Entwicklung eines didaktischen Ansatzes für die Konzeption von Modulen zur Fortbildung von chinesischen Lehrkräften


Thèse de Master, 2013

93 Pages, Note: 1,9


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. IEB-China

2. Bildungssystem China
2.1 Bildungspolitische Rahmenbedingungen
2.2 Das duale System

3. Allgemeindidaktische Modelle

4. Auswahl von Didaktischen Modellen und deren Einordnung
4.1 Bildungstheoretische Didaktik nach Klafki
4.2 Die Lerntheoretische Didaktik
4.3 Die Kritisch-konstruktive Didaktik
4.4 Die Konstruktivistische Didaktik

5. Verwendung didaktischer Modelle zur Generierung einer konzeptionellen didaktischen Grundlage

6. Handlung
6.1 Der Begriff Handlung
6.2 Vollständige Handlung

7. Handlungsorientierter Unterricht
7.1 Didaktische Strukturierung von handlungsorientiertem Unterrichts
7.2 Vor- und Nachteile sowie Chancen und Risiken von HoU

8. Welche Inhalte sind für die Module von Bedeutung?

9. Handlungsorientierte Lehr- Lern- Arrangements und Methoden

10. Exemplarische Umsetzung anhand einer Fallstudie
10.1 Fallstudien-Varianten
10.2 Verlaufsstruktur
10.3 Sozialformen
10.4 Konstruktion von Fallstudien
10.4.1 Exemplarität
10.4.2 Anschaulichkeit
10.4.3 Handlungsorientierung
10.5 Probleme beim Einsatz von Fallstudien
10.6 Stärken und Schwächen von Fallstudien

11. Fazit

12. Abbildungsverzeichnis

13. Literaturverzeichnis

14. Anhang
14.1 Verlaufsplanung
14.2 Die Fallstudie: Arbeitsblatt 1 -Die Ausganssituation
14.3 Die Fallstudie: Arbeitsblatt 2a -Auszüge StGB1
14.4 Die Fallstudie: Arbeitsblatt 2b .Auszüge JGG
14.5 Die Fallstudie: Arbeitsblatt „Fragen“
14.6 Die Fallstudie: Mögliche Antworten
14.7 Die Fallstudie: Rollenkarten
14.8 Die Fallstudie: Arbeitsblatt 3 -Ablaufplan für das Rollenspiel
14.9 Die Fallstudie: Vorlage für die Staatsanwaltschaft (Anklage)
14.10 Die Fallstudie: Hilfefolie F2 -Rechtsfolgen einer Jugendstraftat
14.11 Die Fallstudie: Folie F3 -Ein Reales Strafmaß
14.12 Verbundpartner des IBB-Projektes:

1. IEB-China

In meiner Masterarbeit will ich mich mit einem aktuellen Projekt befassen, welches wiederum in naher Zukunft durchgeführt werden kann. Durch den extremen Bauboom in China werden die dort ansässigen Baufirmen und deren Mitarbeiter mit neuen innovativen, modernen und energieeffizienten Bautechniken konfrontiert, welche in deren Kultur noch nicht standardisiert sind. Durch diese Art des modernen und energieeffizienten Bauens sowie im Bereich des Baumanagements sind die dort ausgebildeten Facharbeiter nicht geschult und verfügen somit nicht über die dafür erforderliche Kompetenz und das notwendige Wissen. Jedoch bedarf es einer weitaus breiteren und tieferen Betrachtungsweise als lediglich die Schulung von Facharbeitern vor Ort. Um zukünftige Nachfragen an qualifizierten Arbeitern und Technikern zu decken, muss die Veränderung in der betrieblichen Ausbildung erfolgen. Hierfür muss man das derzeitige Bildungssystem Chinas näher betrachten und seine Schwachstellen offenlegen. Somit wurde das Projekt „ IEB-China “ ins Leben gerufen. „Das Ziel dieses Projektes liegt in der Entwicklung, Einführung, Erprobung sowie der Optimierung von Bildungsmodulen“ (Projektskizze zum Berufsbildungsexport, 2012), für die Fachkräfte relevanten Aufgaben- und Tätigkeitsfelder.

Für dieses Projekt werden exemplarisch drei Provinzhauptstädte1, welche jeweils über viele Großbaustellen verfügen, herangezogen. Diese, durch den dort herrschenden Bauboom betroffenen Städte, weisen zwei wesentliche Probleme auf.

Zum einen besteht ein inhaltliches Problem, welches auf die bereits oben genannte fehlende fachliche Qualifikation hindeutet. Das zweite Problem betrifft die didaktische bzw. konzeptionelle Gestaltung der Ausbildung von chinesischen Fachkräften und Technikern, auf welches ich im Punkt „Bildungssystem China“ näher drauf eingehen werde.

Das IEB-China Projekt soll einen Berufsbildungsexport unterstützen, welcher mit drei Partnerschulen in dieser Region Chinas stattfinden soll. Hier sollen neue Ausbildungsmodule konzipiert, entwickelt und eingeführt werden. Diese Berufsschulen werden ihr Curriculum so verändern, dass sie die neu entwickelten Module aufnehmen werden. Eine Umsetzung vor Ort ist sehr wichtig, um eine dauerhafte Fortsetzung der neu entwickelten Module zu sichern. „Neben verschiedenen Modulen zur Baumaschinentechnik, Baumanagement und ,vorelementiertem Bauen‘, stellen energieeffiziente Baumaßnahmen einen weiteren Schwerpunkt des Projektes IEB-China dar“ (Projektskizze zum Berufsbildungsexport, 2012).

Für die Realisierung dieses aufwendigen Projektes stehen, neben der Universität Kassel, mehrere Verbundpartner zur Verfügung2. Eine Aufgabe des Fachgebiets Berufspädagogik an der Universität Kassel für dieses Projekt besteht darin, eine Evaluation über die Umsetzbarkeit von handlungsorientierten Unterrichtskonzepten an chinesischen Berufsschulen durchzuführen sowie darauf Handlungsempfehlungen zu entwickeln, welche an den Schulen umgesetzt werden können.

Mein Thema dieser Arbeit findet genau hier seinen Ansatz, indem ich ein oder mehrere theoretische Ansätze finde, welche ich kritisch hinterfragen und die Konsequenzen daraus auf die Erstellung und den Aufbau von Modulen ableiten werde. Im Anschluss erfolgt eine exemplarische Umsetzung anhand eines Beispiels.

2. Bildungssystem China

Um die Problematik besser zu verstehen, muss man sich ein Bild von dem derzeitigen Bildungssystem Chinas machen. Deshalb will ich hier einen kleinen historischen und gegenwärtigen Einblick in die Struktur chinesischer Berufsbildung geben sowie am Ende mögliche Veränderungen und Lösungen vorschlagen, die ich in den nachfolgenden Punkten, einzeln nach ihrer Umsetzbarkeit, überprüfen werde.

Zunächst muss man sagen, dass das bisherige Bildungssystem Chinas noch von sehr vielen traditionellen Ansichten geprägt ist, welche schon lange nicht mehr zeitgemäß sind. Um einen kleinen historischen Exkurs zu beginnen, muss man erwähnen, dass diese Ansichten auf den Philosophen Konfuzius zurückzuführen sind, dessen Lehren seit mehreren tausend Jahren zur Staatsphilosophie Chinas erhoben wurden. Dessen Überlieferung besagt, dass der höchste zu erstrebende Beruf der des Regierungsbeamten sei. Die Ausbildung zu Technikern wurde jahrhundertelang als geringwertig angesehen (vgl. Fukuyama, 1995).

In China gibt es mehrere extreme Gegensätze und Kontroversen, die das Thema „Bildung“ betreffen. Während auf dem Land das vorherrschende Problem besteht, die Schulpflicht überhaupt durchzusetzen, damit die Kinder und Jugendlichen ein Mindestmaß an Bildungschancen haben, gibt es in den Großstädten sehr teure Eliteuniversitäten. Bildung ist auch hier eine Frage des Geldes, welches besonders für die berufliche Bildung von Fachkräften und Technikern ein Problem darstellt. Da es in China keine Fördergelder (wie im Vergleich zu Deutschland „Bafög“) für die Auszubildenden gibt, können sich die finanziell schlechter gestellten Eltern die Ausbildung ihres Kindes nicht leisten und die Eltern, die es sich leisten können, wollen nicht, dass ihr Sohn oder ihre Tochter die soziale Stufe eines Facharbeiters erlangt. Die Folge ist das Fehlen einer soliden Mittelschicht an gut ausgebildeten Fachkräften und Technikern, welche die Brücke zwischen den Akademikern und Billigarbeitern in China darstellt (vgl. Gerke, 2012).

Das chinesische Schul- und Bildungssystem orientiert sich sehr stark an den oben genannten traditionellen Einflüssen. Aber auch amerikanische Bildungstheorien werden hier verwendet. Somit wird die Universitätsausbildung mit großem Eifer umgestaltet sowie angepasst. Jedoch bleiben die Mängel in der fachbezogenen und praktischen Berufsausbildung bestehen (vgl. Gerke, 2012). Die Schulbildung ist von Anfang an geprägt durch stures Auswendiglernen. Dies erhöht den Druck der Schüler und Schülerinnen3, denn für einen Wechsel in eine weiterführende Schule sind zentrale Prüfungen vorgesehen, in denen dieses strikt auswendig gelernte Wissen abgefragt wird. Ein Fehlen von Sozialkompetenz sowie analytischem Denken sieht der Lehrplan nicht vor und ist für das Bestehen einer solchen Prüfung unnötig (vgl. Schmidt, 2012).

Nach der neunjährigen Pflichtschulzeit erfolgt der Sprung auf eine allgemeinbildende Oberschule oder der Einstieg auf eine Berufsoberschule, wo die Auszubildenden zwischen drei und fünf Jahre auf ihren späteren Beruf vorbereitet werden. Hier fehlt allerdings der Praxisanteil, der einen handlungsorientierten Unterricht ausmacht. Die Ausbildung erfolgt losgelöst von jeglicher betrieblichen Praxis. Die Berufsschulen sowie die nachfolgenden Ausbildungsbetriebe bilden jeweils eigenständig und ohne gültige Ausbildungsstandards aus. Somit entkoppelt sich regelrecht die Schule von der chinesischen Wirtschaft. Es verwundert nicht, dass chinesische Unternehmer bereits über zu starre Denkmuster sowie unkreative und unselbstständige Absolventen klagen. Vor allem bei deutschen und europäischen Jointventure Betrieben ist der Unterschied und der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften deutlich sichtbar (vgl. Gerke, 2012).

Die Stufen des chinesischen Bildungssystems:

Abbildung 1: Die Stufen des chinesischen Bildungssystems (GIC Shanghai 2010)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.1 Bildungspolitische Rahmenbedingungen

Das Bildungswesen in China ist streng zentralistisch organisiert. Maßgebliche Entscheidungen werden in der Hauptstadt Peking getroffen. Die oberste Behörde für alle Bildungsfragen ist das Ministry of Education (MoE). Für die berufliche Ausbildung ist jedoch ein zweites Ministerium, das Ministry of Human Resource and Social Security (MoHRSS) verantwortlich, welches sich mit dem MoE in vielen Bereichen überschneidet. Dessen Zuständigkeit betrifft alle Themen rund um die erwerbstätige Bevölkerung sowie dessen Gesetzgebung, Überwachung, Durchführung und Koordination. Die Abteilung OSTA (Occupational Skill Testing Authority) spielt in der beruflichen Bildung Chinas eine entscheidende Rolle. Hier werden Standards auf nationaler und internationaler Ebene festgelegt sowie „Entwurf, Durchführung und Kontrolle der Berufsbilder, Ausbildungsinhalte, Prüfungen und Zertifizierungen“ (Mrosek, 2010, S. 16).

Aber auch neben den Ministerien spielt die Kommunistische Partei Chinas eine große Rolle. Sie gibt u.a. Bildungsziele vor und überwacht die Umsetzung der Bildungspolitik. Durch Parteimitglieder in wichtigen Leitungsfunktionen wird gesorgt, dass Veränderungen oder Umsetzungen den Vorstellungen der Partei entsprechen.

Ein entscheidender und wichtiger Meilenstein in der chinesischen Bildungspolitik war die Nationale Bildungskonferenz 1985. Hier wurden wesentliche Reformen eingeleitet, so dass damals das heutige Bildungssystem Stück für Stück erschaffen wurde. Die chinesische Regierung spricht der Schulbildung von heute einen noch nie dagewesenen Stellenwert zu und bezeichnet seine Bevölkerung als ein Reservoir an menschlichen Ressourcen, welches es aktiv zu entwickeln gilt. Das Potential jedes Einzelnen ist demnach zu optimieren, welches als das wichtigste Ziel gilt (vgl. Xiang, 2010).

Abbildung 2: Abteilung und Zuständigkeiten in der beruflichen Bildung (MOHRSS 2010, GIC Shanghai)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.2 Das duale System

Das deutsche Berufsausbildungssystem kann hier Abhilfe schaffen und sehr viele Verbesserungsvorschläge sowie Entwicklungspotentiale bringen. Es wundert deshalb nicht, dass es für die chinesische Regierung so von Interesse ist. Bereits seit einigen Jahren wurden immer wieder chinesische Lehrkräfte an deutschen Universitäten, Hochschulen und Bildungsinstituten beauftragt, um sich weiterzubilden. Das „duale Ausbildungssystem“ in Deutschland ist weltweit bekannt für seine Qualität und findet nicht nur in China höchste Anerkennung. Es bietet neben einem theoretischen auch einen praktischen Teil, welche eng miteinander verzahnt sind. Die berufspraktische Ausbildung findet zum größten Teil in den jeweiligen Ausbildungsbetrieben statt. In den Berufsschulen werden die berufstheoretischen Inhalte vermittelt, welche aber wiederum durch bestimmte didaktische Methoden praxisnah und handlungsorientiert behandelt werden (vgl. Bontrup, 2001, S. 69-70).

Aus dem „dualen System“ steigen zwei Gewinner hervor. Die Auszubildenden erhalten nach erfolgreichem Abschluss einen anerkannten Ausbildungsberuf. Des Weiteren können sie Theorie und Praxis besser miteinander verbinden und haben breitere Qualifikationen und Kompetenzen erworben. Die Unternehmen sind die zweiten Sieger. Sie haben nicht nur besser ausgebildete Lehrlinge, sondern auch geringere Kosten für Fort- und Weiterbildung. Auch die Ausbildungszeit kann sich verkürzen, so dass sie nach kürzerer Zeit einen voll ausgebildeten Arbeiter/Angestellten haben. Die Ausbildungsinhalte sind zudem beim Dualen System aufeinander abgestimmt und es kann zu einer engen Beziehung zwischen Ausbildungsbetrieb und Berufsschule kommen (vgl. Schelten, 2004, S. 84f).

Ein so strukturiertes Ausbildungssystem bietet darüber hinaus eine gute Vergleichbarkeit für die am Markt befindlichen Arbeitskräfte. Ein Unternehmen kann somit Rückschlüsse über die erforderlichen Kompetenzen, Fertig- und Fähigkeiten der Bewerber mit dieser Ausbildung ziehen (Schelten, 2004, S. 83ff).

Jedoch ist die Zahl der Auszubildenden sehr stark von der aktuellen wirtschaftlichen Lage eines Landes abhängig, welches eins der wenigen Nachteile dieses Systems ist. Zudem kommt hinzu, dass nicht jede Zusammenarbeit zwischen der Schule und dem Betrieb reibungslos verläuft. So können fehlende Kommunikation und unzureichend vorbereitete Auszubildende das Verhältnis beeinträchtigen (vgl. ebd. S. 83f).

Nun gilt es herauszufinden, welche didaktischen Konzeptionen für eine Ausbildung in Frage kommen, und wie diese mit einem neu strukturierten Ausbildungssystem verbunden und umgesetzt werden können.

3. Allgemeindidaktische Modelle

In diesem Kapitel will ich einen kleinen Überblick über die wichtigsten didaktischen Modelle geben, welche noch nicht in dem Kontext des „IEB-China Projektes“ betrachtet werden sollen.

Die nachfolgenden didaktischen Modelle haben die Bildung in Deutschland seit 1960 maßgeblich beeinflusst. An dieser Stelle soll lediglich der grobe strukturelle Aufbau der jeweiligen Modelle verdeutlicht werden. Auch die gegenseitige Beeinflussung sowie den Fokus, den sie sich setzen, werden kurz angesprochen, bevor ich im Kapitel fünf die Resultate daraus miteinander verknüpfe und einen theoretischen Ansatz über die Gestaltung von Modulen für chinesische Fachkräfte ableite.

Modelle stellen ein Nachbild einer wahrgenommenen oder das Vorbild einer gewünschten Realität dar. Sie reduzieren das Original auf seine wichtigsten und bedeutsamsten Eigenschaften/Elemente und Funktionen (vgl. Euler & Hahn, Wirtschaftsdidaktik, 2007, S. 46).

Didaktische Modelle unterscheiden sich durch ihren inhaltlichen Fokus und beziehen sich auf den Aufbau einer Lehr-Lernsituation4 oder auf die Schritte oder Phasen eines Lehr-Lernprozesses5 (vgl. ebd.). Sie beschreiben den Rahmen, innerhalb dessen das didaktische Handeln strukturiert und begründet werden kann und finden nicht nur in schulischen, sondern auch in nichtschulischen Lehr-Lern- Arrangements Bedeutung (vgl. Jank & Meyer, Didaktische Modelle, 2002, S. 35). Des Weiteren sollen didaktische Modelle eine Reihe von Funktionen erfüllen, die ich im Folgenden kurz aufzeigen werde:

In der Ordnungsfunktion haben sie die Aufgabe, Begriffe und Kategorien zu liefern, die für die Systematisierung des Unterrichts dienen und lenken den Blick auf die Aspekte, die bei der Realität als besonders bedeutsam erachtet werden (vgl. Jank & Meyer, Didaktische Modelle, 2002, S. 35). Durch eine modellhafte Darstellung sollen sie die komplizierte und verwirrende Realität einfacher und struktureller aufzeigen und durchschaubarer machen. Jedoch muss diese eingeschränkte Komplexität und die damit eingehende Blickverkürzung, immer stets im Bewusstsein bleiben (vgl. ebd.).

Didaktische Modelle bieten in einer Planungs- und Steuerungsfunktion für den Lehrenden eine solide Grundlage für die Vorbereitung, Durchführung sowie Auswertung von didaktischem Handeln. Sie weisen auf die wichtigsten Faktoren hin, die es zu berücksichtigen gilt und unterstützen die Unterrichtspraxis durch diese Handlungsoptionen (vgl. Euler & Hahn, Wirtschaftsdidaktik, 2007, S. 47).

Sie können in einer heuristischen Funktion zur Entdeckung von Handlungsalternativen und Erklärungen beitragen. Somit werden Aspekte berücksichtigt, die bei der Hektik des Alltags evtl. vergessen werden, für das didaktische Handeln aber neue Optionen aufweisen können (vgl. ebd. S. 47). Der Lehrende kann sein didaktisches Handeln in Lehr- Lernsituationen kritisch überprüfen und reflektieren (Kritikfunktion) (vgl. ebd. S. 47).

Ein sehr einfaches didaktisches Modell ist das „Didaktische Dreieck“ (s. Abb. 3), welches die Komplexität einer Lehr-Lernsituation auf drei Akteure (Lehrer, Schüler, Thema) reduziert, und sie damit als die wesentlichen Gestaltungsfaktoren für didaktisches Handeln ausweist (vgl. ebd.).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Didaktisches Dreieck (nach Euler & Hahn, S. 47)

Diese drei Schwerpunkte lassen sich wiederrum zu unterschiedlichen didaktischen Modellen zuordnen. So wird z.B. ein Vertreter einer lehrerzentrierten Didaktik seinen Fokus auf die Vermittlung des, von der Lehrperson zuvor ausgewählten und aufbereiteten, Lehrstoffs an die Schüler und Schülerinnen6 in den Vordergrund stellen und das didaktische Dreieck dementsprechend (um-)strukturieren (vgl. Euler & Hahn, Wirtschaftsdidaktik, 2007, S. 47). Die Punkte „Thema/Lerninhalte“, „Lehrer“ und „SuS“ müssen alle abgedeckt sein, um Unterricht ausreichend begründbar zu machen (vgl. Ott, 2000, S. 90). Somit folgt in der nachfolgenden Grafik (Abbildung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: didaktisches Dreieck mit Zuordnung der didaktischen Modelle

Die in der o.g. Grafik genannten Modelle sind abhängig von zeitlichen, persönlichen und gesellschaftlichen Umständen und werden aus diesem Grund durch den konstruktivistischen Ansatz nach Kersten Reich7 ergänzt.

Die Darstellung der nachfolgenden didaktischen Modelle erfolgt chronologisch, damit die Inhalte und Zusammenhänge besser nachvollziehbar sind und sie somit aufeinander aufbauen.

Die Modelle erscheinen in der Reihenfolge:

1. Bildungstheoretische Didaktik (Klafki 1962)
2. Lerntheoretische Didaktik (Heimann, Otto und Schulz) -Berliner Modell 1965
3. Kritisch Konstruktive Didaktik (Klafki 1980)
4. Konstruktivistische Didaktik (Reich)

4. Auswahl von Didaktischen Modellen und deren Einordnung

4.1 Bildungstheoretische Didaktik nach Klafki

Den Begriff der „Allgemeinbildung“ untersuchte Wolfgang Klafki bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Die klassischen Bildungstheoretiker dieser Zeit waren beispielsweise Johan Heinrich Pestalozzi (1746,1827), Wilhelm von Humboldt (1767-1835) oder Johan Friedrich Herbart (1776-1834). Klafki beschreibt die grundlegende Frage, mit der sich diese klassischen Bildungstheoretiker auseinandersetzten, folgendermaßen:

„ Mit welchen Inhalten und Gegenständen müssen sich junge Menschen auseinandersetzen, um zu einem selbstbestimmten und vernunftgeleiteten Leben in Menschlichkeit, in gegenseitiger Anerkennung und Gerechtigkeit, in Freiheit, Glück und Selbsterfüllung zu kommen? “ (Meyer & Meyer, 2007, S. 100) .

Daraufhin formuliert Klafki die Ausgangsthese, dass Bildung und Erziehung die Aufgabe haben, dem unmündigen Bürger zur Mündigkeit zu verhelfen (vgl. Jank & Meyer, 2002, S. 209).

Die bildungstheoretische Didaktik geht von der Verbindlichkeit der Lehrpläne aus. Wolfgang Klafki verlangte von jedem Lehrer, dass er sich mit fünf einfachen Grundfragen auf den Unterricht vorbereiten muss. Die Aufgabe der Lehrperson bestand nach Klafki darin, dass er (die Lehrperson) mit Hilfe der „didaktischen Analyse“, die Lehrplanvorgaben des aktuell gültigen Lehrplans untersucht und den Bildungsgehalt der vorgegebenen Bildungsinhalte in Hinblick auf die Interessen der SuS und den unterschiedlichen Klassen auswählt (vgl. ebd., S. 205-218).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Die fünf Grundfragen der Didaktischen Analyse (nach Jank & Meyer, 2002, S.205)

Es lassen sich zwei grundsätzlich verschiedene Verständnisse von Bildung unterscheiden, die bereits die o.g. klassischen Bildungstheoretiker beschrieben haben (vgl. Jank & Meyer, 2002, S. 212 f.):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Materiale und formale Bildungstheorien (Quelle: Jank & Meyer, 2002, S.213)

Bereits die Klassiker wussten, dass eine Theorie alleine keine umfassende Bildung darstellt. Jedoch war es sehr schwierig beide Theorien miteinander zu verknüpfen. Dies wollte Klafki mit der „kategorialen Bildung“ erreichen, um den Widerspruch zwischen den beiden Bildungstheorien zu überwinden, denn er war stets der Meinung, dass Bildung, materiale und formale Bildung zugleich ist. (vgl. Jank & Meyer, 2002, S. 216). Da Klafki jedoch in seiner „didaktischen Analyse“ lediglich ein Instrument für die Auslegung und Differenzierung von Unterrichtsthemen entwickelte und die materialen Entscheidungen dieser Lerninhalte dem Lehrplan überließ, blieb der Versuch, die materiale und formale Bildungstheorie miteinander zu verbinden, unvollkommen. Es fehlen die entwickelten Kriterien und Verfahren um eigenständige Themen, Ziele und Inhalte des Unterrichts zu bestimmen (vgl. Jank & Meyer, 2002, S. 218).

Die „Freilegungsarbeit“ (Jank & Meyer, 2002, S. 219) des Bildungsgehalts der didaktischen Analyse erfolgt nach drei Prinzipien „das Elementare“, „das Fundamentale“ und „das Exemplarische“ (siehe Abb. 7).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7: Didaktische Prinzipien (nach Jank & Meyer, 2002, S. 219)

Elementar ist, was am besonderen Fall ein dahinterliegendes allgemeines Prinzip erfahrbar macht (materiale Seite), fundamental sind Erfahrungen (subjektiv-formale Seite), in denen grundlegende Einsichten auf prägnante Weise gewonnen werden. Die fundamentalen und elementaren Dinge müssen stets an eindrucksvollen, fruchtbaren, sprich „exemplarischen“ Beispielen, gewonnen werden (vgl. Jank & Meyer, 2002, S. 220).

Eine letzte These, die für die bildungstheoretische Didaktik von entscheidender Bedeutung ist, ist die des Primats der Didaktik über die Methodik. Klafki macht damit eine Aussage darüber, dass die Didaktik der Methodik systematisch übergeordnet ist (vgl. ebd. S. 227). Somit verdeutlicht diese Aussage den Fokus der bildungstheoretischen Didaktik auf das Thema und den Lerninhalt, wie in Abbildung vier zu erkennen ist. Durch das Ignorieren von Methoden und Medien verfehlt die bildungstheoretische Didaktik die Komplexität von alltäglichem Unterricht (ebd. S. 227).

Durch diese These, von Jank & Meyer zitiert als „Feiertagsdidaktik“ (ebd. S. 229) und noch weiteren Thesen, wurde die bildungstheoretische Didaktik von seinen Kritikern angegriffen. Viele kritisierten, dass dieses Modell „konservativ, orientiert am Bürgertum bzw. an der Mittelschicht und deren Ideologie, und politisch affirmativ“ (ebd. S. 228) sei. Des Weiteren sei es wissenschaftlich empirisch zu wenig abgesichert und widerspiegelt kein vollständiges Abbild des Unterrichtsalltags (vgl. ebd.). Klafki überarbeitete sein Modell in den 1980er Jahren und versuchte die Einwände zu berücksichtigen. So entwickelte er die „Kritisch-konstruktive Didaktik“ welche in Kapitel 4.3 näher untersucht wird.

4.2 Die Lerntheoretische Didaktik

Die Lerntheoretische Didaktik, auch Berliner Modell genannt, entstand in den 1960er-Jahren von Paul Heimann sowie seinen beiden Assistenten Gunter Otto und Wolfgang Schulz. Sie fordert eine stärkere Orientierung an der Unterrichtspraxis. Es sollte die in den Jahren entstandene Kritik der Bildungstheoretischen Didaktik Klafkis beseitigen. Somit legte Heimann nicht nur Wert auf die Auswahl von Unterrichtsinhalten, wie sie bei Klafkis vorherigem Modell der Fall waren (vgl. Topsch, 2004, S. 72).

Nach langen Hospitationen von verschiedenen Unterrichtsstunden konnten durch gutes Beobachten die „formalen Konstanten“ (Jank & Meyer, 2002, S. 263) herausgefiltert werden. Diese Konstanten sind für die Lehrperson von entscheidender Bedeutung, da sie für die Vorbereitung sowie zur Reflexion von Unterricht verwendbar sind und eine „vollständige Erfassung aller wesentlichen Voraussetzungen und Entscheidungsaufgaben des Unterrichts ermöglichen“ (ebd. S. 264). So konnte Heimann als Kernstück dieses Modells die Struktur- und Faktoranalyse vorstellen (siehe Abb. 8).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 8: Struktur- und Faktoranalyse des Unterrichts (nach Jank & Meyer, 2002, S. 271)

Die sechs Konstanten dieses Modells lassen sich leicht begründen. In jeder Unterrichtseinheit muss sich die Lehrperson vorher überlegen, welche Ziele (Intentionen) er erreichen will und was überhaupt das Thema der Stunde sein soll. Für die Planung benötigt er ebenfalls den Einsatz bestimmter Medien (Gesamtheit aller Unterrichtsmittel) sowie die Auswahl der Methode, mit der die Intentionen verwirklicht werden können. Diese vier Konstanten (hier gelb unterlegt) werden deshalb auch Entscheidungsfelder genannt (vgl. Euler & Hahn, 2007, S. 49 f; vgl. Jank & Meyer, 2002, S. 263 f).

Der Lehrer ist bei seinen Entscheidungen an bestimmte Voraussetzungen gebunden, die in der Grafik (Abb. 8) mit grün hinterlegt, und als Bedingungsfelder gekennzeichnet sind. Die sogenannten anthropogenen Voraussetzungen sind schon im Vorhinein gegeben und lassen sich nicht mehr oder nur sehr schwer verändern (z.B. SuS kommen in einem gewissen Alter in die Pubertät, SuS stammen aus einem bestimmten Milieu, etc…). Aber auch die Lehrperson kann bestimmte Vorprägungen aufweisen (z.B. Lehrkapazität). Der Unterricht muss also in Abhängigkeit von „der Vorgeprägtheit des an ihm Teilnehmenden“ (Schulz, 1979, S. 36) ausgerichtet werden. Sozial-kulturelle Voraussetzungen erfassen all jene Faktoren, die einem gesellschaftlichen Wandel unterzogen sind (z.B. Jungen haben andere Geschlechtsrollenstereotypen als Mädchen) und die, die Rahmeneinflüsse des Unterrichts bestimmen (z.B. Größe der Klasse, Anzahl der SuS, Lehrplan, Kollegium, Ausstattung der Schule und der Klassenräume, etc. …) (vgl. Jank & Meyer, 2002, S. 264; vgl. Euler & Hahn, 2007, S. 50).

Diese Strukturanalyse stellt die erste Reflexionsebene des Lerntheoretischen Modells dar und dient zur Analyse, der von der Lehrperson getroffenen Entscheidungen und der ermittelten Faktoren, die für den Unterricht von Bedeutung sind (vgl. Jank & Meyer, 2002, S. 270).

Aber nicht nur dieser Unterschied zur bildungstheoretischen Didaktik ist offensichtlich. Da dort der Primat der Didaktik über der Methodik postulierte (siehe Kapitel 4.1) vertritt das Berliner Modell die sogenannte „Interdependenzthese“ (Schilling, 2008, S. 20). Diese besagt, dass die Methoden und Medien auf gleicher Stufe wie die Inhalte und Intentionen stehen. Des Weiteren sind sie sie aus ihrer Wechselseitigkeit heraus zu verstehen (vgl. Schilling, 2008, S. 20).

„ Bildungsziele und -inhalte können nur erreicht werden, wenn sie vorher in entsprechend kleine Schritte aufgeteilt werden. Damit fällt in der Praxis die Konkretisierung der Ziele mit der Planung des methodischen Vorgehens zusammen. Intentionen, die verwirklicht werden sollen, lassen sich nur dann durchsetzen, wenn man auch einsichtig machen kann, da ß sie durch entsprechende Ma ß nahmen erreicht werden können. “ (Weinschenk, 1981, S. 73)

Die zweite Reflexionsebene im Berliner Modell ist die Faktorenanalyse, deren Aufgabe darin besteht, die getroffenen Entscheidungen auf wissenschaftlicher Grundlage zu durchleuchten. Sie soll dem Lehrer bei der Durchleuchtung seiner normativen Hintergründe helfen, auf die er seine Entscheidungen getroffen hat sowie „die Qualität, Intensität und Veränderbarkeit der konstatierten Voraussetzungen zu erfassen“ (Euler & Hahn, Wirtschaftsdidaktik, 2007, S. 271). Dabei bezieht sich die Faktoranalyse von Heimann auf drei Bereiche: die Normkritik, die Faktenbeurteilung und die Formanalyse.

In der Normkritik muss der Lehrer für sich klären, welche politischen und weltanschaulichen Prämissen und Normen er in die Unterrichtseinheit mit einfließen lässt. Schulgesetze, Richtlinien und die Schulbücher sind einige Normen, die von gesellschaftlichen Mächten, wie zum Beispiel dem Staat oder der Wirtschaft, beeinflusst werden (vgl. Jank & Meyer, Didaktische Modelle, 2002, S. 271).

Ziel der Faktenbeurteilung ist „eine Verbreiterung des didaktisch relevanten Tatsachen-Wissens“ (Heimann, 1976, S. 165). Die in der Sachstrukturanalyse genannten Bedingungsfelder (anthropogene und sozial-kulturelle Voraussetzungen) sollen nicht nur von der Lehrkraft aufgelistet und zur Kenntnis genommen werden. Sie sollen vielmehr den Versuch starten, diese nach der Wirklichkeit zu durchschauen und eine Veränderbarkeit der Faktoren mit zu berücksichtigen (vgl. Jank & Meyer, 2002, S. 271, 272).

Die Formanalyse bezieht sich darauf, die Unterrichtsmethoden zu reflektieren. Des Weiteren soll dadurch die Effektivität des Lehrenden gesteigert werden, indem er seine Unterrichtsvor- und Nachbereitung auf wissenschaftlichen Erkenntnissen aufbaut (vgl. Euler & Hahn, 2007, S. 50; Jank & Meyer, 2002, S. 272).

Die lerntheoretische Didaktik wurde hinsichtlich einiger Widersprüche kritisiert. Demnach wurde von Jank und Meyer (2002) beanstandet, dass der Lerntheoretischen Didaktik die Lerntheorie fehlen würde (vgl. Jank & Meyer, 2002, S. 273). „Es gibt diese und jene Hinweise auf neuere Ergebnisse der Lernpsychologie, aber nirgendwo den Versuch, das Lernen aus der Perspektive der Didaktik zu definieren.“(ebd. S. 273)

Die Zeitlosigkeit dieses Modells ist ebenfalls sehr fragwürdig. Wenn man das damalige Lehrerverständnis in den 1960er Jahren mit dem heutigen vergleicht, stellt man große Unterschiede fest. Der damals herrschende „lehrerzentrierte Unterricht“ ist für die heutige didaktische Unterrichtsplanung kaum noch von Bedeutung. Aktuelle Unterrichtsplanungen verfolgen das Konzept von handlungsorientiertem Unterricht mit starken Schüleraktivitäten sowie SOL8 und SGL9 (vgl. Euler & Hahn, Wirtschaftsdidaktik, 2007, S. 446 ff).

Wolfgang Schulz überarbeitete, nach dem Tod von Heimann, die lerntheoretische Didaktik. Sein neues Modell, welches 1979 fertig wurde, nannte er lehrtheoretische Didaktik, auch Hamburger Modell genannt (vgl. Schilling, 2008, S. 20).

4.3 Die Kritisch-konstruktive Didaktik

Das Berliner Modell betrachtete die Ziele und Inhalte des Lernens als gegeben und bezieht seine Konzentration darauf, effektive Lernentscheidungen zu treffen. Die kritisch-konstruktive Didaktik verfolgte andere Ziele (vgl. Euler & Hahn, Wirtschaftsdidaktik, 2007, S. 55-51).

Klafki nahm sich der Kritik an seinem Modell der Bildungstheoretischen Didaktik an und baute auf dieser, dessen Kernfrage in der Bestimmung der Bildungsinhalte und -ziele bestand, die Pfeiler seiner Kritisch-konstruktiven Didaktik auf (vgl. Jank & Meyer, 2002, S. 219-229).

Der didaktische Ansatz wird als ‚kritisch‘ bezeichnet, weil im Unterricht Zielstellungen aufgegeben werden, die laut Klafki einem „aufklärerischen, humanistischen Menschenbild entsprechen, aber in der Gesellschaft insgesamt keineswegs erreicht sind“ (ebd. S. 229).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 9: Didaktische Zielsetzungen (nach Jank & Meyer, 202, S. 229)

Weiter wird das Modell als ‚konstruktiv‘ verstanden, weil es sich von den starren Strukturen10, die den Rahmen für die Unterrichtsgestaltung vorgeben, loslöst. Jedoch orientiert sich Unterricht immer noch an den schulischen Rahmenbedingungen, anlehnend an gegenwärtige und zukünftig relevante Handlungsfelder (vgl. Jank & Meyer, 2002, S. 229; Bünning & Lettmann, 2010, S. 79).

Auch in der kritisch-konstruktiven Didaktik soll die Lehrperson die vorzufindenden Bildungsinhalte auf ihren Bildungsgehalt hin überprüfen, so wie es die didaktische Analyse Klafkis vorschreibt. Jedoch sollen diese Inhalte nicht in den Lehrplänen zu finden sein, sondern sollen sich an den Selbstbestimmungs-, Mitbestimmungs-, und Solidaritätsfähigkeiten der SuS orientieren (vgl. Jank & Meyer, 2002, S. 230).

Klafki formuliert deshalb die Allgemeinbildung als „… Aneignung der die Menschen gemeinsam angehenden Frage- und Problemstellungen ihrer geschichtlich gewordenen Gegenwart und der sich abzeichnenden Zukunft und als Auseinandersetzung mit diesen gemeinsamen Aufgaben, Problemen, Gefahren“ (Klafki, 1996, S. 53).

Für eine Inhaltsauswahl, auf die sich dann der Bildungsprozess beziehen kann, fordert Klafki eine Orientierung an den Kernproblemen unserer Gegenwart und Zukunft und beschreibt diese als „epochaltypische Schlüsselprobleme“ (vgl. ebd. S. 56; Jank & Meyer, 2002, S. 231).

Diese Schlüsselprobleme sollen Brennpunkte auf nationaler und internationaler Ebene darstellen, die jeden einzelnen zentral betreffen. Somit sollen die traditionellen Bildungsgüter durch grundlegende Probleme der Menschen und der Gesellschaft weichen (vgl. Jank & Meyer, 2002, S. 231). Klafki geht es vor allem um die Verhinderung der „Blickverengung“ der SuS und eine Förderung und Entfaltung der „Mehrdimensionalität menschlicher Aktivität und Rezeptivität“ (ebd. S. 231).

Jank und Meyer (2002, S. 232-233) nennen in Anlehnung an Klafki (1995, S. 12) folgende Schlüsselprobleme:

1. Die Friedensfrage (angesichts der Vernichtungspotentiale der ABC-Waffen)

2. Die Problematik des Nationalitätenprinzips

3. Das Umweltproblem

4. Wachsende Weltbevölkerung

5. Das Problem der gesellschaftlich produzierten Ungleichheit zwischen

a. Sozialen Schichten und Klassen

b. Männern und Frauen

c. behinderten und nichtbehinderten Menschen

d. Ausländern und Einheimischen

e. Arbeitslosen und Erwerbstätigen

6. Verhältnis von Entwicklungsländern und Industriegesellschaften

7. Die Gefahren und Möglichkeiten der neuen technischen Steuerungs-, Informations- und Kommunikationsmedien

8. Die menschliche Sexualität und das Verhältnis der Geschlechter zueinander bzw. gleichgeschlechtliche Beziehungen.

Ein Unterricht, der so akzentuiert ist, nennt Klafki „Problemunterricht“ und soll die SuS über bereichsübergreifende Einstellungen und Fähigkeiten führen, die über das jeweilige Schlüsselproblem hinwegreichen. Zu den zu vermittelten Kompetenzen gehören Kritikfähigkeit, Argumentationsfähigkeit und -bereitschaft, vernetztes Denken sowie Empathie. Dadurch werden die SuS zum Handeln, gemäß den im Unterricht gewonnenen Erfahrungen und Einsichten, befähigt (vgl. ebd. S. 232).

Das Konzept des Problemunterrichts löst theoretisch das Problem der Verflechtung von materialen, formalen und prozessorientierten Bildungstheorien. Die Schlüsselprobleme stehen genau zwischen diesen beiden bildungstheoretischen Aspekten stehen und greifen auf beide hinüber. Sie benennen grundlegende Probleme der Menschen und seiner Gesellschaft für eine bestimmte Epoche. Deshalb müssen Schlüsselprobleme mit der Zeit gehen. Das heißt, dass sie nicht endlos sind, sondern sich im historischen Prozess wandeln und ihre gesellschaftliche Bewertung verändern kann. Deshalb ist es wichtig, dass dieses Konzept für Neuerungen oder Änderungen offen gehalten werden soll (vgl. Jank & Meyer, 2002, S. 233-234).

Für einen Problemunterricht werden die oben genannten Schlüsselprobleme zu Grunde gelegt und gemäß der Didaktischen Analyse thematisch aufbereitet. Die Grundfragen dieser Analyse (siehe Abb. 5) werden mit den drei übergeordneten Zielen (Mitbestimmungs- Solidaritäts- und Selbstbestimmungsfähigkeit) in Zusammenhang gesetzt (Bünning & Lettmann, 2010, S. 81).

[...]


1 Xiàn (Hauptstadt Shaanxi), Wuhan (Hauptstadt Hubei), Harbin (Hauptstadt Heilongjiang)

2 Eine Liste der Verbundpartner ist im Anhang aufgeführt

3 Im Folgenden mit SuS abgekürzt

4 Strukturmodell

5 Prozess- oder Ablaufmodell

6 im Folgenden mit „SuS“ abgekürzt

7 Systemisch-konstruktive Pädagogik

8 Selbstorientiertes Lernen

9 Selbstgesteuertes Lernen

10 Institutionelle und curriculare Rahmenbedingungen

Fin de l'extrait de 93 pages

Résumé des informations

Titre
Entwicklung eines didaktischen Ansatzes für die Konzeption von Modulen zur Fortbildung von chinesischen Lehrkräften
Université
University of Kassel
Note
1,9
Auteur
Année
2013
Pages
93
N° de catalogue
V279253
ISBN (ebook)
9783656723806
ISBN (Livre)
9783656723790
Taille d'un fichier
18225 KB
Langue
allemand
Mots clés
entwicklung, ansatzes, konzeption, modulen, fortbildung, lehrkräften
Citation du texte
Markus Mopser (Auteur), 2013, Entwicklung eines didaktischen Ansatzes für die Konzeption von Modulen zur Fortbildung von chinesischen Lehrkräften, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/279253

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