstätten von Danxomè, erlebten damals die Maxi-Regionen jedes Jahr die Raubzüge der Truppen aus Abomey auf der Suche nach Sklaven. Aber die Maxi leisteten zwei Jahrhunderte lang den Truppen aus Abomey erfolgreich Widerstand. Der neueste Ansatz zur Definition des Begriffs ist jener, den ich von meinen Informanten bekommen habe. Nach Ansicht von Herrn Janvier Kanmadozo aus Covè, Herrn Marcelin Akodoho aus Ouessè-Wogoudo, Lehrer in der Grundschule „Synthèse“ von Godomey, Herrn Bernard Tokponho alias Louha, Künstler und Sänger aus Aklampa, und Herrn Joseph M. Hounsossou, dem Dorfältesten von Aklampa wäre der Begriff „maxi“ aus dem folgenden Satz in der Fɔn-Sprache gekommen, „mέ é nɔ dó fɔngb é ma xwí lέ“ und bedeutet also wörtlich „diejenigen (mέ), die (é nɔ) nicht verfeinerte Fɔn-Sprache (fɔngbé ma xwí) sprechen (dó). Den Informationen zufolge war dieser Begriff ein Hinweis auf die Auswirkungen, die mehrere Sprachen wie die Fɔn-Sprache oder Fɔngbé und yoruba auf die Sprache der Maxi gehabt haben, ohne unbedingt einen pejorativen Sinn zu haben. Nach ihrem Weggang aus Tado oder Sado, einem ehemaligen Königreich an der Grenze zum heutigen Togo, sind die Vorfahren der Maxi in Fɔn- und Yoruba-Gegenden, wie Agonlin, Kétu oder noch Danxomè und Umgebung umhergezogen und haben sich sogar in diesen Regionen niedergelassen. Aber der Einfluss, den die Fɔn-Sprache auf die Sprache der Maxi ausübte, war so intensiv, dass sich die beiden Sprachen aufeinander hin entwickelten, so dass sich beide Volksgruppen nun unter Vorbehalt verstehen können. Jedoch hat die Ausdehnungspolitik, die die Nachfolger von Houégbadja, dem ersten König von Danxomè, nach dessen Tod im Jahre 1685 betrieben haben, die Flucht der Maxi und weitverstreute Siedlung verursacht. Trotzdem ist die enge Verwandtschaft ihrer Sprache mit Fɔngbé geblieben. Eine Anspielung auf diese Sprachverwandtschaft finden wir in der Doktorarbeit von Mensah Wekenon Tokponto:

Auch nördlich von Agbomè wurde 1858 die Ausdehnungspolitik unter dem König Glèlè verfolgt. Er eroberte Gebiete wie Kpassagon, Dan, Sèto und Savalou, das Mahi- Land, aber auch Ouèssè. Westlich von Agbomè fielen Covè, Zagnanando unter die Kontrolle seines Heeres. Bis heute wird in all diesen Gebieten ein Fɔn gesprochen, das sich aber von der Aussprache her von dem Fɔn aus Agbomè stark unterscheidet.[34]

Wegen ihres Hasses auf diese abtrünnige und aufständische Volksgruppe haben sie die Herrscher von Danxomè im pejorativen Sinne „maxi“ benannt. Diese Bezeichnung war tatsächlich abwertend gemeint, indem sie diese Sprache für unfein hält: „mέ é nɔ dó fɔngbé ma xwí lέ“, daher der Begriff „maxi“, der in der Tat als eine Beleidigung gilt. „ma“ bedeutet auf Deutsch nicht und dem Verb „ xwi“ entsprechen auf Deutsch durchsieben, veredeln, verfeinern. Bei der mündlichen Überlieferung wurde das Wort im Laufe der Geschichte verändert, und daraus entstand das Wort „xi“. Deswegen heißt diese Volksgruppe heutzutage nicht mehr „ Maxwi“ wie damals, sondern „Maxi“, um darauf hinzuweisen, wie stark die Maxi-Sprache durch andere beeinflusst gewesen war, und vor allem auf deren Zusammenhang mit der Fɔn-Sprache hinzudeuten. Diese Erklärung kann wissenschaftlich begründet sein, wenn man bedenkt, dass sich fast alle beninischen Historiker darüber einig sind, dass sich das Volk der Maxi aus verschiedenen Volksgruppen entwickelt hat. Jean Pliya schreibt nämlich in seinem Buch „L’Histoire de mon pays“ Folgendes: „[…] le peuple Mahi, mélange d’Adja et de Nago, très courageux, […] a souvent opposé une admirable résistance à ses ennemis.”[35] In dieser Textstelle behauptet er auch, dass das mutige Volk der Maxi eine Mischung aus Adja und Nago ist. Er fügt hinzu, dass die Maxi nach wie vor ihren Feinden einen bemerkenswerten Widerstand geleistet haben.

Die Worte des Journalisten Dieu-Donné Alidjinou Guy Raoul Gbaguidi geben noch mehr Aufschluss über die vielfältigen Ursprünge des Volkes Maxi:

Les Mahi, venus de Tado en passant par les pays Agonlin se sont établis à Paouignan, Soclogbo, Miniffi et Awaya. Les Mahi de Gankpétin sont venus d'Oyo au Nigéria. Mais c'est l'appartenance à un même espace dominé par les collines qui forge l'identité du territoire. [36]

Gbaguidi zeigt ausdrücklich, dass die in Paouignan, Soclogbo, Miniffi und Awaya lebenden Maxi aus Tado kommen, während die anderen, die Gankpétin bewohnen direkt aus Oyo in Nigeria auswanderten. Der Begriff „maxi“ dient einerseits zur Bezeichnung der maxigbé, d. h. der von dem betroffenen Volk gesprochenen Sprache (hier Maxi: die Maxi und gbé: die Sprache= die Sprache der Maxi), andererseits sowohl als Ethnonym bzw. Bezeichnung des Volkes als auch Toponym, d. h. als Ortsname. So kann man auf Maxi sagen:

- „Ún nɔ dó maxí“ oder „ún nɔ dó maxigbe“ (ich spreche maxi oder die Maxi-Sprache.) - „Maxí wɛ nu mi“ oder „Ún nyí maxí“ (ich bin ein Maxi). Man kann auch den Begriff „maxi“ in diesem Fall durch das Adjektiv „maxinu“ je nach dem Kontext ersetzen, ohne dass es zwangsläufig zur Verwirrung führt, wie Sylvain C. Anignikin meint. Denn der Begriff „maxinu“ bezieht sich in der Regel auf die Anhänger bestimmter Gottheiten bei den Fɔn.[37] - „Ún xwe maxi“ oder „ún xwe maxigbéji“ (ich gehe/ fahre ins Maxi-Land oder die Region der Maxi).

1.2 Geschichte der Maxi

Zur Entstehungsgeschichte der Maxi gibt es verschiedene Versionen. Nach einer stammen die Maxi aus Tado, und nach einer anderen kommen sie aus Oyo, einem alten Königreich im heutigen Nigeria.

Meinen Informanten Bernard Tokponho und Joseph Hounsossou zufolge wären aber die Vorfahren der heutigen Maxi aus dem Kaiserreich Aschanti, dem heutigen Ghana gekommen. Ihrer Meinung nach hätten sich die Vorfahren der Maxi in Togo aufgehalten, bevor sie nach Danxomè und Umgebung auswanderten. Trotz diesen Meinungsverschiedenheiten sind sich die verbreiteten Oraltraditionen und die bisherigen ethnologischen Forschungen einig, dass Tado eine der bedeutenden Stationen auf dem Wanderweg der Maxi ist.

Woher kommen die Maxi eigentlich? Und welches sind die wichtigsten Etappen im Wandel ihrer Geschichte?

Nach den bisherigen ethnologischen Forschungen kann die Geschichte der Maxi insgesamt durch drei Auswanderungswellen geschildert werden.

Die erste Wanderungsbewegung führt die Herkunft der Maxi auf die Regionen Oyo und Ife im heutigen Nigeria zurück. Die Maxi berufen sich auf die große soziokulturelle Gruppe Ajatado, die aus den eigentlichen Aja, den Ewe, den Gun, den Aizo, den Hueda, den Hula, usw. besteht. Obwohl sie tatsächlich nicht mehr Aja sind, erkennen sie jedoch immer ihre Aja-Wurzeln an, aber sie haben nun ihre eigene Persönlichkeit und ihre Sprache, was aber ein gegenseitiges sprachliches Verständnis nicht ausschließt. Nach Historikern, wie Felix Iroko, Sylvain C. Anignikin und Forschern oder Missionaren wie dem französischen Forscher Charles de Lespinay, seien die Vorfahren der heutigen Maxi aus Oyo und Ife im 12. Jahrhundert[38] nach Tado ausgewandert. Unterwegs nach Tado hätten sie sich, nach den Schriften von A. Felix Iroko, eine Zeit lang in Kétu aufgehalten. Dies belegt das folgende Zitat: “Lors de leur migration en direction de l’Ouest, ils ont séjourné, sinon vécu à Kétu où ils auraient même réussi à placer sur le trône plusieurs rois.“[39] Der Wissenschaftler hebt also hervor, dass die Vorfahren der Maxi während ihrer Wanderung nach Westen Kétu besiedelt hätten, wo sogar mehrere Maxi-Könige den Thron bestiegen hätten. Aber diese geschichtliche Version aus Tado wird von den Inhabern der Tradition in Kétu stark abgelehnt und sogar ins Lächerliche gezogen. Dem Historiker A. Felix Iroko zufolge wäre selbst der Yoruba-Ursprung der Aja fraglich. Dies spricht er an, wenn er schreibt : “Leurs ancêtres seraient venus de quelque part au Nigeria, peut-être du pays yoruba, sans qu’ils soient nécessairement des Yoruba, en dépit des hypothèses du Révérend père Jacques Bertho.“[40] Hierbei zeigt er ausdrücklich im Gegensatz zu Pfarrer Jacques Bertho, dass die Maxi trotz ihrer Herkunft aus Nigeria, nicht unbedingt aus der dortigen Yoruba-Volksgruppe gekommen seien. Die Aja, Vorfahren der Maxi, gründeten Tado in Togo. Sehr früh ist Tado zum Sitz einer Herrschaft geworden, aber auch zugleich zum Fokus einer Zerstreuung von Menschenmengen aus verschiedenen Gründen, darunter Streitereien um die Thronbesteigung. Viele einzelne Wanderer oder Gruppen von Wanderern gingen in Richtung Osten, als ob sie noch einmal nach Nigeria, ihr Herkunftsland gehen wollten. Bei diesen Rückzugsbewegungen der Aja entstanden zu verschiedenen Zeiten etwa fünfzehn soziokulturelle Gruppen, die heute dem Kulturkreis Ajatado zugeordnet werden: Fɔn, Gun, Waci, Saxwɛ, Tɔlinu, Sɛtɔnu, Tɔfinu, Aïzɔ, Maxi, Kotafɔn, Xweɖa, Xwla, usw. So führten die Auswanderungswellen die Maxi und auch die Fɔn nach Agbomè[41] und Umgebung wie z. B. Houawé, wo bereits die Gédevi [42] lebten. Ein weiterer Teil der Maxi ging in Richtung Agonlin, und die Regionen zwischen Kétu und dem Fluss Ouémé. Laut einigen Quellen hätten die Maxi sogar ihr goldenes Zeitalter mit der Gründung einiger Maxi- Königreiche wie Gbowèlè, Tchahunka und Houndrjoto erlebt[43]. Das erwähnt auch Sylvain C. Anignikin:

En dépit de leur grande diversité et de leur très forte volonté d’indépendance, ces communautés ont été progressivement organisées en espaces de pouvoir. C’est ainsi qu’ont pris corps les chefferies ou royaumes de Gbowèlè au sud du « couloir mahi », celui de Tchahounka à l’est, de Houndjroto au nord. [44]

Der Historiker weist hier darauf hin, wie die Maxi trotz ihres starken Strebens nach Unabhängigkeit inzwischen dazu gekommen sind, sich in Machträume zusammenzuschließen. Die Entstehung mächtiger Staaten wie des Königreichs von Kétu im 15. Jahrhundert, und vor allem des Königreichs von Danxomè im 17. Jahrhundert, hat jedoch zur Verdrängung der Maxi im 17. Jahrhundert in die Regionen zwischen den Hügeln von Dassa im Westen und dem Fluss der Ouémé geführt. Dort fanden sie einen Zufluchtsort und landwirtschaftliche Nutzflächen. So entstanden Regionen wie Awai, Miniffi, Dovi-Somè, Dovi-Zoumè, Tchahunka. Andere Maxi gingen unter diesen Umständen in die Region Agonlin und zwar Cove, Zagnanado und Ouinhi, und fanden hier Zuflucht. Von dort aus ging eine Minderheit in Richtung Kétu und eine andere in Richtung Dassa, wo sie sich in Kpanhouignan, Soclogbo, Miniffi und Awaya niederließen.

Die zweite Auswanderungswelle der Maxi bezieht sich auf eine Minderheit der Maxi, die Gankpétin bewohnen. Diese kamen angeblich nicht aus Tado. Nach verbreiteten Oraltraditionen und einigen ethnologischen Bibliographien, wie z. B. den Schriften von Dieu-Donné Alidjinou Guy Raoul Gbaguidi, sollen die Maxi von Gankpétin unmittelbar aus Oyo in Nigeria kommen, und sich in Gankpétin, nahe Paouingnan niedergelassen haben. [45]

Die dritte Völkerwanderung der Maxi hat nach Ansicht von Bernard Tokponho, Marcelin Akodoho und Joseph Hounsossou die Region der Hügel von Dassa als Ausgangspunkt. Wegen der saisonalen Raubzüge der Truppen aus Danxomè auf der Suche nach Sklaven flohen einige Maxi auf den Hügeln von Dassa in Dörfer bei Tchébélou, wo sich die Yoruba früher niedergelassen hatten. Erst später sind einige Fɔn-Wanderer aus Danxomè, nämlich Ahossou Soha und sein Gefolge nach einem Streit mit seinen Verwandten um die Machtübernahme in Ayanmin, seinem Heimatdorf, in dieser Region angekommen [46]. Ahossou Soha, auch Gbaguidi der Erste genannt, herrschte aber sehr früh mit List und Gewalt über die Yoruba von Tchébélou und die Maxi der Umgebung, und gründete das Königreich Savalou. Seine Brüder setzten sich aber vom Feld ab, zogen weiter nördlich und gründeten Orte wie Doissa, Wogoudo, Agbanlè, Agbangnizué, Aschahué sowie Kutago, die zuvor von den Yoruba aus Ilè Ifè, im heutigen Nigeria, besiedelt waren. Die Hegemonie von Ahossou Soha erstreckte sich auf alle Regionen und Nachbarregionen. So erhob sich Savalou, zuvor von den Yoruba, danach von den Maxi und schließlich von den Fɔn zusammen bevölkert, allmählich zum echten Maxi-Machtraum. Die Nachfolger von Ahossou Soha legten dem König von Danxomè einen Treueid ab. Deshalb sprechen die Maxi im Osten, d. h. zwischen den Hügeln von Dassa und dem Fluss Ouémé denjenigen aus Savalou das Maxi-Ethnikum ab, aus dem Grund, dass diese die historische Erfahrung nicht gemacht haben, dem Danxomè-Königreich Widerstand entgegenzusetzen. Bezüglich der Region der Maxi aus Savalou, schreibt Augustin Aïnamon „Quoique n’étant pas elle-même considérée comme une localité maxi à proprement parler, elle est maxi de deuxième ou troisième génération en quelque sorte“[47]. Hier betont er die Bedeutung von Savalou, die aus heutiger Sicht betrachtet, als eine Maxi-Region gilt, obwohl das ursprünglich nicht der Fall war.

Wie bereits oben erwähnt, wurde diese Erfahrung der Ablehnung der Hegemonie von Danxomè durch wichtige Ereignisse gemacht, wie die Auswanderung dieser Menschen in die Hügel des Zentrums Benins, als sie vor den Truppen von Houégbadja flohen. Dieser historische Vorfall führte zu einer Unterscheidung zwischen den Maxi-mɔsó ( Maxi mɔ só) einerseits, wörtlich „Die Maxi (Maxi) finden (mɔ) Hügel (só)“), d. h. die Maxi, die an die Hügel gelangt sind, und die Maxi-baso oder Maxi-basokpo (Maxi ba só kpo) andererseits, buchstäblich Maxi (Maxi) suchen (ba) Hügel (só))“, ein Ausdruck negativen Ergebnisses (kpo= nicht ), der bedeutet die Maxi, die nicht an die Hügel gelangt sind (während ihrer Flucht vor den Truppen aus Danxomè) [48].

Das Aufblühen der drei Königreiche, die die geschichtliche Bedeutung der Maxi deutlich machen, erregte die Begehrlichkeit von Danxomè. Nach R. Norris, einer der wenigen Europäer, die im 13. Jahrhundert nach Abomey fuhren, wollte der König Tégbessou (Bossa Ahade) die drei Königreiche, nämlich Gbowèlè, Tchahunka und Houndrjoto, in ein Reich zusammenschließen, das von einem Mann gemäß seinem Willen geführt werden sollte [49]. Angesichts der Weigerung der Maxi, die mit den Worten Thomas C. Anignikin „jalouses de leur indépendance“[50], d. h. sehr „eifersüchtig auf ihre Unabhängigkeit“ sind, stellten dann die Könige von Abomey ab dem letzten Viertel des 13. Jahrhunderts zu jeder trockenen Jahreszeit für die systematische Zerstörung der Maxi-Reiche und –Herrschaften einen Plan auf. Das Unternehmen begann im Jahre 1789 formell mit den kriegerischen Auseinandersetzungen vom König Agonglo gegen Gbowèlé und endete mit der Zerstörung dieses Königreichs. Die jährlichen Feldzüge von Danxomè gegen die Maxi wurden unter der Herrschaft von Adandozan (1797 - 1818) und vor allem unter Ghézo (1818-1858) fortgesetzt, dessen entscheidender Sieg über die Heere von Oyo 1822 in Paouingnan dann die Herrschaft des Königreichs Abomey auf die Maxi-Regionen ausdehnte. Diese Zeit war durch zwei wichtige Ereignisse im Jahre 1823 geprägt: Zum einen der Sieg der Maxi von Houndjroto über die Truppen von Abomey 1823. Die Niederlage von Danxomè wurde in Abomey als eine Demütigung von Ghézo erlebt, der dadurch seinen Bruder, den Prinzen Toffa verlor. Das zweite Ereignis war der zweite Feldzug von Danxomè, der mit einem Blutbad und der Zerstörung von Houndjroto 1832 endete. Der englische Forscher Duncan, der sich einige Jahre nach dem Sieg von Danxomè an Ort und Stelle begab, spricht von 6000 Toten und beschreibt das Schlachtfeld mit apokalyptischen Begriffen[51]. Es war der König Glèlè, der die Feldzüge gegen die Maxi abschloss. Die wichtigsten Maßnahmen seiner Herrschaft waren gegen das Königreich Tchahounka gerichtet, das in der Schlacht von Soclogbo 1877 zerstört wurde. Zu diesem Zeitpunkt wurden alle Maxi-Reiche und –Herrschaften zerstört und die besiegten Volksgruppen getötet oder versklavt, um den Sklavenhandel zu bedienen. Die wenigen Menschen, die diesem Massaker entkommen konnten, gingen nach den Schriften des Priesters Abbé Pierre Mund[52] “chercher asile à Agoué sur la côte, où elles conservent leurs idoles, leur culte, leur langue et leurs usages au milieu des Mina“, d. h. sie suchten Asyl in Agoué an der Küste, wo sie ihre Idole, ihre Religion, ihre Sprache und ihre Bräuche bei der Volksgruppe Mina pflegten. Die verschiedenen kriegerischen Auseinandersetzungen der Könige von Agbomey in den Jahren 1780 und 1895 führten auch, nach Ansicht von Azonaha [53], zu einer bedeutenden Auswanderungswelle der Maxi nach Atakpamé, einem Ort im Zentrum des heutigen Togo. Die drei Königreiche, die für die Geschichte der Maxi stehen, nämlich Gbowèlé, Tchahounka und Houndjroto, gingen unter, und wurden der Regierung der Könige von Danxomè unterstellt.

1.3 Siedlungsgebiete[54] und Beschäftigungen der Maxi

Dieser Teil der Arbeit setzt sich zum Ziel, sämtliche Ortschaften in Benin aufzuführen, in denen die Maxi wohnen und wo die Maxigbe bzw. die Maxi–Sprache als Hauptkommunikationsmittel verwendet wird. Die hier vorgelegten Auskünfte stützen sich zum größten Teil auf geschichtliche Angaben und auf die von vertrauten Gewährsleuten[55].

Wie oben dargestellt, haben die Maxi jahrelang dem Königreich Danxomè Widerstand geleistet. Auf der Suche nach einem Zufluchtsort und fruchtbaren Boden sind die Maxi in verschiedene Richtungen gezogen. Deshalb befinden sie sich heute verstreut in verschiedenen Dörfern im Zentrum der Republiken Benin und Togo in Westafrika.

So bewohnen die Maxi im Departement du Zou die Verwaltungsbezirke von Covè, Zagnanado (abgesehen vom Dorf Agonlin-Houégbo) [56] und Ouinhi. Im Département des Collines sind die Maxi in Savalou (mit Ausnahme von Tchèti, Doumè, Djalokou) und Ouèssè (außer Kilibo, Toui und Tchala-Ogoyi) ansässig [57]. Ausser Savalou und Ouèssè bewohnen sie auch die Verwaltungsbezirke von Dassa-Zoumè (in den Dörfern Kpanhouignan, Kpékpédé, Soklogbo, Gankpétin, Awaya, Gbafo, Adjallè), und Glazoué (in Tiyo, Wêdêmè, Assanté, Aklampa, Hoco, Agouagon, Kpassassa, Gbanlin und dem Stadtzentrum Glazoué). Im Département du Plateau bewohnen die Maxi kleine Dörfer in der Nähe von Kétu wie z. B. Kpankou, Gangnigon, Adjozounmè, Evêdji, Etigbo und Dakplamè.

Das geographische Milieu der Maxi ist durch Palmenbäume, Savannen, kleine Wälder mit Tieren wie Hasen und Hirschkühen gekennzeichnet. Einige Flüsse wie Ouémé, auch Wɔ oder Wɔgbo genannt, Azli oder Slé fließen durch das Maxi-Land. In den Märchen werden diese Flüsse ab und zu bei ihren traditionellen Namen genannt, wie z. B. im Märchen Nr. 1 aus meiner Sammlung.

Die verschiedenen Maxi-Gebiete haben dieselben geographischen Merkmale wie andere soziokulturelle Regionen, die im Süden und Zentrum Benins liegen. Die Temperaturen bleiben das ganze Jahr hoch mit zirka 26°C im März und 24°C im August. Das Gebiet kennt ein Klima mit vier Jahreszeiten: eine lange Regenzeit von April bis Juli, eine kurze Trockenzeit von August bis September, eine kurze Regenzeit von Oktober bis November, eine lange Trockenzeit von Dezember bis März[58]. Die meisten Maxi sind Bauern, und betreiben Viehzucht, vor allem Ackerbau. Sie bauen u. a. Mais, Erdnüsse, Bohnen, Ölpalmen, Wurzeln (Jamswurzeln, Maniok, Süßkartoffeln usw.), Gemüse und Gewürze an. Nutztiere wie Ziegen, Schafe, Rinder, Enten, Hühner, Tauben werden gezüchtet, mit denen auch Handel betrieben wird. Hinzu kommen auch die Schmiede- und Kupferarbeit, sowie die Holzschnitzerei. An der Feldarbeit sind alle Familienmitglieder beiderlei Geschlechter beteiligt, aber der größte Teil fällt dem Mann zu. Die Jagd zählt zu den Lieblingsaktivitäten der Männer. Die Frauen sollen zu Hause bleiben und sich um den Haushalt sowie die Kindererziehung kümmern. Sie helfen auch auf dem Feld mit. Diese traditionelle Sichtweise der Hausfrau beweisen zahlreiche Maxi-Märchen, wie z. B. die Märchen Nr. 4, 5, 6 und 7 aus meiner Sammlung. Sie dürfen auch Handel treiben und auf dem Markt Lebens- und Nahrungsmittel, Nutztiere und weitere Produkte verkaufen.

Bis heute gibt es noch keine zuverlässige Volkszählung der Maxi in Benin. Die bisher sozio-linguistischen durchgeführten Studien stellen nur ungefähre Angaben. Also wenn man sich auf Zahlen der Volkszählung von 1979 durch die INSAE[59] stützt, würde die Zahl der Sprecher der Maxi 165.000 in Benin betragen.[60]

1.4 Glauben und Religionen der Maxi

Der Glaube und speziell der Glaube an Gottheiten spielen eine große Rolle im Alltag der Maxi. Die Gottheiten bei den Maxi sind Naturgötter, meistens durch Elemente der Natur wie Stein, Berge, Baum, Schlange usw. dargestellt. Obwohl sie viele Ähnlichkeiten mit den Gottheiten der anderen soziokulturellen Gruppen im Süden und Zentrum Benins haben, sind einige Rituale typisch für die Maxi. Bei den Maxi wie sonst überall in Benin glaubt man an die Existenz einer unsterblichen Seele, und zwar „lindɔn“ oder „Sέ“, die sich nach dem Tod im Land der Toten mit verstorbenen Verwandten und Freunden in der Mitte seiner Güter, wie z.B. Kleidung, Geschirr usw. wieder findet. Man glaubt auch an Wahrsager und Orakel. Der Wahrsager, „Bokɔnɔ“ genannt, ist der Priester des Fa, des Orakels, das erlaubt, die Zukunft und das Schicksal der Menschen vorher zu sagen. Diese Wissenschaft stammt aus Ilè in Nigeria. Der Bokɔnɔ kennt auch die Medikamente und Kräuter. Ferner werden bei den Maxi Amulette, namens „bó“ benutzt.

Viele Götter werden bei den Maxi angebetet. Über allen steht das schöpferische Paar Lisa-Mawu, der Oberste, der Schöpfer der Welt. Er hat die Kräfte in der Welt unter seinen Söhnen, den Nebengöttern, namentlich "Vodún" geteilt, die auf die Dinge und das Schicksal der Menschen einwirken. So stellt sich ungefähr das Maxi-Pantheon vor:

- Sέgbo-Lisa: entspricht der Sonne und Mawu dem Mond

- Xɛbyoso: der Gott des Donners, des Blitzes. Es wird durch einen Widder symbolisiert, seine Anhänger tragen eine zweischneidige Axt.

- Die Tɔhɔsú: sind die Vorfahren, die verehrt werden sollen.

- Blúkú: eine Nago-Gottheit aus Oyo, im heutigen Nigeria, oft als Erzeuger anderer Götter, wie Kǔn, oder Gǔ bei den Fɔn betrachtet. Er wird in Aklampa angebetet. Sein Pendant in Covè wäre Dɔvɔ.

- Kǔn: (oder Gǔ bei den Fɔn): Gott der Schmiede, der Krieger, der Jäger. Er ist sehr bekannt. - Dan: entspricht der heiligen Schlange, die sich in verschiedenen Formen offenbart (s. Märchen Nr. 5) wie z.B. Dangbé, die Schlange Python, Dankɔli in Savalou, die sich in Kpassakanmè, zwischen Mondji und Koutago befindet. Um Reichtum, Fruchtbarkeit und allgemein Schutz zu erlangen, wird er zur Hilfe gerufen.

- Die Xòxò: die Zwillinge, die verehrt werden, und Fruchtbarkeit sowie Glück symbolisieren. - Bosuxwékpɔn oder Bòsikpɔ n: Schutzgott, der vor dem Fluch der Hexen schützt. - Lὲgba: ein negativer und schelmischer Gott, der sich gegen die Menschen und die Absichten der Vorsehung gerne stellt. Um seine Übeltaten zu vermeiden, werden ihm Opfergaben dargebracht. Er ist mit einer Erdscholle in einer menschlichen Gestalt dargestellt. Dennoch ist er nach Ansicht einiger Wissenschaftler Bote zwischen Gott und den Menschen: „C’est selon les sociologues, le messager le plus utilisé dans les relations entre Dieu (Mawu) et les hommes“[61]. Dieser Behauptung nach wäre Lὲgba, Soziologen zufolge, der häufigste Kurier zwischen Gott (Mawu) und den Menschen.

- Kɛnlɛnsi: ist die Göttin der Hexerei. Ihre Wiege liegt in Abomey-Calavi. Manchmal sind bestimmte furchtbare Krankheiten in den Rang von Gottheiten erhoben. In diesem Fall dient ihr Kult dazu, sie zu beruhigen, und sie um Gnade anzurufen. zum Beispiel: - Sàpkàtá oder Sàpkàná in Manigri (im Nordbenin): Gottheit der Pocken, die in dem ganzen Süd-Benin sehr verbreitet ist. Unter den irdischen Göttern, nämlich „ayǐvodun“ wurde ihm ein Ehrenplatz eingeräumt.

Die Priester des "Vodún“, die Priesterinnen, die Gläubigen werden in Klöstern eingeweiht, wo sie eine Art Noviziat durchlaufen.

Außerhalb der traditionellen Religionen ist die relativ neue Erscheinung der importierten Religionen wie Islam und Christentum erwähnenswert, die einen tiefgreifenden Einfluss auf die Sitten der Maxi ausübte und einen neuen Kalender der Feiertage einführte. Mit der Übernahme dieser neuen Religionen wird auch das System des Schreibens der beninischen Landessprachen, darunter Maxigbe bzw. die Maxi-Sprache, eingeführt, die im folgenden Kapitel untersucht wird.

1.5 Die Maxi-Sprache

1.5.1 Sprachzugehörigkeit der MaxiBenin verfügt über mindestens 52 Sprachen[62], darunter die Maxi-Sprache oder Maxigbé. Nach bisherigem Stand der Forschung können die Sprachen in Benin zu drei linguistischen Hauptgruppen eingeteilt werden[63]:

- die Gruppe Kwa, die sämtliche im Südbenin gesprochenen Sprachen umfasst, wie z. B. Fɔngbé, Yoruba, usw.,

- die Gruppe Gur oder Voltaisch, zu der die meisten Sprachen Nordbenins zählen, z. B. Gulmacema, Ditammari usw. und

- die Gruppe der afrikanisch-asiatischen und anderen Sprachen, wie z. B. Anufom, Basa.

Jede Sprachengruppe teilt sich in Untergruppen oder Sprachenzweige, die jeweils aus verschiedenen Dialekten bestehen. Die Maxi-Sprache oder Maxigbé gehört zur Gruppe der Kwa–Sprachen, die sich in zwei wichtige Sprachenzweige gliedern lassen: Èdè und Gbé.Èdè besteht aus Sprachen, die in der soziokulturellen Region Yoruba gesprochen werden und zwar Yoruba, Cabε, Idaca, Ica, Ifε, Bassa usw. Gbé umfasst alle Sprachen, die das Wort Gbe verwenden, um das Wort Sprache zu bezeichnen, wie z. B. Fɔngbe, Tɔfingbe, Xwlagbe, Xweɖagbe, Saxwegbe, Ajagbe, Gεngbe, Wemεgbe, Maxigbe, Cigbe, Ajagbe, Sεt ɔgbe und Agunagbe. Die Maxi-Sprache lässt sich dem Sprachenzeig Gbe zuzuordnen. Nach Meinung des Sprachwissenschaftlers Capo ersetzt der Begriff Gbe den zuerst von dem berühmten deutschen Afrikanisten Westermann benutzten Begriff Ewe, der nicht geeignet und restriktiv schien.[64] Gbe gehört zu einer der vier Sprachenunterabteilungen der „Left Bank“, einer Klassifizierung der afrikanischen Sprachen in Unterabteilungen der Sprachwissenschaftlersgruppe New Kwa aus Stewart. Von den phonologischen Innovationen der Gbe-Sprachen ausgehend, teilt der Wissenschaftler Capo diese Sprachen in fünf Gruppen ein, nämlich Vhe,Gen, Aja, Phla-Phéra und Fon. Der letzten Gruppe ist die Maxi-Sprache einzuordnen. [65]

Das bei der Transkription der Märchen verwendete Alphabet ist das der beninischen Nationalsprachen (Alphabet des langues Beninoises, adopté par Decret Gouvernemental: N.75-272 du 24 octobre 1975) mit den im Oktober 2005 hinzugefügten Verbesserungen des Linguistikzentrums Benin (Centre National de Linguistique Appliquée (CENALA))[66]. Wie die anderen Kwasprachen ist die Maxi-Sprache eine Tonsprache. Hier ist eine kurze Abhandlung des Alphabetes mit einigen Besonderheiten.

1.5.2 Alphabet der Maxi-Sprache

Das Alphabet der Maxi-Sprache weist mit den anderen Kwa-Sprachen viele Gemeinsamkeiten auf. Das Alphabet umfasst 36 Buchstaben. Es besteht aus zwölf Vokalen und 24 Konsonanten. Die Vokale lassen sich in zwei Gruppen teilen: Es gibt sieben einfache mündliche Vokale und fünf nasale Vokale. Die Konsonanten werden ebenfalls in zwei Gruppen aufgeteilt: darunter 21 einfache Konsonanten und drei Digraphen (aus zwei einfachen Konsonanten bestehend).

Das Alphabet

a an b c d ɖ e ε ɛn f g gb h i in j k kp l m n ny o ɔ ɔn p r s t u un v w x y z

1.5.2.1 Vokale

Die einfachen mündlichen Vokale

A a [ a ] àwà (der Arm) …………………wie im Wort die Ratte

E e [ e ] gbetɔ (der Jäger)………………. - die Feder

ɛ ɛ [ ɛ ] gbɛtɔ (der Mensch)………….... - fällen

I i [ i ] àlì (der Weg)…………………... - der Gipfel

O o [ o ] tò (das Land)…………………... - die Sohle

Ɔ ɔ [ ɔ ] tQ (der Vater)………………….. - die Tonne

U u [ u] àxɔsú (der König)……………… - der Mut

Die nasalen Vokale

IN in [ in ] àtín (der Baum)…………………wie im Wort die Linse

ɛN ɛn [ ɛ̃ ] kέnkún (die Guave)…………….. - das Ende

ƆN ɔn [ ɔ̃ ] hRn (die Tür)……………………. - der Onkel

UN un [ ũ ] wùn (der Dorn)…………………. - der Hund

AN an [ ã ] àsán (die Rassel)…………….... - die Tante

1.5.2.2 Konsonanten

Die einfachen Konsonanten

B b blὲ (die Nadel)……………………..wie im Wort die Bombe

C c còcò (das Palmnußkernöl)………… - Tschüss

D d détín (die Palme)………………..... - die Dose

Đ ɖ [ ɖ ] ɖR (das Fischnetz)……………( keine Entsprechung im Deutschen)

F f fQfì (das Streichholz)……………….wie im Wort der Fisch

G g gota (die Trinkflasche)…………......... - gegen

H h hàn (das Lied)…………………….....wie im Wort der Hut

X x xasùn (der Korb)…………………….. - hoch

J j jR (die Kopflaus) …………………...... - das Genie

K k kɛkέ (das Fahrrad)…………………… - kein

L l linfín (das Mehl)…………………..... - das Leid

M m mà (das Gemüse)…………………….. - die Mama

N n nakí (das Brennholz)………………… - nennen

P p pɛɛ (genau)……….………………….. - lumpen

R r nujlɛnu (der Meter)………………….. - rühren

S s sQ (das Pferd)…….………………….. - der Pass

T t tán (der Teich)……………………….. - die Tüte

V v vì (die Kolanuss)…………………….. - wann

W w wiwi (schwarz)………………………. - der Workaholic

Y y - yὲ (der Geist) ………………………… - das Jahr

- myɔ (das Feuer) Zwischen einem Konsonanten und einem

Vokal liest sich das y wie ein i [ i ]…… - Linie

Z z zàn (die Matte)………………………. - die Sonne

1.5.2.3 Digraphen

GB gb [g͡b] gbQ (die Ziege)……………… (keine Entsprechung im Deutschen)

NY ny [ ŋ ] nyibú (das Rind)…………………….wie im Wort lang/ der Finger

KP kp [k͡p] kpá (der Zaun)………..……… (keine Entsprechung im Deutschen)

1.5.2.4 Weitere Besonderheiten

Das Alphabet der Maxi–Sprache zählt somit fünf Buchstaben mehr als das deutsche Alphabet (ɖ, gb, kp, ny, ɔ). Es gibt dennoch Buchstaben, die das Maxi- und das deutsche Alphabet gemeinsam haben, und die auf dieselbe Weise ausgedrückt und –gesprochen werden (z. B. e wie in leben, u wie in suchen und o wie in loben).

Da die Maxi-Sprache eine Tonsprache ist, spielen die mündlichen Doppelvokale, der mittlere Ton, der Hochton, der Tiefton und der tiefsteigende Ton eine bedeutende Rolle beim Verständnis eines Wortes.[67] So unterscheiden sich die mündlichen Doppelvokale von den einfachen Vokalen in der Aussprache. Als Beispiele: ii: wíwí víí (tief schwarz), éé: géé (gewiß, sicher). Hier bedeutet das Wort „ gee“ „sicher“; aber „ge“ mit einem e bedeutet die „Fußspitze“.

Ein Wort kann mehrere Bedeutungen haben, je nach dem, ob es hoch, tief oder tiefsteigend ausgesprochen wird. In diesem Sinne schreibt Atabavikpo Folgendes: „Wird ein Wort falsch betont, so hat es automatisch einen anderen Sinn, oder es gibt dieses Wort gar nicht in der Sprache. Der Ton bestimmt also den Sinn des Wortes“.[68] Hier nun einige Beispiele:

Der mittlere Ton:

Das wird nicht gekennzeichnet:

kpɔ: der Panther

ta: der Kopf

ge: die Fußspitze

vivi: das Erbrechen

to: das Land

Der Hochton: [´]

kpQ: zusammen

tá: anschalten

tó: das Ohr

Der Tiefton: [`]

gè: basteln

tò: ordnen

vì: Kolanuss

Der tiefsteigende Ton: [ˇ]

Tǎ: der Familienchef

Gě: die Droge

Vǐ: das Kind

Vǐvǐ: die Süsse, die Sanftmut

2 Die Märchenkultur der Maxi

2.1 Die Bedeutung des Begriffs „Maxi-Märchen“

Mehrere Begriffe werden bei den Maxi zur Bezeichnung des Märchens benutzt, nämlich hwénuxó, yɛxó, xɛ xó oder aglǔ. Der Begriff hwénuxó wird in allen Maxi-Regionen verwendet. Er hat eine doppelte Bedeutung. In den Regionen, wie Aklampa, Savalou, Logozohè, Mondji, Wèdemey, Ouèssè-Wogoudo wird der Begriff aglǔ bevorzugt, der die gleiche Bedeutung wie der Begriff hwénuxó hat. Für die Etymologie des Begriffs aglǔ konnte keine befriedigende Antwort gefunden werden. Selbst meine verschiedenen Informanten, die jedoch alle im unterschiedlichen Alter sind, konnten keine überzeugende Definition geben. Nur für die anderen Synonyme wurde eine etymologische Bestimmung gefunden. So ist der Begriff hwénuxó, das Märchen bei den Maxi, nach der Erklärung meiner Informanten ein doppelsinniges Wort. Der Begriff besteht aus zwei Wörtern und zwar hwénu (die Zeit, der Moment, die Epoche) und xó (das Wort, der Satz, der Spruch).

- Das bedeutet einerseits die Erzählung von dem, was in einer bestimmten oder gekannten Epoche geschehen ist. So bezieht sich hwénuxó in diesem Sinne auf die anderen Volkserzählungen nämlich die Legende, die Sage, das Epos und den Mythos [69]. Inhaltlich gesehen können im hwénuxó die Heldentaten der Vorfahren oder eines Königs während seiner Herrschaft gepriesen werden.

- Andererseits bedeutet der Begriff hwénuxó eine volkstümliche Erzählung, bzw. Geschichte, die auf die Urzeiten, nämlich auf einen ganz unbestimmten Zeitpunkt zurückgeht. Die Geschichte spielt in einer Zeit, wo alle Wünsche in Erfüllung gehen konnten, und wo die Menschen, die Tiere, die Bäume, die Flüsse, kurz alle Lebewesen und unbelebten Wesen sprechen und einander sprachlich verstehen konnten. Der Begriff hwénuxó gilt natürlich in dieser Hinsicht als ein Gemisch aus Fiktion und Realität.

In der Region Agonlin und in Assanté, Gbanlin, Thio, Agouagon wird das Wort yɛxó am häufigsten verwendet. Yɛxó bedeutet wörtlich das Wort vom Geist (der Geist (yɛ), das Wort (xó)) und weist somit auf etwas hin, was nicht wahr oder nicht real ist oder gegen die Naturgesetze verstößt. Ferner stellt man fest, dass das Wort yɛ vom Verb wayɛ in der Maxi-Sprache kommt und auf Deutsch betrügen bedeutet. So bedeutet yɛxó oder das Märchen auf Maxi trügerische Worte, oder Lügen. Dieser letzte Sinn hängt mit der zweiten Bedeutung des Wortes hwénuxó zusammen. Dennoch gibt es einige Maxi wie meine Informanten Janvier Kanmadozo, Cyriaque Boko aus Covè und Bernard Tokponho aus Aklampa, die sich gegen die Ansicht stellen, dass das Märchen eine trügerische Erzählung wäre. Ihrer Meinung nach wäre es eher ziemlich schwierig zu bestimmen, was im Märchen fiktiv und was real ist, umso mehr, als das Märchen ursprünglich auch xɛxó benannt wurde, d. h. durch Vögel überlieferte Geschichte. (xɛ= der Vogel, xó= das Wort, der Satz, der Spruch). Wenn also das Märchen eine durch die Vögel überlieferte Geschichte ist, dann vermag derjenige nicht, der nicht zum Zeitpunkt der Ereignisse gelebt oder nicht daran teilgenommen hat, ihre historische Wahrheit zu bestätigen oder ihr zu widersprechen. So geht der Ursprung des Märchens auf die Urzeit zurück, wo die Menschen, die Geister, die Natur und die Naturkräfte eng verbunden waren, als alle sprechen und einander verstehen konnten. Und es sollten gerade die in dieser Zeit (hwénu) geschehenen Ereignisse mündlich durch Worte (xó), durch Geister (yɛ) oder Vögel (xɛ) von Dorf zu Dorf überbracht werden. Damals vermochten diese Boten auf einen Blick über die raumzeitlichen Grenzen hinauszugehen, um die Bewohner eines Dorfes von Ereignissen anderer Dörfer zu benachrichtigen, und manchmal vor Gefahren zu warnen, indem sie sogar den Menschen die zu ergreifenden Maßnahmen vorschrieben. So sollen die Märchen von Dorf zu Dorf, von Volk zu Volk und von Generation zu Generation überliefert werden.

2.2 Schwierigkeiten bei der Märchensammlung

Die Märchensammlung bei den Maxi ist für mich kein leichtes Unternehmen gewesen, obwohl ich selbst der Maxi-Volksgruppe angehöre. Die Schwierigkeiten liegen zuerst in der Spaltung des Volkes Maxi, dann in den Umständen der Sammlung in den Dörfern und schließlich in einer repräsentativen Auswahl von Märchen.

Die Maxi-Dörfer sind zahlreich und weit verstreut. Wenn man Feldforschungen bei einer solchen Bevölkerung durchführen will, muss man sich in die meisten bewohnten Ortschaften begeben. Solch ein Unternehmen wird schnell zu kostspielig für einen Studenten. Um dennoch eine repräsentative Märchenauswahl zu erhalten, habe ich möglichst oft versucht, in die Maxi-Dörfer zu fahren, um so viele Märchen wie möglich zusammenzutragen. Insgesamt habe ich fünfundfünfzig Märchen auf elf Kassetten aufgenommen. Drei Hauptreisen haben mir das erlaubt[70]. Bei der Aufnahme der Märchen habe ich mich eines Tonbandgeräts bedient. Für die erste Reise hatte ich die Möglichkeit, einen Fotoapparat von einem Freund auszuleihen. So habe ich dieser vorliegenden Arbeit eine CD-ROM mit Bildern aus den Erzählsitzungen beilegen können. Das wäre zweifellos besser mit einer Videokamera gewesen, aber damals konnte ich mir keine leisten.

In den Dörfern war es auch nicht leicht, Märchenerzähler zu finden, da heutzutage nicht mehr wie damals erzählt wird. Die Modernisierung des Lebens mit der Einführung von Fernsehern, Radios, Videoclubs hat die Erzählabende gestrichen, und zum Desinteresse der heutigen Jugend an den Märchen geführt. So musste ich selbst freiwillige Märchenerzähler und Gewährsleute aufsuchen. Manchmal erwieß sich das als äußerst schwer, denn die Leute zeigen sich zurückhaltend, weil ich für sie kein Familienmitglied, kein Verwandter oder nicht einmal ein Bekannter bin. Gegebenenfalls musste dann die Kontaktaufnahme über einen Mittelsmann erfolgen. Hierbei erweise ich Herrn Janvier Kanmadozo und Victor Hounsossou meine Dankbarkeit, die die Feldforschungen in Covè und Savalou und Umgebung ermöglicht haben. Bei einigen Erzählern wurden Getränke und zwar Sodabi[71] sowie Zigaretten verlangt, bevor sie mir Märchen erzählen wollten. Ihre Forderung habe ich erfüllen müssen. All das zeigt die Dringlichkeit einer Sensibilisierung zum Schutz des Märchenschatzes auf. Andere Erzähler wiederum haben mir viele Märchen spontan und gerne erzählt.

Die meisten Märchen wurden in der Nacht erzählt, wodurch ich zum Übernachten in den Dörfern gezwungen war. In der Tat gehen fast alle meine Märchenerzähler morgens aufs Feld und kommen erst gegen Abend nach Hause zurück. Außerdem werden die Märchen aus Prinzip nur nachts erzählt. Und deshalb kann ein Märchen nur am Tag erzählt werden, dann wenn sich der Erzähler sowie jeder Zuhörer eine Augenwimper ausgerissen und sie in ein Ameisenloch gesetzt haben. Ansonsten kann ihnen ein Unglück passieren, und diese Warnung ist ernst zu nehmen.[72] Beim Erzählen wird manchmal die Aufnahme durch die Redebeiträge, das Gelächter der Zuhörer oder auch durch die Geräuschkulisse der Natur gestört. Ich musste also ab und zu die Zuhörerschaft um Ruhe bitten. Am Abend in einem Dorf wurden einmal alle meine Batterien leer, so dass ich mein Tonbandgerät an das Stromnetz anschließen musste, da niemand in der Nähe Batterien verkaufte. Aber beim Märchenerzählen hat ein Stromausfall die Aufnahme unterbrochen. Der Erzähler, die Zuhörer und ich haben dann sehr lange und vergeblich auf den Strom gewartet. Folglich fiel dieser Erzählabend aus.

[...]


[1] Wekenon Tokponto, Mensah: Mein Märchen springt hin und her... Marbach am Neckar: Oberleser Publizistik 2003, S. 62.

[2] Kaolin ist weiße Porzellanerde, die in Benin zur Orakel-Befragung verwendet wird.

[3] Wekenon Tokponto, Mensah u. Hahmann, Adelheid: Fliegende Märchen. Volksmärchen aus Benin. Halle: Projekte-Verlag 2005, S. 38.

[4] Wekenon Tokponto, Mensah: Mein Märchen springt hin und her…. Marbach am Neckar: oberleser-Publizistik 2003, S. 80.

[5] Ebd., S. 94.

[6] Ebd., S. 30.

[7] Wekenon Tokponto, Mensah u. Hahmann, Adelheid: Fliegende Märchen. Volksmärchen aus Benin. Halle: Projekte-Verlag 2005, S. 57.

[8] Brüder Grimm: Kinder- und Hausmärchen. Band 1. Ausgabe letzter Hand mit Originalanmerkungen der Brüder Grimm, hrsg. von Heinz Rölleke. Stuttgart: Philipp Reclam 2008, Märchen Nr. 15, S. 100.

[9] Ebd. Märchen Nr. 24, S. 150.

[10] Ebd. Märchen Nr. 21, S. 137.

[11] Ebd. Märchen Nr. 53, S. 269.

[12] Ebd. Märchen Nr. 11, S. 79.

[13] Wekenon Tokponto, Mensah: Mein Märchen springt hin und her... a. a. O., S. 62.

[14] Wekenon Tokponto, Mensah u. Hahmann, Adelheid: Fliegende Märchen. Volksmärchen aus Benin. a. a. O., S. 65.

[15] Afrikanissimo, Afrikas Literatur im Dialog mit Europa, zitiert nach Amadou Hâmpaté Bâ, Frankfurt am Main, 1998, S.3

[16] Wekenon Tokponto, Mensah: Deutsch-beninische Märchenforschung am Beispiel von Märchen in der Fɔn-Sprache mit phonetischer Transkription, Studie und Darstellung der Hauptfiguren und Themenvergleich, (Diss.). Frankfurt am Main u. a.: Verlag: Peter Lang GmbH, Europäische Hochschulschriften, Band 1859, 2003, S. 35.

[17] Müller, Elisabeth : Das Bild der Frau im Märchen : Analysen und erzieherische Betrachtungen. München: Profil-Verlag, 1986.

[18] Feustel, Elke: Rätselprinzessinnen und schlafende Schönheiten: Typologie und Funktionen der weiblichen Figuren in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm. Hildesheim (u. a.): Olms, 2004.

[19] Früh, Sigrid u. Rainer Wehse (Hrsg.): Die Frau im Märchen. Kassel: Röth, 1985 (Veröffentlichungen der Europäischen Märchengesellschaft; Bd. 8)

[20] Gbéto, Flavien: Le Maxi du Centre-Bénin et du Centre-Togo. Une approche autosegmentale et dialectologique d’un parler Gbé de la section Fɔn. Köln : Rüdiger Köppe Verlag 1997. S. 1

[21] Wekenon Tokponto, Mensah: Deutsch-beninische Märchenforschung am Beispiel von Märchen in der Fɔn-Sprache mit phonetischer Transkription, Studie und Darstellung der Hauptfiguren und Themenvergleich. Frankfurt am Main u. a.: Verlag: Peter Lang GmbH, Europäische Hochschulschriften, Band 1859, 2003.

[22] Ebd. S. 132, 145, 147.

[23] Sagbo, Sinseingnon Germain: Motivforschung in der deutsch-beninischen Märchenforschung anhand von Aizo- und Grimmms-Märchen, 2000-2004 (Maîtise-Arbeit, Université d’Abomey-Calavi/Benin, Manuskript).

[24] Agossavi, Simplice: Frauengestalten in Franz Kafkas Hauptwerken „Der Prozeß“ und „Das Schloß“, 1997 (Maîtise-Arbeit, Université d’Abomey-Calavi/Benin, Manuskript).

[25] OKOU, Sandrine: Das Bild der modernen Frau im Spiegel des Romans Amanda herzlos von Jurek Becker mit Analyse von Partnerproblemen des Romans unter besonderer Berücksichtigung der gesamten Handlung als Zeitgeschichte Deutschlands, 2003 (Maîtise-Arbeit, Université d’Abomey-Calavi/Benin, Manuskript).

[26] Michaelis – Jena, Ruth: The Brothers Grimm, a.a.O., S. 1, zitiert nach Sagbo, Sinseingnon Germain: a. a. O., S. 67.

[27] Gerstl, Quirin: Die Brüder Grimm als Erzieher. Pädagogische Analyse des Märchens, zitiert nach Sagbo, Sinseingnon Germain: a. a. O., S. 67.

[28] In der Literatur sind auch anstatt „Maxi“ die Vokabeln „Mahi“, „Mahe“ und „Mahee“ zu finden. In der vorliegenden Arbeit benutze ich selbst aber „Maxi“, also die Transkription des Begriffs in die Sprache dieser Volksgruppe. Falls aber ein Zitat eine der anderen Vokabeln enthält, so lasse ich diese genau so. Siehe auch dazu Gbéto, Flavien : a. a. O., p. 1.

[29] Sókanmέnu: Der Name der Vorfahren der heutigen Maxi. Wörtlich: Die Menschen, die in den Hügelketten wohnen: Sokan = Die Hügelkette, mέ = in, nu = die Menschen, die Leute. Dem Wort entspricht daher das Wort: Bergbewohner.

[30] C. Anignikin S., Histoire des populations mahi. À propos de la controverse sur l’ethnonyme et le toponyme « Mahi », Cahiers d’études africaines 2001/2, 162, p. 243-265.

[31] Danxomè: Früheres Königreich und ehemaliger Name der heutigen Republik Benin. Bis1975 hieß Benin noch Dahomey, das aus Danxomè stammte.

[32] Die Gun bilden eine Volksgruppe in Benin, und gehören, wie die Fɔn und die Maxi, zur der großen soziokulturellen Gruppe Adja-Tado. Sie bewohnen das Königreich Hogbonou.

[33] Hogbonou ist das benachbarte Königreich von Dahomey. Auch Adjatchê oder Porto – Novo genannt.

[34] Wekenon Tokponto, Mensah: a. a. O., S. 5.

[35] Pliya, Jean: L’histoire de mon pays, cours élémentaire, 3° Edition revue et complétée. Les Presses du CNPMS, Porto-Novo, 1993, S. 37.

[36] Gbaguidi, Dieu-Donné Alidjinou Guy Raoul : „Run Journal“. Rubrique : Culture et Histoire, Article: Nr. 222 (03. 10. 2000).

[37] C. Anignikin S.: a. a. O. S. 253.

[38] Adam, Sikirou Kolawolé und Boko, Michel: Le Bénin, Paris, Edicef, 1993, S. 27 und C. Anignikin S.: a. a. O. S. 246.

[39] Iroko, A. Felix: “La Croix du Bénin”. Lien entre Guin ou Mina et aire culturelle Ajatado. N° 916 du 07 au 20 septembre 2007, p. 4.

[40] Ebd. S. 4

[41] Agbomè: Frühere Hauptstadt des Königreichs Danxomè. Als die heutige berühmteste historische Stadt Benins trägt Agbomè seit der Kolonialzeit den Namen Abomey.

[42] Gédévi: Das erste vor der Gründung des Königreichs Danxomè in Agbomè angesiedelte Fɔn- Volk.

[43] S. Landkarte der Maxi im Anhang

[44] C. Anignikin S.: a. a. O. S. 247

[45] Vgl. auch Kap. 1.1, S. 3.

[46] Iroko, A. Felix: Mosaïque d’histoire béninoise. Tome I. Tulle : Editions Corrèze Buissonniere Peuple et Culture Corrèze, 1998, S. 98.

[47] Ainamon, A. « Aperçu sur Savalou », in Comité national du Bénin pour le projet « La route de l’esclave», Le Bénin et la route de l’esclave. Cotonou (1994), ONEPI : 109-112. Zitiert nach C. Anignikin S.: a. a. O. S. 258.

[48] C. Anignikin S.: a. a. O. S. 258

Norris, R. : « Voyage à la cour de Bossa-Ahadée, roi de Dahomé, 1772 », in Études dahoméennes (1955). XIV: 67-84. In C. Anignikin S.: a. a. O. S. 248

[50] C. Anignikin S.: a. a. O. S. 247

[51] Duncan, J.: Travels in West Africa in 1845 and 1846, comprising a Journey from Whydah, through the Kingdom of Dahomey, to Adofoodia, in the Interior, 2 vols, London, R. Bentley. 1847. In C. ANIGNIKIN S.: a. a. O. S. 249.

[52] Bouche, P. (abbé) « Danhomey et les peuples nago », Revue du Monde catholique, 16e année,

t. 50 (t. 30 de la nouvelle série). 1877. In C. Anignikin S.: a. a. O. S. 249

[53] Azonaha, D.-J. : Contribution à l’histoire des migrations vers Atakpamé, 1780-1895, Mémoire

de maîtrise, Cotonou, Université nationale du Bénin. 1994. In C. ANIGNIKIN S.: a. a. O. S. 249

[54] Siehe Landkarte des Maxi-Volks im Anhang, S. 146.

[55] Hier bedanke ich mich bei Herrn Victor Hounsossou, Adéandjou Isidore, Constant Allagbé, Bernard Tokponho und Djamiou Dossou Hounminnou für die mir über die Maxi überbrachten Informationen.

[56] Centre National de Linguistique Appliquée (CENALA): Atlas et études sociologiques du Bénin (Nouvelle édition revue et corrigée). Peuples, langues, histoires, données socio-culturelles, répartition géographique. Cotonou 2003, S. 57

[57] Gbéto, Flavien : a. a. O. S. 2

[58] Adam, Sikirou Kolawolé und Boko, Michel: a. a. O. S. 17

[59] INSAE: Institut National de la Statistique et de l’Analyse Economique (Nationales Institut für Statistik und wirtschaftliche Analyse).

[60] Vgl. Gbéto, Flavien : a. a. O. S. 2

[61] Centre National de Linguistique Appliquée (CENALA): a. a. O. S. 80

[62] 23 CONFEMEN (Conférence des Ministres de l'Education des Etats d'Expression Française): Promotion et intégration des langues nationales dans les systèmes éducatifs. Bilan et inventaire. Paris, Champion, 1986, p. 34.

[63] Quellen:

- Adam, Sikirou Kolawolé und Boko, Michel: a. a. O. S. 29.

- Sagbo, Sinseingnon Germain: a. a. O. S. 19.

[64] Capo, Hounkpatin B. C.: in Gbéto, Flavien : a. a. O. S. 2

[65] Ebd. S. 3

[66] Centre National de Linguistique Appliquée (CENALA): Alphabet des langues nationales. 5ème Ed. Cotonou, Octobre 2005, p. 8- 9.

[67] Vgl. - Wekenon Tokponto, Mensah: Deutsch-beninische Märchenforschung am Beispiel von Märchen in der Fɔn-Sprache mit phonetischer Transkription, Studie und Darstellung der Hauptfiguren und Themenvergleich. a. a. O. S. 14 und

- Atabavikpo, Vincent: Sprichwörter im Volksmund und in der Literatur: Eine Studie über Sprichwörter in Sáxwe-Sprichwortliedern, im Roman Things Fall Apart von Chinua Achebe und in den Dramen „Furcht und Elend des Dritten Reiches“ und „Die Gewehre der Frau Carrar“ von Bertolt Brecht, Frankfurt/M., Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2003. Europäische Hochschulschriften, Reihe 1: Deutsche Sprache und Literatur Bd. 1868. S. 31-33.

[68] Atabavikpo, Vincent: Ebd. S. 31.

[69] Vgl. Wekenon Tokponto, Mensah: Deutsch-beninische Märchenforschung am Beispiel von Märchen in der Fɔn-Sprache mit phonetischer Transkription, Studie und Darstellung der Hauptfiguren und Themenvergleich. a. a. O. S. 1- 2.

[70] September 2008: Reise nach Covè, Zagnanado, Ouinhi. Dezember 2008: Reise in und um Cotonou zum Gespräch mit Informanten und Gewährsleuten aus verschiedenen Maxi-Dörfern, wie z. B. Logozohè, Kpanhouingnan , Mondji, Ouèssè-Wogoudo, Covè, Dakplamè usw.. März 2009: Reise nach Dassa und Savalou und deren Umgebung.

[71] Sodabi: bezeichnet einen ländlichen beninischen Schnaps, den man aus gegorenem

Palmwein gewinnt.

[72] Vgl. Sagbo, Sinseingnon Germain: a. a. O. S. 26

Fin de l'extrait de 154 pages

Résumé des informations

Titre
Das Frauenbild in deutschen und beninischen Märchen am Beispiel von Grimms und Maxi-Märchen
Université
Catholic University Eichstätt-Ingolstadt
Note
1,0
Auteur
Année
2010
Pages
154
N° de catalogue
V278525
ISBN (ebook)
9783656717638
ISBN (Livre)
9783656717621
Taille d'un fichier
1326 KB
Langue
allemand
Mots clés
frauenbild, märchen, beispiel, grimms, maxi-märchen
Citation du texte
Sourou Dieudonne Aglewe (Auteur), 2010, Das Frauenbild in deutschen und beninischen Märchen am Beispiel von Grimms und Maxi-Märchen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/278525

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