Krieg für Menschenrechte? Frankreich und die "Responsibility to Protect" im Libyschen Bürgerkrieg.


Trabajo Escrito, 2014

39 Páginas, Calificación: 1,3


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das Konzept der Responsibility to Protect
2.1. Entstehung der RtoP
2.2. Das Drei-Stufen-Modell der RtoP

3. Die Libyen Intervention

4. Der Neorealismus
4.1. Theoretische Grundannahmen
4.2. Motivation Humanitärer Militärischer Interventionen

5. Machtpositionen im internationalen System
5.1. Frankreich
5.2. Libyen

6. Frankreichs Interessen
6.1. Französische Sicherheitsstrategie
6.2. Nordafrika und Libyen
6.3. Europa

7. Resüme und Ausblick

8. Abkürzungsverzeichnis

9. Literaturverzeichnis

Anhang

„If we intervene [in Libya] it is

because of a universal conscience

that cannot tolerate such crimes.”

(Sarkozy in Al Jazeera: 2011)

„What Is happening in Libya [...] is a historic

precedent, a watershed in the emerging

doctrine of the responsibility to protect.“

(Ki Moon: 2011b)

„Jeder arabische Herrscher muss verstehen,

dass die Reaktion der internationalen

Gemeinschaft und Europas von nun an

jedes Mal die Gleiche sein wird.“

(Sarkozy in ZEIT Online: 2011)

1. Einleitung

Demonstrationen, facebook, Regimesturz. Die Umbrüche in Nordafrika und dem Nahen Osten Ende 2010 kamen ganz plötzlich und unverhofft. Nach Tunesien und Ägypten, protestierten im Januar auch in Libyen die Bürger gegen ihre Regierung. Nur wenige Wochen vergingen, bis sich die Proteste zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen ausweiteten. Stand der Mord eines blutrünstigen Diktators am eigenen Volk kurz bevor? Die „Responsibility to Protect” (RtoP) ermöglichte eine humanitäre militärische Intervention unter der „Koalition der Willigen”, die NATO „Operation Unified Protector” (OUP) und mit der Liquidierung al-Gaddafis schließlich einen Regimewechsel.

Die RtoP zum Schutz der Menschenrechte in Libyen - Vorgriff auf eine neue politische Weltordnung (vgl. Senghaas: 1992, 649-52)? Im Vergleich zum Umgang mit analogen Bewegungen, wie in Saudi Arabien, Qatar oder Bahrain, aber auch bezüglich Syrien ist anzunehmen, dass moralische Argumente allein möglicherweise notwendig, nicht aber hinreichend sind für die Erklärung einer Intervention. Anthony Lake, ehemaliger Sicherheitsberater der Clinton Regierung sprach bezüglich humanitären Engagements eher von einer „pick and choose Strategie” (Lake: 1993). Die vorliegende Arbeit fragt nicht im Sinne einer idealistischen, sondern eher realistischen Tradition: „Wie lässt sich Frankreichs offensives Verhalten im Libyenkrieg 2011 unter neorealistischer Sichtweise interpretieren”? Folgende Hypothese wird überprüft: „Frankreich intervenierte in Libyen, um seine relative Machtposition in Nordafrika und Westeuropa zu vergrößern”.

Dazu führt Kapitel 1 in das Konzept der RtoP ein, welches nicht als Carte Blanc, aber als Basislegitimation der Intervention diente. Kapitel 2 skizziert die Intervention selbst unter besonderer Berücksichtigung des Verhalten Frankreichs. Kapitel 3 legt die Grundannahmen des Neorealismus und mögliche Motivationen humanitärer militärischer Interventionen dar. Diese werden mit der Darstellung der Machtpositionen beider Länder im internationalen System in Kapitel 4 sowie nachfolgend in der Skizzierung denkbarer Interessen Frankreichs auf Grundlage seiner Sicherheitsstrategie in Kapitel 5 auf ihre Erklärungskraft hin überprüft.

2. Das Konzept der Responsibility to Protect

2.1. Entstehung der RtoP

Nach Genoziden in Kambodscha (1974), Rwanda (1994) und Screbrenica (1995) gab Kofi Annan 1994 den Anstoß zur Schaffung einer neuen internationalen Sicherheitsarchitektur. Sie sollte dem, durch das Konzept der Human Security, veränderten Fokus vom Schutz des (westfälischen) Staates durch Nichtintervention zum Schutz der Menschen(rechte) seit Ende des Kalten Krieges gerecht werden, auch aufgrund der weltweit zu beobachtenden Verschiebung von zwischenstaatlichen zu innerstaatlichen Konflikten.

Die von der kanadischen Regierung eingesetzte „International Commission on Intervention and State Sovereignty” (ICISS) formulierte 2001 das Grundprinzip der RtoP wie folgt: „Where a population is suffering serious harm [...] and the state in question is unwilling or unable to halt or avert it, the principle of non-intervention yields to the international responsibility to protect” (ICISS: 2001, XI). Souveränität und Menschenrechte wurden damit zu zwei Seiten ein und derselben Medaille (vgl. Bellamy: 2009, 33). Das „High Level Panel on Threats, Challenges and Change” bestätigte 2004 die RtoP als sich herausbildende Norm des Völlkerrechts (vgl. High-level Panel: 2004). Auf dem Weltgipfel 2005 nahm auch die UN-Generalversammlung die RtoP modifiziert[1] in ihr Abschlussdokument auf (UN-Generalversammlung: 2005, 30), womit es zu einem „international principle endorsed by the entire UN membership“ (Bellamy: 2009, 95), jedoch ohne rechtliche Bindewirkung wurde. Mit der Resolution 1674 bestätigte der Sicherheitsrat das Konzept, machte es sich aber „nicht zu eigen” (Wenzel: 2010, 43). Weitere Berichte, etwa des Generalsekretärs Ban Ki Moons folgten (Ki Moon: 2009; 2010; 2011a). Bisher kann die RtoP als potentiell sich herausbildende Norm des Völkerrechts bezeichnet werden. Die Resolution 1973 und die Libyenintervention haben dazu ihren eigenen Beitrag geleistet.

2.2. Das Drei-Stufen-Modell der RtoP

Die „Responsibility to Prevent” gilt als erste und wichtigste Stufe der RtoP (vgl. ICISS: 2001, XI). Zu möglichen Präventivmaßnahmen zählen u.a. „support for local initiatives to advance good governance, human rights, or the rule of law; or good offices missions, mediation efforts and other efforts to promote dialogue or reconciliation“ (ICISS: 2001, 19).

Die „Responsibility to React” tritt ein, wenn der Bevölkerung „massacre, genocide or ethnic cleansing on a large scale” drohen „and when preventive measures fail to resolve or contain the situation and when a state is unable or unwilling to redress the situation, then interventionary measures [...] may be required. These [...] may include political, economic or judicial measures, and in extreme cases – but only extreme cases – [...] military action“ (ICISS: 2001, 29). Schwellenkriterien für eine militärische Intervention sind: gerechter Grund, rechte Absicht (Verhinderung menschlichen Leids), letztes Mittel (z.B. Aufforderung zu Verhandlungen bei Konflikt zwischen Regierung und Aufständischen), rechte Autorität (UNO als Entscheidungsgewalt), Proportionalität der Mittel (Verhältnismäßigkeit in Umfang, Dauer und Intensität der Maßnahmen) sowie berechtigte Erwartungen. Um die Situation vor Ort richtig einzuschätzen, kann z.B. eine „fact finding mission” eingesetzt werden (ICISS: 34f).

Die „Responsibility to Rebuild” besteht in der Verpflichtung zum (Wieder) Aufbau staatlicher Institutionen, zerstörter Infrastruktur, der Sorge für ökonomische und soziale Entwicklung, Sicherheit, Gerechtigkeit und Versöhnung (vgl. ICISS: 2001, 39).

3. Die Libyen Intervention 2011

„[...] it is impossible to imagine a future for Libya with Qaddafi in power. [...] it would condemn Libya to being not only a pariah state, but a failed state too (Sarkozy et al.: 2011a).”

Mit dem „Tag des Zorns” am 17. Februar begann in Libyen offiziell die Revolte, jedoch um einiges gewalttätiger und mit einer schmaleren Massenbasis als in Tunesien oder Ägypten (Avenarius: 2011; Gardner: 2011; Pradetto: 2012, 54). 33 ehemalige Spitzenbeamte, deren Namen lange Zeit nicht bekannt waren, wechselten offenkundig koordiniert (Pradetto: 2012, 56) ihr Lager und gründeten am 26. Februar in Bengasi den Nationalen Übergangsrat (NTC) (Richter: 2011). Zeitgleich verabschiedete der Sicherheitsrat die Resolution 1970 (UN-Sicherheitsrat: 2011a). Sie beinhaltete u.a. ein Waffenembargo, Reisebeschränkungen, das Einfrieren von Auslandsguthaben und beauftragte den Internationalen Strafgerichtshof (ICC) mit der Ermittlung wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Angeklagt waren al-Gaddafi, sein Sohn al-Islam sowie der Geheimdienstchef al-Senussi.

Am 9. März lud Sarkozy die Repräsentanten des Übergangsrat nach Paris ein und gab al-Gaddafis Sturz als Ziel an. Obgleich ihre innenpolitische Legitimität nur begrenzt gegeben war und sie eine Bürgerkriegspartei darstellten (Pradetto: 2014,77), erkannte Frankreich am 10. März den NTC unilateral als „legitime Regierung” an, ein Tag bevor sich die Staats- und Regierungschefs Europas auf einem Sondergipfel zu Libyen berieten. Am 11. März forderten Cameron und Sarkozy in einem Brief an Hermann van Rompuy, Präsident des Europäischen Rates, ein härteres Vorgehen gegen al-Gaddafi (vgl. Deutsch-Französisches Institut: 2012,189). Zeitgleich brach Frankreich alle diplomatischen Kontakte zu Tripolis ab, entsandte einen Botschafter nach Bengasi und kündigte (noch vor Resolution 1973) an mit Großbritannien auch militärisch einzugreifen. Frankreichs Verbündete in EU und NATO standen vor vollendeten Tatsachen. Ebenso schloss dies implizit auch weitere Verhandlungslösungen, etwa durch die Afrikanische Union (AU) aus (vgl. Pradetto: 2012, 59).

Medienbereichterstattungen, v.a. al jazeera zufolge, plante al-Gaddafi sein eigenes Volk zu ermorden und versorgte schwarzafrikanische Sölnerbanden mit Potenzmittel für Massenvergewaltigungen. Weder das UN-Generalsekretariat in New York, das Pentagon in Washington, noch westliche Botschaften in Tripolis bestätigten diese Schreckensmeldungen (Mutz: 2011). Mit der kurz bevorstehenden Einnahme Bengasis durch Regierungstruppen waren sie aber Anlass für Frankreich und Großbritannien am 16. März Resolution 1973 in den Sicherheitsrat einzubringen, für welche beide Staaten Lobbyarbeit betrieben (Davidson: 2013, 315). Die von China und Russland geforderte fact finding mission wurde abgelehnt und die Resolution „in bemerkenswerter Eile” (Thakur: 2011, 12f) am 17. März mit 10 Zustimmungen und 5 Enthaltungen verabschiedet. Rechtfertigungsgrundlage und Zielvorgabe der militärischen Intervention wurde die RtoP[2]. Gerade bezüglich der Erfüllung der sechs Schwellenkriterien (vgl. 2.2.), zeigten sich die enthaltenden SR-Mitglieder skeptisch (Bellamy; Williams: 2011, 843) Der Resolutionstext sah eine „No Fly Zone” (NFZ) zum Schutz von Zivilisten vor, wozu er „alle notwendigen Mittel” erlaubte, Besatzungstruppen sowie Lieferung von Waffen und militärischer Ausrüstung jedoch ausgeschlossen (vgl. UN-Sicherheitsrat: 2011b).

Am 19. März lud Sarkozy zum Pariser Gipfeltreffen, um eine Militärintervention zu diskutieren. Noch bevor dieses zu Ende ging, flog Frankreich bereits um 16:45 MEZ in der „Opération Harmattan” erste Angriffe (vgl. Marcus: 2011). Die Streitkräfte weiterer Länder folgten. Knapp zwei Wochen nach Kriegsbeginn übernahm die NATO am 31. März die Gesamtkoordination (Garamone: 2011). Sarkozy befürchtete der Nordatlantikrat (NAC) entscheide nicht effektiv genug (vgl. Watt et al: 2011) und wollte die NATO auf ihre technische Seite ohne politische Entscheidungsgewalt beschränkt wissen (Klimentiew: 2011; Traynor: 2011). Während der Folgemonate befand sich die NATO in einem Dilemma einerseits Resolution 1973 nicht zu überdehnen und der offen deklarierten „Gaddafi-weg-Politik” andererseits (Süddeutsche Zeitung: 2011). Dieses Junktim zwischen Schutz von Zivilisten und der Ablösung einer Regierung (Brozus&Schaller: 2013, 20) veröffentlichte Obama, Cameron und Sarkozy am 14.April in fünf internationalen Tageszeitungen (Sarkozy et al: 2011a). Verschiedene Zieldefinitionen des Einsatzes führten zum Streit zwischen Paris, London und der NATO (Pradetto: 2014, 87). Ende Juni gestand Paris sogar trotz Waffenembargo Kriegsmaterial an die Rebellen geliefert zu haben (Jolly&Fahim: 2011). Wer diese jedoch waren, blieb lange unklar. Bald waren es Demokraten, Stammesführer oder radikale Islamisten (Rogge: 2011). Auf einer Libyenkonferenz in Paris Anfang September kündigte Frankreich bereits an, auch im libyschen Transitionsprozesse die Führungsrolle übernehmen zu wollen (Koepf: 2012a, 7). Nach gut 9700 Luftangriffen (5600 allein von französischer Seite (Ministère de la Défense: 2011)), ca. 30.000 abgeworfenen Bomben, 30-50.000 Toten (Milne: 2011), der Überdehnung des UN-Mandats und der Ermordung al-Gaddafis am 20.Oktober erklärte Rasmussen den erfolgreichsten Kampfeinsatz in der Geschichte der NATO am 31.Oktober für beendet (Adler: 2011).

Es folgte der Zerfall von Staat und Gesellschaft in kleine Herrschaftsgebiete von Milizen, Clans und Warlords, alle „bis an die Zähne bewaffnet” (Heumann: 2014), viele Fälle von Mord und Folter an vermutlichen Gaddafi Anhängern in Geheimgefängnissen (BBC News: 2011b), der libysche Export islamistischer Kämpfer nach Mali oder Syrien und die Destabilisierung der gesamten Sahelzone. Auf dem Failed State Index glitt Libyen von Platz 11 (2010), d.h. weit über der Türkei bis auf Platz 41 (2014), vergleichbar mit der Republik Kongo oder Mali (vgl. FFP) ab.

4. Der Neorealismus

4.1. Theoretische Grundannahmen

Als eines der einflussreichsten theoretischen Paradigmen in den Internationalen Beziehungen gilt der von Kenneth Waltz in den 70`ern begründete Neorealismus. Aufgrund ihres Gewaltmonopols und ihres außerordentlichen Machtpotentials stellen die Staaten die Hauptakteure der Theorie dar (Waltz: 1972, 72). Sie gelten als uniforme Akteure (Grieco: 1997,164) und werden ähnlich einer „black box” behandelt (d.h. Rolle von Individuen und Innerstaatlicher Prozesse wird ausgeblendet). Demnach spiegeln auch internationale Institutionen nur die Interessen der Staaten wider und sind von geringer Bedeutung. Im Fokus der neorealistischen Analyse steht das internationale anarchische System. In ihm existiert keine zentrale Sanktionsinstanz jenseits der Staaten (Waltz: 1972, 88), welche etwa völkerrechtliche Normen mit Zwang durchsetzen könnte (Schimmelfennig: 2010, 69). Durch eine fehlende Bindewirkung besteht daher auch die Gefahr der Nichteinhaltung von Normen. Staaten verfolgen gemäß des „homo oeconomicus” Ansatzes primär ihre eigene, klare Präferenzordnung unter rationalem Kosten-Nutzen-Kalkül. Fehlentscheidungen sind etwa wegen fehlender Informationen möglich (Mearsheimer: 2001, 80).

Das internationale System bewirkt eine Grundskepsis gegenüber dem möglichen Verhalten anderer Staaten. Gemäß dem Motto: „Wenn du den Frieden willst, bereite den Krieg vor (Si vis pacem para bellum)” bewirkt es ein Sicherheitsdilemma und ein Selbsthilfesystem. Staatliche Souveränität und das eigenen Überlebens genießen höchste Priorität (Waltz: 1972,107). Zu ihrer Sicherung bedarf es militärischer, ökonomischer und politischer (Macht-) Mittel (Waltz: 2010,106; Grieco: 1997,167). Sie sind kombinierbar, d.h. militärische Fähigkeiten können eingesetzt werden, um ökonomische oder politische Interessen zu verfolgen (Waltz: 2010,94). Da nicht allen Staaten diese Machtmittel in gleichem Maße zur Verfügung stehen, gelten Staaten als funktional gleich, jedoch nicht als gleichwertig (d.h. es gibt mächtigere und schwächere Staaten). Prestige gilt zudem als soziale Anerkennung der staatlichen Macht (Gilpin: 1981, 30–33). Der Glauben anderer Staaten ein Staat sei mächtig, garantiert diesem Staat das Überleben, während der sich auch anderen Zielen widmen kann. Die (durch die vorhandenen Machtmittel) erreichte Machtposition relativ zu anderen Staaten, bestimmt die Struktur des internatonalen Systems als uni-, bi- oder multipolar (Schörning: 2003, 70).

In ihm versuchen „status quo Staaten” ihr Überleben durch den Schutz vorhandener Machtmittel und ihre Sicherheit v.a. durch Verteidigung zu sichern (vgl. Vogt: 1999, 60f). Sie verhalten sich durch Ausgleich von Machtungleichgewichten (d.h. Anschluss an schwächere Staaten), sog. balancing defensiv. Dabei bildet externes balancing temporäre Verteidigungsallianzen, wohingegen internes balancing durch Aufrüstung betrieben wird. Dagegen agieren „revisionistische Staaten” aufgrund ihres Interesses am kontinuierlichen Zugewinn weiterer Machtmittel offensiv (Schweller: 1994, 87). Durch imperialistisches oder „aggresives Eroberungsverhalten” (Mearsheimer: 2001, 21) streben sie nach relativer machtpolitischer Überlegenheit (Waltz: 2010, 106,155), wobei die Erlangung strategischer Ressourcen (Öl, Metalle, etc.) von besonderer Bedeutung für die eigene Machtposition und Unabhängigkeit ist. Sicherheitsmaximierung bedeutet v.a. auch Machtmaximierung, letztere besonders dann, wenn ein grundlegendes Maß an Sicherheit bereits gewährleistet ist (Waltz: 1979, 126). Selbst bei langfristigen Nachteilen, überwiegt der Wunsch nach kurzfristigen Machtzuwächsen (Brooks: 1997, 450). Als offensive Strategie wird bandwagoning betrieben, d.h. der Anschluss an stärkere Allianzen (Vogt: 1999, 54). Großmächte sind zudem in der Lage ihr Umfeld gemäß eigenen Interessen aktiv umzugestalten und Hegemoniebestrebungen anderer Staaten zu unterbinden, d.h. ein milieu shaping zu betreiben (vgl. Hyde-Price: 2006, 222-227).

4.2. Motivation Humanitärer Militärischer Interventionen

Aufgrund der anarchischen Struktur des internationalen Systems kommt insbesondere dem Prinzip der Ordnung, als Anerkennung der staatlicher Souveränität und Nichtintervention ein besonderer Stellenwert zu (Kegley: 1995, 4). Militärische Interventionen gelten als Quelle der Unordnung, obgleich sie zum Teil zur Wiederherstellung der Ordnung notwendig sind (Petersohn: 2009, 45). Insbesonders eine erhöhte Unsicherheit im internationalen System verschärft die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Absichten von Staaten schnell von freundschaftlich zu feindlich gesinnt ändern (Mearsheimer: 2001, 31). Als indirekte Bedrohung und Unsicherheitsfaktoren zählen u.a. Konflikte im eigenen Umfeld und innerstaatliche Revolutionen, einerseits, weil neue Regierungen schwieriger einzuschätzen sind (Walt: 1992, 341), andererseits können sie einen Staat aber auch intern schwächen. Eine Intervention unter diesem Gesichtspunkt würde die eigene Macht vergrößern (vgl. Walt: 1992, 331). Auch aufgrund der Bedrohung der Grenzsicherheit und der territorialen Integrität, etwa durch erhöhte Migrationswellen, wird eine Intervention wahrscheinlich (Mearsheimer: 2001, 31).

Insbesondere humanitäre militärische Interventionen gelten als unwahrscheinlich, da rein altruistisches Handeln dem homo oeconomicus fremd ist (Schweller: 1997, 927). Zudem binden Interventionen Mittel, welche für die eigene Verteidigung nicht mehr vorhanden sind (Wheeler&Mason: 1996, 99). Gleichwohl schließt der Neorealismus die Beachtung von Normen nicht gänzlich aus (Checkel: 1997, 475). Humanitäre Gründe dienen v.a. als Legitimationsgrundlage für Interventionen (Petersohn: 2009,18).

Als Handlungsgrundlage sollte aber primär eine Kosten-Nutzen-Kalkulation dienen, welche bestehende (Rohstoff-) Abhängigkeiten oder die Wahrscheinlichkeit einer Gegenintervention auf der Grundlage der Machtassymetrie zwischen Intervent und Adressat (ebd., 46) berücksichtigt. Auch wenn nationale Interessen, allen voran Sicherheits- und Machtinteressen gefördert und - wenn auch nur indirekt - konkurrierende Staaten geschwächt werden, sind Interventionen wahrscheinlich (ebd., 46). Dabei stellen defensive Realisten zur Intensität des sicherheitspolitischen Interesses den Grad der Bedrohung, welche von einem Land ausgeht in den Vordergrund (ebd., 99). Offensive Realisten hingegen koppeln ein hohes Sicherheitsinteresse an einen hohen zu erwartenden Machtgewinn (ebd., 100).

[...]


[1] Einschränkung auf: Genozid, Kriegsverbrechen, ethnische Säuberung und Verbrechen gegen die Menschlichkeit

[2] S/RES/1973 vom 17.03.2011, Präambularklauseln 3-5 sowie Operativklausel 4

Final del extracto de 39 páginas

Detalles

Título
Krieg für Menschenrechte? Frankreich und die "Responsibility to Protect" im Libyschen Bürgerkrieg.
Universidad
University of Hagen
Calificación
1,3
Autor
Año
2014
Páginas
39
No. de catálogo
V279151
ISBN (Ebook)
9783656724315
ISBN (Libro)
9783656724308
Tamaño de fichero
1059 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Libyen, Responsibility to Protect, Frankreich, Neorealismus, Menschenrechte, Krieg, Konflikt, Internationale Beziehungen
Citar trabajo
Sarah Ultes (Autor), 2014, Krieg für Menschenrechte? Frankreich und die "Responsibility to Protect" im Libyschen Bürgerkrieg., Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/279151

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