Kombinatorik von bewertungspositiven Operatoren mit bewertungsnegativen Operanden bei Adjektiven

Intensivierung im Deutschen


Term Paper (Advanced seminar), 2013

15 Pages, Grade: 1,0


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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Definition und Einschränkung des Themenbereichs
2.1 Intensitätspartikel
2.2 Intensivierung nach Kirschbaum

3 Fallbeispiele
3.1 Fallbeispiel A: fantastisch
3.2 Fallbeispiel B: fabelhaft
3.3 Fallbeispiel C: märchenhaft
3.4 Fallbeispiel D: sagenhaft
3.5 Fallbeispiel E: wunderbar

4 Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Im alltäglichen Umgang mit Sprache finden sich immer wieder kreative Verwendungsweisen und Kombinationen von Wörtern, die ich persönlich für kritisch oder fragwürdig halte. Durch Konventionalisierung, Übergeneralisierung oder massiven Gebrauch „neuer“ Kombinationen jedoch entwickeln sich die Sprache und der Sprachgebrauch weiter und ermöglichen einen Einblick in die nicht steuerbare Entwicklung dieser. In dieser empirischen Arbeit soll es spezifisch um die Kombinationsmöglichkeiten von bewertungspositiven Intensivierern mit bewertungsnegativen Adjektiven gehen, welche im Folgenden noch genauer erläutert werden. Dabei beziehe ich mich maßgeblich auf die Ausführungen der Dissertation von Kirschbaum aus dem Jahr 2002, bei deren Lesen meine eigene Sprachintuition stutzig gemacht wurde, nachdem ich durch Introspektion selbstständig mit meinem Sprachgebrauch verglichen hatte. Introspektion bezeichnet das persönliche Überprüfen des eigenen Kopfes in Hinblick auf Intuition und Verwendung von Verhalten und Sprache. Diese Prüfform bietet zwar keinen wissenschaftlichen Hintergrund zur repräsentativen Forschung, ist meines Erachtens nach aber ein hilfreiches Werkzeug, persönlichen Zweifeln auf den Grund zu gehen und dementsprechend bestimmte Gebiete in der Sprachforschung auf Gültigkeit oder Entwicklung hin zu untersuchen und zu überprüfen. Hierbei kann deutlich werden, ob sich der Zweifel als eine Neuheit in der Sprache, eine Tendenz der Entwicklung oder um bloße, persönliche Unkenntnis über eine Struktur herausstellt. Deswegen habe ich mich mittels Introspektion auf fünf Intensivierer beschränkt, nämlich auf märchenhaft, wunderbar, sagenhaft, fabelhaft und fantastisch, die Kirschbaum einer seiner Kategorien zuordnet. Dessen Einteilungen, Zuordnungen und Begründungen zu den ausgewählten fünf Fallbeispielen möchte ich auf ihre Gültigkeit und mögliche Entwicklung zum heutigen Sprachgebrauch hin überprüfen. Hierfür habe ich mit Hilfe des „Zeit&Zeit online“-Korpus auf der Online-Seite des DWDS auf empirischer Grundlage Beispiele gesucht, die gegen seine Thesen sprechen, und anschließend versucht zu klären, warum diese Widersprüche zustande gekommen sind. Zuerst beschreibe ich kurz Kirschbaums Ausführungen zur Intensivierungsproblematik und speziell die Thesen zur Kombination bewertungspositiver Intensivierer mit bewertungsnegativen Adjektiven, gehe dabei aber nur leicht auf den bisherigen Forschungsstand zur Intensivierung ein, da Kirschbaum in seiner Arbeit selbst eine Zusammenfassung stellt, die ich nicht wiederholen möchte. Nach der Erläuterung zu den Eigenschaften, die Kirschbaum dieser Kombination zuweist, werde ich die wichtigsten aufnehmen und mit empirischen Beispielen überprüfen und den Kriterien zustimmen oder sie widerlegen. Am Schluss fasse ich die Ergebnisse zusammen und gebe Anregungen, Ausblicke und weitere Forschungsfragen, die während der Arbeit und Untersuchung aufgekommen sind und aufgrund der Fülle nicht in dieser Arbeit miteinbezogen werden konnten.

2 Definition und Einschränkung des Themenbereichs

Zunächst sollen einige theoretische Grundlagen aus der Literatur zur Orientierung im Sachverhalt der Intensivierung dargestellt und zur Abgrenzung zu Kirschbaums Theorie genutzt werden. Bei der Abgrenzung lege ich ein Hauptaugenmerk auf seine Theorie, da hierzu auch die empirische Arbeit erfolgt ist, und stelle die Kriterien der Empirie nochmals deutlich dar, um sie schlüssig auswerten zu können.

2.1 Intensitätspartikel

Um Wörter in intensivierender Funktion zu klassifizieren, sagt Harald Weydt (1989:11) Folgendes: „Intensivpartikel haben die Funktion, die in einem anderen Wort enthaltene Eigenschaft zu modifizieren (zu verstärken oder abzuschwächen).“ Dementsprechend lassen sie sich in verstärkende und abzuschwächende Intensivpartikeln einteilen. Ferner behauptet er, dass mit solchen Partikeln keine Negation möglich sei (vgl. Weydt 1989). Diese Gruppen lassen sich traditionell in unterschiedliche Intensitätsgrade teilen. Eine Zusammenfassung zu den Gradeinteilung ist in Kirschbaum (2002:40ff) ebenfalls zu finden. So sind nach van Os Klassifizierung (1989:94ff) höchst und furchtbar dem Intensivierungsgrad „extrem hoch“ zuzuordnen, ziemlich und relativ jedoch nur dem „gemäßigt[en]“ Intensivierungsgrad.

Eva Breindl (2009) weist darauf hin, zwischen tatsächlichen Intensivierungspartikeln und Adjektiven in Partikelposition zu unterscheiden. So sind beispielsweise sehr, überaus, ziemlich, beinahe und einigermaßen echte Partikeln, wahnsinnig, furchtbar, enorm, ordentlich, unglaublich und vollkommen hingegen keine Partikeln. Dies begründet sie damit, dass die letztere Gruppe nicht die morpho-syntaktischen Kriterien an Partikeln erfülle, dementsprechend gänzliche Unflektierbarkeit, Nicht-Erfragbarkeit, Nicht-Topikalisierung und Nicht-Erweiterbarkeit aufweisen müssen. Als selbst gewähltes Beispiel soll hier furchtbar dienen, welches in anderen syntaktischen Kontexten flektierbar ist: „Das ist eine furchtbare Eigenschaft, die sie da hat!“. Breindl bietet hierfür eine eigene Einteilung, auf die ich nicht näher eingehe (vgl. Breindl, 2009:397f). Auch auf den deutlich selteneren Fall der Kombination, die Blickpunkt dieser Arbeit ist, bezieht sie Stellung, indem sie sagt, dass positiv evaluierende Adjektive einen Intensivierer gleichen Typs verlangen. Ihr zufolge sind *phantastisch unbequem und *herrlich unbequem nicht kombinierbar, jedoch sagenhaft hässlich schon. Solcherlei Kombination begründet sie mit der Abgrenzung durch unterschiedliche Desemantisierungsgrade (Breindl, 2009:400). Die Wahl ihrer drei Beispiele zeigt mir für die empirische Untersuchung in jedem Fall, dass sie herrlich, phantastisch und sagenhaft bewertungspositiven Adjektiven zuordnet.

2.2 Intensivierung nach Kirschbaum

Kirschbaum hält die Einteilung von Intensivierern nach Intensivierungsgraden für zu oberflächlich (Kirschbaum, 2002:43). Er sagt zunächst, dass es morphologische und syntaktische Muster der Intensivierung gibt, dementsprechend sind arschkalt und superschlecht der morphologischen, etwas besser und ziemlich oft der syntaktischen Intensivierung zuzuordnen (Kirschbaum, 2002:6f). Für den Umfang dieser Arbeit beschränke ich mich auf die syntaktischen Muster, welche aus zwei Teilen bestehen. Zum einen dem intensivierenden Mittel, den er als Intensivierungsoperator bezeichnet, und zum anderen dem intensivierbaren Ausdruck, den er als Intensivierungsoperand bezeichnet. Intensivierung ist also eine Gradspezifikation (Kirschbaum 2002:6). In seiner semantischen Einteilung der Operatoren zählt er die deskriptive Komponente zum Satz, während die expressive Bedeutung vom Sprecher ausgeht. Die Expressivität ist verantwortlich für die Kombinationsfähigkeit mit Operanden, die ebenfalls diese jeweils negative oder positive Expressivität besitzen. Zugleich ist die damit einhergehende Desemantisierung zu betrachten, die antiproportional zur Expressivität steht. Das bedeutet, dass bei zunehmender Desemantisierung die Expressivität des Ausdrucks sinkt und umgekehrt. Deswegen sind Operatoren wie schrecklich und furchtbar mittlerweile mit positiven Operanden kombinierbar (Kirschbaum, 2002:38). Genau dieses Phänomen wird in anderer Reihenfolge, wie bereits erläutert, in Augenschein genommen, wo expressiv negative Operatoren mit expressiv positiven Operanden kombiniert werden können und sie dabei nicht den von Kirschbaum vorausgesagten Effekt erzeugen. Die Einteilungen der vorher erwähnten Literaturansichten nach Intensitätsgraden sind für die empirische Arbeit nicht relevant. Kirschbaum teilt nun sämtliche Operatoren in metaphorische und metonymische Muster ein, von denen ich die metonymischen, adjektivischen Operatoren der Klasse „positive Bewertung steht für Grad“ betrachte, aus deren Tabelleneinteilung ich meine fünf Beispieloperatoren zur Untersuchung ausgewählt habe. Dabei wird der Grad der Intensivierung über das metonymische Muster der Wirkung erschlossen und es besteht ein klarer Standardbezug zur wörtlichen Bedeutung des Wortes (Kirschbaum, 2002:74). Bei der Kombination von negativem Operator und positivem Operand wie zum Beispiel Er ist schrecklich nett. kommt es zu keinem „clash“, bei Sie ist grauenhaft schön. ist dies aber der Fall. Unter einem "clash" wird eine ironische Grundhaltung verstanden, die bei der Kombination aus negativem Operator und positivem Operand auftritt. Aufgrund dieser Tatsache vermutet er, dass die Entwicklung von Intensivierern in zwei Schritten abläuft, zuerst die „Übernahme eines Adjektivs über seine adverbiale Funktion in die Intensivierungsrolle“, bei der die wörtliche Bedeutung erhalten bleibt. Danach schließt sich die Konventionalisierung der intensivierenden Lesart an und äußert zugleich im Verblassen der expressiven Bedeutung (Kirschbaum, 2002:76ff). Im Zuge seiner Arbeit erläutert er diese Entwicklung näher. Nicht jede Übernahme eines Adjektivs in die Adverbrolle führt zu einem Sprachwandel. Die Etablierung muss daher in drei Stufen eingeteilt werden: die Kontextvarianz, die Polysemie und die Monosemierung. Kontextvarianz beschreibt den Erhalt der wörtlichen Bedeutung in Adverbfunktion, wobei dies besonders auf das Muster „positive Bewertung steht für Grad“ zutreffe. Das heißt, dass für traumhaft in seinem Beispiel nur positive Operanden in Frage kommen, und umgekehrt für negative Operatoren nur negative Operanden, da sonst der ironische Effekt erzeugt würde. Polysemie hingegen bezeichnet die Beziehung zwischen wörtlicher und intensivierender Bedeutung, die kognitiv über metaphorische oder metonymische Muster erschlossen werden kann. Jede der Funktionen muss jedoch separat erlernt werden, da der Intensivierungbereich über den der Kontextvarianz hinausgeht und die wörtliche Bedeutung verblasst (semantic bleaching). Ein Beispiel hierfür ist weit. Der Begriff „Polysemie“ wird im folgenden Text auch anderweitig verwandt, wenn es um die reinen Bedeutungsvarianten eines Wortes geht. Dies ist der Fall, sofern im Kontext kein eindeutiger Hinweis auf die Einordnung in die Entwicklungsstufen gegeben ist. Die Monosemierung letztendlich wird selten erreicht und bezeichnet das vollständige Verblassen der wörtlichen Bedeutung und die ausschließliche Verwendung in Intensivierungsposition wie beispielsweise das Wort sehr (Kirschbaum, 2002:192-195). Zusammenfassend möchte ich noch einmal die Eigenschaften und Kriterien für die bewertungspositiven Operanden aufzeigen. Definitorisch gibt Kirschbaum an: „ein Objekt ist so POS(A), dass es lobenswert ist“ (Kirschbaum, 2002:145). „POS(A)“ bezeichnet die Positivform des Adjektivs, welches als Operand dient. Zusätzlich haben sie eine Affinität zu bewertungspositiven Operanden. Im Falle eines Operanden außerhalb dieser Kategorie wird ein „clash“, also ein ironischer Effekt, erzeugt. Die Operatoren enthalten eine Expressivität und sind in den Entwicklungsstufen bei der Kontextvarianz einzuordnen. Dementsprechend sollen die folgenden, empirischen Beispiele prüfen, ob es überhaupt Beispiele für die genannte Kombination gibt, und wenn es sie gibt, ob sie tatsächlich nur einen ironischen Effekt haben oder ob die ausgewählten Operatoren vom Jahr 2002 bis zum heutigen Datum eine Desemantisierung erlebt haben und deswegen als polysem eingestuft werden können. Weiterhin sollen Erklärungsversuche von mir gegeben werden, wie die anderen Effekte außerhalb des einzigen, vorhergesagten Effekts der Ironie entstehen.

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Details

Title
Kombinatorik von bewertungspositiven Operatoren mit bewertungsnegativen Operanden bei Adjektiven
Subtitle
Intensivierung im Deutschen
College
University of Leipzig  (Herder-Institut)
Course
Seminar - Entwicklungstendenzen der deutschen Sprache
Grade
1,0
Author
Year
2013
Pages
15
Catalog Number
V279277
ISBN (eBook)
9783656732884
ISBN (Book)
9783656732877
File size
514 KB
Language
German
Notes
Kommentar des Dozenten: "Vielen Dank für diese hervorragende Arbeit"
Keywords
Operand, Operator, Intensivierung, Adjektiv, Kombinatorik, bewertungspositiv, bewertungsnegativ
Quote paper
Tom Reipschläger (Author), 2013, Kombinatorik von bewertungspositiven Operatoren mit bewertungsnegativen Operanden bei Adjektiven, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/279277

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