Des Knaben Wunderhorn´ – Eine Liedersammlung im Überblick
Die beiden Dichter Ludwig Achim von Arnim und Clemens Brentano, welche sich aus dem Studium in Halle kennen, unternehmen im Jahre 1802 eine gemeinsame Rheinfahrt nach Koblenz. Als ´Liederbrüder´ ziehen sie, von den Anklängen der Poesie berauscht, den Rhein hinab und sammeln zahlreiche Romanzen, Sagen und Märchen. Hierbei schmieden sie den Plan, eine Sammlung altdeutscher Lieder herauszugeben.
Unter dem Titel ´Des Knaben Wunderhorn´ erscheint sie erstmalig ab Ende des Jahres 1805 im ersten Band. Zuvor treffen sich die beiden Freunde im Sommer des gleichen Jahres in Heidelberg und bereiten die Edition vor. Sie enthält neben einer Zueignung an Goethe eine weitschweifige, zum Teil redundante Abhandlung Arnims über Volkslieder, sowie eine Nachschrift an den Leser. Im Sommer des Jahres 1808 erscheinen die Bände zwei und drei der Sammlung. Diese Ausgaben erweitert Brentano um eine kommentierte Inhaltsübersicht zahlreicher Lieder. Außerdem fügt er einen zusätzlichen Dank an Goethe hinzu, welcher die Arbeit der beiden Herausgeber durch Briefe und Rezensionen nachhaltig beeinflusst und unterstützt. Für den gestochenen Haupttitel des zweiten Bandes entwirft Brentano ein altdeutsches Trinkhorn mit einer Heidelberger Landschaft sowie einem Schloss im Hintergrund.
Achim von Arnim unternimmt 11 Jahre später in Eigenregie eine Neuauflage des ersten Bandes. In einer Nachschrift versucht er, den Geist des Unternehmens sowie die Form der Auseinandersetzung und Behandlung zu rechtfertigen. Hierfür verwertet er auch Goethes Kritiken.4 Obwohl sich schon die ersten Vorüberlegungen des Wunderhorns eher als Gemeinschaftsprojekt der beiden Dichter manifestieren, ist die Liedersammlung seit diesem Zeitpunkt eher mit Arnims Namen verknüpft. Dies verstärkt sich durch die Tatsache, dass das Wunderhorn in Brentanos gesammelten Schriften nicht auftaucht. Rudolf Baier und Ludwig Erk überarbeiten 1845 den umfangreichen Nachlass Arnims und editieren im gleichen Jahr Band eins in neuer Form, 1846 folgen Band zwei und drei, 1854 Band vier.
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Inhaltsübersicht
1.´Des Knaben Wunderhorn´ - Eine Liedersammlung im Überblick
2. Historischer Kontext: Werk und Herausgeber im Spiegel der Zeit
3. Das Vorhaben der Sammlung konkretisiert sich
4. Verhältnis der Lieder und Gedichte zu ihren Quellen
5. Wirkung und Verortung des Wunderhorns
6. Literaturverzeichnis
7. Abbildungsnachweis
1.´Des Knaben Wunderhorn´ - Eine Liedersammlung im Überblick
Die beiden Dichter Ludwig Achim von Arnim und Clemens Brentano, welche sich aus dem Studium in Halle kennen, unternehmen im Jahre 1802 eine gemeinsame Rheinfahrt nach Koblenz. Als ´Liederbrüder´ ziehen sie, von den Anklängen der Poesie berauscht, den Rhein hinab und sammeln zahlreiche Romanzen, Sagen und Märchen.1 Hierbei schmieden sie den Plan, eine Sammlung altdeutscher Lieder herauszugeben.
Unter dem Titel ´Des Knaben Wunderhorn´ erscheint sie erstmalig ab Ende des Jahres 1805 im ersten Band. Zuvor treffen sich die beiden Freunde im Sommer des gleichen Jahres in Heidelberg und bereiten die Edition vor. Sie enthält neben einer Zueignung an Goethe eine weitschweifige, zum Teil redundante Abhandlung Arnims über Volkslieder, sowie eine Nachschrift an den Leser2.
Im Sommer des Jahres 1808 erscheinen die Bände zwei und drei der Sammlung. Diese Ausgaben erweitert Brentano um eine kommentierte Inhaltsübersicht zahlreicher Lieder. Außerdem fügt er einen zusätzlichen Dank an Goethe hinzu, welcher die Arbeit der beiden Herausgeber durch Briefe und Rezensionen nachhaltig beeinflusst und unterstützt. Für den gestochenen Haupttitel des zweiten Bandes entwirft Brentano ein altdeutsches Trinkhorn mit einer Heidelberger Landschaft sowie einem Schloss im Hintergrund.3
Achim von Arnim unternimmt 11 Jahre später in Eigenregie eine Neuauflage des ersten Bandes. In einer Nachschrift versucht er, den Geist des Unternehmens sowie die Form der Auseinandersetzung und Behandlung zu rechtfertigen. Hierfür verwertet er auch Goethes Kritiken.4
Obwohl sich schon die ersten Vorüberlegungen des Wunderhorns eher als Gemeinschaftsprojekt der beiden Dichter manifestieren, ist die Liedersammlung seit diesem Zeitpunkt eher mit Arnims Namen verknüpft. Dies verstärkt sich durch die Tatsache, dass das Wunderhorn in Brentanos gesammelten Schriften nicht auftaucht.
Rudolf Baier und Ludwig Erk überarbeiten 1845 den umfangreichen Nachlass Arnims und editieren im gleichen Jahr Band eins in neuer Form, 1846 folgen Band zwei und drei, 1854 Band vier.
Bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts erscheinen zahlreiche kritische Ausgaben, zum Teil in illustrierter Form. Die Gesamtheit der Texte von etwa 700 Liebes-, Wanderund Soldatenliedern, Abschiedsklagen, Balladen und geistlichen Liedern, Trinkliedern, Kinderversen und Abzahlreimen erfährt in mehreren Ausgaben des 20. Jahrhunderts eine starke Selektion. So enthalten insbesondere die späteren Taschenbuchausgaben nur einen Teil des Liederschatzes der vier Wunderhorn - Bände, wobei die Auswahlmotive für den Leser nicht immer klar nachzuvollziehen sind.
Hauptgrund für die starke Selektion ist mit Sicherheit der Umfang der ersten Bände. Nur wenige Gelehrte und Adelige können sich die ersten Ausgaben zu Beginn des 19. Jahrhunderts leisten. Aus der Retrospektive darf diese Auflage daher in verlegerischer Hinsicht fast als Misserfolg angesehen werden. Erst die späteren Ausgaben zum Ende des 19. Jahrhunderts bewegen sich preislich für eine breite Schicht in erschwinglichen Regionen.5
Die Texte der Wunderhornschen Sammlung wirken bis heute nach. Komponisten lassen sich von ihnen zu neuen Melodien anregen, sie bereichern Liederbücher und Lesefibeln. Arnims und Brentanos Leistung als Sammler und Herausgeber des Wunderhorns schätzen insbesondere Verehrer volkstümlicher6 Poesie mindestens so hoch, wie deren eigenes dichterisches Werk.7
Diese Arbeit untersucht die Entstehung der Wunderhorn - Sammlung und beleuchtet die biographischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Im Mittelpunkt stehen insbesondere Sammelmethodik und Quellenbehandlung. Abschließend soll versucht werden, die Liedersammlung innerhalb der Romantik und darüber hinaus zu verorten.
2. Historischer Kontext: Werk und Herausgeber im Spiegel der Zeit
Eine wichtige Rolle im Entstehungsprozess des Wunderhorns spielt die Stadt Heidelberg. Großherzog Karl Friedrich von Baden lässt zu Beginn des 19. Jahrhunderts im neu gewonnen pfälzischen Landesteil die dortige Universität wiederherstellen. Finanziert wird die Hochschule bis zum Ende des 18. Jahrhunderts aus den Erträgen ihres Vermögens, aus den Früchten ihrer Ländereien sowie aus den Zinsen ihrer Kapitalanlagen.8
Damit bezahlt die Universität auch die Professoren und sonstiges Personal. Korn, Wein und Stroh können jedoch kaum in ausreichendem Maße zu Geld gemacht werden, zahlreiche Kümmerexistenzen sind die Folge. Außerdem reichen diese Erträge kaum aus, um die laufenden Ausgaben des Hochschulbetriebes zu bestreiten. Es kommt zu einer größer werdenden Verschuldung.
Im Moment dieser Not hilft das Kurfürstentum Baden der ältesten Universität auf deutschem Boden, indem es die mehr als mangelhafte Eigenfinanzierung der Hochschule durch Staatsfinanzierung ablöst. Heidelberg avanciert damit zur Landesuniversität.
Obgleich die Umstrukturierung als ausschließliche Unterrichtsanstalt sowie die Vereinheitlichungsbestrebungen nicht ganz unkritisch aufgenommen werden, bildet die Universität Heidelberg eine neue Basis intellektueller Strömungen. An die schnell aufblühende hohe Schule folgen junge Leute und Gelehrte; die staatliche Finanzierung schafft die Grundlage zur Berufung neuer Professoren. Aus diesem Kreis der nach Vollendung und Bestätigung Strebender entsteht schließlich das Wunderhorn als ein bedeutendes Werk der Romantik. Zusätzliche Impulse zur Romantisierung bieten neben der sangfrohen Umgebung die landschaftlichen Anreize des Neckartals oder des Odenwaldes.
Die Errichtung eines Denkmals deutscher volkstümlicher Dichtung entspricht zudem den poetischen Bestrebungen der Zeit, der Stärkung nationaler Opposition gegen Napoleon. Arnim und Brentano begehen dabei Wege, die bereits andere vor ihnen eingeschlagen haben, beispielsweise Herder9 oder Percy10, jedoch gehört ihr
Vorhaben unstreitig zu den konsequentesten Umsetzungen. Ihr gemeinsames Bestreben manifestiert sich im Wunsch, dem Landvolk und Bürgertum gleichermaßen den Reichtum gebündelt zurückzuerstatten, den sie zerstreut in diesen Bevölkerungsschichten vorfinden. Es gilt, wertvolles, zum Teil nur mündlich tradiertes Textgut zu konservieren, bevor es von der Dynamik und den Umwälzungen der Zeit endgültig verschüttet ist.
Achim von Arnim, geboren 1781 in Berlin, genießt eine großbürgerliche Erziehung. Er studiert Rechtswissenschaften, Mathematik und Physik in Halle und Göttingen. Im Zuge seines Studiums lernt er Clemens Brentano kennen. Arnims erste Publikationen betreffen verschiedene physikalische Themen. Ab 1801 unternimmt er mit seinem Bruder eine Bildungsreise durch Europa, die ihn im Sommer 1802 zu einem längeren Aufenthalt bei Brentano in Frankfurt führt. Dort lernt er seine zukünftige Frau, die Schwester Brentanos, kennen und lieben.11
Clemens Brentano, geboren 1778 in Ehrenbreitstein, studiert in Halle und Jena. Er verkehrt mit zahlreichen zeitgenössischen Autoren, wie Herder, Goethe und Schlegel. Nach seinem Studium ist er ab 1801 in Göttingen und Frankfurt ansässig. Ihn verbindet eine tiefe Freundschaft mit Arnim. Ab 1804 lebt Brentano in Heidelberg, arbeitet12 unter anderem am Wunderhorn und der ´Zeitung für Einsiedler´13 mit.14 Trotz seiner ursprünglich naturwissenschaftlichen Neigung ist bei Arnim eine besondere Sensibilität für Gesang, ob Soldatenlieder oder Marktklänge, zu konstatieren. Dies begründet sich auch auf Einzelheiten in seiner Biographie. Insbesondere aber durch den Umgang mit der ´poetisierenden Gesellschaft´ wird Arnim von seinen physikalischen Studien nachhaltig abgezogen und zu literarischer
Arbeit angeregt.15
Arnim tritt das Erbe seines Vaters an und lässt sich in Berlin nieder. Dort besucht ihn Brentano im Winter 1804. Während dieser Zeit entstehen wichtige Vorarbeiten zum Wunderhorn. Die beiden Autoren besprechen verschiedene eigene und gesammelte Manuskripte. Die einzelnen Phasen des Planes zur Entstehung der Liedersammlung lassen sich anhand der brieflichen Korrespondenz zwischen den beiden Autoren gut rekonstruieren. Lediglich in Zeiten intensiver Zusammenarbeit, beispielsweise in Berlin und Heidelberg, fehlt ein solcher Austausch. Informationen über den Status des gemeinsamen Schaffens bietet lediglich die weniger literarisch orientierte Korrespondenz zu Familienangehörigen, z.B. Brentanos Briefe an seine Frau Sophie.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. II Handschriftliches Liederbuch aus dem 17. Jahrhundert16
[...]
1 Vgl. Weber, E.; Greiner-Mai, H. (Hrsg.). Des Knaben Wunderhorn. S. 2.
2 Der Kürze halber sowie zwecks Übersichtlichkeit des Textbildes werden in dieser Ausarbeitung entweder nur die männliche, nur die weibliche oder beide Formen nacheinander verwendet. Die gewählte Form enthält somit keinerlei geschlechtsdifferenzierende Aussagen. Andernfalls wird an entsprechender Stelle gesondert darauf hingewiesen.
3 Siehe Abbildung a. d. Titelblatt.
4 Siehe dazu insbesondere Abschnitt 4.
5 Die Preise der ersten Ausgabe im Verlag J.C.B. Mohr, Heidelberg, betragen 7,50 Mark für Band eins bzw. 9,50 Mark für Band zwei und drei. 1816 halbiert der Verlag den Betrag; dennoch sind sie für die meisten Leser noch deutlich zu teuer. Erst mit dem Erscheinen der Reclam - Ausgabe 1879 zum Preis von 1,75 Mark setzt der Verleger Mohr den Preis für die Restauflage auf 1,50 Mark herunter. (vgl. Rölleke, H. (Hrsg.) Des Knaben Wunderhorn. Alte Deutsche Lieder. Teil III Lesarten und Erläuterungen. S. 651.)
6 Der Begriff ´volkstümlich´ soll hier im landläufigen Sinne verstanden werden. Im heutigen Sprachgebrauch ist die Bezeichnung weitestgehend ausgestorben. Zwar lassen sich bestimmte Merkmale volkstümlicher Dichtung konstatieren, jedoch entbehrt der Begriff nicht nur aus literaturwissenschaftlicher Perspektive jeder Grundlage.
7 Vgl. Weber, E.; Greiner-Mai, H. (Hrsg.). Des Knaben Wunderhorn. S. 2.
8 Vgl. Rektor Prof. Dr. Peter Hommelhoff: 200 Jahre badische Landesuniversität Heidelberg: Neuordnung bedeutete "Grundlegendes und Zukunftsweisendes". In seinem Grußwort zum Festakt im Jahre 2003 zeichnet er Parallelen zwischen der Reorganisation der Universität Heidelberg vor 200 Jahren und der aktuellen Reformdiskussion auf. http://www.uni-heidelberg.de/presse/news (11/2003).
9 Johann Gottfried Herder (1744 - 1803) misst nationaler Dichtung eine hohe Bedeutung für den kulturellen Werdegang eines Volkes bei. Er publiziert 1773 eine Sammlung von Volksliedern, die Brentano und Arnim als Vorbild für das Wunderhorn dient.
10 Thomas Percy (1729 - 1811) Herausgeber der Reliques of Ancient English Poetry, einer Sammlung altenglischer und altschottischer Balladen, die das Schaffen Arnims und Brentanos beeinflussen.
11 biographische Angaben aus Projekt Gutenberg - DE unter http://gutenberg.spiegel.de/autoren.htm (11/2003).
12 Interessanterweise wird nicht nur an dieser Stelle Brentano lediglich als ´Mitarbeiter´ am Wunderhorn genannt. Dies begründet sich vermutlich hauptsächlich auf die 1819 von Arnim besorgte Neuauflage, nach der das Wunderhorn eher mit seinem Namen verbunden ist. In der neueren Forschung tritt Brentanos zwar weniger quantitativer jedoch qualitativer Einfluss auf die Sammlung hervor. Vgl. dazu auch Abschnitt 4.
13 An dieser Zeitung beteiligten sich auch Jacob Grimm und Joseph Görres lebhaft.
14 Projekt Gutenberg, ebd.
15 Vgl. Rieser, F. Des Knaben Wunderhorn und seine Quellen. S.7.
16 Zuletzt im Besitz Wielands, zurzeit befindlich in der UB Heidelberg.
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