Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Grundlagen von Verrechnungspreisen
2.1 Charakterisierung von Verrechnungspreisen
2.2 Funktionen und Ziele von Verrechnungspreisen
2.3 Zusammenhang zwischen Verrechnungspreissystem und Organisationsstruktur
3 Ansätze zur Ermittlung von Verrechnungspreisen
3.1 Marktorientierte Verrechnungspreise
3.2 Kostenbasierte Verrechnungspreise
3.3 Verhandlungsbasierte Verrechnungspreise
4 Leitlinien zur Bildung von Verrechnungspreisen
4.1 Systematik der Leitlinien
4.2 Leitlinien in Relation zur Marktsituation
4.3 Leitlinien in Bezug zur gegebenen Kapazitätssituation
4.4 Leitlinien aus unternehmensspezifischer Sicht
4.5 Leitlinien bei geplanten spezifischen Investitionen
4.6 Vorgehensweise bei der Anwendung der Leitlinien
5 Zusammenfassung und Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Funktionen von Verrechnungspreisen
Abb. 2: Ergebnisse empirischer Untersuchungen
Abb. 3: Verrechnungspreise im Produktionsbereich bei TRUMPF
Abb. 4: Ablauf der Ereignisse bei spezifischen Investitionen
Abb. 5: Mögliche Vorgehensweise bei der Auswahl eines Verrechnungspreises
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Stellen wir uns folgende Situation vor: Ein Automobilkonzern kauft seine Autoreifen von einem externen Zulieferer und zahlt dafür den Marktpreis. Beschließt der Automobilkonzern nun, eine eigenständige Sparte im Unternehmen zu schaffen, die alle Autoreifen selbst produziert, so entsteht ein Verrechnungspreisproblem. Die leistende Einheit wird die Reifen dann bei der unternehmensinternen Sparte kaufen. Für diese Transaktion muss ein interner Preis gefunden werden: Der Verrechnungspreis.
Das Konzept der Verrechnungspreise basiert auf der Idee, einen Marktmechanismus innerhalb eines Unternehmens zu etablieren und dezentrale Entscheidungen über ein System von Preisen zu steuern (pretiale Lenkung).1 Im Rahmen der Verrechnungspreis- problematik muss das dezentrale Management über den Verrechnungspreis zu einem im Sinne der Zentrale optimalen Verhalten angehalten werden.2 Zwar sind Verrechnungs- preise bereits seit langem Gegenstand der betriebswirtschaftlichen Diskussion und nach wie vor relevant für das konzerninterne Rechnungswesen, das Dilemma der pretialen Lenkung konnte bis heute nicht gelöst werden. Dieses Dilemma besteht darin, dass ge- eignete Verrechnungspreise erst dann vorliegen, wenn sie nicht mehr benötigt werden, weil das Entscheidungsproblem schon zentral gelöst worden ist.3
Ziel dieser Arbeit ist es, Leitlinien abzuleiten, die bei der praktischen Anwendung von Verrechnungspreisen als mögliche Orientierungshilfe dienen können. Dazu muss zuerst ein grundlegendes Verständnis für Verrechnungspreise im Unternehmen geschaffen werden. Zudem wird der Frage nach dem Verrechnungspreis als geeignetes Koordina- tionsinstrument im Unternehmen nachgegangen. In Abschnitt 2.1 wird deshalb der Be- griff Verrechnungspreis definiert, charakterisiert und von den Begriffen Transfer- und Lenkpreis abgegrenzt. Darüber hinaus wird der Begriff Verrechnungspreissystem be- stimmt. In Abschnitt 2.2 wird näher auf die Funktionen und Ziele von Verrechnungs- preisen eingegangen und auf die Zielkonflikte zwischen den Funktionen hingewiesen.
Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Koordination als interne Funktion und dem Zielkonflikt zwischen Koordinations- und Erfolgsermittlungsfunktion. Mit der Darstel- lung von dezentralisierten Unternehmen wird in Abschnitt 2.3 die Voraussetzung bzw. Notwendigkeit der Bildung von Verrechnungspreisen verdeutlicht und der Zusammen- hang zwischen Organisationsstruktur und Verrechnungspreis dargestellt. In den Ab- schnitten 3.1 bis 3.3 werden die betriebswirtschaftlichen Methoden zur Ermittlung von Verrechnungspreisen thematisiert. Die marktorientierten, kostenbasierten und verhand- lungsbasierten Verrechnungspreise werden jeweils erklärt, an Praxisbeispielen veran- schaulicht und anschließend im Hinblick auf die Koordinationsfunktion kritisch gewür- digt. Schließlich werden im vierten Abschnitt Leitlinien anhand von Erkenntnissen der einschlägigen Literatur abgeleitet. Diese werden nach Sicht der Markt- und Unterneh- menssituation, der gegebenen Kapazitäten sowie nach geplanten spezifischen Investiti- onen gegliedert. Die Leitlinien aus Sicht der Markt- und Unternehmenssituation und in Relation zur Kapazitätssituation behandeln dabei grundsätzliche Erkenntnisse. Zu den unternehmensindividuellen Handlungsempfehlungen zählen hingegen die Leitlinien hinsichtlich geplanter spezifischer Investitionen. Um die Leitlinien einzuleiten, werden zuerst die Anforderungen an Leitlinien aufgezeigt, ihr Zweck und Ursprung dargestellt und ihr Gültigkeitszeitraum beschrieben. Daraufhin werden sie systematisiert und aus- führlich erklärt. Falls nötig, wird auf ihre Grenzen hingewiesen. Die vorliegende Arbeit endet mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse und einem Fazit.
2 Grundlagen von Verrechnungspreisen
2.1 Charakterisierung von Verrechnungspreisen
Nach Ewert/Wagenhofer sind Verrechnungspreise grundsätzlich „Wertansätze für in- nerbetrieblich erstellte Leistungen, die von anderen, rechtlich abgegrenzten Unterneh- mensbereichen bezogen werden.“4 Diese und weitere Definitionen der einschlägigen Literatur sind nach Martini zu eng gefasst und schließen die Leistungsbezüge und Leis- tungserbringung über die Unternehmensgrenze hinaus aus. Demnach formuliert er den Begriff des Verrechnungspreises umfassender und verwendet folgende Definition: „Verrechnungspreise sind innerhalb einer Unternehmung verwendete Wertansätze für Güter und Dienstleistungen, die von einem rechnerisch abgegrenzten Bereich der Un- ternehmung abgegeben und bezogen werden.“5 Kennzeichnend für Verrechnungspreise sind demnach zwei wesentliche Merkmale:
1. Bewertungsansatz: Bei der Ermittlung der Höhe von Verrechnungspreisen gibt es verschiedene Ansätze. Im Wesentlichen unterscheidet man zwischen markt- orientierten, kostenbasierten und verhandlungsbasierten Wertansätzen.
2. Innerbetrieblicher Leistungsaustausch: Leistungen können zwischen einzelnen Kostenstellen, rechtlich selbstständigen Konzernunternehmen oder auch zwi- schen der Zentrale und einem oder mehreren dezentralen Unternehmensberei- chen ausgetauscht werden.6
Ferner zeichnet sich der Verrechnungspreis dadurch aus, dass er nicht wie der Markt- preis durch Angebot und Nachfrage am Markt bestimmt wird, sondern durch die Bewer- tungen im Unternehmen. Er stellt somit das „unternehmensinterne Gegenstück des Marktpreises“7 dar. Diese internen Preise werden dann in der Regel als Teil eines Ver- rechnungspreissystems im Unternehmen implementiert. Verrechnungspreissysteme be- zeichnen die Summe aller Regeln, nach denen der Leistungsaustausch zwischen wirt- schaftlich selbstständigen Unternehmen erfolgt. Neben dem Verrechnungspreis werden also u. a. auch die Art, Menge, Qualität und der Zeitpunkt der ausgetauschten Leistun- gen festgelegt. Verrechnungspreissysteme gehen demzufolge über die Bestimmung ein- zelner Verrechnungspreise hinaus.8
In der einschlägigen Literatur erfolgt meist eine synonyme Darstellung der Begriffe Transfer- und Lenkpreis mit dem Begriff Verrechnungspreis. An dieser Stelle sollen deshalb jene abgegrenzt werden: Unter steuerlichen Aspekten werden die Begriffe Transfer- und Verrechnungspreis unterschieden. In diesem Sinne sind Verrechnungs- preise länderübergreifende Preise zwischen rechtlichen und/oder wirtschaftlich selbst- ständigen Konzerngesellschaften und bilden somit die interne Erfassung des Leistungs- transfers bzw. die Nutzung gemeinsamer Ressourcen und Märkte ab. Transferpreise sind dagegen verrechnete Preise zwischen nicht rechtlich selbstständigen Profit-Centern eines Konzernunternehmens. Diese Preise stellen den Gütertransfer in den Wertschöpfungsstufen eines Unternehmens dar. Transferpreise haben im Vergleich zu Verrechnungspreisen also keine steuerliche Implikation. Sie beeinflussen das Gesamtergebnis und die Steuerbelastung einer Gesellschaft nicht. Der Begriff Verrechnungspreis schließt somit den Begriff Transferpreis mit ein. Unter Lenkpreisen werden hingegen nur solche Verrechnungspreise verstanden, die zur Koordination und Lenkung eingesetzt werden. Von ihnen wird vielmehr ausschließlich dann gesprochen, wenn die einzelnen Stellen Entscheidungsautonomie besitzen. Im Folgenden wird einzig der umfassendere Begriff des Verrechnungspreises verwendet.9
2.2 Funktionen und Ziele von Verrechnungspreisen
Mit dem zunehmenden Grad der Dezentralisation im Unternehmen wird es schwieriger, die Teilziele auf ein Gesamtziel abzustimmen. Dieses Koordinationsproblem liegt darin begründet, dass zwischen den einzelnen Abteilungen gegenseitige Abhängigkeiten (In- terdependenzen) bestehen. Beispiele für Interdependenzen sind etwa die Nutzung ge- meinsamer Ressourcen sowie die Konkurrenz um diese (Ressourcenverbund), der in- nerbetriebliche Leistungstransfer (Prozessverbund) oder die gegenseitige Beeinflussung zwischen Managern und Mitarbeitern (Verhaltensinterdependenzen). Um Interdepen- denzen zwischen Prozessen, Ressourcen und Menschen im Unternehmen im Hinblick auf das angestrebte Ziel abzustimmen, werden Koordinationsinstrumente eingesetzt.10 Interne Preise können grundsätzlich als Koordinationsinstrument der internen Steuerung verstanden werden. Der Preis regelt die Knappheit der Güter und lenkt ein Gut dahin, wo es den größten Wertzuwachs herbeiführt.11 Er koordiniert die dezentralen Entschei- dungen der Bereichsmanager und steuert das Verhalten der Bereichsmanager idealer- weise in der Art, dass sie ihre Eigeninteressen im Sinne des Gesamterfolges ausrich- ten.12 Durch die Vorgabe, ihren Bereichserfolg zu maximieren, wird das Gesamtziel indirekt angestrebt. Die Koordinationsfunktion beinhaltet laut Küpper somit auch eine Motivations- und Anreizfunktion.13 Wird das Augenmerk dabei genauer auf den Preis- findungsprozess gelegt, entspricht das Aushandeln des Preises zwischen den Unternehmensbereichen einer Koordination durch Selbstabstimmung. Wird der Preis hingegen durch einen marktpreis- oder kostenorientierten Ansatz ermittelt, kann dies als eine Koordination durch Ziele interpretiert werden.14 Generell lässt sich die Koordinationsfunktion der Verrechnungspreise in eine Funktion der Ressourcenallokation, die aus Sicht des gesamten Unternehmens optimiert werden soll und eine Funktion der Entscheidungsunterstützung dezentraler Bereiche aufspalten.15
Neben der Koordinationsfunktion erfüllen Verrechnungspreise eine Vielzahl interner und externer Funktionen. Die Erfolgsermittlung bzw. Performance-Messung bestimmt zu welchem Grad die gesteckten Ergebnisziele erreicht wurden und ermöglicht eine separate Zurechnung der Erlöse und Kosten zu jeder Einheit. Die Erfolgsermittlung im externen Sinn umfasst die Bestimmung der Ergebnisse der rechtlich selbstständigen Tochtergesellschaften im Konzern. Aufgrund der Beurteilung der Bereiche über den Bereichsgewinn sind die einzelnen Manager bestrebt, ihren Bereichsgewinn zu maxi- mieren. Der Verrechnungspreis kann also zur Anreizgestaltung dienen und ein zielkon- formes Handeln sicherstellen. Neben der Koordination dezentraler Bereiche zählen also auch die Erfolgsermittlungsfunktion der Bereiche und die Anreizgestaltung für die Ma- nager zu den internen Funktionen. Extern steht die Besteuerung, besser gesagt die ge- setzeskonforme Minimierung des Steueraufwands, im Vordergrund. Es gilt steuerliche Regelungen einzuhalten und steuerliche Entscheidungen so zu treffen, dass keine Nach- teile für international tätige Unternehmen entstehen. Da bei länderübergreifenden Leis- tungstransfers der Verrechnungspreis die Höhe der Gewinne beeinflusst, ist darauf zu achten, diese in Niedrigsteuerländern anfallen zu lassen. Auch Doppelbesteuerungen als Folge „falsch“ gebildeter Verrechnungspreise, sollten vermieden werden. Schließlich können Verrechnungspreise auch als Argumentationsunterstützung zur Erreichung fest- gelegter Ziele (z. B. Reorganisationsmaßnahmen) genutzt werden.16 Aus diesen Funkti- onen sind Ziele ableitbar zwischen denen es zu Zielkonflikten kommen kann, wie in der nachfolgenden Übersicht gezeigt wird. Zielkonflikte treten auf, wenn ein Verrech- nungspreis eine Funktion erfüllt, gleichzeitig jedoch zur Minderung des Erfüllungsgrades einer anderen Funktion führt.
Abb. 1: Funktionen von Verrechnungspreisen17
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Diese Zielkonflikte können sowohl innerhalb der internen Funktionen als auch zwischen den internen und externen Funktionen auftreten. Besonders deutlich zeigt sich der Zielkonflikt zwischen den Funktionen Koordination und Erfolgsermittlung. Ziel der Koordination ist die Erreichung eines Gesamtoptimums für das Unternehmen. Die Erfolgsermittlung führt hingegen aufgrund der Möglichkeit der Unternehmensbereiche, eigene Entscheidungen zu treffen, zu Teiloptima. Unkoordiniertes Verhalten kann im Falle von Interdependenzen zwischen einzelnen Unternehmensbereichen dazu führen, dass eine individuelle Gewinnmaximierung nicht zum potentiellen Gesamtoptimum führt, da mögliche Verbundvorteile nicht genutzt werden. ∑ Teiloptima < potenzielles Gesamtoptimum18
Zudem sind bei der gleichzeitigen Erfüllung beider Ziele diejenigen Bereiche im Vor- teil, die über knappe Produktionsfaktoren verfügen. Nur diese können einen Gewinn erwirtschaften, da die Verrechnungspreise der Erzeugnisse ihre Aufwendungen über- steigen.19 Dies gäbe folglich allen Bereichen den Anreiz, ihr Leistungsangebot zu ver- mindern, wodurch eine falsche Darstellung von ihrer Leistungsfähigkeit geschaffen werden würde.20 Auch die Anreiz- und Koordinationsfunktionen können mit der Wahl eines Verrechnungspreises schwer gleichzeitig erreicht werden. Steht die Koordination im Vordergrund, ziehen Unternehmen hauptsächlich kostenbasierte Verrechnungspreise hinzu. Kostenbasierte Verrechnungspreise bieten dem liefernden Bereich jedoch keinen Anreiz, Kosten zu senken, wenn die gesamten Kosten auf den abnehmenden Bereich überwälzt werden. Positive Anreize werden dagegen eher durch Marktpreise geschaffen (z. B. verstärkte Leistungsanstrengung aufgrund von Konkurrenz).21 Zur Lösung dieses Problems, d. h. zur gleichzeitigen Erfüllung verschiedener interner und externer Leis- tungen im Unternehmen, können mehrere Verrechnungspreise angesetzt werden, denen unterschiedlichen Zielsetzungen zu Grunde liegen.22 Die parallele Verwendung ver- schiedener Verrechnungspreise (sog. Zwei- und Mehr-Kreis-Systeme) ist für die Praxis aber kein überzeugender Lösungsansatz, da Differenzierungen allen betroffenen Orga- nisationsmitgliedern verständlich vermittelt und von diesen akzeptiert werden müssen.23 In der Praxis wird die Wirkung der Koordination und Steuerung durch den Verrech- nungspreis häufig von Unternehmen unterschätzt. Empirische Untersuchungen kanadi- scher Unternehmen zeigen, dass der Koordinationsfunktion mit 13% die geringste Be- deutung zugesprochen wurde. Die Erfolgsermittlung wurde hingegen mit 57% und die Kostenanalyse mit 21% als bedeutsam eingestuft.24
2.3 Zusammenhang zwischen Verrechnungspreissystem und Organisationsstruktur
Die Bedeutung von Verrechnungspreisen ist eng mit der Organisationsstruktur verbun- den. Vor allem das Verrechnungspreisdilemma -der Zielkonflikt zwischen den Funktio- nen Ressourcenallokation (Koordination) und Einkommensverteilung-25 macht es erfor- derlich, das Verrechnungspreisproblem im Zusammenhang mit der organisatorischen Gestaltung eines Unternehmens zu betrachten.26 Besonders im Kontext der Dezentrali- sation rückt die Verrechnungspreisgestaltung näher in den Fokus, denn die Notwendig- keit der Einführung eines Verrechnungspreissystems in einem Unternehmen besteht besonders in der Existenz einer dezentralen, marktorientierten Organisationsstruktur mit Entscheidungsautonomie der Bereichsmanager.27 Der Grad der Entscheidungsautono- mie gibt dabei an, inwieweit die Entscheidungseinheiten bei der Lösung von Problemen frei von Beschränkungen sind.28 Die organisatorische Dezentralisation nach dem Ob- jekt- und Produktprinzip erfolgt meist über Profit-Center-Systeme.29 Im Rahmen dieser Profit-Center-Konzeption bzw. Geschäftsbereichsorganisation erhalten die Manager der einzelnen Profit-Center (= Unternehmensmanager sind verantwortlich für ihre Kosten und Erlöse) von der übergeordneten, zentralen Stelle Handlungsanweisungen, entschei- den aber weitgehend selbstständig. Somit wird die Unternehmenszentrale, die in einer Vielzahl von unterschiedlichen Aufgaben mit einer begrenzten Entscheidungskapazität konfrontiert ist, entlastet.30 Im Idealfall legt die Zentrale nur den Verrechnungspreis fest und überlässt alle übrigen Entscheidungen, wie z. B. die Planung der Mengen oder die Festlegung anderer Preise, den Bereichen.31 Die Entscheidungen lassen sich grundsätz- lich nach vier Kriterien gliedern: (a) Kauf oder eigene Herstellung des Zwischenpro- dukts, (b) Festlegung des Preises für das Endprodukt, (c) Budgetentscheidungen über das Kapital und (d) die Entscheidung über die Eliminierung von Produkten.32 In Folge dessen sind die Unternehmensbereiche für das Ergebnis ihrer Handlungen verantwort- lich und streben einen maximalen Bereichserfolg an. Das Verhalten der Bereichsmana- ger wird also über den Preis gesteuert. Schmalenbach nannte dies bereits 1948 das Kon- zept der pretialen Betriebslenkung.33 Gedanklicher Ansatz dieses Steuerungsinstru- ments ist die Annahme eines „fiktiven Marktes“. Nach dem Vorbild der Preisbildung in der Volkswirtschaft wird durch den Einsatz von Verrechnungspreisen der Marktgedan- ke ins Unternehmen geholt. Gleichzeitig wird unternehmensintern versucht, die markt- wirtschaftliche Lenkung („Marktmechanismus“) zu imitieren. Die Unternehmensberei- che sollen unter dem Unternehmensdach wie eigenständige Unternehmen agieren, zwi- schen denen ein Markt existiert.34 Dabei gilt es, Synergiepotentiale zu realisieren (Risi- koreduktion, effizientere Kapitalallokation, Economies of Scale, Steigung der Unter- nehmereigenschaften der Manager, verbesserte Auslastung der Kapazitäten etc.)35 und das Angebots- bzw. Nachfrageverhalten der Bereichsmanager über den Verrechnungs- preis zu steuern. Die Wirkung eines steigenden Verrechnungspreises für ein Gut zeigt sich in verringerten Bezugs-/Verbrauchsmengen der beziehenden Einheit. Als Resultat werden externe Aufträge seltener angenommen. Gleichzeitig steigt die Bereitschaft des leistenden Unternehmensbereiches, dieses Zwischenprodukt herzustellen. Eine Verrin- gerung des Verrechnungspreises führt folglich zu einer gegensätzlichen Wirkung.36 Die Koordination durch Preise ist jedoch nur sinnvoll, wenn die organisationsinternen Kos- ten unterhalb der externen Koordinationskosten am Markt liegen.37 Ist dies der Fall, kann die Steuerungsfunktion ihre Erfüllung in der Verhaltensbeeinflussung Dritter fin- den.38
Im Unternehmen muss nicht immer eine Profit-Center-Organisation durchgesetzt wer- den. Neben den Profit-Centern gibt es noch weitere Verantwortungsbereiche (responsi- bility center). An dieser Stelle sind Cost-Center, Revenue-Center und Investment- Center zu nennen. Cost-Center sind Geschäftsbereiche, bei denen sich die Verantwor- tung auf die Kostenseite beschränkt. Die Entscheidungskompetenz der Bereichsmanager ist dabei auf die Einhaltung der Budgets bei vorgegebenen Produktionsvolumen limi- tiert. Bei Revenue-Centern sind die Bereichsmanager hingegen nur für die Erlöse im Unternehmen verantwortlich. Beim Investment-Center (auch Profit-Center i. w. S. ge- nannt) ist den Bereichsleitern zusätzlich zu der Verantwortung über die Erlöse und Kos- ten noch die Entscheidungskompetenz über Investitionen eingeräumt. Der Grad der Ent- scheidungskompetenz von Bereichsmanagern nimmt somit vom Cost-Center und Reve- nue-Center über das Profit-Center bis hin zum Investment-Center zu.39 Da sich divisio- nale Einheiten jedoch hauptsächlich dadurch auszeichnen, dass sie alle Verrichtungsar- ten von der Beschaffung bis zur Leistungsverwertung umfassen, ist die Erlöserzielung und die Einhaltung des Budgets im Verantwortungsbereich eingeschlossen und das Profit-Center-Konzept im oberen Abschnitt bewusst näher beschrieben worden.40
3 Ansätze zur Ermittlung von Verrechnungspreisen
Bei grenzüberschreitenden Lieferungen und Leistungen, die zwischen rechtlich selbst- ständigen Konzerngesellschaften transferiert werden, stehen steuerliche Ermittlungsme- thoden im Vordergrund. Diese Verrechnungspreise sind insbesondere für die Besteue- rung von Relevanz und beruhen auf dem dealing at arm’s length-Prinzip. Demnach müssen die gesetzten Preise einem Fremdvergleich standhalten, d. h. marktüblich erfol- gen und andere Konzerngesellschaften wie externe Kunden behandeln. Drei steuerliche Methoden sind international anerkannt: Die Preisvergleichsmethode (Comparable Un- controlled Price Method) besagt, dass bei Existenz eines externen Preises am Markt dieser für den konzerninternen Leistungstransfer eingesetzt werden soll. Hier kann wei- ter zwischen einem äußeren und inneren Preisvergleich differenziert werden. Bei der Wiederverkaufsmethode (Resale Price Method) wird das konzerninterne Zwischenpro- dukt am Markt zum „Wiederverkaufspreis“ abgesetzt, nachdem es von der beziehenden Konzerngesellschaft weiterverarbeitet wurde. In Fall der steuerlichen Kostenauf- schlagsmethode (Cost Plus Method) setzt sich der Preis aus den Kosten der Leistungser- stellung und einem Mark-up bspw. einem Gewinnzuschlag zusammen.41 Mit dem Fokus auf die Koordinationsfunktion durch den Verrechnungspreis entfällt jedoch die Not- wendigkeit, steuerliche Verrechnungspreismethoden näher zu betrachten. Im Folgenden geht es deshalb ausschließlich um Lieferungen und Leistungen innerhalb eines Steu- ersubjekts eines Unternehmens oder Konzerns, also um Verrechnungspreise, die steuer- lich keine Rolle spielen.42 Grundsätzlich lassen sich drei betriebswirtschaftliche Metho- den zur Bestimmung von Verrechnungspreisen unterscheiden:
1. Marktorientierte Verrechnungspreise: Der Verrechnungspreis wird aus dem Marktpreis abgeleitet, der für ein äquivalentes Gut vorliegt.
2. Kostenbasierte Verrechnungspreise: Ist- und Standardkosten bilden bei der kos- tenbasierten Verrechnungspreisermittlung den Ausgangspunkt. Weiterhin können sowohl Grenzkosten als auch Vollkosten (ggf. mit Gewinnaufschlag) als Grundlage für den Verrechnungspreis dienen.
3. Verhandelte Verrechnungspreise: Dieser Verrechnungspreis ist das Ergebnis ei- nes Verhandlungsprozesses zwischen leistenden und beziehenden Unterneh- mensbereichen.43
In der Praxis finden markt- und vollkostenbasierte Verrechnungspreise die häufigste Anwendung. Dagegen werden Verrechnungspreise auf Basis von Grenzkosten und Knappheitspreisen (Grenzkosten ggf. plus Opportunitätskosten) nur selten genutzt. Er- gebnisse empirischer Untersuchungen, die in Abbildung 2 dargestellt sind, bestätigen dies. In Relation dazu steht die geringe Beachtung der Koordinationsfunktion von Ver- rechnungspreisen.
Abb. 2: Ergebnisse empirischer Untersuchungen44
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
In den Abschnitte 3.1 bis 3.3 werden die betriebswirtschaftlichen Methoden jeweils detaillierter aufgezeigt und kritisch gewürdigt.
[...]
1 Pretium (lat.): Preis, Wert.
2 Vgl. Bierman (1959), S. 429, Laux/Liermann (2005), S. 386 und Hofmann/Pfeiffer (2006), S. 427.
3 Vgl. Schulze/Weiler (2007), S. 102 und 106 und Pfaff/Pfeiffer (2004), S. 299. 1
4 Zitiert nach Ewert/Wagenhofer (2008), S. 573.
5 Zitiert nach Martini (2007), S. 8.
6 Vgl. Friedl et al. (2010), S. 561.
7 Zitiert nach Frese (2000), S. 219.
8 Vgl. Frese (2000), S. 200f.
9 Vgl. zu diesem Abschnitt Coenenberg et al. (2009), S. 675 und Neus (1997), S. 43.
10 Vgl. Brühl (2011), S. 38f.
11 Vgl. Neus (1997), S. 39.
12 Vgl. Ronen/McKinney (1970), S. 99.
13 Vgl. Küpper (2008), S. 427.
14 Vgl. Bassen (1998), S. 119f. und 124.
15 Vgl. Friedl et al. (2010), S. 574.
16 Vgl. Clemens (2008), S. 289f. und Weber/Schäffer (2011), S. 205f. 5
17 In Anlehnung an Clemens (2008), S. 290.
18 Vgl. Coenenberg et al. (2009), S. 692ff.
19 Vgl. Adam (1969), S. 631.
20 Vgl. Gschwend (1986), S. 293.
21 Vgl. Frese (1995), S. 950.
22 Vgl. Friedl et al. (2010), S. 573.
23 Vgl. Clemens (2008), S. 291.
24 Vgl. Atkinson (1987), S. 53.
25 In der gängigen Literatur auch Erfolgsermittlung oder Erfolgszuweisungsfunktion genannt.
26 Vgl. zu diesem Abschnitt Albach (1974), S. 217 und Battenfeld (1999), S. 1. 7
27 Vgl. Fischer et al. (2012), S. 449 und Göx (1998), S. 260.
28 Vgl. Frese (2012), S. 209.
29 Vgl. Küpper (1991), S. 189.
30 Vgl. Weber et al. (2004), S. 14.
31 Vgl. Küpper (1991), S. 189f.
32 Vgl. Bierman (1959), S. 431.
33 Vgl. Schmalenbach (1948), S. 12.
34 Vgl. Brühl (2011), S. 334.
35 Vgl. King/Malhotra (2000), S. 326.
36 Vgl. Mensch (2003), S. 925f.
37 Vgl. Laux/Liermann (2005), S. 8 und Greil (2011), S. 787.
38 Vgl. Bassen (1998), S. 56.
39 Vgl. Jost (2000), S.479 und Bihmani et al. (2012), S. 605 und Rösch (1995), S. 273f. 9
40 Vgl. Gschwend (1986), S. 257ff.
41 Vgl. Mandler (2002), S. 929ff.
42 Vgl. Pfaff/Stefani (2008), S. 9.
43 Vgl. Ewert/Wagenhofer (2008), S.581ff.
44 Vgl. Küpper (2008), S. 431.