Einleitung
„Hiob: Allein gegen Gott“ – unter diesem (reißerischen) Titel würde heute vielleicht ein Fernsehsender das Buch Hiob verfilmen. Es mag zunächst absurd anmuten, daß sich ein Sender dieses (ur-)alten Stoffes bedienen könnte. Doch ein Blick in die Literaturgeschichte zeigt, daß die Gestalt des Hiob seit jeher Autoren heraus- und aufgefordert hat, sich ihr zu widmen. Die Tradition der Hiob-Rezeption kann als Indiz dafür gewertet werden, daß die Person mit ihrer (Leidens-) Geschichte den Menschen viel näher war als beispielsweise die Propheten oder Könige. Mit der „Hiobsbotschaft“ ist das Schicksal dieses Mannes sprichwörtlich geworden; viele Menschen mögen schon eine solche erhalten haben, ohne den genauen Hintergrund der Formulierung zu kennen. Im biblischen Buch selbst ist der Bezug auf die immer aktuelle Frage der Theodizee ebenso angelegt wie der Schritt über das individuelle Schicksal des Hiob hinaus: Wie kann ein Mensch in seinem Leiden verfahren; in seinem Leiden Trost, Hilfe erfahren.
Vor diesem Hintergrund erscheint es lohnend, die Problematik des Hiob auf ein aktuelles Thema zu spiegeln, mithin „AT-Exegese in der Berliner Wirklichkeit“1 zu treiben. Die Beschäftigung mit „Homosexualität im Kontext von Bibel, Kirche und Gesellschaft“ und die Mitarbeit bei einer schwulen Opferhilfe, dem Schwulen Überfalltelefon Berlin (SÜB), hat dem Autor gezeigt, daß homosexuelle Männer immer wieder mit Gewalterfahrungen der unterschiedlichsten Art konfrontiert sind. Neben die Klage Hiobs soll in dieser Arbeit „schwule Klage“ gestellt werden. Eine Rolle soll dabei einerseits die gesellschaftliche Verfolgung während des Faschismus spielen, andererseits die Erfahrung, plötzlich Opfer einer Straftat zu werden. Grundlage dafür ist der Versuch, diese Erfahrungen im Gespräch „zu verarbeiten“. Daher sind die Freundesreden der wichtigere Teil des Hiob-Buches für diese Arbeit. Denn dort werden die genannten Probleme zur Sprache gebracht, diskutiert – nachdem zunächst, auch das ist wichtig, geschwiegen wurde. Ausgehend von einer Untersuchung am biblischen Text soll also versucht werden, den Gehalt des Hiob-Buches für konkrete Leidenssituationen homosexueller Männer fruchtbar zu machen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Exegese
- Entstehung des Hiob-Buches
- Aufbau
- Einleitung
- Hauptteil (Die sogenannte Hiobdichtung)
- Schluß
- Fall Hiob vs. Hiobproblem
- Hiob 14, 7-17
- Schwule Klage
- Nationalsozialismus
- Gewalt gegen Schwule
- Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Seminararbeit untersucht das Leid des Hiob im alttestamentlichen Buch Hiob, insbesondere den Abschnitt Hiob 14, 7-17, und stellt dieses Leid in Beziehung zu den Erfahrungen homosexueller Männer. Sie verfolgt das Ziel, den Gehalt des Hiob-Buches für konkrete Leidensituationen homosexueller Männer fruchtbar zu machen. Dabei werden die gesellschaftliche Verfolgung während des Nationalsozialismus und die Erfahrung von Gewalt gegen Homosexuelle in der Gegenwart als Vergleichsfelder herangezogen.
- Das Leiden des Hiob und seine Relevanz für heutige Leidensgeschichten
- Die Darstellung von Leid in der biblischen Literatur und ihre Anwendung auf konkrete Erfahrungen
- Die gesellschaftliche Verfolgung von Homosexuellen im Nationalsozialismus
- Die gegenwärtige Situation von Gewalt gegen Homosexuelle
- Der Einsatz biblischer Texte zur Bewältigung von Leid und Diskriminierung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt den Leser in die Problematik des Buches Hiob und in die Intention der Arbeit ein, die das Leid des Hiob mit den Erfahrungen homosexueller Männer in Verbindung setzt.
Der Abschnitt "Exegese" analysiert die Entstehungszeit und den Aufbau des Hiob-Buches, wobei die Einleitung, der Hauptteil und der Schluss des Buches getrennt betrachtet werden.
Das Kapitel "Hiob 14, 7-17" untersucht den ausgewählten Abschnitt des Hiob-Buches, der sich mit Hiobs Klage über seine Sterblichkeit und seinen Wunsch nach einem Wiederauferstehen beschäftigt.
Das Kapitel "Schwule Klage" widmet sich der gesellschaftlichen Verfolgung von Homosexuellen im Nationalsozialismus und der gegenwärtigen Gewalt gegen Homosexuelle. Es wird die Erfahrung des Leids im Kontext von Diskriminierung und Gewalt beleuchtet.
Schlüsselwörter
Hiob, Leid, Homosexualität, Nationalsozialismus, Gewalt, Diskriminierung, Bibel, alttestamentliche Exegese, Theodizee, Schwule Klage.
- Citar trabajo
- Ralf Strauss (Autor), 2000, Hiobs Leid und das Leid homosexueller Männer. Eine Untersuchung zu Hi 14, 7-17, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/27923